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Tabak (Gattung)

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Tabakfeld
Tabakfeld
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Divisio: Bedecktsamer (Magnoliophyta)
Vorlage:Classis: Dreifurchenpollen-Zweikeimblättrige
(Rosopsida)
Vorlage:Subclassis: Asternähnliche (Asteridae)
Vorlage:Ordo: Solanales
Vorlage:Familia: Nachtschattengewächse
(Solanaceae)
Vorlage:Genus: Tabak
Wissenschaftlicher Name
Nicotina
L.

Tabak (Nicotina spp.) ist eine Pflanzengattung aus der Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae), zu denen auch die Tomate, Kartoffel und Tollkirsche gehören. Heutzutage sind 65 Tabak-Arten bekannt. Sie unterscheiden sich stark in ihren Formen. Gemeinsames Merkmal ist das spezifische Alkaloid Nikotin, das nur Tabakpflanzen in den Blättern produzieren; dadurch ist Tabak eine relativ starke Droge.

Als Nutzpflanze haben nur zwei Arten wirtschaftliche Bedeutung, die zahlreiche Varietäten bilden. Die verbreitetste Art ist der Virginische Tabak (Nicotina tabacum), zu der nahezu alle heute angebauten Sorten gehören. Vereinzelt wird außerdem noch Bauerntabak (Nicotina rustica) angebaut. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Ziertabak-Arten.

Arten

Virginischer Tabak (Nicotina tabacum)

Die bedeutendste Tabakart N. tabacum hat heute mannigfaltige Formen, da sie ursprünglich selbst aus der natürlichen Kreuzung zwischen Waldtabak (N. sylvestris) und filzigem Tabak (N. tomentosa) hervorgegangen ist. Genetisch ist N. tabacum tetraploid, d.h. er verfügt über vier Chromosomensätze. Virginischer Tabak hat rosarote Blüten mit fünf Blütenblättern, wobei sich die übrigen Formen zwischen zwei extremen Varietäten bewegen: Einerseits pyramidenförmig wachsende Pflanzen mit langen, gewinkelten und gewellten Blättern sowie langen Blütenkelchen, andererseits kugelförmig wachsende Varietäten mit breiten, ebenen Blättern und kurzen, glockigen Blütenkelchen. Die wichtigsten der heute über 600 angebauten Sorten können nach Verwendungsart im wesentlichen in folgende Grundtypen unterteilt werden:

  • Virginia: Hochwachsende, breitblättrige Tabaksorten. Überwiegend werden die stark zuckerhaltigen hellen Virginiasorten als Fülltabak für Zigaretten- und Pfeifentabak angebaut. Sie werden heißluftgetrocknet und können somit vier Tage nach der Ernte verarbeitet werden. Der mit Hilfe von Röhren (engl. "flue") getrocknete Tabak wird auch als Flue-Cured Virgina (FCV) bezeichnet.
  • Burley: Brauner, pyramidenförmig wachsender Tabak mit vergrößerter Zellstruktur, die zu einer hohen Absorptionsfähigkeit für Aromastoffe führt. Diese Sorte wird vorwiegend für Zigaretten- und Pfeifentabak verwendet.
  • Orientsorten: Kleinwüchsige, zumeist sehr zuckerhaltige und nikotinarme Varietäten, die an die kargen, trockenen Böden des östlichen Mittelmeerraums angepasst sind. Wegen ihres hohen Anteils an aromatischen Ölen und Harzen werden diese Tabake als Würztabak für Zigaretten- und Pfeifenmischungen verwendet.
  • Dunkle luftgetrocknete Tabake (DLT): Alle Zigarrentabaksorten, die 2-3 Monate in Trockenscheunen aufgehängt und anschließend fermentiert werden.
  • Weitere Typen wie Maryland, Sumatra und verschiedene andere Zigarrensorten.

