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Evolutionstheorie

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Evolutionstheorien versuchen, Ursprung, Entwicklung und Vielfalt des Lebens auf der Erde zu beschreiben und zu erklären. Neben der Rekonstruktion des tatsächlichen Verlaufs der Evolution beschäftigen sich Evolutionstheorien besonders mit den Mechanismen, die den Evolutionsprozess bewirken.

Da alle von der Biologie untersuchten Phänomene Wirkung oder Ursache von Evolutionsprozessen sind, tragen auch alle biologischen Teildisziplinen Erkenntnisse bei, die im Rahmen von Evolutionstheorien gedeutet werden. Einige Gebiete sind: Morphologie, Anatomie, Zellbiologie, Biochemie, Verhaltensforschung, Ökologie und Geographische Verbreitung oder Entwicklungsbiologie. Die Geschichte der Evolutionstheorien ist zugleich eine Geschichte der Integration immer neuer Erkenntnisse und Fachgebiete der Biologie.

Einführung

Evolution ist in der Wissenschaft als eine gesicherte Tatsache akzeptiert. Die Evolutionstheorie ist eine wissenschaftliche, komplexe Theorie der Biologie. Beim Begriff Evolutionstheorie stellt sich die Frage, ob Evolution eine Tatsache ist oder nur ein gedankliches Konstrukt, welches eine unter vielen Erklärungsmöglichkeiten für die Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten darstellt. Die Evolutionstheorie ist nicht ein gedankliches Konstrukt, sondern eine Beschreibung von erkannten Gesetzmässigkeiten, auf denen die Evolution beruht. Eine Theorie im wissenschaftlichen Sinn ist die gedankliche Grundlage, um die von uns in der Realität beobachteten Erscheinungen kausal zu erklären (Kausalitätsprinzip), wie z.B. Theorie der Plattentektonik, Theorie der Schwerkraft, Evolutionstheorie, Relativitätstheorie).

Im Gegensatz zu einer Theorie ist eine Lehre die Beschreibung einer (subjektiven) Meinung, wie ein Sachverhalt sein könnte resp. nach Überzeugung der Vertreter einer Lehre sein soll (z.B. die Lehre von der Vorsehung Gottes, Lehre von der Seelenwanderung). Lehren stellen die Meinung einer Gruppe von Menschen als grundlegend dar. Falls Lehrmeinungen nicht verhandelbar sind, werden sie zum Dogma, wie dies für Religionen charakteristisch ist. Sobald Lehren Kausalitäten umschreiben (ursächliche Zusammenhänge, die überprüfbar sind und Vorhersagen ermöglichen), sind sie auch gleichzeitig Theorien (z.B. Abstammungs"lehre"=Evolutionstheorie). Die Evolutionstheorie beschreibt also wissenschaftlich begründete Vorgänge, im Gegensatz zu anderen Erklärungen für Evolutionsvorgänge und für die Herkunft der Lebewesen wie z.B. durch die Schöpfungsgeschichte verschiedener Religionen, den Kreationismus und das Intelligent Design. Auch Aristoteles hatte schon eine Vorstellung von Evolution, allerdings war auch dies lediglich eine Lehre, die aber nicht wissenschaftlichen und kausalen Kriterien entsprach. Da die Evolutionstheorie auf überprüfbaren Fakten beruht, ist es auch nicht möglich, dass es mehrere Arten von Evolutionstheorie gibt. Die oben genannten Evolutions-"Theorien" haben, ausser dem Darwinismus, alle den Charakter von Lehren und basieren nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen.


