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Englische Literatur

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Zur Englischen Literatur im engeren Sinn gehören jene literarischen Texte, die innerhalb Englands in englischer Sprache und ihren Vorläufern - Alt- und Mittelenglisch - verfasst wurden. Im weiteren Sinne gehört dazu auch die englischsprachige Literatur anderer Länder, wie z.B. die Anglo-Irische Literatur, Anglo-Waliser Literatur, amerikanische Literatur, schottische Literatur, kanadische Literatur, australische Literatur (siehe auch Englischsprachige Literatur).

Sie umfasst alle Literaturgattungen wie Lyrik, Drama, Epik, Biografien, Briefe, Tagebücher usw..

Zum Verständnis des nachfolgenden Textes ist es wichtig, zu wissen, dass Literatur in zwei unterschiedlichen Formen auftreten kann, nämlich als Vers (engl. verse) und Prosa (engl. prose). Dazu gibt es drei Gattungen: Lyrik, Drama und Erzählliteratur.

Nachfolgende Periodisierung ist in der Anglistik recht verbreitet. Grundsätzlich bedienen sich englische Literaturhistoriker der Regierungszeiten der englischen Könige zur Epocheneinteilung. Bei einigen Epochen, deren Charakter in ganz Mitteleuropa ähnlich war (z.B. Renaissance), empfiehlt es sich, von diesem Schema abzuweichen.

Altenglische Phase (engl. Old English literature) (500–1150 n. Chr.)

  • Lyrik: The Dream of the Rood
  • Dramatik: -
  • Epik: Beowulf

Bis etwa 1150 n. Chr reicht die Phase der der altenglischen Literatur (wobei sich ein Traditionsstrang sogar bis 1250 fortsetzt).

Mittelenglische Phase (engl. Middle English literature) (1150–1500 n. Chr.)

  • Lyrik: Brut
  • Dramatik: Mystery Plays, Morality Plays (Everyman)
  • Epik: Geoffrey Chaucer (Canterbury Tales), Thomas Malory

Die normannische Eroberung von 1066 brachte eine französisch sprechende Oberschicht ins Land, und aus der Verschmelzung von angelsächsischer Volkssprache und französischer Hof- und Adelssprache ging das Mittelenglische hervor. Einer der wichtigsten Unterschiede: Die Flexionsendungen fallen weg, und das ändert in den meisten Fällen die Silbenzahl der Wörter: Aus dem zweisilbigen knightes wird das einsilbige knights, eine für den Vers sehr folgenreiche Entwicklung.

Mit den Klassikern der Mittelenglischen Phase schlagen sich noch heute Heerscharen von Anglistik-Studenten herum, ibs. mit Chaucers Canterbury Tales. Zwar lassen sich die Texte anhand kommentierter Ausgaben inhaltlich leidlich verstehen, doch die Erlernung der Aussprache bereitet meist Probleme. Wer sich dieser Aufgabe annehmen muss, der sei auf die zahlreichen Hörkassetten und CDs verwiesen, die diverse Anbieter in unterschiedlicher Qualität vertreiben. Einzelne Texte lassen sich im Web auch direkt anhören.

In dieser Phase gab es noch keine Dramen im späteren Shakespeareschen Sinne, sondern lediglich die einheimischen Formen des Mystery Play (Dramatisierung biblischer Episoden), des Morality Play (allegorische Darstellung des Kampfes von Tugenden und Sünden um die Seele des Menschen) und des Interlude (höfische Weiterentwicklung des Morality Play mit humanistischem und politischem Inhalt). Hinzu kamen folkloristische Festtraditionen (Maskenzüge, Karneval etc.).

Renaissance (1500–1649 n. Chr.)