Bauerntabak (Nicotiana rustica)

Der gelbblühende, strauchig wachsende Bauerntabak wird heute nur noch in Russland und in einigen osteuropäischen Staaten angebaut. Bekanntestes Rusticaprodukt ist die russische Machorkazigarette. Wegen seines Geruchs wird er auch Veilchentabak genannt, der früher in Deutschland angebaute Rusticatabak hieß wegen der Blattform Rundblatt-Tabak. Besonderes Merkmal ist der äußerst hohe Nikotinanteil in den Blättern, weshalb entsprechende Tabakwaren in der EU nicht vertrieben werden dürfen. Der seit dem Dreißigjährigen Krieg in Europa angebaute Bauerntabak ist aus der natürlichen Kreuzung der Arten N. paniculata und N. undulata hervorgegangen und existiert heute in zahlreichen Sorten.

Ziertabak

Zahlreiche Tabakarten werden heute als Ziertabak angebaut. Sie haben mannigfaltige Formen, zwei verbreitete Beispiele sind der Waldtabak (Nicotiana sylvestris) und Scharlachkönig (Nicotiana x sanderae).

Bilder

Datei:Tabakanbau.de-030819-1-28A-N tabacum Burley E.jpg     Datei:Tabakanbau.de-030511-DSCN0480-N Rustica Tabakblatt.jpg
Burley E (N. tabacum): Typische Wuchsform
des Virginischen Tabaks, der hier eine
Höhe von 2 Meter erreicht hat.
    Bauerntabakblatt (N. rustica): Typische
Herzform des Bauerntabaks, der daher
auch Rundblatt-Tabak genannt wird.
     
    Datei:Tabakanbau.de-030831-10A-Scharlachkoenig-N x sanderae.jpg
Waldtabak (N. sylvestris): Bis 1,7 m hoher
Wildtabak mit langen weißen Blütenröhren.
    Scharlachkönig (N. x sanderae): Dunkel
scharlachrot blühender, etwa 60 cm
hoch wachsender Ziertabak.

Verwendung

Drehtabak

Die getrockneten, kurierten und gerebelten Tabak-Blätter (Rauchkraut) können in Tabakspfeifen oder gedreht als Zigaretten, Zigarillos und Zigarren geraucht werden. Das giftige, suchtauslösende Nikotin wird dabei zu großen Teilen verbrannt.

Weniger verbreitet ist der Konsum in Form von Snus, Kautabak und Schnupftabak.

Tabak darf niemals durch Essen konsumiert werden: durch den hohen Nikotinanteil kann der Verzehr auch nur geringer Mengen zum Tod durch Atemlähmung führen.

Welternte von Rohtabak

Staaten mit Rohtabakernten von über 100.000 Tonnen.

Die weltweite Rohtabakernte beträgt ca. 7 Millionen Tonnen, davon 2,55 Millionen Tonnen in der Volksrepublik China. Weitere bedeutende Tabakanbaustaaten sind: Indien, Brasilien, die USA, Türkei, Simbabwe, Italien, Griechenland, Malawi, Pakistan und Argentinien.

Hauptimporteure sind die USA, Deutschland, Grossbritannien, Russland und die Niederlande.

Geschichte

Der Ursprung des Tabakkonsums und seine Verbreitung durch den Kolonialismus

Ursprünglich stammt die Tabakpflanze aus Amerika. Den Anbau und Konsum gab es von Brasilien bis Kanada bereits vor der Spanierankunft. Die Tabakblätter wurden in Verbindung mit Kalk gekaut (Nordküste Südamerika), ein Puder mit zur ½ Bestandteil Tabak wurde geschnupft (karibische Inseln) und die Tabakblätter wurden zum Saft gekocht (Guyana-Gebiet). Auch die Urform der Zigarette gab es schon - man rauchte: zusammengerollte kleine Tabakblätter umwickelt von Grossen (Brasilien, Zentralamerika, karibischen Inseln), zerkleinerten Tabak in Schilfröhrchen (Mexiko), sowie den Tabak in einer Pfeife aus Ton, Holz, Stein, Schildpatt oder Silber (Nordamerika).

