Evaluation
Evaluation (Evaluierung) ist in der allgemeinsten Bedeutung die Bewertung von Prozessen und Organisationseinheiten, insbesondere im Bildungsbereich, im Bereich Entwicklungshilfe, der Verwaltung oder der Wirtschaft. Evaluation kann sich sowohl auf den Kontext (Voraussetzungen, Rahmenbedingungen), die Struktur, den Prozess als auch das Ergebnis (Produkt) beziehen.
Das ursprünglich aus dem Französischen stammende Wort Evaluation wurde in den USA seit den 30er-Jahren gebräuchlich (in der Eight-Years-Study von R. W. Tyler u.a.). Tylers verhaltensorientiertes Konzept wurde nach dem Sputnikschock 1957 in der danach einsetzenden Bildungsreform kritisiert und verändert. In Deutschland wurde das englische Wort Evaluation Ende der 60er-Jahre aus dieser amerikanischen Tradition übernommen (vgl. Wulf 1972). Die Wortbedeutung "Bewertung" wurde dabei zunächst verengt auf die Bewertung insbesondere der Arbeit von Bildungsinstitutionen (die Curriculum -Entwicklung seit den 30er-Jahren). Inzwischen wird auch in anderen sozialen Handlungsbereichen "evaluiert".
Evaluierung als klassische Bewertung
Gebräuchlicher und verankerter im deutschen Sprachgebrauch gegenüber Evaluation ist das Synonym Evaluierung, welches allerdings keine größere Trennschärfe als die Übersetzung "Bewertung" hat. Damit ist eine Unterscheidung zu anderen Begriffen des Qualitätsmanagements wie Audit, Controlling oder Revision nicht immer eindeutig.
Evaluation als spezifischer Fachbegriff
Dort, wo die Besonderheit der Evaluation zu anderen Bewertungsverfahren betont wird, lässt sich, grob gesagt, als gemeinsamer Nenner festhalten, dass Evaluation sich mit Handlungsfeldern befasst, in denen herkömmliche ökonomische Bewertungen zu kurz greifen. Als ein weiterer Unterschied wird die Beteiligung der Adressaten der Evaluierung an der Auswertung der Ergebnisse genannt.
Die 1997 gegründete Deutsche Gesellschaft für Evaluation (DeGEval) hat heute (2004) Arbeitskreise für Evaluation an Schulen, an Hochschulen, in der beruflichen und betrieblichen Bildung, im Umweltbereich, von Entwicklungspolitik, von Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik, von Strukturpolitik; derzeit wird ein Arbeitskreis für Evaluation im Gesundheitswesen gegründet. Seit 2004 gibt es Empfehlungen zur Selbstevaluation.
Evaluation verspricht Antworten in einer Zeit, in der Entscheidungsträger von der Aufgabe, gesellschaftliche Institutionen an die sich wandelnden Rahmenbedingungen anzupassen, zunehmend überfordert scheinen. Evaluation kann auch als Alibi missbraucht werden: ein negatives Evaluationsergebnis wird vorgeschoben, um die Schließung einer Institution durchzusetzen. In diesem Falle hat aber keine wirkliche Evaluation stattgefunden: zu unterscheiden ist nämlich die Beurteilung von Personen / Institutionen, die mit (oftmals negativen) Sanktionen verbunden ist, von der Beurteilung von Maßnahmen, die auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden. Nur hier kann von Evaluation im eigentlichen Sinne gesprochen werden: Auf der Basis einer Zielvereinbarung wird eine Ausgangserhebung durchgeführt, es werden daraufhin Maßnahmen geplant, mit denen die Ziele erreicht werden sollen. Dann müssen Messinstrumente / Beurteilungskriterien entwickelt werden, mit denen man überprüfen kann, ob die Maßnahmen zum Erfolg geführt haben. Eventuell nach Zwischenerhebungen während der Durchführung wird in einer Schlusserhebung der Erfolg der Maßnahme überprüft, um daraus neue Zielvereinbarungen zu treffen und erneut in den Kreislauf einzutreten. Das Entscheidende hierbei ist, dass Betroffene zu Beteiligten werden, dass der Prozess konsensual verläuft und nicht durch fremde Interessen und unklare Kriterien bestimmt wird, wie das z.B. bei sogenannten "Effizienzvergleichen" im Bildungsbereich immer wieder zu beobachten ist.