  • Lyric: John Donne (vgl. Metaphysische Dichtung), Sir Philip Sidney, Edmund Spenser
  • Dramatik: Ben Johnson, Christopher Marlowe, William Shakespeare
  • Erzählliteratur: John Lyly, Thomas Morus, Sir Philip Sidney

Sir Walter Raleigh ("School of Night")

Die wichtigste politische Veränderung dieser Zeit spiegelt sich in der englischen Renaissance-Literatur wieder: Gegen den hohen Adel und die Kirche gelang es den Tudor-Königen Heinrich VII. (1485-1509) und Heinrich VIII. (1509-1547), eine weitgehende Zentralisierung der Macht am Hofe durchzusetzen. Heinrich VIII machte sich zum Oberhaupt der neuen anglikanischen Kirche und verschenkte großzügig enteigneten Kirchen- und Klosterbesitz an Gefolgsleute und Parteigänger. So schuf er einen Adel, der unbedingt protestantisch und monarchistisch war. Es ist die Weltsicht dieser Schicht, die in den Dramen Shakespeares und anderer Elisabethaner artikuliert wird.

Um den Adel kleinzuhalten, war es Politik der Tudor-Könige, nur Kleinadlige und Bürgerliche zu ihren wichtigsten politischen Beratern und Beamten zu ernennen. Aus diesem Millieu stammt auch ein Großteil der zeitgenössischen Literaten. Der Adel war bereits durch die Rosenkriege (1455-1485) geschwächt und konnte dieser Entwicklung nicht wirklich etwas entgegensetzen.

Von 1559 bis 1603 regierte Elisabeth I. England.

Elisabeth I. von England

Sie führte den Kampf Heinrichs VII., ihres Großvaters, gegen den Katholizismus fort; zugleich förderte sie Musik, bildende Kunst und Literatur. Nach heutiger Einschätzung war sie eine der fähigsten Königinnen, die je einen Thron bestiegen. Während ihrer Regierungszeit erlebte sie eine erstaunliche kulturelle Blüte. Weil Elisabeth I. kinderlos war, erlosch mit ihr das Haus Tudor.

Auf Elisabeth I. folgte James I. (Regierungszeit: 1603-1625), der Sohn von Maria Stuart. Seine Regierungszeit wird in Geschichts- und Literaturwissenschaft als Jacobean Period bezeichnet (vgl. Jacobean Drama).

Zusammenfassend spricht man von der elisabethanisch-jakobäischen Literatur.

Auf James I. folgte Charles I. (Regierungszeit: 1625-1649). Seine Regierungszeit wird als Caroline Period bezeichnet (vgl. Caroline Poetry).

Mit Ende des Mittelalters (ca. 1500 n. Chr.) traten die europäischen Volkssprachen aus ihrer untergerordneten Stellung gegenüber dem Latein heraus. Auch die neuere englische Literatur ist daher naturgemäß viel reicher und vielfältiger als die der früheren Phasen des Alt- und Mittelenglischen.

In den frühen Phasen der europäischen Literatur hatte noch der Vers in allen drei literarischen Gattungen dominiert - in der Lyrik, im Drama und in der Erzählliteratur: Die Illias ist genauso eine Verserzählung wie das Nibelungenlied. Die Begründung hierfür ist einfach: Zu Zeiten, da Geschichten nicht in Büchern gelesen, sondern mündlich überliefert wurden, diente der Vers als Gedächtnisstütze.

Diese Tradition konnte mit der Erfindung des Buchdrucks teilweise aufgegeben werden. In England war es William Caxton, der den Buchdruck einführte. Caxton hatte in Köln von 1471 bis 1472 die Buchdruckkunst erlernt und druckte 1474 als erstes englischsprachiges Buch überhaupt das von ihm selbst aus dem Französischen übersetzte Recuyell of the historyes of Troye des Raoul Le Fevre sowie The game and playe of the chesse, eine Übersetzung des Werkes von Jacobus de Cessolis.

Mit Einführung des Buchdrucks löste sich in England wie anderswo der Vers von der Erzählung. Erzählungen wurden von fortan in Prosa verfasst. In der Lyrik dominierte weiterhin der Vers, ebenso im Drama (vgl. z.B. die Werke William Shakespeares). Erst im 20. Jahrhundert ließ dann auch das Drama den Vers fallen.

In der Erzählliteratur begründete John Lyly mit einem äußerst manirierten Stil den Euphuismus, der z.B. von dem rothaarigen Shakespeare-Hasser Robert Greene (1560?-1592) imitiert wurde.

Zur gleichen Zeit verfasste auch der vollkommenste Hofmann der Epoche, Sir Philip Sidney, seine Werke. In Italien war Sidney von Sonetten im Stil Petrarcas beeindruckt und verfasst später eine eigene Sonettfolge, in der er eine eigene unerwiderte Liebe ausbeutet. Bei ihrer Veröffentlichung 1591 löst sie eine solche Sonett-Manie aus, dass sie auch Shakespeare hinwegschwemmt.

