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Geschichte Tunesiens

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Die Geschichte Tunesiens und des Maghreb lässt sich etwa zwei Millionen Jahre zurückverfolgen, wobei die älteren Funde allesamt aus dem Nachbarland Algerien stammen. Dabei ähneln die nachfolgenden steinzeitlichen Kulturen denen in Europa, und um 6000 v. Chr. begann auch hier die Durchsetzung der Landwirtschaft gegenüber dem zuvor dominierenden Leben der Jäger und Sammler. Eine Kontinuität der heutigen Berber wird bis in die Zeit um 4000 v. Chr. angenommen, wobei die Austrocknung der zuvor fruchtbaren Saharawüste eine entscheidende Rolle spielte.

Die Phönizier, die um 1000 v. Chr. erste Siedlungen gründeten, verdrängten in einem langwierigen Prozess die Berber von den Küsten, um 600 dominierte die Handelsmetropole Karthago die Entwicklung und sicherte sich ein weitläufiges Hinterland. Dabei geriet sie spätestens um 580 v. Chr. mit den griechischen Kolonisten auf Sizilien in immer wieder aufflackernde Konflikte, die sich an den karthagisch-phönizischen Kolonien im Westen und an der Handelskonkurrenz entzündeten. Ab 264 v. Chr. bekämpften sich Rom und Karthago in drei Kriegen, an deren Ende die afrikanische Stadt 146 v. Chr. vollkommen zerstört wurde.

Wichtige römisch und punische Fundstätten

Gut ein Jahrhundert später wurde die Stadt wieder aufgebaut und bald Hauptstadt der römischen Provinz Africa. Zugleich wurde die Provinz zu einer der wichtigsten Lieferanten für Weizen und Olivenöl nach Rom. Ende des 2. Jahrhunderts lassen sich erstmals christlichen Gemeinden fassen; die afrikanische Kirche brachte wichtige Kirchenväter hervor, darunter Augustinus von Hippo. Dabei verschärften sich soziale Konflikte und der Kolonat, die sich mit Kirchenspaltungen vermischten.

Ab 429 bzw. 439 beherrschten die arianischen Vandalen Nordafrika ein Jahrhundert lang, bis Ostrom die Region ab 533 zurückeroberte. Ende des 6. Jahrhunderts wurde Karthago Hauptstadt eines Exarchats. Um 670 fassten die muslimischen Araber Fuß und setzten sich bis 701 im gesamten tunesischen Gebiet durch. Die Berber bekannten sich zwar nach langen Kämpfen zum Islam, doch zu einer stärker egalitären Auslegung. Im Jahr 800 machte sich die Region unter den Aghlabiden erstmals unabhängig vom arabischen Großreich. Die Berber wurden zunehmend arabisiert.

Den Aghlabiden folgten, zunächst gestützt auf berberische Gruppen, die schiitischen Fatimiden ab 909, doch verlagerten sie im Zuge der Ostexpansion ihren Reichsschwerpunkt nach Ägypten, so dass sich die Region Tunesien unter den berberischen Ziriden erneut unabhängig machte. Auch Sizilien machte sich weitgehend selbstständig und wurde ab 1061 von den Normannen erobert. 1155 kam Tunesien erneut an ein arabisches Großreich, das der Almohaden, deren Herrschaft jedoch 1236 durch die der Hafsiden abgelöst wurde. 1574 übernahm das dominierende Großreich der Osmanen die Herrschaft, doch löste sich diese nach und nach auf, so dass die sogenannte Herrschaft der Beys (1705 bis 1957) sich etablierte, die erst durch Frankreich als Kolonialmacht, wenn auch nicht formal, 1881 abgelöst wurde.

Frankreichs Kolonialherrschaft endete 1956, die der Beys 1957, doch übernahm bald der autoritär regierende Bourguiba, dem 1987 Ben Ali folgte, die Macht in Tunesien. Letzterer wurde 2011 gestürzt und es fanden erstmals freie demokratische Wahlen in Tunesien statt, um eine Verfassungsgebende Versammlung zu bilden. Eine gemäßigt islamistische Partei erhielt dabei die meisten Stimmen.

Urgeschichte

Zu den ältesten Spuren des Menschen zählen in den Maghreb-Staaten etwa 1,75 Millionen Jahre alte Artefakte. Die Fundstätte Aïn el-Hanech (in der archäologischen Literatur meist zu Ain Hanech verkürzt) liegt im Nordosten Algeriens, etwa 12 km nordnordwestlich von El Eulma (von 1862 bis 1962 Saint-Arnaud).[1] Neben Überresten typischer Jagdbeute wie Nashörner und Elefanten fand man vor allem solche von Equus tabeti, einer Pferdeart.[2] Es fanden sich Schlagsteine (cobbles), ganze Splitter (flakes), verschiedene Bruchstücke und retuschierte Werkstücke.[3] Noch älter, nämlich 2,2 Millionen Jahre alt, sind die Funde von Oued Boucherit (auch Ain Boucherit genannt), südlich von Ain el-Hanech.[4] Erste Untersuchungen fanden dort bereits 1931 statt.[5] In Tunesien selbst wurden bisher keine Funde aus dieser frühen Ausbreitungsphase des Menschen gemacht. Ein wichtiger Fundort für die frühe Fauna ist Ain Brimba.[6] Bei einigen Tierarten ließen sich Wanderungen zwischen Südeuropa und Nordafrika nachweisen, doch liegen sie zeitlich vor den frühesten menschlichen Spuren. Daher lässt sich bisher nicht entscheiden, ob die menschlichen Gruppen, die Afrika Richtung Europa verließen, ausschließlich über Westasien, oder auch über das Mittelmeer zogen.[7]

Sidi Zin ist eine der altesten Stätten in Tunesien.[8] Dort fanden sich zwei Faustkeile, eine Reihe von Schabern und Flint, die auf etwa eine Million Jahre datiert wurden.[9] Doch auch im Süden des Landes fanden sich Artefakte aus dieser frühen Phase, wie etwa in Sidi Mansur bei Monastir.

In Nordafrika folgten auf späte Faustkeilkomplexe die Abschlagindustrien, die den südeuropäischen und vorderasiatischen stark gleichen. Auch Blattspitzen, die der späteren Aterian-Tradition angehören, finden sich. Sie endete vor etwa 32.000 Jahren.[10] Dieses Aterian, benannt nach der Fundstätte Bi'r al-'Atir, galt lange als Teil des Moustérien, gilt jedoch inzwischen als spezifische archäologische Kultur des Maghreb, die einen sehr hohen Bearbeitungsstand ihrer Steinwerkzeuge erreichte. Sie gilt als Kultur nomadischer Wüstenjäger. Sie entwickelte einen Griff für Werkzeuge, verband also erstmals verschiedene Werkstoffe zu Kompositwerkzeugen.[11]

Umzeichnung eines Toten, Capsien-Kultur
Fundstätten der iberomaurusischen und der Capsien-Kultur in Nordafrika

Das Ibéromaurusien, eine an der nordafrikanischen Küste verbreitete Kultur, wird nicht mehr dem Neandertaler, sondern dem modernen Menschen zugerechnet. Diese Kultur breitete sich zwischen 15.000 und 10.000 v. Chr. an der gesamten maghrebinischen Küste aus.

Eine Fundstätte bei Gafsa gab dem Capsien seinen Namen, einer Kultur, die etwa zwischen 10.000 und 6000 v. Chr. bestand. Im Süden ist die bedeutendste Stätte Jabal al-Maqta (El-Mekta) 20 km östlich von Gafsa im Süden des Landes.[12] Die Träger dieser Kulturen sind wahrscheinlich bereits die „Libyer“ der historischen Quellen.

Bauern und Hirten (ab etwa 6000 v. Chr.)

Im 6. und 5. Jahrtausend v. Chr. setzte sich die Bodenbearbeitung gegenüber der Wildbeuterei durch. Ob die Träger dieser Kulturen Zuwanderer waren, oder ob es sich um Prozesse kultureller Übernahmen handelt, ist unklar. Dieses Capsien-Neolithikum dauerte bis ins erste vorchristliche Jahrtausend an.

Megalithanlage in Makhtar

Eine Kupfer- oder eine Bronzezeit konnte es in Tunesien mangels Kupfervorkommen nicht geben, daher wurden organische Materialien und Steine länger genutzt. Die Eisenzeit kam also ohne die sonst weit verbreiteten Vorgängermaterialien aus.

Spätestens ab etwa 4000 v. Chr. lassen sich dabei Kulturen von erheblicher Kontinuität nachweisen, die heute als Libyer bzw. deren Vorfahren angesprochen und die lange als Berber bezeichnet wurden. In Algerien fand man große Grabhügel (Tumuli), die, wie in Mzora, einen Durchmesser bis über 50 m hatten, die wahrscheinlich dem ersten vorchristlichen Jahrtausend zuzuweisen sind. Die späteren Tumuli weisen phönizische Einflüsse auf, wenn die Hügel auch auf Libyer zurückgehen.