Das Rauchen selber hat sich vermutlich aus der Weihrauchzeremonie der Priester und Medizinmänner entwickelt: Regenzauber, Rauchopfer etc. Auch verbunden mit dem ebengenannten ist seine medizinische Verwendung: das Tabaksaft-Trinken bei Initiationsbräuchen, das Legen von Tabakblättern auf die verwundete Haut etc.

Als Beginn der Tabak-Entdeckung für die restliche Welt kann man den 12. Oktober 1492 nennen, als Christoph Columbus auf den Bahamas landete. Die Inselbewohner brachten ihm Präsente, darunter Tabakblätter. Mit diesem Geschenk konnte er erst etwas anfangen, als zwei seiner Männer auf der Insel Kuba die Eingeborenen sich die Blätter in den Mund stecken, diese anzünden und dann den Rauch „trinken“ sahen. 1499 lernten Spanier an Venezuelas Küste das Tabak-Kauen kennen, 1500 begegnete der Portugiese Cabral dem Pfeiferauchen. 1518 fanden Spanier in Mexiko eine sehr entwickelte Kultur des Rauchens vor.

1536 erzählte Cartier von den Rauchgewohnheiten der Indianer Kanadas und dem dazugehörigen Untensil, welches er „pipe“ nannte, das Vorwort für die heutige Pfeife. Das Wort Tabak stammt wahrscheinlich aus den Antillen, wo das Rauchrohr „tobacco“ hieß.

Die Matrosen, Pendler zwischen alter und neuer Welt, fanden Gefallen am Tabak und brachten ihn in die süd- und westeuropäischen Häfen, von wo aus Händler sie in der ganzen Welt verbreiten. Schnell wurde die Sitte des Rauchens übernommen und zunächst auf den Verbrauch anderer Drogen (Cannabis etc.) übertragen. Durch den Abhängigkeitsfaktor des Tabaks wurde dieser rasch zum teuren und bedeutungsvollen Handelsgut und auch seine, so glaubte man, medizinische Wirkung steuerte dazu bei.

Verbotsversuche im 17. Jahrhundert

Es gab auch damals schon Gegner des Tabakgenusses; sie prangerten unter anderem seinen Missbrauch als Genussdroge an. 1575 wurde für die Kirchen in Mexiko ein erstes Verbot gegen das Rauchen erhoben, da man in der "heidnische Sitte" des Rauchens eine Entweihung der Kirchen sah. Spätere Kontrollversuche wurden oft auf Grund von wirtschaftlichen und politischen Ideen aufgestellt.

Die Verbreitung des Tabaks einerseits und diese Kontrollversuche andererseits führten im 17. Jahrhundert zu einer Drogenkrise, in Europa und auch in asiatischen Ländern. Ein Beispiel ist hier Großbritannien: London war zu einem führenden Tabakhandelszentrum geworden und das Pfeiferauchen in Großbritannien sehr schnell zur Sitte. Tabak war ein teures Gut - um die Jahrhundertwende den zehnfachen Preis von Pfeffer wert. Jakob I., zu dieser Zeit Herrscher von England, veröffentlichte 1603 seine Schrift „Der Rauchgegner oder ein königliches Scherzstück über den Tabak“, was 1604 in deutscher Übersetzung herauskam, eine Streitschrift gegen den Tabak. Der König nannte seine Abscheu dem Tabak gegenüber, bezweifelte dessen medizinische Wirkung und erwähnte seine Verachtung vor den "ausschweifenden und liederlichen" Rauchern. Sicher hätte er den Tabak gerne verboten, doch dessen große Verbreitung und der gängige Glaube an die medizinische Wirkung des Tabaks ließen diese Aufgabe als zu schwierig erscheinen.

Der erste Versuch eines (indirekten) Tabakverbotes geschah dann in Form von Erhöhungen des Einfuhrzolles um 4000%. Die Auswirkung war, dass die Zahl der legalen Importe sank, mit ihnen auch die königlichen Einnahmen. Stattdessen wuchs der Schmuggel, die Ware wurde gestreckt, und der Konsum stieg weiter an. 1608 wurden die Zölle wieder gesenkt und die Steuer für den Tabak zu einer bedeutsamen königlichen Einnahmequelle.

