Intelligenz
Intelligenz (lat. intelligentia, Einsicht, Erkenntnisvermögen) ist ein vielschichtiger Begriff in mehreren Fach- und Wissensgebieten (siehe unten). Allen Definitionen von Intelligenz ist gemeinsam, daß sie einen Bezug zu Verstehen, Denken und Begreifen haben, also irgendwie mit der Funktion des Gehirns in Zusammenhang stehen.
Den Begriff Intelligenz gibt es fast in allen Sprachen europäischen Ursprungs in gleicher oder sehr ähnlich lautender Form. Hinter dieser äußerlichen Ähnlichkeit verbirgt sich jedoch eine außerordentliche Dynamik in der Anwendung des Begriffes.
- H. J. Im: Die Entwicklung eines europäischen Schlüsselwortes: Intelligenz und seine Bedeutung in der Wissenschaftssprache. Bonn, Phil. Diss. 1975.
- R. Schulte: Intelligence. In: Europäische Schlüsselwörter. Wortvergleichende und wortgeschichtliche Studien. (Hrsg.: Sprachwissenschaftliches Colloquium, Bonn.) Bd. II. Kurzmonographien I. Wörter im geistigen und sozialen Raum. München: Hueber 1964, S. 18-49.
Intelligenz als Begriff der Allgemeinen Psychologie
Intelligenz ist die allen Menschen gemeinsame Fähigkeit zum Verstehen, gleichbedeutend mit Intellekt. Intelligenz ist die höchste geistige Fähigkeit des Menschen, gleichbedeutend mit Vernunft, Denkfähigkeit und Urteilskraft.
Intelligenz als Informationsverarbeitung
Intelligenzforschung auf dem Gebiet der Allgemeinen Psychologie bezeichnet sich heute oft als Kognitive Psychologie, die mit Bereichen der Entwicklungspsychologie und der Hirnforschung zusammenwirken kann.
Die Forschung zur menschlichen Intelligenz im Rahmen der neuronalen Gehirnforschung belegt eine äußerst komplexe Signalverarbeitung der Informationen beim Menschen. So werden zur Informationsverarbeitung zwar bestimmte neuronale Bereiche eindeutig lokalisiert (z.B. in den Bereichen Stammhirn, Kleinhirn und Großhirn), dennoch scheinen bestimmte Informationsverarbeitungsprozesse dezentral organisiert zu sein.
Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz (KI) bezeichnet demgegenüber die mechanisch-elektronische Nachbildung menschlicher Intelligenz innerhalb der Informatik. Die KI findet zunehmend Einsatz in der ingenieurwissenschaftlichen oder medizinischen Technik. Mögliche Anwendungsszenarien sind: Optimierungsprobleme (Reiseplanung, Schienenverkehr), Umgang mit natürlicher Sprache (automatisches Sprachverstehen, automatisches Übersetzen, Suchmaschinen im Internet), Umgang mit natürlichen Signalen (Computer Vision und Mustererkennung).
Außerirdische Intelligenz
Unter Einfluß griechischen Gedankengutes versteht man Intelligenz auch als Personifizierung des göttlichen Geistes oder als "Geist eines höheren Wesens". Daraus wurden in der Science fiction die "Intelligenzen" auf anderen Sternen. Ein populärer Verfechter der Theorie außerirdischer Intelligenz ist Erich von Däniken.
Mögliche Außerirdische Intelligenz beschäftigt Wissenschaftler und Laien u.a. gemeinsam innerhalb des SETI@home-Projektes. Hier werden die Radioteleskopsignale des Arecibo Observatoriums in Puerto Rico per Datenfernübertragung an derzeit (Stand 07/2003) ca. 4,5 Millionen Computerbenutzer weltweit verteilt.
Intelligenz als Begriff der Differentiellen Psychologie
Intelligenz ist in der Bedeutung Verstand auch eine Eigenschaft, die quantitative Unterschiede einschließt. In dieser Verwendung in der Differentiellen Psychologie ist Intelligenz eingebettet in die Persönlichkeit und ein Bestandteil der Persönlichkeitsunterschiede zwischen verschiedenen Individuen. Man spricht von höherer Intelligenz, rascher Auffassungsgabe oder Klugheit. Diese Verwendung schließt auch Tiere mit ein. Man spricht sowohl von klugen Hunden als auch von der Intelligenz von Pferden und Affen.
