Dorfkirche Schlagsdorf

Die Dorfkirche Schlagsdorf ist eine backsteingotisches zweischiffige Hallenkirche in Schlagsdorf im Landkreis Nordwestmecklenburg und die Pfarrkirche der gleichnamigen Kirchgemeinde im Kirchenkreis Wismar der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs.
Geschichte
Die Kirche in Schlagsdorf findet erstmals Erwähnung in der Urkunde von 1194, in der der Bischof von Ratzeburg und das Domkapitel die Aufteilung eines Zehnten festlegten, entsprechend ist sie auch im Ratzeburger Zehntregister von 1230 aufgeführt. Ab 1238 befand sich Schlagsdorf ganz im Besitz des Domkapitels. In der Legende des Bischofs Ludolf heißt es, bei der Überführung seiner Leiche von Wismar nach Ratzeburg 1250 hätten die Glocken der Schlagsdorfer Kirche von selbst geläutet.[1] Die Pastoren unterstanden dem Kapitel. Erst 1570 wurde mit M. Daelingius der erste evangelische Pastor berufen. Als Teil des Fürstentums Ratzeburg gehörten Ort und Kirche seit dem Hamburger Vergleich (1701) zu Mecklenburg-Strelitz.
Von 1793 bis zu seinem Tod 1838 war Friedrich Ludwig Christian Masch Pastor in Schlagsdorf; sein Sohn Gottlieb Matthias Carl Masch wurde 1794 im Schlagsdorfer Pastorat geboren.
Während des Bestehens der DDR lagen Kirche und Gemeinde isoliert im Sperrgebiet.
Baubeschreibung
Ältester erhaltener Bauteil ist das Kirchenschiff, das hier zweischiffig mit drei Säulen in der Mitte ausgeführt ist. Es wurde im romanisch-gotischen Übergangsstil begonnen und Anfang des 13. Jahrhunderts nach dem Vorbild der Vorhalle des Ratzeburger Doms eingewölbt. Die Außenmauern waren allerdings ursprünglich nicht für Gewölbe ausgelegt, was immer wieder zu statischen Problemen geführt hat. Ende des 15. Jahrhunderts wurde der Chor, der zuvor vermutlich als für Lauenburg und Westmecklenburg in der Übergangszeit typischer Rechteckchor (Kastenchor) ausgeführt war, vergrößert und erhielt einen 3/6-Schluss. Anfang des 16. Jahrhunderts entststand der massive, quadratische (6,70 x 6,70 m) Turm. 1623 wurde die Gerwekammer (Sakristei) an der Nordseite des Chors neu erbaut; der entsprechende Anbau an der Südseite, 1619 als Leichenhalle bezeichnet, wurde 1802 völlig erneuert und 1872 zur Sakristei umgebaut. Größere Renovierungen fanden 1795 (Gewölbe, Äußeres), 1797 und 1818 (Turm) und 1872 bis 1875 (durchgreifende Renovierung mit Vergrößerung der Fenster, Vermauerung des Südportals, Öffnung des Westportals, neues Gestühl und Ausmalung) statt. Strukturelle Baumaßnahmen erfolgten nach der Deutschen Wiedervereinigung und sind wegen des damit verbundenen finanziellen Aufwands bis heute nicht abgeschlossen. Insofern sind im Inneren des Süderschiffs vorerst Sicherungsmaßnahmen vorgenommen worden.
Ausstattung
Den mittelalterlichen gemauerten Altartisch ziert seit 1641 ein geschnitztes Retabel von Gebhard Jürgen Titge, der auch den Altar für den Ratzeburger Dom schuf. Das Werk im Knorpelstil zeigt im Zentrum eine Alabaster-Darstellung des Abendmahls Jesu. In den Seitennischen stehen die allegorischen Statuen von Glaube (Fides) und Liebe (Caritas). Im oberen Teil des Altars eine Kreuzigungsdarstellung mit Maria und Johannes sowie Engel mit den Leidenswerkzeugen. Eine Sonne mit Dreieck (Auge der Vorsehung) war wohl erst bei der Renovierung des Altars 1791 dazugekommen; bei der letzten Restaurierung 2006, die durch die Stiftung Kirche im Dorf ermöglicht wurde, wurde sie durch die ursprüngliche Inschrifttafel ersetzt, ebenso wie die Einsetzungsworte der Predella wieder sichtbar wurden.[2]
Die Kanzel zeigt spätbarocke Formen, die Evangelisten und Christus als Salvator sowie Inschriften aus Bibelversen; sie wurde 1703 gestiftet, der Stiftervermerk findet sich auf der Tür vor der Treppe zur Kanzel.