In Deutschland wurde die neue Gewohnheit des Rauchens anfänglich mit Verwunderung begutachtet, weitete sich dann aber schnell aus, über die Soldaten des Dreißigjährigen Krieges in die gesamte Bevölkerung, ob jung oder alt, Mann oder Frau. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts gab es in Kursachsen, Bayern, den Habsburgischen Erblanden in Österreich und vielen anderen Kleinfürstentümern Verbote gegen den Verkauf von Tabak. Dies war nur in Apotheken erlaubt, wenn der Tabak als Medizin verkauft wurde. Jede Missachtung dieser Kontrollversuche wurde mit einer Geldstrafe (in Köln beispielsweise 50 Goldgulden), Arrest und Zwangsarbeit bestraft. Diese Kontrollversuche nützten jedoch wenig. Sie wurden nie ernsthaft beachtet, da die Anzahl der Süchtigen zu groß und die Verkäufer zu ehrbar waren.

Tabakpflanzung im Valle des Viñales, Kuba

In Russland, China, Japan und der Türkei ging man mit härteren Mitteln gegen den Tabak und seine Verbreitung vor mit dem Hintergrund, dass er dort für Westeinfluss, die politische Gegenseite und einen Veränderungswillen stand. So gab es unter Sultan Murad IV. eine grausige Raucherverfolgung. 1633 wurden vom Sultan alle Tabakhäuser niedergerissen, und das Rauchen wurde mit der Todesstrafe geahndet. In Russland wurde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts der Tabakkonsum vom Klerus als Todessünde angesehen und mit Nasenaufreißen und Lippenaufschneiden bestraft.

Das Appalto-System

Jedoch wurde von allen Herrschern nach und nach erkannt, dass sich aus dem Tabakhandel enorme Geldmengen für den Staatshaushalt ziehen lassen. So wurden die anfänglichen Verbote bald durch eine gezielte Steuerpolitik ersetzt. Hierbei übernahm man das "Appalto-System", welches 1627 in Mantua und 1659 in Venedig entwickelt worden war: Ein- und Verkauf sowie Steuererhebung wurde von privaten Wächtern durchgeführt. Diese mussten dafür festgelegte Summen bezahlen und versuchten wiederum, über den Käufer so viel Geld wie nur möglich zu erlangen. Der Tabakpreis stieg deshalb immens an. Zur Unterdrückung des Schmuggels hatten die Pächter Informanten mit der Berechtigung zur Vergabe von Geldstrafen. Durch ihre Skrupellosigkeit waren die Tabakpächter und ebenso ihre Spitzel beim Volk nicht beliebt. In Frankreich wurden beispielsweise von den Agenten der Pächter rund 2500 Männer, 2000 Frauen und 6000 Kinder festgenommen, deren Richter von den Pächtern bezahlt wurden.

Doch keine noch so grausame Strafe konnte den illegalen Tabakhandel unterbinden. Überall gab es Schmuggelbanden, teilweise mit mehreren hundert bewaffneten Reitern; die Anführer wurden sogar zu Volkshelden. Den Königen wurde die Schuld an den immensen Tabakpreisen sowie dem skrupellosen Verhalten der Pächter zugeschoben, mit ein Grund für die revolutionären Unruhen. Im laufe der Französischen Revolution wurden 1794 die letzten Tabak-Pächter auf der Guillotine hingerichtet. Das Appalto-System wurde nach einiger Zeit durch staatliche Regie oder eine Verbrauchssteuer ersetzt. Davon sind bis heute die gegensätzliche Drogenpolitik hinsichtlich des Tabaks, die Gesundheitsbedenken und legaler Handel geblieben.

18.- und 19. Jahrhundert: Tabakkonsumformen und deren soziale Bedeutung

Der Tabak besaß zu dieser Zeit die Eigenschaften einer Genussdroge sowie einer Steuerquelle. Deshalb stieg der Tabakkonsum stetig an; er war im Alltag, aber auch als Kunstobjekt gefragt. So fand man Tabakfeld und Tabakpflanze als Briefmarkenmotiv wieder, und der Tabak schmückte als Zierpflanze 1818 in Washington die Kapitelle der Säulen des Kapitols.