Der wissenschaftliche Diskurs beschäftigt sich heute im wesentlichen mit den Details und den Rahmenbedingungen der Evolution als Prozess. Grundaussagen der Evolutionstheorie sind:

  • Evolution findet immer statt
  • Evolution ist nicht umkehrbar (Dollosche Regel) (unbeschadet dessen, dass einzelne Strukturen oder Leistungen alte Zustände kopieren können, haben die zugrundeliegenden Gene nicht mehr die selbe Struktur. Siehe den ungenauen Begriff Re-Evolution)
  • Evolution ist nicht zielgerichtet (Es findet also nicht Entwicklung zu einem bestimmten Zweck statt)
  • Die Evolution wirkt auf allen Ebenen der belebten Welt: vom Molekül bis zum Ökosystem

Konzepte der Evolutionstheorie

Schlüsselkonzepte der synthetischen Theorie

Als Teilgebiet der Biologie ist die Evolutionsbiologie eine empirische Wissenschaft, die zum größten Teil auf Beobachtung und Experiment beruht. Sie entwickelt keine Gesetze wie die Physik, sondern Konzepte.

Populationsgenetik

Evolution ist bei Populationen festzustellen, die sich nicht im Hardy-Weinberg-Gleichgewicht befinden, deren Allel- und Genotypenfrequenz sich folglich mit der Zeit ändern.

Evolutionsfaktoren, also Faktoren, die das Hardy-Weinberg-Gleichgewicht stören:

  • Genetische Drift in sehr kleinen Populationen
  • Genfluss zwischen zwei Populationen durch Zu- und Abwanderungen
  • Mutationen verändern den Allel-Bestand einer Population
  • Nicht-zufällige Paarungen (Inzucht, sortengleiche Paarung, "female choice")
  • Natürliche Selektion als Mechanismus der adaptiven Evolution
  • Mutationen und Rekombinationen verursachen die genetische Variabilität
Systemtheorie der Evolution

siehe Systemtheorie der Evolution

Phylogenetische Systematik

Veraltete Konzepte

Konzepte in Diskussion

  • Ansatz der Evolution bei DNA, Individuum, Population oder Art
  • Artbegriff und Artentstehung

Geschichte der modernen Evolutionstheorie

Im Grunde sind auch biologische Evolutionstheorien so alt wie die wissenschaftliche und philosophische Beschäftigung der Menschen mit der Natur und entsprechend vielgestaltig. Die Geschichte der modernen biologischen Evolutionstheorie wird aufgrund ihres Umfangs in einem eigenen Artikel dargestellt.

Einteilung und Entwicklungen

Seit ihrer ursprünglichen Formulierung hat sich die Evolutionstheorie in vielfacher Hinsicht weiterentwickelt. Als direkter Nachfolger der Darwinschen Evolutionstheorie gilt die Neodarwinistische Evolutionstheorie. Sie wurde insbesondere von Ernst Mayr zur Synthetischen Theorie der Evolution weiterentwickelt. Durch die Einbeziehung der informationstheoretisch geprägten Systemtheorie nach Ludwig von Bertalanffy entwickelte insbesondere die Wiener Schule (Rupert Riedl unter anderem ) die Systemtheorie der Evolution.

Auch die Frage, wo die Selektion ansetze, ist Modifikationen unterzogen. So geht die darwinistische Theorie davon aus, dass die Selektion auf der Ebene des Phänotyps ansetze, und die Selektion zum Überleben des bestangepassten Organismus (survival of the fittest) führe. In Abgrenzung davon wurde der Begriff vom "Eigennutz des Gens" (Richard Dawkins: The Selfish Gene, 1976) geprägt, wonach auch Gene, die zu einer Beeinträchtigung der Fortpflanzungswahrscheinlichkeit des Organismus führen, selektiert werden, sofern sie Merkmale hervorrufen, die die Verbreitung dieses Gens unterstützen. Auf diese Weise wird beispielsweise das (scheinbar) altruistische Verhalten in vielen Bereichen der Biologie erklärt, wie beispielsweise das Verhalten der Arbeiterinnen bei verschiedenen sozial organisierten Insekten (vor allem Ameisen), die auf den eigenen Fortpflanzungserfolg völlig verzichten, da sie aus bestimmten genetischen Gründen (Haplodiploidie) mit potentiellen Geschwistern näher verwandt sind als mit potentiellen eigenen Nachkommen.