Die bronzene Tauffünte ist aus im Dreißigjährigen Krieg zerstörten Glocken 1652 neu gegossen worden. Den von den vier Evangelisten getragenen Kessel zieren Halbreliefs der 12 Apostel zwischen Schrift- und Schmuckbändern. Gitter und Deckel, die früher dazugehörten, habe sich nicht erhalten.
Zwei Lübecker Messing-Kronleuchter wurden 1651 und 1669 geschenkt.
Noch aus gotischer Zeit stammen ein Beld, ein Sammelbrett mit dem Relief des Evangelisten Lukas, sowie ein Geweihleuchter mit einer Statue des Heiligen Georg mit dem Drachen zwischen zwei Hirschstangen.
-
Altar (1641)
-
Altar:Hauptbild
-
Kanzel (1703)
-
Bronzefünte (1652)
Orgel
In einem Gehäuse von 1742 befand sich ein Orgelwerk von Emanuel Kemper aus dem Jahr 1922. Es wurde 1990 durch ein Werk der Werkstatt Wolfgang Nußbücker (II/P/13) ersetzt.[3]
Glocken
Die Kirche hatte 1913 vier Glocken, von denen die kleinste für Rüstungzwecke im Ersten Weltkrieg abgeliefert werden musste. Diese Cymbel- oder Klingelglocke unbekannten Alters, die im Dreißigjährigen Krieg geplündert, aber wiedergefunden worden war, hatte einen Durchmesser von 37 cm und eine Höhe von 35 cm; ihr Gewicht betrug 100 Pfund, und sie war bei Kindtaufen gebraucht worden.
Die größte Glocke war 1649 von Stephan Wollo und Nicolaus Gage, reisenden Glockengießern aus Lothringen, auf dem Schlagsdorfer Kirchhof gegossen worden. Diese gossen auch das Taufbecken. Die Glocke hat einen Durchmessee von 1,36 m und eine Höhe von 1,17 bei einem Gewicht von 13 Schiffspfund (3640 Pfund). Sie ist mit einem Fries geschmückt, der abwechselnd aus zwei sich zugekehrten Flusspferden mit Blumenvase zwischen sich und zwei sich zugekehrten Pelikanen auf dem Nets mit Jungen gebildet wird.
Die zweite Glocke, die auch als Uhrglocke dient, stammt aus dem Jahr 1578. Sie wurde von Brun Hemminckhusen und Hermann Paßmann in Lübeck gegossen und verwendet Ornamente, die sich auch auf Glocken von Hinrik van Kampen und Gerhard van Wou finden. Eine zweizeilige Inschrift nennt die Stifter und zeigt das Wappen des Dompropsten Bernhard von Dannenberg sowie die Hausmarken der Gießer. Bei einem Durchmesser von 1,23 m ist sie 0,97 m hoch, die Henkel ihrer Krone sind mit Engelsköpfen geschmückt.