Als Fachbegriff der Psychometrie wurde "intelligence - Intelligenz" in der Zeit um 1900 geprägt, wobei der inhaltliche Impuls aus dem englischen Sprachraum kam. Der Begriff überschneidet sich in seiner Bedeutung mit Begriffen wie Begabung, Talent und Lernfähigkeit, wobei in der Regel unterschiedliche Begabung und unterschiedliche Lernfähigkeit gemeint werden und die allen Menschen gemeinsame Lernfähigkeit stillschweigend vorausgesetzt wird (also die Intelligenz, die einen Menschen von einem Schimpansen unterscheidet).
Intelligenzquotient bzw. IQ
Für die Messung der psychometrischen Intelligenz (IQ) waren die Forschung des Franzosen Alfred Binet, der zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts gemeinsam mit Theodore Simon im Auftrag der französischen Regierung ein Testverfahren zur Auswahl von schwachsinnigen Vorschulkindern entwickelte, von bahnbrechender Bedeutung. In diesem ersten Intelligenztest werden viele kleine Aufgaben gestellt. Da Binet feststellte, dass ältere Kinder anspruchsvollere Aufgaben lösten als jüngere Kinder und auch schneller und damit eine höhere Punktzahl erreichten, wurde daraus in den folgenden Jahren der Intelligenzquotient, abgekürzt IQ, als Maß der Intelligenz entwickelt, anfangs bezogen auf das Lebensalter, später auf den Mittelwert der Gesamtbevölkerung.
Binet hat seine Arbeiten kritisch gesehen und sah in seinem Punktesystem nicht die Messung einer abstrakten Intelligenz, sondern nur eine Hilfestellung bei einer Einstufung von Schülern. Charles Spearman und andere haben jedoch auf seinen Arbeiten aufgebaut und die Theorie eines Allgemeinen Faktors der Intelligenz entwickelt.
Die Anzahl der richtigen Aufgaben sowie die Bearbeitungsgeschwindigkeit und der Vergleich mit Gleichaltrigen wurde somit zur empirischen Grundlage des frühen Intelligenzbegriffes, welcher "Intelligenz" am IQ festmacht und nach wie vor bei wissenschaftlich validierten Intelligenztests (z.B. dem CFT3-Grundintelligenztest von Cattell/Weiss) bei erwachsenen Probanden und Kindern Anwendung findet. Eine Weiterentwicklung brachte die Informationspsychologie, die den IQ durch das Konzept des Arbeitsspeichers ersetzt, der ein physikalisches Maß der Intelligenz bzw. der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit darstellt, nämlich die verarbeiteten Bit pro Zeiteinheit.
Der "Normal-IQ" liegt bei 100 mit einer Standardabweichung zwischen 85-115. Nur ca. 2,2% der Bevölkerung haben einen IQ über 130 (Hochbegabung) oder unter 85. Da die Zuverlässigkeit der Testergebnisse mit zunehmender Abweichung vom statistischen Mittel sinkt, hat der IQ außerhalb der Grenzen zwischen 55 und 145 praktisch keine Bedeutung mehr. Von dieser Unsicherheit sind jedoch nur 0,26% der Bevölkerung betroffen. Eine weitere Fehlerquelle ist die mit zunehmenden Lebensalter geringer werdende Vergleichbarkeit von "Normalintelligenz". Der klassische Intelligenzbegriff wird in den letzten Jahren von mehrdimensionalen Intelligenzmodellen angegriffen, die nicht-kognitive Persönlichkeitseigenschaften einbeziehen.
Die Problematik der IQ-Tests liegt auch darin, dass vorwiegend die Geschwindigkeit bei der Lösung relativ leichter Tests gemessen wird. In der Realität ist jedoch Intelligenz vor allem als Fähigkeit zur Lösung nichttrivialer Probleme interessant. Jeder, der Testaufgaben trainiert, kann seinen IQ deutlich steigern. Auch die Motivation bei den Tests wirkt sich stark aus.