Sidneys Freund Edmund Spenser verfasste das größte epische Gedicht des Zeitalters: Faerie Queen, mit dem Elisabeth I. gemeint ist. Als Spenser das Werk plante, hoffte er, dass sein Onkel Elisabeth heiraten würde.

Bei der Interpretation ibs. elisabethanischer Literatur sollte man unbedingt berücksichtigen, dass die Elisabethaner ein anderes Verständnis von Sprache hatten als wir: Für sie gab es direkte Beziehungen zwischen einem Wort und der von ihr bezeichneten Sache, und die Ähnlichkeit der Wörter wies für sie eine unterirdische Beziehung zwischen den Dingen hin. Auch das Elisabethanische Weltbild sollte man stets im Hinterkopf behalten.

engl. Commonwealth and Protectorate (1649–1660 n. Chr.)

Diese kurze Phase der englischen Literatur ist geprägt durch die Zeit Oliver Cromwells. Cromwell betrieb zuerst 1649 die Enthauptung König Karls I. und dann die Ausrufung der Republik. 1653 nahm Cromwell den Titel Lord Protector an, löste in einem Staatsstreich das Rumpfparlament auf und errichtete eine Militärdiktatur. In diesem Konflikt siegten der Kleinadel, das Bürgertum und die radikalen Protestanten.

In der Zeit Cromwells hatte England zum bisher einzigen Male eine niedergeschriebene Verfassung und stieg weiter zur Weltmacht auf. Jedoch gab es während dieser Zeit auch zahlreiche Diskriminierungen vor allem gegen Katholiken. Cromwell selbst war Puritaner.

Nach Oliver Cromwells Tod 1658 übernahm sein Sohn das Amt und den Titel. Richard Cromwell konnte sich jedoch weder bei der Armee noch bei der Bevölkerung durchsetzen und dankte bereits im Frühjahr 1659 ab. Dies machte den Weg frei für die Restauration des Stuart-Königtums unter Karl II. im Jahr darauf (s.u.).

In der Zeit Cromwells waren öffentliche Theateraufführungen verboten. Daher entstanden in dieser Zeit keine benennswerten dramatischen Werke.

Restauration (engl. Restoration) (1660–1700 n.Chr.)

1660 kam es mit James II. (Regierungszeit: 1685-1688) zu einer Restauration der Stuarts, bei der die Puritaner wieder für lange Zeit aus dem politischen Leben der Nation ausgeschlossen wurden. Doch hielt während dieser restoration der Verfassungskonflikt an.

Der Stuart-König James II. war katholisch geworden, und als er einen Sohn bekam, drohte eine katholische Erbfolge. Daraufhin luden wichtige Magnaten den puritanischen William of Orange ein, den englischen Thron einzunehmen.

James II. wurde abgesetzt (Glorious Revolution von 1688). Im Verlauf des folgenden Verfassungskonflikts bildeten sich die Parteien der Whigs und Tories heraus. Als Bedingung für die Anerkennung seiner Regentschaft durch die whigs musste William die (Bill of Rights) anerkennen, mit der umfangreiche Rechte des Parlaments festgeschrieben wurden. Das Prinzip der Legitimität und des Gottesgnadentums wurde dem Prinzip der parlamentarischen Souveränität geopfert.

Sieger dieses sogenannten Revolutionary Resettlement war das Parlament, das nun ungehindert die Interessen der Landbesitzer und der gentry und von Handel, Gewerbe und Finanzwelt durchsetzen konnte.

Theateraufführungen, unter Cromwell verboten (s.o.), waren nun wieder erlaubt. Es entstand der sehr freizügige Typus der Restaurationskomödie, deren Beliebtheit erst um 1700 massiv abnahm. Zugleich wurde während dieser Zeit erstmals eine Frau professionelle Theaterschauspielerin: Aphra Behn.

Neoklassizismus und Aufklärung (engl. Neoclassicism and (Age of) Enlightenment) (1700–1780 n. Chr.)