In Makhtar im zentralen Norden des Landes fanden sich Megalithanlagen, die zwischen dem Beginn des 3. und dem 1. Jahrtausend entstanden.[13]

Phönizier, Karthago (ca. 1000 bis 146 v. Chr.)

Machtsphäre Karthagos
Wohnhäuser auf dem Byrsa-Hügel
Stele in Karthago

Ende des 2. Jahrtausends kamen Phönizier aus Tyros und Sidon nach Tunesien. Sie suchten zunächst Stützpunkte für ihren Handel mit spanischem Silber und Zinn. Von hier ging dennoch der Impuls zur Gründung eines nordafrikanischen Phönizierreichs aus, des Reichs von Karthago.

Möglicherweise bereits um 1100 v. Chr., wie die legendenhafte Überlieferung annimmt, gründeten Phönizier die erste Kolonie namens Utica. Im Jahr 814 v. Chr. gründeten aus Tyros kommende Siedler demnach die Stadt Karthago. Königin Élyssa, die Schwester des Königs von Tyros, Pygmalion, gründete die Stadt. Zur Mitte des 7. Jahrhunderts findet sich eine erste Nachricht bei Timaios von Tauromenion, Karthago habe eine Insel Richtung Spanien besetzt; die ältesten archäologischen Funde stammen von etwa 750 v. Chr. Bei der karthagischen Expansion wurden die Numider von den Küstengebieten abgedrängt. Sousse dürfte im 7. oder 6. vorchristlichen Jahrhundert gegründet worden sein, ebenso wie Mogador und andere Städte.

Karthago gelang es 580 v. Chr., die phönizischen Kolonien im Westen von Sizilien gegen die griechischen Kolonien auf der Insel zu verteidigen. Damit wurde die Stadt zum Bezugspunkt aller Kolonien im westlichen Mittelmeer. Zusammen mit den Etruskern konnte sie zudem die Griechen 540 v. Chr. vor Korsika besiegen und sie damit weitgehend vom Handel mit der iberischen Halbinsel ausschließen. Nachdem Tyros auch noch in persische Hand gefallen war, war Karthago die einzige phönizische Großmacht. Ihr Machtbereich wurde von Cap Bon südwärts ausgedehnt bis zu einer Linie von Sicca Veneria (heute El Kef) an die Küste nach Thaenae. Im 3. Jahrhundert wurde Theveste karthagisch.

Möglicherweise wurde die ursprüngliche Bevölkerung im Kerngebiet versklavt und musste in den Randgebieten Tribute leisten. Eine Kette von Stützpunkten reichte bis an die Atlantikküste, einige von ihnen waren Gründungen Karthagos, wie etwa Hippo Regius, vielleicht auch Tanger. Nach Süden führten Handelswege bis in die Gebiete jenseits der Sahara, die, vermutlich über Zwischenhändler, Waren an die Küste brachten. Mit der Entstehung der hellenistischen Staaten in der Nachfolge Alexanders des Großen expandierte der karthagische Handel ebenfalls ostwärts, und die dortigen Händler saßen in jeder bedeutenden griechischen Stadt.

480 und 410 v. Chr. mischte sich Karthago in die Konflikte zwischen den Griechen auf Sizilien ein, und erlitt im ersteren Fall eine schwere Niederlage bei Himera, im letzteren errang es einen Sieg, der jedoch jahrzehntelange Kämpfe mit Syrakus heraufbeschwor, wie etwa 398-392, 382-375 oder 368 v. Chr. Die Grenze blieb jedoch der Halycus (Platani). 310 griffen die Syrakusaner Karthagos Kerngebiet sogar direkt an, nachdem die griechische Armee in der Schlacht am Himeras besiegt worden war. Ailymas, ein libyscher König, schloss sich den Angreifern unter Agathokles von Syrakus an, der zunächst eine karthagische Armee in Afrika besiegte. 309 erlitt auch die karthagische Armee auf Sizilien eine Niederlage, konnte aber dennoch die Belagerung von Syrakus bis 307 fortsetzen. Zwar besiegte wiederum eine mit Agathokles verbündete etruskische Flotte die Karthager, doch löste sich die Armee des Agathokles nach und nach auf, bis sie kapitulierte. 306 wurde in einem Friedensschluss der status quo wiederhergestellt.

Mit dem Römischen Reich kam es ab 264 v. Chr. zu drei Kriegen. Während des ersten Krieges mussten die Libyer die Hälfte ihrer Ernte an Karthago abgeben, wo sie schon in Friedenszeiten ein Viertel abzuliefern hatten. Daher kam es 241 bis 237 zu einem schweren Aufstand, und die Rebellen kontrollierten den Norden Tunesiens. Auf ihren Münzen erschien auf Griechisch die Inschrift Libyer.

Schon im 6. Jahrhundert herrschten in Karthago die Magoniden, doch lösten die wahrscheinlich immer aus derselben Familie gewählten Könige im 4. Jahrhundert die Sufet ab, die man als Richter bezeichnen könnte, wenn ihre Rechte auch sehr viel weiter gingen. Es wurden jeweils zwei Sufets gewählt, die den vermögenden Klassen entstammten. Die zivilen und die militärischen Aufgaben wurden zunehmend getrennt, aus der Bürgerarmee wurde eine zu jeweiligen Anlässen angeworbene Armee, die nach Ende der Kriegshandlungen wieder entlassen wurde. Im Heer dienten spanische und numidische Truppen, erstere häufig als Reiter, letztere später ebenfalls.

Die Stadtmauern Karthagos waren 35 km lang, im gefährdetsten Abschnitt bis zu 12 m hoch und 9 m dick. Byrsa, die Zitadelle über der Stadt, war ebenfalls stark befestigt. Strabo gibt an, die Stadt habe 700.000 Einwohner gehabt, heute nimmt man etwa 400.000 Einwohner an.

Oberster Gott war Baal Hammon, den die Römer mit Saturn gleichsetzten, und dem vielleicht noch im 3. Jahrhundert v. Chr. Menschenopfer gebracht wurden. Während des 5. Jahrhunderts kam die Göttin Tanit zu immer höherem Ansehen. Gegen diese beiden Hauptgötter fielen Melkart aus Tyros und Eschmun, dem man mit Asklepios identifizierte, weit ab.

Karthago schloss 508 v. Chr. einen ersten Vertrag mit Rom, 348 und 279 weitere; es bestanden keinerlei Konflikte. Als sich jedoch Messina 264 v. Chr. Rom unterstellte, kam es zum Krieg, der bis 241 dauerte. Karthago musste seine Kolonien auf Sizilien abtreten, 238 fielen Sardinien und Korsika an Rom. Karthago begann nun seinerseits den Süden und Osten der iberischen Halbinsel zu erobern. Es konnte mit seinen unter anderen von Hannibal geführten Truppen während des Zweiten Punischen Krieges (218−201 v. Chr.) das Römische Reich mehrmals an den Rand einer Niederlage bringen.

Zweisprachige Inschrift von Thugga in punischer und numidischer Schrift, 2. Jahrhundert v. Chr.

Rom verpflichtete Karthago nach dessen endgültiger Niederlage 201 v. Chr. dazu, seinem Verbündeten Massinissa alles zurückzuerstatten, was ihm oder seinen Vorfahren genommen worden war. Zugleich war es der Stadt verboten, ohne Erlaubnis der Römer einen Krieg zu führen. So riss Massinissa nach und nach ihr Gebiet an sich, Karthago waren die Hände gebunden. Zugleich gab es in Karthago drei Parteien, die sich befehdeten. Eine stand auf römischer Seite, eine auf der numidischen und die dritte war eine Volkspartei.

Immer wieder entschied Rom gegen Karthago. 151 wurde die Partei Massinissas jedoch aus der Stadt geworfen und Karthago griff schließlich 150 v. Chr. zu den Waffen. Sein Heer wurde jedoch von Massinissa geschlagen und von dessen Sohn niedergemacht. Rom verlangte die Räumung der Stadt, was die Karthager ablehnten. Im Dritten Punischen Krieg (149–146 v. Chr.) wurde die Stadt belagert und schließlich gezielt zerstört. Massinissas Sohn und Nachfolger Micipsa unterstützte die Römer in ihren Eroberungskriegen, etwa in Spanien. 116 v. Chr. kam es zu einer Reichsteilung zwischen Jugurtha und Adherbal, doch vier Jahre später ließ Jugurtha seinen Halbbruder hinrichten. 111 v. Chr. kam es zum offenen Krieg mit Rom, der 105 v. Chr. in die Niederlage der Numidier mündete.

Römische Provinz Africa (146 v. bis 439 n. Chr.)

Perseus befreit Andromeda, Mosaik aus Bulla Regia
Amphitheater von Oudna, 30 km südlich von Tunis
Antoninus-Pius-Thermen in Karthago
Das Amphitheater von Thysdrus, der Olivenmetropole

Nach Karthagos Herrschaftsgebiet wurde nun auch ein erheblicher Teil Numidiens der römischen Provinz Africa mit der Hauptstadt Utica zugeschlagen.