Die dritte Glocke ist ein besonderes Kuriosum. Es handelt sich um eine ursprünglich russische Glocke, die 1559 für den Neubau der Nowgoroder Kirche der Vierzig Märtyrer gegossen wurde. Sie misst 0,89 m im Durchmesser, ist 0,82 m hoch und hat ein Gewicht von 1358 Pfund. Sie kam 1617 zusammen mit einer anderen nach Schlagsdorf, die bald sprang und 1649 zum Guss der Großen Gocke mit verwendet wurde, vom Lübecker Kaufmann Peter Gobers, der auch Besitzer der Kupfermühle in Bäk war und der sie wohl erworben hatte, nachdem Nowgorod im Polnisch-Russischen Krieg von den Schweden zerstört worden war.[4]
-
Große Glocke (1649)
-
Glocke von 1578
-
Russische Glocke (gegossen 1559, seit 1617 in der Kirche)
Turmuhr
Die Turmuhr der Schlagsdorfer Kirche wurde schon 1587 erwähnt. Es handelt sich um eine Ein-Zeiger-Uhr an der Nordseite des Kirchturms. Sie gilt als eine der ältesten funktionstüchtigen Turmuhren im norddeutschem Raum.[5]
Kirchhof und Linde
Rund um die Kirche befindet sich der historische Kirchhof mit einigen alten Grabkreuzen. Auf dem Kirchhof steht die Gerichtslinde, die schon 1518 erwähnt wird, als Herzog Magnus von Sachsen-Lauenburg im Zuge seiner Fehde mit Bischof und Domkapitel unter ihr Gericht hielt und den Einwohnern verbot, dem Kapitel Abgaben zu zahlen. Bei einer Visitation 1589 wurde angordnet, unter der Linde einen Schandpfahl zu errichten, an den die zu einer Kirchenstrafe Verurteilten anzuschließen seien.[6] 1835 mass die Linde an der Wurzel 31 Fuß[7], und 1906 hatte sie einen Stamm-Umfang von 8,50 m.[8]
2011 erhielt der Kirchhof eine neue Urnengemeinschaftsanlage.[9]
Gemeinde
Historisch gehörten zum Kirchspiel Schlagsdorf die Ortschaften Schlagsülsdorf und Thandorf, Schlagsresdorf und Schlagbrügge, Groß und Klein Molzahn, Rieps und Wendorf, sowie am Ratzeburger See Neuhof und Heilige Land, sowie die historischen Lübecker Exklaven Campow und Utecht. Mechow wechselte 1599 von Schlagsdorf nach Ziethen.
Literatur
- Gottlieb Matthias Carl Masch: Geschichte des Bisthums Ratzeburg. F. Aschenfeldt, Lübeck 1835 (Digitalisat)
- Fritz Buddin: Kirche und Herzogslinde in Schlagsdorf (im Fürstentum Ratzeburg). In: Mecklenburg. 8 (1913) S. 52— 53.
- Georg Krüger (Bearb.): Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Freistaats Mecklenburg-Strelitz. Band II: Das Land Ratzeburg, Neubrandenburg 1934; Nachdruck Stock & Stein, Schwerin 1994, ISBN 3-910179-28-2
Weblinks
- Commons: Dorfkirche Schlagsdorf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Literatur über Dorfkirche Schlagsdorf in der Landesbibliographie MV
- Kirchgemeinde Schlagsdorf
- Förderverein zur Erhaltung der Dorfkirche Schlagsdorf e.V.
Einzelnachweise
- ↑ Masch (Lit.), S. 146
- ↑ Siehe das Foto bei Krüger (Lit.) S. 350
- ↑ Krüger (Lit.), S. 355; Mecklenburgisches Orgelinventar, abgerufen am 17. März 2012
- ↑ Angaben zu den Glocken im wesentlichen nach Theodor Hach: Lübecker Glockenkunde. Lübeck: Max Schmidt 1913 (Veröffentlichungen zur Geschichte der Freien und Hansestadt Lübeck 2), S. 169-172; Transskription und übersetzung der russischen Inschrift bei Krüger (Lit.), S. 361
- ↑ Amt Rehna: Kirche von Schlagsdorf
- ↑ Masch (Lit.). S. 535
- ↑ Masch (Lit.), S. 436
- ↑ Wilhelm Christian August Heering: Bäume und Wälder Schleswig-Holsteins: Ein Beitrag zur Natur-und Kulturgeschichte der Provinz. Kiel: Velhagen & Klasing 1906, S. 144 Anm. 1
- ↑ Kirchgemeinde Schlagsdorf, abgerufen am 17. März 2012
Koordinaten: 53° 43′ 48,9″ N, 10° 49′ 24,3″ O