  • Lyrik: Thomas Gray, Samuel Johnson, Alexander Pope, Lady Wortley, Montagu
  • Dramatik: Susanne Centlivre, John Gay, Oliver Goldsmith, Eliza Haywood, Richard B. Sheridan
  • Epik: Daniel Defoe, Henry Fielding, Samuel Richardson, Laurence Sterne, Jonathan Swift

Auch bezeichnet als Augustan Age, da viele Autoren die Augustinischen Autoren Virgil und Horaz imitierten.

Das Zeitalter der Aufklärung war geprägt von Turbulenzen, in denen sich die Regierungsmaschine und die Wirtschaftsmentalität der neuzeitlich-bürgerlichen Demokratie herausbilden (Vorabend der französischen Revolution). Die englischen Institutionen wurden zu dieser Zeit zum Vorbild für die Propagandisten der französischen Aufklärung.

In diese Zeit fiel die Regentschaft der letzten Stuart-Königin Anne (1702 - 1714) sowie der Welfenkönige (Haus Hannover) George I. (1714-1727), Georg II. (1727-1760) und Georg III. (1760-1820).

Die ersten Georges waren stärker an ihrem Kurfürstentum Hannover interessiert als an englischer Politik; George I. sprach nicht einmal Englisch und musste sich mit seinem ersten Minister auf Latein verständigen. So bildete sich zur Wahrung der Regierungsfähigkeit das Amt des Premierministers heraus.

Der erste große Premierminister war Robert Walpole, der seine Regierung durch ein System von Korruption und Bestechung sicherte. Das System der Robinocracy (abgeleitet von Walpoles Vornamen) hat für die Literatur eine äußerst wichtige Rolle gespielt: Fast alle wichtigen Schriftsteller der Zeit polemisierten dagegen. Überhaupt muss festgestellt werden, dass fast alle Literaten in Parteienkämpfe verwickelt waren. Streitpunkte waren die Presse- und Redefreiheit und die Veröffentlichung der Parlamentsreden.

Für die Literatur ist entscheidend, dass zum Beginn des 18. Jahrhunderts eine bürgerliche Öffentlichkeit entstand. Damit stellte sich die literarische Produktion grundlegend um: Hatten die Schriftsteller in einer aristokratisch bestimmten Gesellschaft für einen höfischen Geschmack und für den Ruhm adliger Mäzene geschrieben, schrieben sie nun zunehmend für einen bürgerlichen Geschmack und auch für einen Markt. Entsprechend ist dies auch die Zeit, in der die bürgerliche Kunstgattung des Romans entsteht.

Im dieser Zeit wurde 1719 in England der erste realistische Roman der Weltliteratur veröffentlicht: The Life and Surprising Adventures of Robinson Crusoe. Mit diesem Entwicklungsroman erfand der Autor Daniel Defoe den realistischen Stil der detaillierten Schilderung. Die vertrauten Routinehandlungen des täglichen Lebens wirken plötzlich nicht mehr selbstverständlich; es beginnt die Zeit des Realismus und des Romans.

Ebenfalls ein Reiseroman, jedoch in Wirklichkeit ein verkappte politische Satire, ist ein Werk, das nur sieben Jahre später veröffentlicht wurde: Gulliver's Travels von Jonathan Swift (1726). Es führt den Wechsel von der schwarzen Anthropologie des 17. Jahrhunderts zum Optimismus des 18. Jahrhunderts vor.

Samuel Richardson begründete mit den seinerzeit enorm einflussreichen Werken Pamela (1740) und Clarissa (1748) das Genre des Briefromans. Die neuartige Erzählform ermöglichte eine unmittelbarere Darstellung von Gefühlen und Erlebnissen. In beiden Büchern hat sich ein aus dem Bürgertum stammendes, tugendhaftes Mädchen den unzüchtigen Nachstellungen eines sittenlosen Adligen zu erwehren. Clarissa wird als das Grundmodell des Verführungsromans angesehen. Hinter der Geschichte steckt eine Kritik des erstarkenden englischen Bürgertums am Adel und seinen lockeren "französischen" Sitten. Richardson führt den neuen Mythos der Gründung der Ehe auf das Gefühl ein; mit seinen Romanen beginnt das Zeitalter der Empfindsamkeit. Richardsons Figurenkonfiguration (geifernder Adeliger vs. asexuelles, tugendhaftes junges Mädchen) beherrscht die kommenden 150 Jahre die Literatur: In abgewandelter Form findet sich diese Motiv auch in der Romantik bei Jane Austens Stolz und Vorurteil und in der Viktorianischen Phase bei Charlotte Brontes Jane Eyre.