Nach dem Sieg Gaius Iulius Caesars über die Pompeianer und damit über Juba I. wurde das Reich der Massylier aufgeteilt. Der östliche Teil Ostmassyliens wurde zu einem Teil der von Caesar neu geschaffenen Provinz Africa nova. Der westliche Teil Ostmassyliens, also die Gegend um Cirta, ging an den Abenteurer Publius Sittius, der das Land an seine Soldaten verteilte und eine römische Kolonie einrichtete, die Colonia Cirta Sittianorum. Bocchus II. von Mauretanien, ein Freund des Sittius und ebenfalls Verbündeter Caesars im Krieg gegen Juba erhielt Westmassylien und Ostmasaesylien, also die Gegend um Sitifis.

44 v. Chr. beschloss Caesar, eine Colonia in Karthago zu gründen, was jedoch erst von Augustus ab 29 v. Chr. umgesetzt wurde. 27 v. Chr. vereinigte Augustus die Provinzen Africa vetus und Africa nova zur Provinz Africa proconsularis. Hauptstadt wurde Karthago.

Africa wurde, neben Ägypten, einer der wichtigsten Lieferanten von Getreide und Olivenöl für Rom, vor allem im 2. und 3. Jahrhundert. Es entstand ein dichtes Netz von Siedlungen, etwa Thugga[14], Sufetula (Sbeïtla), Bulla Regia, Thysdrus (El Djem) oder Thuburbo Majus. Die Provinz war, zusammen mit Numidien, eine verhältnismäßig wohlhabende Provinz. Dort siedelten sich in der Folge der römischen Eroberung Jerusalems und des Aufstands des Bar Kochba (132-135) auch Juden an. Viele Berber wurden Anhänger dieser Religion. Im 2. Jahrhundert war Karthago mit über 300.000 Einwohnern nach Rom, Alexandria und Antiochia die viertgrößte Stadt des Reiches, um 200 war Thysdrus die zweitgrößte Stadt Africas.

Mehrfach wurde die Provinz zu einem bedeutenden Rückhalt für Kaiser und Gegenkaiser, im 5. Jahrhundert dominierender Heerführer. 238 wurde in Thysdrus, wo das größte Amphitheater Nordafrikas entstand, der kaiserliche Statthalter als Gordian I. zum Gegenkaiser ausgerufen. Ihm folgten bis 244 Gordian II. und der III. Unter Kaiser Diokletian wurde die Provinz geteilt, so dass Byzacena im Norden und Tripolitanien im Osten entstanden.

Der Statthalter Romanus, der das Amt des comes Africae von 364 bis 373 bekleidete, galt als besonders korrupt. Folgt man Ammianus Marcellinus, so scheute er sich nicht, sich von der Bevölkerung seiner Provinz dafür bezahlen zu lassen, dass er gegen Stämme vorging, die aus dem Hinterland römische Städte überfielen. 370 oder 372 bis 375 rebellierte der mauretanische Fürstensohn Firmus, gegen den Romanus intrigiert hatte. Gegen Romanus und den rebellierenden Firmus schickte Kaiser Valentinian den in Karthago geborenen Feldherrn Flavius Theodosius, den Vater Kaiser Theodosius' des Großen. Er lehnte die von Firmus angebotene Unterwerfung ab. Nach der militärischen Niederlage nahm sich Firmus das Leben. Romanus konnte in Rom erreichen, dass Theodosius hingerichtet wurde.

375 wurde Gratian Kaiser des Westens. Als er 383 im Kampf gegen den Usurpator Magnus Maximus ums Leben kam, kamen Italien und Africa an Valentinian II., Gratians Halbbruder. 408 lehnte Kaiser Honorius ein Friedensangebot des Westgotenkönigs Alarich ab, woraufhin dieser Rom belagerte, Tributzahlungen erhielt und 409 wieder vor Rom stand. Er drängte den Senat einen Gegenkaiser zu erheben, der Alarich zum Heermeister machte. Dieser verlangte die Provinz Africa für sich.

423 stellte sich der Comes Africa Bonifatius auf die Seite des 425 erfolgreichen Valentinian III., der sich gegen einen Usurpator durchsetzte. Zwar konnte er im Kampf um die Herrschaft im Westreich Flavius Aëtius besiegen, doch starb er an seinen Verletzungen. Wenige Jahre später begannen Vandalen und Alanen, die afrikanischen Provinzen zu erobern.

Christianisierung (ab dem späten 2. Jahrhundert)

Karthago war das Zentrum des frühen Christentums in Nordafrika. Bereits Ende des 2. Jahrhunderts bestand in Karthago eine christliche Gemeinde; die Stadt war aufgrund ihrer Größe neben Rom der wichtigste Bischofssitz in der westlichen Reichshälfte. Im Jahr 180 wurden hier die Scilitanischen Märtyrer hingerichtet, 203 folgten weitere Opfer. In Karthago lehrten Tertullian und Cyprian, so dass sich die Stadt zu einem Zentrum christlicher Gelehrsamkeit entwickelte. Cyprian wurde 258 ebenfalls Opfer einer Christenverfolgung. Mit dem Toleranzedikt von Mailand wurden diese Unterdrückungsversuche beendet, und auch diejenigen, die unter dem Druck der Verfolger nachgegeben hatten, kehrten oftmals in die Kirche zurück.

Dem widersetzten sich die Donatismus, die auf Donatus von Karthago zurückgehen. Er war von 315 bis 355 Primas der Gruppe. Als die römische Kirche die zeitweilig Abgefallenen wieder aufnahm, trennten sich die Donatisten von der Rom nahestehenden Kirche. Eine Gruppierung der Donatisten, die Agonistiker, die Augustinus von Hippo abfällig als „Circumcellionen“, als „Herumtreiber“ bezeichnete, verbanden religiösen mit sozialem Protest und versuchten bis in das 7. Jahrhundert mittels Gewalt ihre Vorstellungen von Gleichheit durchzusetzen.

Auslöser dieser Zuspitzung war ein Kolonenaufstand im Jahr 320. Durch den Konflikt mit den Donatisten, zu deren Verfolgung und Bekehrung sich Augustinus, der 395 bis 430 Bischof von Hippo war, auch staatlicher Gewalt bediente, wurde er zur führenden Figur der africanischen Kirche. Von deren Bedeutung zeugen Ruinen wie die einstige Basilika von Karthago oder die zahlreichen Kirchen, die auf heidnischen Tempeln (wie etwa in Sufetula) erbaut wurden.

Vandalenreich (439 bis 535)

Herrschaftsgebiet der Vandalen und Alanen

429 setzten Vandalen und Alanen von Südspanien nach Afrika über. Einige Berberstämme unterstützten sie, ebenso wie Anhänger des Donatismus, die sie sich Schutz vor der Verfolgung durch die römische Staatskirche erhofften. 435 schloss Rom mit den Vandalen einen Vertrag, worin sie die beiden Provinzen Mauretania Tingitana und Mauretania Caesariensis sowie Numidien erhielten.

Am 19. Oktober 439 eroberten sie unter Bruch des Vertrags Karthago, wobei ihnen die dort stationierte Flotte in die Hände fiel. 442 musste Valentinian III. die geschaffenen Tatsachen anerkennen. Mit Hilfe der Flotte gelang ihnen die Eroberung Sardiniens, Korsikas und der Balearen. Sie plünderten im Jahr 455 Rom. Die Vandalen hingen dem Arianismus an, einer Glaubensrichtung, die auf dem Ersten Konzil von Nicäa zur Häresie erklärt worden war. Besitz der katholischen Kirche wurde beschlagnahmt. Zugleich schottete sich die verhältnismäßig kleine Eroberergruppe von den provinzialrömischen Untertanen ab.

Ein großangelegter Versuch west- und oströmischer Truppen, die Provinzen zurückzuerobern, scheiterte 468, ein zweiter im Jahr 470. 474 garantierte Konstantinopel König Geiserich den Besitz Afrikas und der Inseln.

Schon bald konnten sich die Vandalen nur noch mit Mühe der Angriffe der Mauren bzw. Berber erwehren. Masties machte sich vollständig unabhängig und beherrschte das Hinterland. Er bekämpfte die Arianer und ließ sich möglicherweise zum Kaiser ausrufen. Als sich König Gelimer auf den Thron setzte, wurde dieser von Ostrom als Usurpator betrachtet. 533 landeten oströmische Truppen in Africa. Das Reich der Vandalen ging nach der Schlacht bei Tricamarum unter, bei der sie Truppen unter Führung Belisars unterlagen. Doch erst 546 konnte die Eroberung endgültig abgeschlossen werden.