Eine Meerschaumpfeife

Die damals auf der ganzen Welt beliebteste Form des Rauchens die Tabakspfeife. So wurden in Afrika hölzerne und irdene Pfeifen, in Persien und Indien Wasserpfeifen, in Europa Tonmodelle, Meerschaum- und Bernsteinpfeifen, bemalte Porzellankopf- und Heidekrautwurzelpfeifen hergestellt. Oft floss in die Gestaltung der Pfeifen auch die politische Ansichtsweise mit ein.

Pfeifentabak

Trotz der Beliebtheit des Pfeife-Rauchens besaßen zu damaliger Zeit auch Schnupftabak und die Zigarre eine große Popularität. Vor allem das 18. Jahrhundert gilt als Zeitraum des Schnupftabaks. Dieser gelangte aus Amerika nach Portugal, Spanien und Italien. In diesen Ländern waren die Priester die stärksten Schnupfer. Das ständige Niesen in den Messen führte dazu, dass die Kirche ein Verbot des Tabakschnupfens erließ. Dieses war jedoch erfolglos, sodass 1725 das Schnupfen und Rauchen von Tabak von der Kirche wieder erlaubt wurde. Der Tabak wurde anfänglich eigens als kegelförmige Pressform gekauft und anschließend auf einer Reibe geraspelt. Zu späteren Zeiten gab es dann Beruf des Rasplers, bei dem man den fertigen Schnupftabak kaufte.

Ludwig XIV. besaß eine Abneigung gegen das Rauchen, weswegen statt dessen am königlichen Hof das Schnupfen gängig wurde. Außerdem wollte sich die Aristokratie vom aufstrebenden Bürgertum durch eine gehobene Lebensführung abgrenzen. So wurde das Schnupfen zu einer regelrechten Kunstform entwickelt, die es zu zelebrieren galt. Bei einem echten Edelmann der Rokoko-Zeit durfte das passende Accessoire, die Tabakdose, nicht fehlen, die so kostbar wie nur möglich zu sein hatte, aus Porzellan oder Gold und mit Edelsteinen besetzt. Tabakdosen wurden auch als Diplomatenpräsent verschenkt.

Zeitgenössische Kritiker betonten aber auch die Nachteile des Tabakschnupfens: man bekomme "triefende und stinkende Nasen" und einen schlechten Atem. Dennoch wurde das französische Tabakschnupfen vom restlichen Europa, vom Adel wie vom Volk, übernommen, und nicht nur die Männer schnupften Tabak, sondern auch Frauen. Zum Ende des 18. Jahrhunderts war in Deutschland und Frankreich 90% des verkauften Tabaks Schnupftabak. Über 200 Sorten waren im Handel. Der Konkurrenzkampf war enorm und so entstand die erste Tabakreklame. Der Tabakdose kam die Funktion des Politikums zu - es gab beispielsweise für das Volk Dosen mit den Gesichtern von Voltaire, für die Royalisten das Konterfei von Ludwig XIV. Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts ebbte das Schnupfen des Tabaks ab, da dem "Ancien Régime" ein Ende gesetzt wurde und somit auch der Aristokratie mit ihrer Schnupfkultur. Jetzt, da die Zeit des Bürgertums gekommen war, brauchte diese ein anderes Kennzeichen: Die Zigarre.