Durch ihre emotionale Ladung verführte diese neue Form von Literatur zum Miterleben; die Geistlichkeit war dennoch sehr einverstanden mit ihr, da die Literatur nunmehr die Tugend verherrlichte.

Auch das Romanschreiben selbst wurde Gegenstand der Romanschreibung; prominentestes Beispiel ist Laurence Sternes humoristischer Roman Tristram Shandy.
siehe auch: Will's Coffee-house

Romantik (engl. Romanticism) (1780–1837 n. Chr.)

  • Lyrik: William Blake, George G. Byron, Samuel T. Coleridge, Percy B. Shelley, William Wordsworth
  • Dramatik: -
  • Epik: Sentimental Novel, Gothic Novel, Jane Austen, Edward Bulwer-Lytton, Maria Edgeworth, Walter Scott, Mary Shelley

Die Literatur der Romantik ist vor dem Hintergrund der epochalen Umwälzungen in Europa zu sehen 1789: Französische Revolution). Es ist die Zeit der Revolutionen, der Königsmorde und des Protests gegen den Schöpfer.

Das letztgenannte Motiv spiegelt sich in einem Trivialklassiker wieder, der noch heute häufig verfilmt wird: Frankenstein (1818). Die Frau des Dichters Shelley, Mary Shelley, verfasste ihn im Alter von 19 Jahren. In Frankenstein erschafft der Ingolstädter Professor Frankenstein ein Monster; fälschlich glauben heute viele, das Monster heiße "Frankenstein" und nicht der Professor.

Als Alternative zur durchgängig subjektiven Perspektive des Briefromans (s.o.) hat Jane Austen in den Romanen Emma und Stolz und Vorurteil die mobile Erzählperspektive entwickelt: Mal erleben wir die Geschichte aus der Perspektive einer wichtigen Figur, mal aus einer Außensicht auf diese Figur. So konnte der Roman von da an psychologische Innenschau und gesellschaftliches Panorama verklammern. Er zeigte auf einmal, wie sich Individuum und Gesellschaft gegenseitig bedingen. So wurde der Roman dominierende Literaturform des 19. und 20. Jahrhunderts, literarische Form der bürgerlichen Gesellschaft.

Das Drama lag im 19. Jahrhundert regelrecht auf dem Totenbett: Es wurde kein bedeutendes Drama geschaffen. Der Grund dafür lag darin, dass sich die Literatur mit dem Roman zunehmend auf die Betrachtung der Innenwelt spezialisiert hatte.

Viktorianische Phase (engl. Victorian era) (1837–1901 n. Chr.)

  • Lyrik: Elizabeth Barrett Browning, Robert Browning, Gerard M. Hopkins, Christina Rossetti, Dante Gabriel Rossetti, Alfred Tennyson
  • Dramatik: Henry Arthur Jones, Arthur Wing Pinero, Oscar Wilde
  • Epik: Charlotte Brontë (u.a. Jane Eyre), Charles Dickens, George Eliot, Elizabeth Gaskell, Robert L. Stevenson, William M. Thackeray, Anthony Trollope, H.G. Wells.

Die lange Regierungszeit der englischen Königin Viktoria (1837–1901) war eine Zeit großer Fortschritte auf technologischem und industriellem Gebiet. Großbritannien errichtete in der ganzen Welt ein umfangreiches Imperium. Dennoch blieben viele Menschen arm. Die Autoren dieser Epoche reflektierten ihre Bedenken, dass der Geist des Menschen durch das Maschinenzeitalter zerstört werden könnte.