Ostrom-Byzanz (533 bis 697)

Karthago wurde Sitz eines oströmischen Statthalters und eines Magister militum sowie Sitz der Verwaltung für das kaiserliche Nordafrika. Dieses wurde unter Kaiser Maurikios um 590 als Exarchat von Karthago reorganisiert. Die nordafrikanische Kirche erreichte zudem bereits um 535 die Erneuerung ihrer alten Privilegien. Karthagos Stadtgebiet schrumpfte, auch wenn die Stadt immer noch von erheblicher Bedeutung war. Kaiser Herakleios (610–641) kam durch einen Putsch seines Vaters, des Exarchen von Karthago, gegen Phokas an die Macht. Er zog kurzzeitig in Betracht, die Hauptstadt wegen der Bedrohung Konstantinopels durch das Sassanidenreich und die Awaren nach Karthago zu verlegen. Den Persern war es gelungen, 619 Ägypten zu erobern und bis nach Tripolis vorzustoßen.

Das weitere Hinterland der Provinzhauptstadt entzog sich zunehmend der Kontrolle. Dazu trugen auch Berberaufstände bei, wie 545-547 in der Byzacena, der südlichen Provinz auf dem Gebiet des heutigen Tunesien, 563 in Numidien, der süd- und westlichen Provinz Numidia Zeugitana. Unter Kaiser Justin erlitt eine byzantinische Armee eine Niederlage, 587 standen aufständische Berber vor Karthago. 645 führten schließlich eine konfessionell bedingte Erhebung zur Islamisierung. In diesem Jahr erhob sich der katholische Patrizier Gregorius zum Kaiser gegen den monotheletischen Kaiser in Byzanz, gegen Constans II. Er erlitt gegen die arabischen Invasoren eine Niederlage.

Aus byzantinischer Zeit stammen Münzfunde, wie in Sidi Khélifa, dem einstigen Pheradi Maius, wo ab 2000 gegraben wurde. Fünf der dort gefundenen Münzen entstanden unter Justinian I., sieben unter Justin, eine unter Tiberius und eine unter Maurikios.

Arabische Expansion, Islamisierung (ab etwa 670)

Ribat von Monastir

Die ersten arabischen Vorstöße begannen zwar im Jahre 647, jedoch wurde erst 661 in einer zweiten Offensive Bizerta erobert; die Entscheidung fiel nach der dritten, 670 von Uqba ibn Nafi angeführten Offensive und der Gründung Kairuans. Diese Stadt wurde später zum Ausgangspunkt für die Expeditionen in den nördlichen und westlichen Maghreb. Ostrom-Byzanz erlitt 689 in der Schlacht von Karthago eine weitere, schwere Niederlage, 695 eroberte der Ghassaniden-General Hassan Ibn Numan Karthago. Die Byzantiner, deren Seestreitkräfte den Arabern noch überlegen waren, griffen im nächsten Jahr Karthago an und nahmen es ein, während 697 die Berber unter Damja, die kurz al-Kahina, die Priesterin genannt wurde, die Araber in einer Schlacht besiegten. 698 jedoch eroberten die Araber Karthago erneut und besiegten 701 auch al-Kahina. Bereits 704 begannen sie mit Angriffen auf Sizilien.

Fortan übernahm die nahe bei Karthago gelegene Stadt Tunis die Rolle eines Verwaltungszentrums. Die Ruinen Karthagos dienten jahrhundertelang als Steinbruch für die Bauten in Tunis, Kairuan, Sousse und in anderen Städten.

Nach zähem Widerstand konvertierten die meisten Berber zum Islam, vor allem durch die Aufnahme in die Streitkräfte der Araber; kulturell jedoch fanden sie keinerlei Anerkennung. Im Gegenteil standen ihnen die neuen Herren mit ähnlicher Verachtung gegenüber, wie einst Griechen und Römer ihren Nachbarn, und sie übernahmen auch das griechische Wort Barbar für diejenigen, die ihre Sprache nur unzureichend gelernt hatten. Daher heißen die Imazighen (Singular: Amazigh) noch heute Berber.

In den Ribats wurden religiöse Schulen eingerichtet. Doch schlossen sich zahlreiche Berber der Glaubensrichtung der Charidschiten an, die die Gleichheit aller Muslime unabhängig von ihrer "Rassen-" oder Klassenzugehörigkeit verkündigte.

Das heutige Tunesien blieb eine Provinz der Umayyaden, bis diese 750 von den Abbasiden gestürzt wurden. Noch spielten berberische Familien eine zentrale politische Rolle. Von 767 bis 776 beherrschten die berberischen Charidschiten unter Abu Qurra das gesamte Land. Sie mussten sich jedoch in ihr Königreich Tlemcen zurückziehen.

Anders als die Ostkirchen (Kopten, Syrer, Armenier, Griechen), die unter islamischer Herrschaft fortbestanden, verschwand das nordafrikanische Christentum restlos.

Aghlabiden (800-909), Kotama (ca. 900-911)

Einflussgebiet der Aghlabiden
Eingang zur Großen Moschee von Kairuan, Postkarte, um 1900

Im Jahr 800 übergab der Abassidenkalif Hārūn ar-Raschīd seine Macht über Ifriqiya dem Emir Ibrahim ibn al-Aghlab und übertrug ihm auch das Recht, seine Funktion zu vererben. Damit wurde die Aghlabiden-Dynastie gegründet, die Ostalgerien, Tunesien und Tripolitanien beherrschte. Ifriqiya und vor allem Kairuan und seine Große Moschee wurden ein Mittelpunkt islamischer Kunst und Kultur. 827 begannen die Aghlabiden mit der Eroberung Siziliens, 831 fiel Palermo. Doch erst 872 fiel Agrigent, 870 Malta, 902 Taormina.

Im Jahr 876 verlegten die Aghlabiden ihre Hauptstadt nach Raqqada, rund 10 km südlich von Kairouan, wo sich ihre Sommerresidenz befand. Um 896 verlegten sie ihren Hof nach Tunis.

Wohl bereits in byzantinischer Zeit hatten sich Berberverbände zu größeren Herrschaftsgebieten zusammengefunden, deren Führer als Könige bezeichnet wurden. Vor allem den Kotama oder Kutama gelang es, die Nachbarstämme an sich zu binden. Sie eroberten 902 Mila, 904 Sétif, 905 folgten Tobna und Bélezma, 909 gelang ihrem Führer Abu Abd Allah asch-Schiʿi (893-911) schließlich die Eroberung von Kairuan und Reqqada. Schließlich griffen sie weit nach Westen Richtung Sidschilmasa aus, und befreiten den dort gefangen gehaltenen Schiitenführer Ubaid Allah al-Mahdi aus der Gefangenschaft. Beide Führer strebten jedoch nach der weltlichen Herrschaft, während der Berberführer für seinen Verbündeten nur die geistliche Führerschaft vorgesehen hatte. In einem blutigen Umsturz wurde die Berberherrschaft am 18. Februar 911 beseitigt, ihre Führer ermordet. In der Folge intensivierte sich die Arabisierung.[15] Das Aghlabiden-Emirat verschwand also innerhalb von 15 Jahren (893–909) durch die Aktivitäten des proselytischen Ismailiten Abu Abd Allah asch-Schiʿi.[16] Die neuen Herrscher übernahmen große Teile des aghlabidischen Herrschaftsapparats.

Fatimiden (909 bis etwa 972)

Im Dezember 909 rief sich Ubaid Allah al-Mahdi zum Kalifen aus und gründete damit die Fatimiden-Dynastie (bis 1171). Gleichzeitig erklärte er die sunnitischen Umayyaden und die Abbasiden zu Usurpatoren. Der Fatimidenstaat breitete seinen Einfluss auf ganz Nordafrika aus, indem er die Karawansereien und damit die Handelswege mit dem transsaharischen Afrika unter seine Kontrolle brachte. Seit 911 hatten sie die Berber, vor allem die Kutama, als Rivalen um die Vorherrschaft in Ifriqiya beseitigt.

Unter Al-Qa'im bi-amri 'llah, dem Sohn und Nachfolger des Dynastiegründers begannen Expansionsversuche Richtung Ägypten, doch scheiterten sie 914–915 und 919–921 im Kampf gegen die Abbasiden.

Eine letzte große Revolte des charidschitischen Banu Ifran-Stammes unter Abu Yazid wurde nach vier Jahren im Jahr 947 niedergeschlagen. Sie hatten große Teile des Reichs erobert, doch zerbrach ihre Koalition bei der Belagerung von al-Mahdiya. Der dritte Fatimidenkalif Ismail al-Mansur verlegte die Hauptstadt wieder nach Kairuan und ließ die verbliebenen Gebiete Siziliens erobern. Die dort herrschenden Kalbiten machten sich jedoch zunehmend unabhängig, erst Recht, nachdem die Fatimiden Ägypten erobert hatten.

Nachfolger des bereits 946 verstorbenen zweiten Fatimidenherrschers wurde Ismail al-Mansur (946-953). Mit Hilfe der berberischen Ziriden konnte er die Banu Ifran unterwerfen. Danach nahm er den Beinahmen „al-Mansur“ an. Abermals entstand bei Kairuan mit al-Mansuriya eine neue Residenz.

