H. Voit & Söhne
Heinrich Voit (* 18. März 1834 in Durlach; † Oktober 1914[1]) war ein badischer Orgelbauer und der namentlich bekannteste Vertreter der Orgelbauerfamilie Voit. Nach ihm hieß das Durlacher Orgelbauunternehmen von 1890 bis 1932, als es aufgegeben wurde, H. Voit & Söhne.
Geschichte
Vorfahren
Das Familienunternehmen Voit stammte ursprünglich aus Franken. In Schweinfurt hatten gem. alten Urkunden „schon seit der Mitte des 17. Jahrhunderts sich Angehörige der Familie von Geschlecht zu Geschlecht im Orgelbau beschäftigt“. Johann Volkmar Voit (*1772; † 1806) hatte vier Brüder. Carl Friedrich Voit baute ebenfalls Instrumente und Orgeln wie sein Vater und Großvater. Johann Volkmar Voit siedelte von Schweinfurt nach Durlach (heute Stadtteil von Karlsruhe) über, wo er 1794 Katherina Friederike Stein, die Tochter des Durlacher Orgel- und Klavierbauers Georg Marcus Stein (*1738; † 1794), heiratete und nach dem Tod des Schwiegervaters das Unternehmen übernahm. Nach dem frühen Tod von Johann Volkmar Voit, der 1804 durch Kurfürst Karl Friedrich zum Badischen Hoforgelmacher ernannt worden war, heiratete die Witwe den Orgelmachergesellen Johann Ludwig Wilhelm Bürgy (*1761; † 1838). Dieser bildete seinen Stiefsohn Louis Voit (*1802; † 1883) zum Orgelbauer aus und machte ihn 1835 zu seinem Teilhaber und Nachfolger.
Firmenchef Heinrich Voit

1870 wurde Louis’ Sohn Heinrich Voit Geschäftsführer und firmierte ab 1890 zusammen mit seinen Söhnen Emil (*1865; † 1924) und Siegfried (*1870; † 1939) als H. Voit & Söhne. Des Weiteren waren auch die jüngeren Söhne Heinrich Voit jun. (*1871; † 1926) und Julius Voit (*1883; † 1955) im Familienunternehmen tätig.
Bis zum Ersten Weltkrieg erlebte das Unternehmen seine Blütezeit. In das Jahr 1890 fällt die erste Voit-Orgel mit pneumatischer Traktur. Zu Heinrich Voits Zeit wurde 1899 ein der amerikanischen Rooseveltlade ähnliches, sehr reaktionsschnelles pneumatisches Windladensystem entwickelt. Angesichts der bereits ab etwa 1885 von Voit vereinzelt gebauten Scheibenlade, so in der Kirche Bühl-Neusatz erhalten, muss hinterfragt werden, ob Voit sich wirklich an dem US-Vorbild orientierte, wie in der spärlich vorhandenen Literatur vereinzelt behauptet wird.[2] Da die Scheibenlade quasi eine mechanische Version des 1899 von Voit patentierten pneumatischen Windladensystems darstellt, könnte diese durchaus ebenso als Vorbild gedient haben.
1903 wurde in Heidelberg der weltweit erste fahrbare elektrische Orgelspieltisch überhaupt gebaut. In der Evangelischen Stadtkirche und der Kirche St. Bernhard, beide in Karlsruhe, wurden Hochdruckregister disponiert.
Eine Spezialität der Firma waren großzügig gebaute Konzertsaalorgeln. Im Jahr 1912 gelang es Voit, eine dreimanualige Orgel mit 50 Registern an eine Musikschule nach Paris zu liefern.
Die ersten Versuche mit elektrischer Traktur fanden bereits 1885 in der Kirche St. Barbara in Forst (Baden) statt.
Heinrich Voit belieferte auch diverse kleinere badische Orgelbauer mit Orgelteilen und Pfeifen, so zum Beispiel seinen ehemaligen Lehrling Mathias Burkart (*1838; † 1922) in Heidelberg-Kirchheim oder Wilhelm Schwarz & Sohn in Überlingen.
Hans Voit (*1904; † 1994), Sohn von Heinrich Voit jun., gründete 1930 in Stendal einen eigenen Betrieb.