Prägendster Autor der viktorianischen Phase war Charles Dickens; einer seiner populärsten Romane war Oliver Twist. Als erster Romancier hat Dickens die Institutionen geschildert, die der Disziplinierung der modernen Gesellschaft dienen: Besserungsanstalten, Büros, Gerichte, Polizeibehörden etc. Und als erster schildert er den mit der staatlichen Bürokratie auftauchenden Typus des Leuteschinders und Aufsehers, der sich mit seinem Sadismus auf die Vorschriften berufen kann. Zugleich bietet die Detailfülle des Dickens'schen Werkes einen Warenhauskatalog moderner Errungenschaften: Er schildert als erster die Eisenbahn, die Polizeibehörde, die Bürokratie, die Schulen, die Parlamentswahlen, die Zeitungen, die Gasbeleuchtung, die Müllbeseitigung, die Friedhofsverwaltung und vieles mehr. Selbst Historiker haben seine Romane als dokumentarische Quelle herangezogen.

Die Brontë-Schwestern schließlich nahmen das früher zur Zeit der Aufklärung von Richardson (s.o.) eingeführte Motiv der weiblichen Tugendhaftigkeit auf (Jane Eyre, Wuthering Heights) und thematisierten ebenfalls Verarmung und soziale Abhängigkeit.

Am deutlichsten, aber dennoch in das Gewand einer Dystopie gekleidet, übte H.G. Wells Kritik an den gegenwärtigen sozialen Verhältnissen: Der überzeugte Sozialist beschrieb in seinem Buch The Time Machine (1885) ein Land, das in dekadent-müßige Eloi (Eliten) und finster-irdische Morlocks (Proletarier) gespalten ist, die nachts aus den Löchern kommen und die Eloi auffressen. Dass Wells' Hauptfigur dieses Land durch eine Zeitmaschine findet, spiegelt den Glauben an den technologischen Fortschritt dieser Zeit wieder. Zu beachten ist, dass Wells seinen ersten Roman im Jahre 1894 veröffentlichte und seinen letzten im Jahre 1941; sein Schaffen deckt also gleich drei Phasen der englischen Literatur ab: die Viktorianische Phase, die Edwardianische Phase und die Moderne.

Ein anderer prägender Autor der Viktorianischen Phase war William Thackeray, dessen Buch Vanity Fair (1847–48) die Umgangsformen und Moral seiner Tage genauestens beschrieb.

Andere Romanautoren wandten sich dem Abenteuer und der Romanze zu: Robert Louis Stevenson schrieb die Piratengeschichte Treasure Island (1881) sowie den mythenschaffenden Roman Dr. Jekyll und Mr. Hyde, jene Geschichte eines Arztes, der durch einen Selbstversuch in zwei Personen gespalten wird, eine gute und eine böse.

Zugleich entdeckt die Literatur ihr Interesse an der Geschichte. So beschäftigt sich Thackerays Roman Henry Esmond mit dem Schicksal der letzten Stuarts. Auch Walter Scott und Robert Lewis Stevenson verfassten historische Romane.

In diese Zeit fallen auch zwei Kinderbuchklassiker: Rudyard Kipling schrieb die Kindergeschichten des Dschungelbuchs (1894/95), und der Oxforder Professor Lewis Carroll verfasste die Nonsensklassiker Alice's Adventures in Wonderland (1865) und Behind the Looking-Glass (1872).

In der Dichtung war Alfred Tennyson führend. In einigen seiner Gedichte geht es um widerstreitende wissenschaftliche und soziale Ideen. Andere beschäftigen sich mit Fragen des Patriotismus.

Robert Browning schrieb dramatische Monolog-Gedichte in Form von Reden imaginärer Charaktäre, wie z.B. My Last Duchess (1842).

Ab den 1880er Jahren wurde das schon totgeglaubte Drama wiederbelebt: Die Autoren machten seine Krise zum Thema. Das, was zuvor Grund für seinen Niedergang gewesen war - nämlich die Schwierigkeit, Gefühl aus der Außenperspektive zu zeigen -, wurde nun dargestellt: Die Unmöglichkeit, Gesellschaft mit den Formen der privaten Kommunikation zu beschreiben, wurde über die Zerrüttung von Intimmilleus demonstriert.

Edwardianische Phase (engl. Edwardian era) (1901–1914 n. Chr.)

  • Lyrik: Thomas Hardy
  • Dramatik: John Galsworthy, G.B. Shaw, John M. Synge, William B. Yeats
  • Epik: Arnold Bennett, Joseph Conrad, E.M. Forster, H.G. Wells

In der Edwardianische Phase regierte in England und Irland der moderne, hedonistische "Spaßkönig" Edward VII. (1901-1910).