Der vierte Fatimidenkalif, dessen Machtschwergewicht in Tunesien lag, wurde Abu Tamim al-Muizz (953-975). Ab 955 bekämpfte er im Westen die Berber und die iberischen Umayyaden. Die Eroberung des Nordwestens Afrikas konnte 968 abgeschlossen werden, 967 einigte man sich mit Byzanz auf einen Waffenstillstand. So gelang es den Fatimiden, erleichtert durch innere Krisen in Ägypten und auf der arabischen Halbinsel, die Reiche der Abbasiden und der Ichschididen ab 969 zu erobern. Nach zeitweiligen Eroberungen in Syrien verlegten die Fatimiden ihre Residenz in das neu gegründete Kairo. Tunesien gehörte abermals einem Reich an, das vom Atlantik bis nach Mekka und Medina reichte.

Fatimidisches Nebenzentrum

972, drei Jahre nachdem die Region vollständig erobert war, verlegte die Fatimiden-Dynastie ihre Basis in östliche Richtung. Schwerpunkt des gewaltig angewachsenen Reiches wurde nun Ägypten, Tunesien lag am äußersten Westrand. Um die dortige Herrschaft zu sichern, legte Kalif Abu Tamim al-Muizz die Herrschaft über Ifriqiya in die Hände von Buluggin ibn Ziri, der die Ziriden-Dynastie gründete.

Ziriden (972 bis 1057)

Die Ziriden erlangten schrittweise die Unabhängigkeit vom Fatimiden-Kalifen, was mit einem kompletten Bruch mit den Fatimiden endete. Diese rächten sich für den Verrat damit, dass sie Beduinenstämme (die Banu Hilal und Banu Sulaym) aus Ägypten mit Eigentumstiteln auf Land in Ifriqiya ausstatteten und gegen die Ziriden ziehen ließen. Kairouan, die Hauptstadt der Ziriden, wurde in der Folge nach fünfjährigem Widerstand erobert und geplündert. 1057 flohen die Ziriden nach Mahdia, während die Eroberer in Richtung des heutigen Algerien weiterzogen. Die Ziriden versuchten danach erfolglos, das inzwischen von den Normannen besetzte Sizilien zurückzuerobern, und 90 Jahre lang versuchten sie, Teile ihres früheren Territoriums zurückzugewinnen. Sie verlegten sich auf Piraterie, um sich am Seehandel zu bereichern.

Diese Migration hat das traditionelle Gleichgewicht zwischen nomadischen und sesshaften Berbern zerstört und zu einer Bevölkerungsdurchmischung geführt. Das Arabische, bis dahin nur von den städtischen Eliten und am Hof gesprochen, begann, die berberischen Dialekte zu beeinflussen.

Gleichzeitig kam es zu ersten Angriffen der aufstrebenden Kommunen Oberitaliens, allen voran Pisas. Ihm gelang es 1016 auf Korsika Fuß zu fassen, 1020 auf Sardinien. 1034 erfolgte ein erster Angriff auf ziridisches Gebiet, dem Angriff auf Sizilien und Mahdia (1063) folgten. Zudem versuchten die Byzantiner 1038 bis 1043 Sizilien zurückzuerobern, was 1061 bis 1091 den Normannen gelang.

Almohaden (1155 bis 1235)

1121 gründete Ibn Tumart eine theologisch fundierte Bewegung, die Almohaden, für die er die Masmuda-Berber gewann. Seinem Nachfolger Abd al-Mumin (1130–1163) gelang die Eroberung von al-Andalus, also der muslimischen Herrschaftsgebiete auf der iberischen Halbinsel 1148. 1149 stürzte er die Dynastie der Almoraviden in Marokko. Die Almohaden eroberten das Reich der Hammadiden in Algerien 1152 und 1155 bis 1160 das der Ziriden. Durch die Umsiedlung arabischer Beduinenstämme von Ifriqiya und Tripolitanien nach Marokko wurde die Arabisierung der Berber beschleunigt.

Seit dem ersten Drittel des 12. Jahrhunderts war Tunesien häufigen Angriffen der Normannen aus Sizilien und Süditalien ausgesetzt. In Ifriqiya führten die Almohaden zunächst einen lang andauernden Kleinkrieg gegen die Anhänger der Almoraviden, wodurch die Wirtschaft im östlichen und zentralen Maghreb ruiniert wurde. Der wirtschaftliche Aufschwung bewirkte, dass das almohadische Jahrhundert dennoch als goldenes Zeitalter des Maghreb in die Geschichte einging, als sich große Städte mit prächtigen Moscheen entwickelten und Wissenschaftler wie Ibn Chaldun wirkten.

Als der minderjährige Yusuf II. al-Mustansir (1213–1224) an die Macht kam, brachen Auseinandersetzungen aus und der Niedergang des Reiches begann. In der sich ausweitenden Anarchie gewannen die arabischen Beduinen an Bedeutung. Bis 1235 verloren die Almohaden die Herrschaft über den Süden der iberischen Halbinsel, Algerien an die Abdalwadiden und Ifriqiya an die Hafsiden.

Hafsiden (1236 bis 1574)

Karte Nordtunesiens von 1535

Wie bereits mehrfach geschehen, beruhte die Ablösung aus dem jeweiligen Großreich auf der Ämtervergabe an eine lokal mächtige Familie, die sich unabhängig machte und eine Dynastie gründete. Die Almohaden legten die Verwaltung Ifriqiyas in die Hände von Abu Muhammad Abdalwahid. Sein Sohn Abu Zakariya Yahya I. löste sein Gebiet 1228 aus dem Almohadenreich und gründete die Dynastie der Hafsiden. Diese Dynastie herrschte von 1236 bis 1574. Die Hauptstadt wurde nach Tunis verlegt, das sich durch den zunehmenden Seehandel schnell entwickelte. 1270 wurde die Stadt Ziel eines folgenlosen Kreuzzugs, den Ludwig IX. von Frankreich führte, der am 25. August in Tunesien starb.

Jüdische Familie in Tunis, Horace Castelli (1825-1889), 1884

Ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts verloren die Hafsiden langsam die Kontrolle über ihr Territorium und gerieten, speziell nach der verlorenen Schlacht von Kairouan (1348) unter den Einfluss der Meriniden des Abu Inan Faris. Die Pest von 1384 traf Ifriqiya mit voller Wucht und trug zum Bevölkerungsschwund seit den Invasionen durch die Banu Hilal bei. Gleichzeitig begannen Mauren und Juden aus Andalusien einzuwandern. Die Spanier unter Ferdinand II. und Isabella I. eroberten die Städte Mers-el-Kébir, Oran, Bejaia, Tripolis und die Algier vorgelagerte Insel. Die Hafsidenherrscher sahen sich genötigt, die Hilfe der Korsarenbrüder Khair ad-Din Barbarossa und Arudsch in Anspruch zu nehmen.

In ihrer Bedrängnis erlaubten die Hafsiden den Korsaren, den Hafen von La Goulette und die Insel Djerba als Basis zu benutzen. Nach dem Tod von Arudsch machte sich sein Bruder Khair ad-Din Barbarossa zum Vasallen des osmanischen Sultans und wurde von ihm zum Admiral des Osmanischen Reiches ernannt. Er eroberte 1534 Tunis, musste sich aber 1535 aus der Stadt zurückziehen, nachdem diese nach dem Tunisfeldzug durch eine Flotte Kaiser Karls V. erobert worden war. Tunis wurde drei Tage lang geplündert.

Damit begann eine von 1535 bis 1574 währende Abhängigkeit von Spanien. Muley Hasan (Al-Hasan ben Muhammad) der Vasall Karls V., den der Habsburger wieder eingesetzt hatte, rächte sich für seine Absetzung an seinen Gegnern. Dies trieb seinem Sohn Mulay Ahmad Verbündete in die Arme, so dass er Mulay Hassan 1542 entmachten und blenden konnte. Mulay Ahmad wurde von Rubens porträtiert.[17] 27 Jahre später wurde er ebenfalls gestürzt und musste nach Spanien fliehen.

Osmanen (1574 bis 1790 bzw. 1881)

Berberische Getreidespeicher (Ghorfas) von Ksar Ouled Soltane in Tataouine aus dem 15. bis 19. Jahrhundert

1574 wurde Tunis wieder von den Osmanen, diesmal unter Führung von Turgut Reis erobert. Tunesien wurde damit eine Provinz des Osmanischen Reiches. Die neuen Herrscher hatten aber wenig Interesse an Tunesien und ihre Bedeutung nahm ständig auf Kosten von lokalen Machthabern ab; es waren nur 4000 Janitscharen in Tunis stationiert. 1590 kam es zu einem Janitscharenaufstand, als dessen Resultat ein Dey an die Spitze der Provinzverwaltung gesetzt wurde. Ihm war ein Bey unterstellt, der für die Verwaltung des Landes und die Steuereintreibung verantwortlich war. Der dem Bey gleichgestellte Pascha hatte nur die Aufgabe, den Sultan zu repräsentieren. 1612 gründete Murad Bey die Dynastie der Muraditen, doch kam es immer wieder zu Kämpfen zwischen Korsaren und Janitscharen um die Vorherrschaft. Die Tätigkeit der Morisken, die aus Südspanien nach Tunesien kamen, sorgte für eine Zurückdrängung des Einflusses beider Gruppen und für eine gewisse wirtschaftliche Prosperität. Dennoch blieben die Summen, die die europäischen Staaten zur Befreiung von Gefangenen als Lösegelder zahlen mussten, von erheblicher Bedeutung.