Stephen Jay Gould hat sowohl den "einen" IQ, als auch Intelligenz aus verschiedenen, voneinander relativ unabhängigen Faktoren (primary mental abilities) zusammengesetzt, als wissenschaftlich fragwürdig und als ein untaugliches Konzept kritisiert.
Klassische Intelligenztests messen im Wesentlichen logisch-analytische Fähigkeiten und erlauben damit beispielsweise kein Urteil über den nicht-rationalen Umgang mit den Mitmenschen (EQ).
EQ
Analog dem IQ, also auf den Mittelwert 100 und eine Standardabweichung 15, lassen sich auch beliebig viele andere und nicht-kognitive Persönlichkeitseigenschaften, ja sogar beliebige Verteilungen (wie etwa das Einkommen oder der Blutdruck), messen und skalieren. Diese Skalen werden aber durch die bloße Analogie des statistischen Messens und Skalierens mit dem IQ nicht zu Eigenschaften der Intelligenz.
Während bei planvollem Handeln in Gruppen der IQ sicher eine Rolle spielt, auch noch die Kontrolle von Emotionen in gefährlichen Situationen, sind andere Persönlichkeitseigenschaften des EQ unabhängige Variable.
Probleme
Im europäischen Kulturkreis besitzt (analytische) Intelligenz (IQ) einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert und wird nach manchen Meinungen gegenüber kreativ/sozialen Begabungen (EQ) bisweilen überbewertet. Eine Ursache dafür mag das bewährte traditionelle wissensbasierte Schulsystems sein, welches den zahlenmäßig erfassbaren Leistungen mehr Bedeutung beimisst, als der Schaffung von tragfähigen Beziehungsnetzwerken oder dem Vermögen Konflikte für alle Beteiligten vorteilhaft zu lösen.
Kontrovers diskutiert wurde die Frage, wodurch Intelligenz bestimmt wird. Heute wird nicht mehr bezweifelt, dass sie zu einem Großteil erblich bedingt ist. Aber ohne Lernen, Schule und Ausbildung verkümmert jede angeborene Begabung (siehe auch Kaspar Hauser).
Eine gleichberechtigte Förderung der beiden Intelligenzbereiche versucht das Konzept der Waldorfschule zu verwirklichen. In der Wirtschaft setzten sich zwar, oberflächlich betrachtet, demgegenüber eher wissensbasierte Menschen durch, bei genauerem Hinsehen fällt jedoch auf, dass ihre Machtbasis sich i.d.R. auf ein ausgeklügeltes Beziehungsnetzwerk stützt, welches klar die Ausprägungen der emotionalen Intelligenz nachweist.
Probleme können sich bei der einseitigen Förderung von Kindern mit überdurchschnittlicher Auffassungsgabe ergeben. Im regulären Lehrbetrieb häufig kognitiv unterfordert, kann dieses Kind mit dem Überspringen einer oder mehrerer Klassen aus Sicht der Entwicklungspsychologie einer sozialen Überforderung ausgesetzt werden.
Erfolgsintelligenz
Erfolgsintelligenz beschreibt das Zusammenwirken von rationaler und emotionaler Intelligenz. Der Begriff wird mitunter auch für die Anwendung anderer Intelligenzmodelle verwendet, welche die menschlichen Fähigkeiten intelligent zu handeln in Kompetenzen und Qualifikationen aufschlüsseln (siehe z.B. Personalentwicklung im Bereich der Erwachsenenbildung.