Da diese grundlegende Unterscheidung häufig nicht beachtet wird, weist die inflationäre Ausbreitung des Begriffs "Evaluation" Züge einer wissenschaftlichen Mode auf. Eines Tages wird sich auch das Evaluationswesen einer Evaluation stellen müssen (Meta-Evaluation).
Evaluation auf dem Weg zum Qualitätsmangement
Evaluation nimmt zunehmend Prüfmodelle vom Qualitätsmanagement in den Blick. Sowohl die Din EN ISO_9000 als auch das universell anwendbare EFQM-Modell werden mit ihren Evaluierungs- und Auditierungsgrundlagen als wesentliche Elemente in Evaluationen berücksichtigt. So kann Evaluation ein Zertifikat verleihen und eine externe Audiierung ermöglichen (vgl. auch die Kritik an interner Selbst-Evaluation). Insbesondere bei der Evaluation von Hochschulen und Fakultäten wird zur Fakultätsentwicklung zunehmend auf die Aspekte von TQM, Personalentwicklung und Organisationsentwicklung eingegangen. Der Evaluator wird dadurch zunehmend zum Auditor, Qualitätsmanager, Personal- und Organisationsentwickler, sowie zugleich Change Agent bzw. Prozessberater. Die bekanntesten Qualitätsmodelle, die heutzutage in fast jeder Evaluation Berücksichtigung finden, sind die der EFQM sowie der DIN EN ISO_9000.
Evaluation im Bildungsbereich
siehe auch: Bildung messen, Fakultätsentwicklung
Als pädagogischer bzw. andragogischer Fachbegriff meint Evaluation gemäß der Definition von J. Reischmann "das Erfassen und Bewerten von Prozessen und Ergebnissen zur Wirkungskontrolle, Steuerung und Reflexion im Bildungsbereich."
Gegenstand von Evaluation können Prozesse (Untersuchungsfrage: Wie läuft etwas ab?) und Outcomes (Untersuchungsfrage z.B. Was kommt heraus? Wie ist das Ergebnis?) aus dem Bereich der Mikrodidaktik ebenso wie der Makrodidaktik sein.
Für eine Evaluation werden Daten methodisch organisiert erhoben und systematisch dokumentiert, um die Untersuchung, das Vorgehen und die Ergebnisse nachvollziehbar und überprüfbar zu machen.
- Standardverfahren zur Datenerfassung sind Befragung, Beobachtung, Test und Materialanalyse. Als Datenquellen stehen interne (sind Teile des evaluierten Systems) und externe (stehen außerhalb) zur Verfügung.
Die Bewertung erfolgt durch den Vergleich der ermittelten Ist-Werte mit vorher explizit festgelegten und begründeten Soll-Werten (anzustreben sind dabei operationalisierte Zielformulierungen) anhand nachvollziehbar festgelegter Indikatoren. Dabei unterscheidet man Akzeptanzkriterien (Wie sind die Inhalte bei den Teilnehmern angekommen?), Lernkriterien (Kann der Inhalt von den Teilnehmern korrekt wiedergegeben werden?), Transferkriterien (Führt das Gelernte zu merkbaren Verhaltensänderungen der Teilnehmer?) und Ergebniskriterien (Kann man Veränderungen am Output der Teilnehmer feststellen?).
Evaluation soll bestimmte Gütekriterien erfüllen: neben den Grundvoraussetzungen didaktische Nützlichkeit und Objektivität sind dies Reliabilität, Validität, Ökonomie und Normierung. Mit der Forschung verbindet Evaluation das Bemühen um intersubjektive Überprüfbarkeit, allerdings untersucht sie konkrete Einzelfälle und ist stark praxisorientiert.
Evaluation dient der rückblickenden Wirkungskontrolle (z.B.: Zeigt eine Bildungsmaßnahme den angestrebten Erfolg?), der vorausschauenden Steuerung (Wie muss die Fortsetzung eines Kurses gestaltet, was an der Teilnehmer-Auswahl verändert oder wie der Dozent werden?) und / oder der Reflexion und dem Verständnis von didaktischen Situationen, Prozessen und Problemen.
Literatur zum Thema Evaluation
- Balzer, Lars (2005): Wie werden Evaluationsprojekte erfolgreich? - Ein integrierender theoretischer Ansatz und eine empirische Studie zum Evaluationsprozess. Landau: Verlag Empirische Pädagogik. mehr Infos zum Buch
- Beywl, W. (1988): Zur Weiterentwicklung der Evaluationsmethodologie. Grundlegung, Konzeption und Anwendung eines Modells der responsiven Evaluation. Frankfurt a.M. u.a.: Peter Lang. mehr Infos zum Buch sowie redigitalisierte PDF
- Bülow-Schramm, Margret (2003): Evaluation auf dem Weg zum Qualitätsmangement. in: Hochschulrektorenkonferen (Hg.): Evaluation und ihre Konsequenzen. Beiträge zur Hochschulpolititk 2/2003. Bonn: HRK, 13-14.