Herrschaft der Beys (1705 bis 1957)

Am 15. Juli 1705 machte Husain I. ibn Ali sich zum Bey von Tunis und gründete die Dynastie der Husainiden. Unter den Husainiden erreichte Tunesien einen hohen Grad an Selbständigkeit, obwohl es offiziell noch immer osmanische Provinz war. 1756 wurde Ali I. al-Husain von den Söhnen seines Vorgängers gestürzt. Sie eroberten mit algerischer Hilfe Tunis. Neuer Bey wurde Muhammad I. ar-Rashid (1756-1759). Unter Hammuda al-Husain (1782-1814) kam es zu Kämpfen mit Venedig, dann zwischen 1807 und 1812 zum Krieg mit Algerien, der unter osmanischer Vermittlung beendet wurde (ratifiziert 1821).

Karte Tunesiens von 1844, Meyer's Handatlas

Ahmad I. al-Husain, der von 1837 bis 1855 regierte, leitete einen Modernisierungsschub ein. Dieser war von Reformen gekennzeichnet, wie der Abschaffung der Sklaverei und der Annahme einer Verfassung.

Staatsbankrott, französisches Protektorat (1881 bis 1956)

Goldmünze zu 10 Francs von 1891

Wirtschaftliche Schwierigkeiten zwangen die Regierung 1869, den Staatsbankrott zu erklären und eine internationale britisch-französisch-italienische Finanzkommission ins Leben zu rufen. Frankreich vertraute auf die Neutralität Großbritanniens, das verhindern wollte, dass Italien den Seeweg über den Sueskanal unter seine Kontrolle brachte, und auch darauf, dass Bismarck die Aufmerksamkeit Frankreichs von der Elsaß-Lothringen-Frage ablenken wollte.[18][19]

Prozess nach der Djellaz-Affäre, 1911

Einfälle von Plünderern aus der Kroumirie nach Algerien, das bereits seit 1830 französisch war, lieferten Jules Ferry den Vorwand, Tunesien zu annektieren. Im April 1881 drangen französische Truppen in Tunesien ein und eroberten das Land binnen drei Wochen. Am 12. Mai 1881 wurde Bey Muhammad III. al-Husain zur Unterzeichnung des Bardo-Vertrags gezwungen. Aufstände unter Mansour Houch um Kairouan und Sfax einige Monate später wurden unterdrückt. Der Vertrag von La Marsa vom 8. Juni 1883 räumte Frankreich weitreichende Befugnisse in der Außen-, Kriegs- und Innenpolitik Tunesiens ein. Frankreich gliederte das Land in sein Kolonialreich ein und vertrat in der Folge Tunesien auch außenpolitisch. Der Bey musste fast seine gesamte Macht an den Generalresidenten abgeben. Es entstanden Banken und Unternehmen, die landwirtschaftliche Nutzfläche wurde erweitert, 1885 wurden beträchtliche Phosphatvorkommen in der Region Seldja entdeckt. Nach dem Bau einiger Eisenbahnlinien (siehe Geschichte der Eisenbahn in Tunesien) begannen Phosphat- und Eisenerzabbau. Ein zweisprachiges Bildungssystem wurde eingeführt.

Gegen die französische Kolonialherrschaft kam es zu vier Aufständen, deren erster 1915 unter Führung von Mohamed Daghbaji begann, der 1924 hingerichtet wurde. 1930 wehrte sich Tahar Haddad (1899-1935) in seinem Werk über Frauen und die Scharia (al-Ṭāhir Ḥaddād: Imra'atunā fī al-sharī'a wa-al-mujtama', 1930) gegen die seiner Ansicht nach falsche Deutung des Korans, der die Unterdrückung der Frauen verbiete. Er forderte das Verbot des Ganzkörperschleiers, des Verstoßens und der Polygynie und all der Sitten, die die Ursache für die seinerzeitige Rückständigkeit des Landes gewesen seien. Zudem forderte er Bildung und Ausbildung für Mädchen und Schutz vor Zwangsverheiratung.[20]

Holocaust und Zweiter Weltkrieg

Kriegsoperationen der Jahre 1942 und 1943

Frankreich bereitete sich in Tunesien mit Festungsbauten auf den Krieg vor. So entstand 1936 bis 1939 die Mareth-Linie gegen das italienische Libyen. Zunächst unterstand Tunesien jedoch, nachdem das übrige Frankreich von Deutschland besetzt worden war, dem Vichy-Regime, das am 3. Oktober 1940 die dortigen Juden einem neuen Statut unterwarf. Ab dem 30. November wurden sie sukzessive aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen. Ihnen wurde die Behandlung nicht-jüdischer Patienten verboten, ihre Organisationen aufgelöst, ihre Presse unterdrückt - nur Le Petit Matin durfte fortbestehen, gekennzeichnet als jüdische Zeitung. Ein Dekret von 1870, das den algerischen Juden die französische Staatsbürgerschaft eingeräumt hatte, wurde aufgehoben. Danach folgte die Einziehung ihres Vermögens und ihres Besitzes, doch verzögerte die örtliche Verwaltung die Durchführung. 123 der 425 eingetragenen Ärzte im Lande waren Juden. Ihre Zahl wurde auf maximal 5 % reduziert, so dass etwa 100 von ihnen ihre Approbation verloren; später durften sie nach Protesten nur noch Juden behandeln.

Rom verlangte am 22. Oktober 1942 die Schonung der italienischen Juden, häufig Kaufleute aus Livorno, ‚Grana‘ genannt, im Gegensatz zu den ‚Twansa‘.[21] Dabei unterschied man seit dem 19. Jahrhundert auf der einen Seite die beiden Hauptgruppen der Twansa, die als Einheimische galten, die Hebräisch als Sprache der Lithurgie benutzten, und die ihre stark arabisch geprägte Sprache in hebräischer Schrift niederlegten. Die Grana hingegen unterteilten sich in zwei Gruppen, die ‚Alten Livornesen‘ und die ‚Jungen‘. Erstere führten ihre Rechnungsbücher ursprünglich auf Portugiesisch, wurden aber stark arabisiert und italianisiert. Die jungen Livornesen lernten darüber hinaus Französisch und brachten starke italienische Kulturimpulse in die Gruppe der ‚Alten‘.

Neben den Juden lebten zwischen 96.000 und 120.000 Italiener in Tunesien, hinzu kamen 13.000 Malteser. Moncef Bey, der am 19. Juni 1942 den Thron bestieg, hatte keinerlei Interesse, ethnische Konflikte, die durch den Palästinakonflikt auch Tunesien erreichten, zu schüren. Eher war er misstrauisch gegenüber denjenigen, die die französische Staatsbürgerschaft angenommen hatten.

Am 9. November 1942 marschierten jedoch deutsche und italienische Truppen in Tunesien ein, eine Woche später siegten sie in der Schlacht bei Medjez-el-Bab. Damit änderte sich die Lage im Land vollständig. Am 6. Dezember 1942 wurde der Service du travail obligatoire eingerichtet, der für die Zwangsarbeit zuständig war. Rudolf Rahn beanspruchte die „Lösung der Judenfrage“ als seine Zuständigkeit. Es entstand ein System von Arbeitslagern, die von Theo Saevecke organisiert wurden. Über 2500 Juden starben innerhalb eines halben Jahres, auch die Wehrmacht beteiligte sich an Exekutionen. Zu weiteren Massenmorden kam es nur wegen der verschiedenen Interessenlagen Vichys, Italiens und der Führung des Afrikakorps nicht mehr.[22]

Im Tunesienfeldzug besiegten die Alliierten die deutschen Besatzer. Damit war der Afrikafeldzug, der vom 9. September 1940 bis zum 13. Mai 1943 dauerte, beendet. Er hatte seinen Ausgangspunkt in italienisch-britischen Kämpfen an der libysch-ägyptischen Grenze genommen, in die deutsche Truppen auf Seiten der Italiener eingegriffen hatten.

Unabhängigkeitskampf (etwa 1911 bis 1956)

Béchir Sfar
Ali Bach Hamba
Abdeljelil Zaouche

1907 gründeten Béchir Sfar, Ali Bach Hamba und Abdeljelil Zaouche die reformistische Intellektuellenbewegung Jeunes Tunisiens. Sie zeigte ihre Organisationskraft in der Djellaz-Affäre 1911 und im Boykott der Straßenbahn von Tunis 1912. Von 1914 bis 1921 herrschte in Tunesien der Ausnahmezustand einschließlich Verboten gegen die Pressefreiheit. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs wurde von einer Gruppe um Abdelaziz Thâalbi die Destur-Partei gegründet. Sie verkündete nach ihrer Gründung am 4. Juni 1920 ein Acht-Punkte-Programm. Der Anwalt Habib Bourguiba, der in Zeitschriften das Protektoratsregime angegriffen hatte, gründete 1932 zusammen mit Tahar Sfar, Mahmoud Materi und Bahri Guiga die Zeitschrift L'Action Tunisienne, die neben der Unabhängigkeit auch für den Laizismus eintrat. Diese Position führte zur Spaltung der Destour-Partei auf dem Kongress von Ksar Hellal am 2. März 1934. Der islamistische Flügel blieb beim alten Namen Destour, der modernistische und laizistische Flügel nannte sich Néo-Destour. Er verlieh sich eine Organisation nach dem Vorbild europäischer sozialistischer Parteien.