Niedergang der Firma

Der Erste Weltkrieg schwächte das Unternehmen beträchtlich. Ab 1914 wurden bis zu Kriegsende beinahe alle Arbeiter eingezogen, Carl Hess (*1879; † 1943), langjähriger Betriebsleiter und Intonateur, hielt zusammen mit Emil und Siegfried Voit in Durlach den Betrieb notdürftig aufrecht. Nur wenige der erfahrenen ehemaligen Mitarbeiter kehrten nach Kriegsende wieder heim.
An vielen der nach 1918 neu gebauten Orgelwerke waren bereits bei der amtlichen Abnahme schwerwiegende technische Mängel vorhanden. Den 1927 misslungenen Umbau der Orgel in Mannheim-Feudenheim nahm der für Baden tätige evangelische Orgelbauinspektor Walter Leib zum Anlass, öffentlich vor den Arbeiten des Unternehmens Voit zu warnen.
Firmenaufgabe
Betriebsleiter Carl Hess gründete 1920 in Durlach einen eigenen Orgelbaubetrieb und förderte systematisch den Niedergang seines ehemaligen Arbeitgebers. Im Frühjahr 1932 gab Siegfried Voit das Unternehmen auf. Die bis dahin noch bei Voit verbliebenen Orgelbaumeister Reinhold Sauder (als Intonateur) und Wilhelm Wagner (als Windladenschreiner) machten sich selbstständig. Die oft verbreitete Anmerkung, Hess habe sich in Voits Werkstätten eingerichtet, ist allerdings unbelegt und nicht haltbar. Bereits in den 1930er Jahren baute Carl Hess vereinzelt Schleifladen.
Nach dem Tod von Carl Hess führte die Witwe Anni Hess geb. Meyer (*1900; † 1981) den Betrieb bis zum Jahresbeginn 1961 weiter. Dann erlosch auch die Firma Hess.
Werkliste
Jahr | Ort | Gebäude | Bild | Manuale | Register | Bemerkungen |
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1758/59 | Weichtungen | St. Josef | technisch verändert erhalten | |||
1864 | Baden-Baden | Ev. Stadtkirche | nicht erhalten | |||
1867 | Baden-Baden | St. Bonifatius | einige Register erhalten | |||
1868 | Ladenburg | St.-Gallus-Kirche | ![]() |
heute Alexanderkirche Marbach → Orgel | ||
1869 | Weidenthal | Ev. Christuskirche | erhalten, restauriert 1997 durch Gerhard Kuhn, Esthal | |||
1873 | Sinsheim-Hilsbach | Ev. Kirche | erhalten | |||
1875 | Heidelberg | Jesuitenkirche | viele Register im Orgelmuseum Valley erhalten | |||
1877 | Mannheim | St. Sebastian | ![]() |
1875 auf der Kunst und Gewerbe-Ausstellung in Karlsruhe ausgestellt und 1877 in St. Sebastian eingebaut, teilweise erhalten | ||
1879 | Weidenthal | St. Simon und Judas Thaddäus | nicht erhalten, 1972 ersetzt | |||
1879 | Zweibrücken | Heilig-Kreuz-Kirche | ![]() |
II/P | 24 | 1911 auf 43 Register erweitert, 1945 zerstört |
1879 | Eppingen | Ev. Stadtkirche | erhalten | |||
1880er | Lambrecht | Katholische Kirche St. Johannes Nepomuk (heute Herz Jesu) | (nicht erhalten, umgebaut und ersetzt 1946, 1954 und 1972 | |||
1888 | Hochstadt (Pfalz) | Prot. Kirche Niederhochstadt | bis auf die Prospektpfeifen original erhalten | |||
1890 | Forbach (Baden) | St. Johannis | erste Orgel Voits mit pneumatischen Kegelladen, 1965 abgebrochen | |||
1891 | Kirrlach | Kath. Kirche | verändert erhalten | |||
1893 | Otterbach | Mariä Himmelfahrt | z. T. erhalten, 1989 erweitert | |||
1893 | Edingen-Neckarhausen | Ev. Kirche | erhalten, jedoch eingelagert, soll in die Musikhochschule Trossingen transferiert werden | |||