Aktuell diskutierte Probleme

  • Die Koevolution. Betrachtet man viele Symbiosen, so erscheint es als fraglich, wie die tiefgreifenden Abhängigkeiten von Symbiosepartnern (beispielsweise bei Flechten) entstehen konnten. Ebenso erstaunlich sind die wechselseitigen Anpassungen von Insekten und Blütenpflanzen. Sehr oft hat man aber fossil oder rezent Zwischenstufen gefunden, die die parallele Evolution verständlich machen.
  • Die Evolution der Evolutionsmechanismen. Hier hat die Molekularbiologie in jüngerer Zeit deutlich veränderte Einsichten gebracht. Ging man in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts noch davon aus, dass die DNA-Sequenz direkt das entscheidende Genmaterial darstelle, so haben die Entdeckung der Introns, Exons sowie des Splicings und insbesondere des alternativen Splicings gezeigt, dass die Ursachen der genetischen Variabilität bereits auf molekularer Ebene Evolutionsprozessen unterworfen sind.
  • Die Evolution tiefgreifender Änderungen (Makroevolution), etwa auf der Ebene von Tierstämmen. Solange als Ursachen der Variabilität nur Genmutationen, Chromosomenmutationen, Genommutationen und Rekombination im Zuge der Meiose erkannt waren, war schwer vorstellbar, wie sich bestimmte Merkmale ohne Zwischenstufen ohne eigenen Selektionsvorteil entwickelt haben könnten. Solche Erscheinungen findet man speziell bei Eukaryonten. Die Entdeckung des alternativen Splicings bei Eukaryonten hat Ende des 20. Jahrhunderts gezeigt, dass DNA-Sequenzen multifunktionell sein und - je nach Splicing - zu unterschiedlichen Proteinen führen können. Zudem codiert ein erheblicher Teil der DNA nicht für Proteine. Auch die Genregulation bringt neue Aspekte in die Evolutionsforschung. So kann es einen Selektionsvorteil darstellen, phylogenetisch alte und nicht zur Proteincodierung benutzte DNA-Sequenzen im Genom zu konservieren, da damit die Ausprägung neuer Merkmale durch verändertes Splicing oder Änderungen der Genregulation weitaus schneller und tiefgreifender sein kann als es durch einen Austausch von DNA-Basen der Fall wäre.

Weitere ausgewählte Probleme, die im Rahmen von Evolutionstheorien behandelt werden, sind

Datierung und Zeitschätzungen (Zeitrahmen der Evolution)

Historische Schätzungen

Die relative Abfolge der Erdzeitalter ist schon lange bekannt, allerdings existierten bis zu Anfang des 20. Jahrhunderts keine direkten Methoden zur absoluten Altersbestimmung. Schätzungen basierten beispielsweise auf Erosionsraten, Sedimentationsraten, Schichtdicken oder Berechnungen der Zeit, die die Erde als physikalischer Körper zum Auskühlen benötigt. Schon für Charles Darwin stellte sich die Frage ob das Alter der Erde für eine Evolution mit den von ihm benannten Mechanismen ausreiche. Ein zu geringes Alter der Erde wäre für ihn ein zentraler Einwand gegen seine Evolutionstheorie. Aus diesem Grund ist es wichtig einen Blick auf die historischen Zeitangaben zu werfen. Der französische Naturforscher Georges-Louis Leclerc de Buffon (1707-1788) veranschlagte für das Alter der Erde 75000 Jahre, das Alter des Menschen nahm er mit 40000 Jahren an. Dies sind die ersten Zahlen, die über die im Mittelalter aufgrund des biblischen Schöpfungsberichtes festgelegten 6000 Jahre hinaus gehen. Fast ein Jahrhundert später legte Darwin sich aufgrund von Erosionsschätzungen auf ein Alter der Erde von 300 Millionen Jahren fest. Der Physiker William Thomson (der spätere Lord Kelvin) schätzte 1862 das Alter der Erde auf 25-400 Millionen Jahre, wobei 98 Millionen Jahre der wahrscheinlichste Wert sei. 1869 erklärte Thomson, dass dieser Zeitrahmen für eine Evolution nach den von Darwin angenommenen Mechanismen zu kurz sei. Auch Haeckel gab, bezogen auf die heute als gültig anerkannten Werte, zu geringe Zeiträume an (siehe Gegenüberstellung).