Nach dem Scheitern von Verhandlungen mit der Regierung Léon Blum kam es 1937 zu blutigen Zwischenfällen, die in den Unruhen vom April 1938 gipfelten. Deren Unterdrückung führte dazu, dass der Néo-Destour seinen Kampf in den Untergrund verlegte. 1940 lieferte das Vichy-Regime Bourguiba auf Verlangen Mussolinis an Italien aus. Bourguiba rief jedoch am 8. August 1942 zur Unterstützung für die Alliierten auf. Der Tunesienfeldzug der Alliierten zwang die Truppen der Achsenmächte am 11. Mai 1943 zur Kapitulation am Cap Bon.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Verhandlungen mit der französischen Regierung geführt und Robert Schuman deutete 1950 eine schrittweise Unabhängigkeit Tunesiens an; nationalistische Auseinandersetzungen führten 1951 jedoch zum Scheitern dieser Verhandlungen.

Habib Bourguiba in Bizerta (1952)

Nach der Ankunft des neuen Generalresidenten Jean de Hauteclocque am 13. Januar 1952 und der Verhaftung von 150 Destour-Mitgliedern am 18. Januar begann ein bewaffneter Aufstand. Die Ermordung des Gewerkschafters Farhat Hached durch die kolonialistische Extremistenorganisation La Main Rouge führte zu Kundgebungen, Unruhen, Streiks und Sabotageaktionen. Frankreich mobilisierte 70.000 Soldaten, um die tunesischen Guerilla-Gruppen unter Kontrolle zu bringen. Erst mit der Zusicherung innerer Autonomie durch Pierre Mendès-France am 31. Juli 1954 wurde die Situation entschärft. Am 3. Juli 1955 wurden schließlich von Tunesiens Premierminister Tahar Ben Ammar und seinem französischen Amtskollegen Edgar Faure die französisch-tunesischen Verträge unterzeichnet. Sie wurden vom Kongress des Néo-Destour am 15. November in Sfax angenommen. Am 20. März 1956 erkannte Frankreich die Unabhängigkeit Tunesiens an, wobei es die Militärbasis in Bizerta weiterhin behielt.

Unabhängigkeit (1956), Regierung Bourguiba (bis 1987)

Am 25. März 1956 wurde die konstituierende Nationalversammlung gewählt. Die Néo-Destour gewann alle Sitze, und Bourguiba übernahm den Parlamentsvorsitz. Am 11. April wurde er zum Premierminister ausgerufen. Am 13. August wurde das Personenstandsgesetz erlassen, am 25. Juli 1957 die Monarchie abgeschafft, Tunesien wurde eine Republik. Bourguiba wurde am 8. November 1959 zu ihrem ersten Präsidenten gewählt.

Offizielles Foto von Habib Bourguiba

Am 8. Februar 1959, mitten im Algerienkrieg, bombardierten Flugzeuge der französischen Streitkräfte das tunesische Dorf Sakiet Sidi Youssef.[23] Bei dem Angriff kamen mehr als 70 Bewohner ums Leben, 130 wurden verletzt. 1961 forderte Tunesien die Rückgabe der Militärbasis von Bizerta. Es kam zu einem Krieg (Bizerta-Krise), der, nach den niedrigsten Angaben 632, nach den höchsten 5.000 Tunesier, und 24 oder 27 Franzosen das Leben kostete. Die Basis wurde am 15. Oktober 1963 zurückgegeben.[24]

Nach der Ermordung von Salah Ben Youssef, dem wichtigsten Oppositionellen seit 1955, sowie des Verbots der Kommunistischen Partei am 8. Januar 1963 wurde die tunesische Republik zu einem von der Néo-Destour geführten Einparteienstaat. Im März leitete Ahmed Ben Salah eine sozialistische Politik ein, womit die tunesische Wirtschaft weitgehend verstaatlicht wurde. 1969 wurde Ben Salah jedoch entlassen, nachdem es zu Unruhen wegen der Kollektivierung der Landwirtschaft gekommen war. Tunesien und Libyen sollten 1974 unter dem Namen Arabische Islamische Republik vereinigt werden, doch wurde dieses Projekt bald wieder fallengelassen.

Die Verurteilung Ben Salahs zu einer langen Gefängnisstrafe leitete eine Periode ein, in der der durch Ahmed Mestiri geführte liberale Flügel der mittlerweile in PSD umbenannten Partei die Oberhand gewann. Bourguiba wurde 1975 zum Präsidenten auf Lebenszeit ernannt, der Gewerkschaftsbund UGTT gewann während der Regierung von Hédi Nouira eine gewisse Autonomie, und die Menschenrechtsliga wurde 1977 gegründet.

Zu Beginn der 1980er Jahre geriet das Land in eine politische und soziale Krise, deren Ursachen in Nepotismus und Korruption, in der Lähmung des Staates angesichts der sich verschlechternden Gesundheit Bourguibas, in Nachfolgekämpfen zu suchen sind. 1981 erweckte die teilweise Wiederherstellung des pluralistischen Systems Hoffnungen, die jedoch bereits mit der Wahlfälschung im November desselben Jahres zerstört wurden. Die blutige Niederschlagung der Brot-Unruhen im Dezember 1983, die erneute Destabilisierung der UGTT und die Verhaftung ihres Vorsitzenden Habib Achour trugen zum Sturz des Präsidenten und zum Aufkommen des Islamismus bei.

Regierung Ben Ali (1987 bis 2011)

Am 7. November 1987 setzte Ministerpräsident Zine el-Abidine Ben Ali den Präsidenten mit der Begründung ab, er sei senil. Im Dezember entließ Ben Ali sechs der neun Politbüromitglieder der regierenden Parti Socialiste Destourien (PSD) und ersetzte sie durch Vertraute. Ende 1987 wurden 2500 Gefangene, darunter auch 600 islamische Fundamentalisten freigelassen. Außenpolitisch setzte Ben Ali auf eine engere Zusammenarbeit mit den Maghreb-Staaten und nahm auch die 1985 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen zu Libyen wieder auf.

Ben Ali wurde am 2. April 1989 mit 99,27 % der Stimmen gewählt. Er bekämpfte den radikalen Islamismus; die Ennahda-Partei wurde politisch kaltgestellt, zehntausende Islamisten verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt. Das Regime schränkte Bürgerrechte ein, und weitete dieses Instrument über den Kreis der radikalen Islamisten aus. Laizistische Oppositionellen gründeten 1988 mit dem Pacte national eine Plattform mit dem Ziel, das Regime zu demokratisieren.

In der Präsidentschaftswahl von 1994 wurde Ben Ali mit 99,91 % der Stimmen wiedergewählt, und auch die Wahl vom 24. Oktober 1999 gewann er. Die Verfassungsänderung des Jahres 2002 steigerte noch den Machtumfang des Präsidenten. Am 21. April des Jahres fand ein schwerer Anschlag auf die Al-Ghriba-Synagoge statt, bei dem 21 Touristen starben, 14 davon aus Deutschland. Etwa 30 weitere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt.

1995 unterzeichnete Ben Ali ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union. Seit 2008 ist Tunesien mit ihr assoziiert.