Wichtigster "Edwardianer" (Fachbegriff) in der Literatur war E.M. Forster (1879-1970). Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts produzierte der in Cambridge ausgebildete Forster in schneller Folge mehrere Romane: Where Angels Fear to Tread (1905), The Longest Journey (1907), A Room With a View (1908). Eine Sonderstellung nimmt Howards End ein: Hier kontrastiert Forster die Welt von Kultur und Kommerzialismus. Es zeigt, dass die harmonische Verbindung dichotomischer Positionen (prose – passion, culture – materialism, city – country) scheitert.

Weitestgehend wirkt in der Edwardianischen Phase die viktorianische Erzähltradition fort. Dies gilt insbesondere für das Werk von Arnold Bennett, H.G. Wells und das sich in der John Galsworthy. (Die Werke aller drei Autoren ragen über die Edwardianische Phase hinaus bis in die Moderne hinein.)

Arnold Bennett veröffentlichte fast fünfzig Romane; mit dokumentarischer Präzision beschrieb er die Welt der potteries in Staffordshire. Sein Hauptwerk ist die Clayhanger-Trilogie (1910, 1911, 1916). Im Zentrum von Clayhanger steht mit Edwin Clayhanger eine Figur, die durch massive soziale Konditionierung an ihrer Entfaltung gehindert wird.

Der spätere Literaturnobelpreisträger (1932) John Galsworthy schildert in seinem Romanzyklus The Forsyte Saga Aufstieg und Zusammenbruch der Forsytes, einer Familie aus der upper middle class. Galsworthys konventionelle Erzählweise übernimmt dabei fast alle stilistischen Mittel der Viktorianer.

Moderne (engl. Modernism) (1914–1945 n. Chr.)

  • Lyrik: W.H. Auden, T.S. Eliot, Siegfrid Sassoon, Stevie Smith, Dylan Thomas
  • Dramatik: Noël Coward, Sean O'Casey, J.B. Priestley
  • Erzählliteratur: Elizabeth Bowen, Ivy Compton-Burnett, James Joyce, D.H. Lawrence, Virginia Woolf, May Sinclair.

Die Moderne beginnt in England mit dem I. Weltkrieg, in dem sich das seit Beginn des 18. Jahrhunderts regierende Haus Hannover zur Verdunklung seiner deutschen Herkunft in Haus Windsor umbenannte.

Auch ein anderer wichtiger Einschnitt fand in dieser Zeit im Roman statt: der Wechsel zum experimentellen Roman. Seine Merkmale waren unter anderem Multiperspektivität, Fragmentarisierung, Hybridität und die Preisgabe von Linearität und Kausalität sowie die Nutzung der stream-of-consciousness technique.

Ein epochales Werk der Modernen war der experimentelle Roman Ulysses des irischen Schriftstellers James Joyce. Joyce gilt als radikalster Erneuerer: Nie zuvor hatte ein Autor den Leser so restlos in ein anderes Bewusstsein entführt, wo er halbbewusste Erinnerungen, abgeschattete Gedanken und unklaren Empfindungen vermengt mit Bildern, Gerüchen und Geräuschen wahrnimmt. Überhaupt finden wir nirgendwo in der Literatur ein so umfassendes Bild von einem anderen Menschen wie hier. Es ist die plötzliche Erinnerung, die das Wesen der Dinge enthüllt.

Eine weitere Vertreterin des experimentellen Romans war Virginia Woolf, die den Wandel vom traditionellen zum experimentellen Erzählen in mehreren hellsichtigen Essays kommentierte. So bezeichnete sie H.G. Wells als einen "Materialisten" und demonstrierte die Unzulänglichkeit einer Prosa, die nur noch akribisch registriert, die Darstellung seelischer Innenrüme jedoch ausblendet. Es gelte, eine symmetrisch-lineare Erzählweise durch eine solche zu erstzen, die der neuen Lebenssicht ("luminous", "semi-transparent") gerecht wird. In Abgrenzung von den materialists bezeichnete Woolfe Joyce als "spiritualist".

Ebenfalls dem experimentellen Roman zugeordnet wird May Sinclair.