Moderne Angaben

Moderne Methoden zur absoluten Altersbestimmung basieren auf radioaktivem Zerfall.

  • 1911 datierte Arthur Holmes (1890-1965) den Beginn des Kambriums auf etwa 600 Millionen Jahre, was sehr nahe am heute akzeptierten Wert von 590 Millionen Jahre liegt.
  • Die 1946 eingeführte Radiokarbonmethode ermöglicht die Datierung von Fossilien bis 50.000 Jahren Alter.
  • Fritz G. Houtermans (1903-1966) nutzte 1953 Uran-Blei Isotopenmessungen und berechnete ein Erdalter von 4,5 Milliarden Jahren.
  • Clair Cameron Patterson (1922 - 1995) veröffentlichte 1953 auf einer wissenschaftlichen Konferenz das bis heute akzeptierte Alter der Erde von 4,55 Milliarden Jahren, welches auf der Uran-Blei-Datierungsmethode beruhte.
Vergleich der Erdzeitalter

Gegenüberstellung ausgewählter Zeitangaben:

Erdzeitalter Haeckel 1905 modern
Quartär 0,3 0,01
Tertiär 3 55
Mesozoikum 11 203
Paläozoikum 34 282
Präkambrium 52 3310
Summe 100,3 3850,01

(Angaben in Millionen Jahre)

Derzeit gültige Zusammenstellung der geologischen Zeitskala mit Zeitangaben für die einzelnen Epochen.

Evolutionsfaktoren

Die phylogenetische (stammesgeschichtliche) Veränderung der Organismen wird durch drei Mechanismen erzeugt:

  1. Genetische Variabilität (Genetische Variation): Durch Mutationen und Rekombinationen werden neue Gene und damit neue Eigenschaften erzeugt.
  2. Selektion (Auslese): Diese neuen Eigenschaften werden durch die Umwelt entweder eliminiert oder durch Vererbung an die nächste Generation weitergegeben.
  3. Zufallswirkungen: siehe Gendrift und Gründereffekt. Die Verbreitung von Zufallswirkungen wird unterstützt durch Isolation.

Artbildung (Speziation)

Die Bildung neuer Arten (siehe auch: Artbildung) beruht im Wesentlichen auf reproduktiver Isolation: reproduktiv voneinander isoliert sind Lebewesen, wenn sie nicht in der Lage sind, gemeinsam fortpflanzungsfähige Nachkommen zu zeugen. Dies erfolgt in drei Schritten:

  1. Zwei (selten auch mehrere) Populationen einer Art sind durch Barrieren voneinander getrennt. Normalerweise ist dies eine geographische Isolation, beispielsweise durch geologische (Gebirgsbildung, Grabenbrüche), klimatische Vorgänge oder die Neubesiedlung von Inseln oder anderen abgetrennten Lebensräumen. Eine reproduktive Isolation kann auch durch andere ökologische Faktoren (neue Nahrungsquelle und damit veränderte Mikrohabitate) oder Verhaltensänderungen initiiert werden.
  2. Getrennte Evolution beider Populationen, die zu unterschiedlichen Genpools führt (zum Beispiel durch Mutation oder Gendrift)
  3. Entwicklung genetischer Inkompatibilitäten, die die Vermischung der Arten auch bei Wegfall der Barrieren verhindern sowie von Verhaltensänderungen, die die Kopulation unwahrscheinlich machen.