Während der Regierungszeit Ben Alis stieg die Bevölkerungszahl, die sich zwischen 1956 und 2010 auf über 10 Millionen verdreifachte, weiter an, wenn auch verlangsamt, so dass der langfristige Trend der Umwandlung von Wald- in Landwirtschaftsgebiete sich erheblich beschleunigte. Wurden 1922 nur etwa 12.000 km² des Staatsgebiets landwirtschaftlich genutzt, so waren es um das Jahr 2000 bereits 50.000 km². Zwischen 1940 und 2000 ging das Waldgebiet infolgedessen um 60 % zurück, was wiederum die Wildbestände dezimierte.[25]

Sturz Ben Alis und politischer Übergang

Am 4. Januar 2011 starb der 26-jährige Mohamed Bouazizi, ein Gemüsehändler, an den Folgen einer Selbstverbrennung, die er aus Protest gegen seine schlechte Behandlung am 17. Dezember versucht hatte.[26] Protestkundgebungen trugen bald Forderungen nach Presse- und Meinungsfreiheit vor, mischten sich mit Kritik an Korruption und Zensur, an der Kleptokratie in der Umgebung Ben Alis.[27]

Im Januar 2011 verhängte die Regierung eine Ausgangssperre über die Hauptstadt und einige Vororte. Präsident Ben Ali reagierte auf die Jasminrevolution mit der Ausrufung des Ausnahmezustands. Er kündigte zwar Neuwahlen an, floh jedoch am 14. Januar 2011 aus dem Land. Die Amtsgeschäfte wurden vom Verfassungsrat interimistisch auf den Parlamentspräsidenten Fouad Mebazaâ übertragen, nachdem kurzzeitig Premierminister Mohamed Ghannouchi sie geführt hatte.[28] Die unter Ghannouchi gebildete Übergangsregierung kündigte Pressefreiheit und die Freilassung aller politischen Gefangenen an.[29] Am 3. Februar kündigte Interimspräsident Mebazaâ die Wahl einer Verfassunggebenden Versammlung an, die den "endgültigen Bruch" mit dem Ben-Ali-System einleiten sollte.[30]

Die zunächst für Juli geplanten Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung fanden schließlich am 23. Oktober 2011 statt und stellten die ersten freien Wahlen in Tunesien dar.[31] Die meisten Stimmen erhielt dabei die als gemäßigt islamistisch geltende Partei Ennahda.[32] Die Aufgabe der für ein Jahr gewählten Versammlung ist es, Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu organisieren, bis dahin wurde Moncef Marzouki zum neuen Übergangspräsidenten ernannt. Bis zur Ausarbeitung einer endgültigen Verfassung wurde eine Übergangsverfassung abgestimmt.[33]

Literatur

  • Amy McKenna (Hrsg.): The History of Northern Africa, New York: The Rosen Publishing Group 2010.
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  • Gerald Schuster: Die Beduinen in der Vorgeschichte Tunesiens. Die „Invasion" der Banu Hilal und ihre Folgen, Berlin: Schwarz 2006.
  • Katherine E. Hoffman, Susan Gilson Miller: Berbers and Others. Beyond Tribe and Nation in the Maghrib, Indiana University Press 2010.
  • Dexter Hoyos: A Companion to the Punic Wars, John Wiley & Sons 2011.
  • Leslie Dossey: Peasant and Empire in Christian North Africa, University of California Press 2010.
  • Christian Witschel: Zur Situation im römischen Africa während des 3. Jahrhunderts, in: Klaus-Peter Johne, Thomas Gerhardt, Udo Hartmann (Hrsg.): Deleto paene imperio Romano. Transformationsprozesse des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert und ihre Rezeption in der Neuzeit, Steiner 2006, S. 145-221.
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  • Walter Emil Kaegi: Muslim Expansion and Byzantine Collapse in North Africa, Cambridge University Press 2010.
  • Emily Benichou Gottreich, Daniel J. Schroeter: Jewish Culture and Society in North Africa, Indiana University Press 2011.
  • Ramzi Rouighi: The Making of a Mediterranean Emirate. Ifrīqiyā and its Andalusis, 1200-1400, University of Pennsylvania Press 2011.
  • Pierre Grandchamp: Étude d'histoire tunisienne XVIIIe-XXe siècle, Paris 1966.
  • N. Djelloul: Les fortifications cotières ottomans de la Régence de Tunis, Fondation Temimi pour la Recherche Scientifique et l'Information, Zaghouan 1995.
  • Daniel Panzac: Barbary Corsairs. The End of a Legend 1800-1820, Leiden: Brill 2005.
  • Bice Salama: L'insurrrection de 1864 en Tunisie, Tunis 1967.
  • Salvatore Speziale: Oltre la peste. Sanità, popolazione e società in Tunisia e nel Maghreb (XVIII-XX secolo), Cosenza: Pellegrini Editore 1997.
  • Paul Sebag: Tunis. Histoire d’une ville, L’Harmattan, Paris 2000. ISBN 2-7384-6610-9
  • Paul Sebag: Histoire des Juifs de Tunisie. Des origines à nos jours, Paris: L'Harmattan 1991.
  • Harry H. Johnston: A History of the Colonization of Africa by Alien Races, Cambridge University Press 2011.
  • Amor Ben Hamida: Chronik einer Revolution. Wie ein Gemüsehändler einen Präsidenten stürzt, Norderstedt 2011.
  • Laurent Fourchard, Marie-Emmanuelle Pommerolle: Politique Africaine. La Tunisie en révolution ?, Paris 2011 (S. 23-67).

Siehe auch

Anmerkungen

  1. M. Sahnouni, J. de Heinzelin: The Site of Aïn Hanech Revisitid: New Investigations at this Lower Pleistocene Site in Northern Algeria, in: Journal of Archaeological Science 25 (1998) 1083-1101.
  2. John J. Shea, John G. Fleagle, Andrea L. Baden: Out of Africa I: The First Hominin Colonization of Eurasia, 2010, S. 193.
  3. Die Stätte wurde 1947 entdeckt. Vgl. Camille Arambourg: Du Nouveau a l'Ain Hanech, in: Bulletin de la Société d'Histoire Naturelle de l'Afrique du Nord 43 (1952) 152-169.
  4. Zur Vorgeschichte Algeriens vgl. Ginette Aumassip: L'Algérie des premiers hommes, Paris 2001.
  5. Ginette Aumassip: L'Algérie des premiers hommes, Paris 2001, S. 122.
  6. F. C. Howell, G. Petter: Machairodus africanus Arambourg, 1970 (Carnivora, Mammalia) du Villafranchien d’Ain Brimba, Tunisie, in: Bulletin du Musée d’Histoire Naturelle 9 (1987) 97–119.
  7. John J. Shea, John G. Fleagle, Andrea L. Baden: Out of Africa I: The First Hominin Colonization of Eurasia, 2010, S. 36.
  8. E. G. Gobert: Le gisement paléolithique de Sidi Zin, in: Karthago, Bd. 1, Tunis 1950.
  9. Eric Delson, Ian Tattersall, John A. Van Couvering, Alison S. Brooks: Encyclopedia of Human Evolution and Prehistory, New York 2000, S. 473.
  10. J. D. Fage, Roland Anthony Oliver (Hrsg.): The Cambridge History of Africa, Cambridge University Press 1982, S. 266.
  11. J. D. Fage, Roland Anthony Oliver (Hrsg.): The Cambridge History of Africa, Cambridge University Press 1982, S. 262.
  12. Ahmed Moro, Bernard Kalaora: Le désert. De l’écologie du divin au développement durable, Paris 2006, ISBN 2-7475-9677-X, S. 110.
  13. Ghaki Mansour: Le nouveau monument mégalithique de Makthar : Rapport préliminaire, in: REPPAL X (1997) 63-72.
  14. Das punische Mausoleum von Dougga (franz.)
  15. G. Camps: Essai de cartographie culturelle: A propos de la frontière de Numidie et de Maurétanie, in: Claude Lepelley, Xavier Dupuis (Hrsg.): Frontières et limites géographiques de l'Afrique du Nord antique. Hommage à Pierre Salama, Paris 1999, S. 43-70, hier: S. 55.
  16. François Decret: Les invasions hilaliennes en Ifrîqiya, Clio, septembre 2003
  17. Peter C. Sutton, Marjorie E. Wieseman: The Age of Rubens, 1993, S. 235.
  18. Hendrik Lodewijk Wesseling: Teile und herrsche: Die Aufteilung Afrikas 1880–1914, Stuttgart 1999, ISBN 3-515-07543-7, S. 23ff
  19. Philippe Conrad: Le Maghreb sous domination française (1830–1962), Januar 2003.
  20. Richard H. Curtiss: Women's Rights. An Affair of State for Tunisia, in: Suha Sabbagh: Arab Women. Between Defiance and Restraint, Northampton, Massachusetts: Olive Branch Press, 1996, S. 33-40, hier: S. 34.
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  22. Klaus-Michael Mallmann, Martin Cüppers: Halbmond und Hakenkreuz. Das Dritte Reich, die Araber und Palästina, Darmstadt 2006.
  23. Le bombardement de Sakiet Sidi Youssef, in: Jeune Afrique, 5. Februar 2007.
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  26. Erst ständig Bussen, dann eine Ohrfeige in: Tages-Anzeiger vom 21. Januar 2011
  27. Pierre Tristan: Wikileaks Cable: Tunisian Corruption and President Zine el-Abidine Ben Ali [1], Internet-Portal About.com, abgerufen am 15. Januar 2011
  28. Übergangs-Präsident ernannt – Militär greift ein
  29. Regierung will Pressefreiheit und Amnestie RP ONLINE, 17. Januar 2011
  30. Tunesien auf dem Weg zu neuer Verfassung ZEIT ONLINE, 4. Februar 2011.
  31. Tunesien geht zur ersten freien Wahl. In: Spiegel Online. 23. Oktober 2011, abgerufen am 19. Januar 2012.
  32. Islamisten gewinnen mit großem Vorsprung. In: Süddeutsche Zeitung. 28. Oktober 2011, abgerufen am 19. Januar 2012.
  33. Übergangsverfassung in Tunesien verabschiedet. In: RP Online. 11. Dezember 2011, abgerufen am 19. Januar 2012.
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