Der traditionelle Roman lebte daneben fort. Er erneuerte sich thematisch und wurde repräsentiert durch D.H. Lawrence, Aldous Huxley Brave New World, Ivy Compton-Burnett und den frühen Graham Greene.

Ebenfalls in dieser Zeit wurde das Genre der modernen Kurzgeschichte (eng. short story erfunden. Ihre Autoren waren zumeist Romanciers. In diesem Genre wurde mit traditionellen Formen der Kurzprosa experimentiert, um eine Ästhetik zu entwerfen, die der Lebenswelt der Modernen gerecht wird. Insbesondere Katherine Mansfield lieferte einen zentralen Beitrag zur modernen europäischen Kurzgeschichte. Auch D.H. Lawrence und Virginia Woolf hinterließen ein Kurzgeschichtenwerk. Und die Kurzgeschichten von Somerset Maugham werden heute als niveauvoller eingestuft als seine Romane.

Nachkriegsphase (engl. Post-war era) / Postmoderne (1945–2004 n.Chr.)

  • Lyrik: Eavan Boland, Wendy Cope, D.J. Enright, Seamus Heaney, Ted Hughes, Philip Larkin, Paul Muldoon, R.S. Thomas
  • Drama: Samuel Beckett, Caryl Churchill, Sarah Daniels, Pam Gems, Sarah Kane, John Osborne, Louise Page, Harold Pinter, Peter Shaffer, Tom Stoppard, Timberlake Wertenbaker
  • Erzählliteratur: Peter Ackroyd, John Banville, Pat Barker, A.S. Byatt, Angela Carter, John Fowles, Kazuo Ishiguro, Penelope Lively, David Lodge, Ian McEwan, Graham Swift, Jeanette Winterson.

Zumindest die Prosa der letzten 50 Jahre ist nach Meinung von Experten kaum sinnvoll zu strukturieren: Zu vielfältig sind Themen und Gestaltungsformen. Es lassen sich jedoch einige zeitgebundene Trends ausmachen.

In den 50er Jahren setzten sich zahlreiche Romane kritisch mit der neokonservativen englischen Klassengesellschaft auseinander. Die jungen, meist männlichen Protagonisten dieser Romane wurden als angry young men bezeichnet, in Rückgriff auf John Osbornes Bühnenstück Look Back in Anger (1956). Vertreter dieser Richtung waren u.a. Alan Silitoe und Iris Murdock sowie John Braine, dessen Roman Room at the Top ein realistisches Porträt des provinziellen Nachkriegsenglands entwirft.

Ebenfalls in den 50er- wie auch in den 60er Jahren wurde die experimentelle Form der modernist novel renoviert. Z.B. entwickelte der spätere Literaturnobelpreisträger William Golding in seinen Romanen ein Menschenbild, das die schuldhafte Verstrickung des Individuums in einer fortschrittsgläubigen Welt zum Thema hat, und verwendete dabei eine Allegorie Erzähltechnik.

Ab den 70er Jahren feierte der feministische Roman, auch Frauenroman genannt, seinen Siegeszug. Themen waren Feminismus, weibliche Sexualität, Eheprobleme und Mütter-Töchter-Beziehungen. Ebenfalls zu dieser Zeit begann das Genre des postkolonialen Nachkriegsromans, der postcolonial novel, zu boomen. Hier setzten sich Autoren mit dem Niedergang des Empire auseinander und reflektierten über die Zeit der Kolonialherrschaft.

Ab den 80er Jahren kam es mit Howard Jacobsons Coming From Behind (1983) zu einem Comeback des Universitätsromans (engl. campus novel.

Seitdem produzieren Romanautoren immer neue Subgattungen. Inhaltlich reagieren sie auf immer neue Zeitströmungen und untergraben etablierte Erzählkonventionen. Bemerkenswert ist die nunmehr ungehemmte Fiktionalisierung von Geschichte, wie sie auch im Spielfilm stattfindet. Dies hat neue Formen wie z.B. das metafiktionales Erzählen hervorgebracht, die aber meist nicht allein stehen, sondern mit realistischen Erzählformen zusammengebracht werden. Ein Beispiel hierfür ist Ian McEwans Roman Atonement (2001).

Siehe auch