1894 | St. Ingbert | St. Joseph | stark verändert erhalten | |||
1895 | Karlsruhe-Durlach | Stadtkirche | nicht erhalten | |||
1896 | Karlsruhe | Großherzoglich-Badische Grabkapelle | erhalten, aber z.Zt. unspielbar | |||
1898 | Münsterappel | Klosterkirche | ||||
1900 | Dirmstein | Laurentiuskirche, katholischer Teil | ![]() |
III/P | 23 | technisch verändert 1986, erhalten |
1903 | Heidelberg | Stadthalle | erhalten | |||
1905 | Karlsruhe | St. Bernhard | mit drei Hochdruckregistern, nicht erhalten | |||
1905 | Baden-Baden | Stiftskirche | III/P | 43 | einige Register erhalten | |
1906 | Karlsruhe | St. Cyriakus | im Silbermanngehäuse aus Baden-Baden, erhalten | |||
1907 | Karlsruhe | Lutherkirche | nicht erhalten | |||
1907 | Mannheim | Lutherkirche | ![]() |
III/P | 40 | erhalten |
1907 | Baden-Baden | Lutherkirche | noch 1976 abgebrochen | |||
1908 | Karlsruhe | St. Bonifatius | gravierend umgebaut durch Hess 1950 und Bormann 1979, Reste erhalten | |||
1908 | Budapest | Franz-Liszt-Konservatorium | Prospekt erhalten, Rekonstruktion der Orgel geplant | |||
1912 | Baden-Baden | Hofgut Maria Halden | Hausorgel mit Organola (erhalten) | |||
1912 | Prag | Smetana-Saal | erhalten | |||
1913 | Mannheim | Schlosskirche | nicht erhalten | |||
1913 | Rotenberg (Rauenberg) | St. Nikolaus | nicht erhalten | |||
1915 | Karlsruhe | Konzerthaus | nicht erhalten | |||
1916 | Baden-Baden | Kurhaus | derzeit eingelagert bei Orgelbau Vleugels | |||
1917 | Krefeld | Stadthalle | nicht erhalten | |||
1921 | Baden-Baden | St. Bernhard | stark verändert erhalten | |||
? | Baden-Baden | Dreieichenkapelle | durch Brand 1979 zerstört | |||
? | Bischweier | Kath. Kirche | verändert erhalten | |||
? | Mannheim | Musensaal des Rosengartens | nicht erhalten | |||
? | Schopfheim | Ev. (neue) Stadtkirche | erhalten und restauriert | |||
? | Trier | Treveris-Festhalle | teilweise in Mückeln erhalten |
Literatur
- Markus Zepp: „...ein Meisterwerk der bekannten Orgelfabrik H. Voit & Söhne in Durlach...“ Die Geschichte der Voit-Orgel im Kurhaus Baden-Baden. In: Ioculator Dei. Festschrift für Andreas Schröder zum 60. Geburtstag. Freiburg 1999
- Evangelisches Oberlandeskirchenarchiv Karlsruhe, Orgel- & Glockenprüfungsamt: Akte Orgelbauerempfehlungen
- Gerhard Wagner u. a.: Die Voit-Orgel in der Stadthalle Heidelberg, Orgelrestaurierung – ein Beitrag zur Kulturgeschichte. Heidelberg 1993. ISBN 978-3-924973-59-9
- Nachlass des Erzb. Orgelinspektors Otto Schäfer (1876–1967), Baden-Baden (Privatbesitz)
Einzelnachweise
- ↑ Friedrich Blume, Ludwig Finscher: Die Musik in Geschichte und Gegenwart: allgemeine Enzyklopädie der Musik, Teil 2, Band 17, Seite 197, 198, Ausgabe 2, Bärenreuter, 2007 ISBN 3761811373
- ↑ Gerhard Wagner u. a.: Die Voit-Orgel in der Stadthalle Heidelberg, Orgelrestaurierung – ein Beitrag zur Kulturgeschichte. Heidelberg 1993
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Voit, Heinrich |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Orgelbauer |
GEBURTSDATUM | 18. März 1834 |
GEBURTSORT | Karlsruhe-Durlach |
STERBEDATUM | Oktober 1914 |
STERBEORT | Karlsruhe-Durlach |