- Bussmann, Werner / Klöti, Ulrich, Knoepfel, Peter (Hg.) (1997): Einführung in die Politikevaluation. Basel: Helbing & Lichtenhahn. Redigitalisierte Fassung 2004 als PDF[1]
- Cook, Thomas D. / Reichardt, Charles S. (Eds.) (1979): Qualitative and quantitative methods in evaluation research. Beverly Hills, CA: Sage.
- Deutsche Gesellschaft für Evaluation (2002): Standards für Evaluation. Köln. mehr Infos
- DFG, Deutsche Forschungsgemeinschaft (2002): Reform des Begutachtungssystems
- Heiner, Maja (1988): Von der forschungsorientierten zur praxisorientierten Selbstevaluation. Entwurf eines Konzeptes. In: dies. (1988) (Hg.): Selbstevaluation in der Sozialen Arbeit. Fallbeispiele zur Dokumentation und Reflexion beruflichen Handelns. Freiburg i.B.
- Joint committee on Standards for Educational Evaluation (Hg.) (2000): Handbuch der Evaluationsstandards. Opladen: Leske + Budrich. mehr Infos zum Buch
- Kromrey, Helmut (2002): Empirische Sozialforschung. Opladen: Leske + Budrich.
- Kohn, Alfie (1999): Punished by rewards. Houghton Mifflin, N.Y and Boston
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- Patton, Michael Q. (1997): Utilization-Focused Evaluation: The New Century Text (3rd Edition). Thousand Oaks, CA: Sage.
- Patton, Michael Q. (2002): Qualitative research & evaluation methods (3rd edition). Thousand Oaks, CA: Sage.
- Scriven, M.S. (1991): Evaluation Thesaurus (4th Edition). Newbury Park, CA: Sage.
- Scriven, Michal (1980): The Logic of Evaluation. California: Edgepress.
- Stockmann, Reinhard (2002): Qualitätsmanagement und Evaluation – Konkurrierende oder sich ergänzende Konzepte? In: Zeitschrift für Evaluation. Jg. 1, H. 2, S. 209-243.
- Stockmann, Reinhard (Hrsg., 2004): Evaluationsforschung. Grundlagen und ausgewählte Forschungsfelder (2.). Wiesbaden/Opladen: VS-Verlag.
- Univation (Hg.) (2004): Das A-B-C der wirkungsorientierten Evaluation. Glossar - Deutsch / Englisch - der wirkungsorientierten Evaluation. Köln.
- Weiss, C.J. (1998): Evaluation (2nd Ed.): Upper Saddle River, NJ: Prentice Hall.
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- Weiss, Carol H. (1974): Evaluierungsforschung. Opladen: Westdeutscher Verlag.
- Wholey, J.S. / Hatry, H.P/Newcomer, K.E. (Eds.) (1994): Handbook of Practical Program Evaluation. San Francisco, CA: Jossey-Bass.
- Widmer, Thomas (1996): Meta-Evaluation. Kriterien zur Bewertung von Evaluationen. Bern u.a.: Haupt.
- Wottawa, H./Thierau, H. (1998): Lehrbuch Evaluation. (2. Aufl.). Bern: Hans Huber.
- Wulf, Ch. (Hg.)(1972): Evaluation. Beschreibung und Bewertung von Unterricht, Curricula und Schulversuchen. München:
Weblinks
- http://www.degeval.de Deutsche Gesellschaft für Evaluation
- http://www.ceval.de Centrum für Evaluation an der Universität des Saarlandes
- Bibliographie mit Online-Literatur zur Evaluation: http://wiki.pruefung.net/Wiki/Evaluation
- Christine Schwarz: Evaluation als modernes Ritual, 30. September 2004, Berlin - pdf-Dokument
- Portal zur Energieforschung: Thema Evaluierung energieeffizienter Wohngebäude
- http://www.uni-konstanz.de/ag-moral - Prof. Georg Lind, Universität Konstanz
- http://www.univation.org/glossar/index.php - Online-Glossar wirkungsorientierte Evaluation