Die Mechanismen der reproduktiven Isolation lassen sich unterscheiden in

Kritik und Einordnung in den wissenschaftsphilosophischen Rahmen

Exkurs zur Wissenschaftlichkeit der Evolutionstheorie

Die Evolutionstheorie besteht aus Kernaussagen, Indikator- und Hilfshypothesen. Sie entspricht den Minimalanforderungen einer wissenschaftlichen Theorie:

  1. Sie weist innere Widerspruchsfreiheit (interne Konsistenz) auf, enthält also keine logisch widersprüchlichen Aussagen.
  2. Sie ist überprüfbar und logisch falsifizierbar, weist also Schlussfolgerungen auf, deren Negation möglich ist. (Beispiel: Wenn die Evolutionstheorie zutrifft, müssen die Fossilien abgestufter Ähnlichkeit in entsprechender Reihenfolge auftreten. Ein chaotisches oder gleichzeitiges Auftreten würde diese Aussage falsifizieren.)
  3. Sie weist Erklärungsmacht auf und ist damit in der Lage, bislang ungeklärte Sachverhalte zu erklären.
  4. Sie weist äußere Widerspruchsfreiheit auf (externe Konsistenz), fügt sich also in ein Netz naturwissenschaftlicher Theorien ein und wirkt auf diese befruchtend zurück. Beispiele: Paläontologie, Biogeographie, Plattentektonik, Kosmologie, Kernphysik (Zerfallsgesetze, radiometrische Datierung), Chemie, Systemtheorie ...

Bestimmte Beobachtungen haben dazu geführt, die Evolutionstheorie aufzustellen (siehe Darstellung der historischen Entwicklung der Evolutionstheorie).

Weitere, neuere Beobachtungen werden daraufhin geprüft, ob sie durch die Evolutionstheorie hinreichend erklärt werden können. Wenn ja, ist dies eine Bestätigung ihrer Richtigkeit, wenn nein liegen mehrere Gründe und Konsequenzen vor:

  1. Die Beobachtung ist nicht genau genug oder es werden Artefakte beobachtet. Abhilfe erfolgt durch Änderung der Beobachtungsmethode. In manchen Fällen muss abgewartet werden, bis die Beobachtungstechnik und die dafür notwendige Theorie entwickelt worden ist. (Beispiel: Haeckel und das „biogenetische Grundgesetz“)
  2. Das Erklärungsmodell ist noch nicht vollständig oder ungenau und muss noch ergänzt oder präzisiert werden.
  3. Das Modell wird durch die Beobachtung falsifiziert und muss durch ein anderes ersetzt werden (Paradigmenwechsel)

Inzwischen ist die Evolutionstheorie so komplex und wird von so vielen Erkenntnissen auch auf außerbiologischen Gebieten gestützt (Physik, Chemie, Geologie), dass bis heute keine die komplette Theorie falsifizierende Beobachtung gemacht wurde. In der Regel konnten anscheinend widersprüchliche, durch die aktuelle Theorie nicht erklärte Befunde durch Erweiterung der Theorie erklärt werden (Beispiel: Erklärung der Evolution von Altruismus durch die Soziobiologie und Spieltheorie)

Eine Theorie löst aber nicht nur Probleme, sie wirft auch neue Fragen auf, die wiederum nach empirischer und theoretischer Auseinandersetzung verlangen. Dieser Prozess aus neuen empirischen Daten und neuen theoretischen Fragestellungen, und Neuinterpretation alter Daten: im Laufe der historischen Entwicklung der Evolutionstheorie z.B. den Fragen nach den Mechanismen der Vererbung, der Dynamik von Populationen, dem tatsächlichen Verlauf spezifischer Evolutionen wie der Stammesgeschichte des Menschen führt zu einem immer weiter verfeinerten theoretischen Konzept.

Weltanschauliche Bedeutung und Kritik

Die Evolutionstheorie ermöglicht auch die Stellung des Menschen im biologischen System zu verstehen und eine Stammesgeschichte anzunehmen die besonders mittels Fossilien rekonstruiert werden kann. Damit ist die Evolutionstheorie nicht nur für den engen Kreis der Fachbiologen von Interesse. Vertreter des Kreationismus stellen aus religiösen sowie außerwissenschaftlichen Gründen die Evolutionstheorie in Frage.

Weiterentwicklungen

Die Evolutionstheorie mag zwar viele biologische Phänomene erklären, einige stehen jedoch in (scheinbarem) Widerspruch zu ihr. Weiterentwicklungen der Evolutionstheorie versuchen auch diese Widersprüche aufzulösen.

