Protestantismus
Mit dem (ursprünglich politischen) Begriff Protestanten werden im engeren Sinne die Angehörigen der christlichen Konfessionen bezeichnet, die im deutschen Sprachraum durch die Reformation entstanden sind und sich daher vor allem auf Martin Luther und Philipp Melanchthon berufen. Im engeren Sinn sind also nur die lutherischen und einige süddeutsche Kirchen in der reformierten Tradition von Ulrich Zwingli protestantisch, nicht jedoch reformierte Kirchen der calvinistischen Tradition, Anglikaner, Methodisten oder neuere Freikirchen.
Allgemeiner werden diejenigen Konfessionsrichtungen als protestantisch bezeichnet, die sich gegenüber der katholischen Hauptkirche distanzieren wollten und daher zum Beispiel die Autorität des Papstes nicht anerkennen, die korrektere Bezeichnung dafür ist allerdings evangelisch.
Zu den protestantischen Kirchen gehören:
- Evangelisch-lutherische Kirchen (auch "Lutherische Kirche" oder "Lutheraner")
- Evangelisch-reformierte Kirchen (auch "Reformierte Kirche")
- Unierte Kirchen (auch "Evangelisch-unierte Kirche")
Auch die evangelischen Freikirchen zählen sich zum Protestantismus und sehen sich ebenso als "Erben der Reformation". Dazu zählen in Deutschland zum Beispiel die Baptisten, die Methodisten, die Siebenten-Tags-Adventisten.
Die deutschen protestantischen Landeskirchen haben sich zur Evangelischen Kirche in Deutschland, EKD, zusammengeschlossen – ein Ergebnis des Kirchenkampfes.
Geschichte
Der Begriff Protestanten geht zurück auf die Speyerer Protestation der evangelischen Stände auf dem dortigen Reichstag zu Speyer 1529: Sie protestierten gegen die Aufhebung des Abschieds von Speyer 1526, mit dem den Ländern, die Reformationen durchgeführt hatten, Rechtssicherheit zugesagt worden war, und beriefen sich dabei auf die Glaubensfreiheit des Einzelnen. Protestanten waren einige Jahrhunderte lang Opfer von Verfolgung, aus religiösen und politischen Gründen. Weltliche Herrscher fürchteten um die Reichseinheit ihres katholisch durchdrungenen Machtbereichs, wobei der päpstliche Machtbereich als eigener gelten konnte. In einer Anzahl von Kriegen war Protestantismus der mehr oder weniger schwerwiegende Gegenstand, dazu gehören die Hugenottenkriege in Frankreich oder der Dreißigjährige Krieg, der ganz Europa und speziell Deutschland erfasste. Erst mit Augsburger Religionsfrieden 1555 und dem Westfälischen Frieden von 1648 wurde der Protestantismus offiziell anerkannt.
Protestantisch und Evangelisch
Heute werden die Begriffe protestantisch und evangelisch in der deutschen Umgangsgsprache fast austauschbar verwendet, da die deutschen Protestanten der evangelischen Kirche angehören, aber evangelisch ist, genau genommen, der umfassendere Begriff für alle Kirchen, die in der Tradition der Reformation nur die Bibel und nicht kirchliche Tradition als Grundlage haben.
Evangelisch muss von evangelikal unterschieden werden, besonders in Übersetzungen vom/ins Englische(n).
Glaubenslehre und Charakteristiken
Verzicht auf Unwesentliches sowie hohe moralische Ansprüche ("sich der Erlösung würdig erweisen") sind für den Protestantismus prägend. Protestanten lehnen Buße und Ablass ab, da sie glauben, dass nur die göttliche Gnade den Menschen von seinen Sünden erlösen kann. Priesterweihe, Sakramente und Eucharistie wurden abgeschafft und von Anfang an der Gottesdienst in der Landessprache abgehalten, während die Katholische Kirche bis 1963 an der lateinischen Tridentinischen Liturgie festhielt. Der protestantische Gottesdienst ist, im Gegensatz zum Katholizismus, eher sinnenfeindlich, da Pomp, Weihrauch, bunte Priestergewänder und das aufwändige Zeremoniell abgeschafft wurden, um Predigt und Abendmahl in das Zentrum zu stellen, allerdings gingen die Calvinisten hier noch viel weiter (Abschaffung der Orgelmusik etc.). Ebenso sind protestantische Kirchen weniger geschmückt und verziert, öffentlich zelebrierte Religiosität (Wallfahrten, Prozessionen) gibt es kaum, was vieleicht auch der Grund ist, warum sich Karneval fast nur in katholischen Gebieten entwickelte. Dagegen gelten Katholiken im Alltag (vor allem in Bezug auf Sexualität) als viel körper- und sinnenfeindlicher, vor allem die deutschen proetstantischen Kirchen gelten dagegen als liberaler und reformfreudiger.