Intelligenz als Begriff der Soziologie
Intelligenz als Bezeichnung für die Gesamtheit aller Gebildeten wurde erstmals 1844 im Polnischen von K. Libelt gebraucht, 1846 im Russischen von W. G. Bielinski, im Deutschen später von Karl Kautsky. Über diese Vermittlung wurde Intelligenz zu einem festen Fachterminus eines kommunistisch geprägten Gesellschaftsverständnisses, das nicht umhin konnte, die Existenz einer Geistes- und Bildungselite wahrzunehmen. Aber auch Adolf Hitler in "Mein Kampf" und andere verwendeten den Begriff in dieser Bedeutung. In der DDR verstand man unter "Intelligenz" die Gesamtheit aller Personen mit einem Hochschulabschluß oder Fachschulabschluß. Im westlichen Deutschland, wo der Begriff auch weite Verbreitung erlangte, konkurriert "Intelligenz" auch heute noch mit dem älteren Begriff Intellektuelle bzw. mit Akademiker oder erscheint gar als soziologischer Fachbegriff in der slawischen Form Intelligentsia.
- Theodor Geiger: Aufgaben und Stellung der Intelligenz in der Gesellschaft. Stuttgart: Enke 1987 (Nachdruck der 1. Auflage von 1949)
Intelligenz als Austausch von Nachrichten und Informationen
Die Geheimdienste der deutschen Kleinstaaten des 18. Jahrhundert bezeichneten sich als "Intelligenzwesen", und mehrere Zeitungen in der Zeit der Aufklärung bezeichneten sich als Intelligenzblätter. Im 19. Jahrhundert ging diese Bedeutung des Begriffes "Intelligenz" als Austausch von Nachrichten und Informationen im deutschen Sprachraum wieder verloren, hat sich jedoch im englischen Sprachraum als Bezeichnung für den Geheimdienst erhalten (siehe im Englischen CIA; Intelligence Service).
Zitate
"Bei Erfolgreichen in der Wirtschaft darf man nicht von einem hohen IQ ausgehen - der hindert an der Tat."
Heinz Dürr
"Der Nachteil der Intelligenz besteht darin, dass man ständig gezwungen ist, dazuzulernen. "
George_Bernard_Shaw
"Das menschliche Gehirn ist (...) unvergleichlich komplexer als etwa ein Stern; und darum wissen wir auch so viel mehr über Sterne als über das menschliche Gehirn. Und der komplexeste Aspekt des menschlichen Gehirns ist seine Intelligenz. "
Isaac Asimov
"Jene Eigenschaft des Geistes, dank derer wir schließlich begreifen, dass alles unbegreiflich ist. "
Emile Picard (1856-1941), frz. Mathematiker
"Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die menschliche Dummheit. Aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher. "
Albert Einstein
„Intelligenz ist demnach [nur] das, was der [jeweilige] Intelligenztest misst.“ Boring (1923)
Literatur
- Rolf Eraßme: Der Mensch und die "Künstliche Intelligenz" - Eine Profilierung und kritische Bewertung der unterschiedlichen Grundauffassungen vom Standpunkt des gemäßigten Realismus. Phil. Diss., RWTH Aachen 2002(elektronisch veröffentlicht)
- J. Funke und B. Vaterrodt-Plünnecke: Was ist Intelligenz? München: Beck 1998.
- Jürgen Guthke: Ist Intelligenz meßbar? Eine Einführung in die Probleme der psychologischen Intelligenzforschung und Intelligenzdiagnostik. 2. Aufl., Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften 1980.
- Siegfried Lehrl: Arbeitsspeicher statt IQ. Ebersberg: Vless 1997. ISBN 3-88562-079-0
- Aljoscha Neubauer: Intelligenz und Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung. Wien: Springer 1995. ISBN 3-211-82735-8
- Erwin Roth, Wolf D. Oswald und Konrad Daumenlang: Intelligenz: Aspekte, Probleme und Perspektiven. 4. Aufl., Stuttgart: Kohlhammer 1980. ISBN 3-17-005665-4
Weblinks
- http://iq.faq.ch
- http://www.mensa.org / http://www.mensa.ch / http://www.mensa.de
- http://www.prometheussociety.org/articles/multiple.html
- http://science.orf.at/science/news/54166
- http://www.alein.de/seti/
- http://www.flowteam.ch/default.htm
- http://www.mark-enning.de/literatur/buch/capra_tao.htm
- http://www.wort-und-wissen.de/disk/d03/4/d03-4.html