Ihr Ausgangspunkt war Spanien, und bereits 1720 waren in der Zigarrenindustrie in Sevilla über 1000 Frauen tätig (hier sei an die Oper Carmen erinnert). Nach 1814 verbreiteten französische und englische Soldaten, die sich während der Napoleonischen Kriege auf spanischem Boden befanden, die Zigarre in ihre Heimatländer. Auch in anderen europäischen Ländern wuchsen der Produktion und Konsum der Zigarre. In Preußen betrachtete man die Angewohnheit des Zigarrenrauchens mit Argwohn, denn es galt zur Zeit vor der Märzrevolution als ein Symbol für "Volksverhetzer". So war in Berlin das Rauchen der Zigarre auf der Straße verboten. Missachtung dieses Gesetzes wurde als "Auflehnung gegen die herrschende Staatsgewalt" angesehen. Nach der Revolution wurde das Verbot 1848 als "Zugeständnis an die Revolutionäre" aufgehoben. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Zigarre dann ein Symbol des Bürgerreichtums, die gehobene Gesellschaft richtete in ihren Häusern Rauchzimmer ein.

In den USA wurde zur Jahrhundertwende im Verhältnis im Vergleich mit anderen Nationen viel Kautabak verbraucht. Tabak zu kauen galt als männlich, der dazu gehörige Spucknapf durfte ebenfalls nicht fehlen. Im Jahr 1947 wurden 100 Millionen Pfund Kautabak verkauft. In Europa taten es nur die Seeleute den Amerikanern wegen der Brandgefahr auf Schiffen gleich. Danach begann allerdings der Siegeszug der Zigarette.

Die Zigarette im 19. und 20. Jahrhundert

Um Abfälle der Zigarrenproduktion nutzbringend zu verwerten, wickelten Arbeiterinnen der Tabakmanufakturen Tabakreste in Papier. Diese "papelitos" wurden ab dem 18. Jahrhundert in Mexiko-Stadt zum Verkauf angeboten und kamen dann zu Beginn des 19. Jahrhunderts über Spanien nach Frankreich. Hier erlangte die Zigarette ihren heute üblichen Namen - die französische Verkleinerungsform von "cigare" (Zigarre). Auch im Osmanischen Reich und in Russland war sie sehr begehrt, da hier ein milderer als der europäische oder amerikanische Tabak angepflanzt wurde, wodurch die Zigaretten besser schmeckten.

Im ersten Krimkrieg (1853-1856) rauchten die mit den Osmanen verbündeten englischen und französischen Soldaten Tabak in Zeitungspapier. Die "kosja noschka", pfeifenähnlich gefaltetes und mit Tabak gefülltes Papier, und ebenso die "zirhaha", eine Papierrolle in Zigarrenform, waren beide billiger als die Zigarre und kriegstauglicher als eine zerbrechliche Pfeife. Die Offiziere übernahmen diese Zigarettenvorformen und brachten sie in die Londoner und Pariser Clubs. Es entstanden Zulieferer-Märkte in Kairo, Konstantinopel, Moskau und und St. Petersburg. Die erste Zigarettenfirma Deutschlands entstand 1862 in Dresden als Zweigstelle der Petersburger Firma Laferme mit anfänglich gerade einmal sieben Mitarbeitern. In den darauffolgenden Jahrzehnten gab es immer mehr Betriebe in Deutschland, Griechenland, Russland und anderen Ländern. Die Produktion in Deutschland stieg von 60 Millionen in den 60er Jahren des 19. Jahrhundert auf 11,5 Milliarden im Jahr 1912. Tabak und Zigaretten wurden auch importiert, vor allem russische, türkische und ägyptische.

Die Zigarette bekam Kultstatus und deren Utensilien, wie edle Etuis, wurden zu Statussymbolen. Man konnte sich mit der Zigarette vom gewöhnlichen Bürger abgrenzen und "weltmännische Überlegenheit", Weltläufigkeit, elegante Lebenskunst, sowie eine Tendenz zur Verruchtheit demonstrieren. Im Gegensatz zur Zigarre, die eher für den langsamen Genießer stand, war die Zigarette der Schnelllebigkeit, dem Zeitgefühl der damaligen Zeit, zugeschrieben und passte somit besser als die zuvor beliebte Zigarre. Die Pfeife geriet aus der Mode, denn die Stopfvorgänge waren langwierig. Mit der Einführung der Zigarette gab es nun außerdem eine Rauchdroge, die auch für die Unterschichten bezahlbar war. Sie war nicht nur billiger, auch der Lebensstandard war gewachsen, zugenommen hatten aber auch Stress- und Leistungssituationen, Lust auf Anregung und Entspannung. Die Zigarette milder als die anderen Tabakformen, es kam seltener zur Überdosis. Das Erlernen des Zigarettenrauchens, also der Weg in die Sucht, war leichter als bei Pfeife und Zigarre. Im ersten Weltkrieg, in der Wirtschaftskrise und im zweiten Weltkrieg unterdrückte die Zigarette den Hunger der Bevölkerung.