Dazu gehören:

  • Die Evolution der Sexualität
  • Die Evolution des Altruismus
  • Die Evolution der Xenophobie

Ansätze zur Erklärung von problematischen Fragestellungen, insbesondere von Verhaltensweisen und Lebensformen, die sich nicht offensichtlich einem oftmals zu sehr vereinfachtem Evolutionsmechanismus ("Überleben des Stärkeren" vs. "survival of the fittest", "Kampf ums Dasein vs. "struggle for life"), unterordnen lassen, liefern die Soziobiologie und die biologische Spieltheorie. Da diese wissenschaftlichen Paradigmen noch nicht vollständig akzeptiert, verstanden und etabliert sind, müssen sie noch weiter in das Konzept der Evolution eingebunden werden, um die Evolutionstheorie zu vervollständigen. Bisherige Erfahrungen zeigen jedoch, dass sich Ansätze etwa aus der Soziobiologie gut in die synthetische Evolutionstheorie integrieren lassen.

Politische Einflussnahmen

In den USA herrscht gegenwärtig ein heftiger politischer Kampf um die Frage, ob die Evolutionstheorie in den Schulen unterrichtet werden darf. In 20 Bundesstaaten steht dieser Unterricht in Frage. Religiös motivierte Alternativen wie das so genannte intelligente Design, eine moderne Richtung des Kreationismus, sollen durch einflussreiche Gruppen im Schulunterricht verankert werden. US-Präsident George W. Bush hat sich im August 2005 dafür ausgesprochen, dass die Lehre vom "Intelligent Design" als gleichwertig mit der Evolutionstheorie in den Schulen gelehrt werden sollte.

Siehe auch

Literatur

  • Ernst Mayr: Das ist Evolution. C. Bertelsmann-Verlag, München 2003, ISBN 3-570-12013-9 (Der zur Zeit beste allgemeinverständliche Überblick über alle Fragen der Evolutionstheorie, verfasst vom berühmtesten Evolutionsbiologen des 20. Jahrhunderts.)
  • Ernst Mayr: Artbegriff und Evolution. Parey-Verlag, Hamburg/Berlin 1967, (Voluminöser Klassiker der Evolutionstheorie für Biologen mit einer Fülle von wissenschaftlich belegtem Dokumentationsmaterial.)
  • Rupert Riedl: Riedls Kulturgeschichte der Evolutionstheorie. Die Helden, ihre Irrungen und Einsichten. Springer-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-540-43668-5
  • Heinrich Meier (Hrsg.): Die Herausforderung der Evolutionsbiologie. 3. Auflage. Piper-Verlag, München 1992 (Serie Piper, Band 997), ISBN 3-492-10997-7
  • Ulrich Kutschera: Evolutionsbiologie. Eine allgemeine Einführung. Blackwell Wissenschafts-Verlag, Parey 2001, ISBN 3-8263-3348-9
  • Mathias Gutmann: Die Evolutionstheorie und ihr Gegenstand. Beitrag der Methodischen Philosophie zu einer konstruktiven Theorie der Evolution. Verlag für Wissenschaft und Bildung, Berlin 1996 (Studien zur Theorie der Biologie, Band 1), ISBN 3-86135-045-9
  • Richard Dawkins: The Selfish Gene. Reissued in new covers. Oxford University Press, Oxford 1999, ISBN 0-19-286092-5 (dt.: Das egoistische Gen)
  • Richard Dawkins: The Blind Watchmaker. Reissued. Penguin, London u.a. 2000, ISBN 0-14-029122-9
  • David Quammen: Der Gesang des Dodo. Eine Reise durch die Evolution der Inselwelten. Ullstein-Taschenbuchverlag, München 2001, ISBN 3-548-60040-9

Originalarbeiten

Sonstige

Anmerkung: evolutionskritische beziehungsweise kreationistische Links und Literaturhinweise befinden sich im Artikel Kreationismus.