Frauen wurden mit der Zigarette als neuer Kundenstamm erschlossen, da Pfreife oder Zigarre als zu männlich betrachtet wurden. Die schlanke Zigarette paßte zum damaligen Schönheitsideal, und so wurde das Zigarettenrauchen von emanzipierten Frauen populär gemacht.

Mit der aufkommenden Zigarettenwerbung versuchte die Industrie, die Nachfrage zu erhöhen und den Markt auszudehnen. 1910 gab es rund 20.000 Zigarettenhersteller, aber dann waren es die großen Zigarettenmarken, die eine Konzentration im Industriesektor vorantrieben.

In den USA wuchsen Produktion und -konsum stärker als in Deutschland. Dort wurde eine neue Tabakmischung erfunden, die "American Blend", einer Mischung aus Virginia-, Burley- und türkischem Tabak. Deren Vorteil war, dass sie milder und billiger waren. Dazu wurde dieser Tabak mit einer neuen Methode getrocknet, mit Hilfe von durch Metallröhren geleiteter Hitze. Dabei entsteht eine Fermentation, die sauren Rauch ermöglicht. Saurer Rauch gelangt besser in die Lunge, und somit kann das Nikotin schneller ins Gehirn gelangen. 1913 kam die erste „Camel“-Zigarette auf den Markt. Die Marke erlangte bis 1918 einen 40%-Marktanteil und blieb lange Zeit der Liebling der Amerikaner. 1939 kam die "Pall Mall" auf den Markt und mit ihr die erste King Size-Zigarette, 1954 die Winston als erste Filterzigarette.

Etwa zeitgleich mit der Prohibition gegen den Alkohol wurden von 1895 bis 1921 in 14 Bundesstaaten der USA Gesetze gegen den Tabakkonsum erlassen, die jedoch wenig Erfolg zeigten.

In den 1930er Jahren war Deutschland der größte Tabakimporteur der Welt, pro Jahr wurden 100.000t (aus Griechenland, der Türkei und Bulgarien) eingeführt. Dabei rauchten 80% aller deutschen Männer (12,5 Zigaretten pro Tag) und zwanzig Prozent aller Frauen (7,2 Zigaretten pro Tag). Im August 1939, mit Beginn des zweiten Weltkriegs, wurde der Tabak rationiert; es gab nun Raucherkarten: für erwachsene Männer, denen pro Monat 40 Zigaretten zustanden, für Frauen im Alter von 25-55, die pro Monat 20 erhielten.

Im Nachkriegsdeutschland wurden wegen des völligen Zusammenbruchs von Wirtschaft und Geldverkehr Zigaretten zu einer Zweitwährung, der Zigarettenschmuggel blühte.

Entdeckung der Gesundheitsrisiken

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts erschienen erste Berichte über negative Klinikerfahrungen, doch es gab noch zu wenige medizinische Argumente gegen den Tabakkonsum. Erst als Vergleiche und Langzeituntersuchungen zwischen Nicht-Rauchern und Rauchern durchgeführt wurden, stellte man gesundheitsschädigende Folgen fest. Die ersten großen Untersuchungen wurden in den 1950ern durchgeführt, die Ergebnisse wurden vom amerikanischen „Surgeon General`s Advisory Committee“ zusammengefasst und veröffentlicht: die Ergebnissse waren ein Schock für die Gesellschaft.

Durch intensive Forschung und Aufklärungskampagnen bestehen heutzutage keine Zweifel mehr über Gefahren des Tabakrauchens und die Wirkung der Nikotinsucht.

Siehe auch

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