Tretzyklus
Tretzyklus ist ein Begriff aus dem Radsport und bezieht sich auf die kleinste gleichförmig wiederholte Bewegungseinheit beim Radfahren – eine Kurbelumdrehung.
Grundsätzliches
Der Tretzyklus erstreckt sich über eine volle Umdrehung einer Tretkurbel und wird in der Regel mit großer Wiederholungsanzahl ausgeführt. Beim Aufsetzen des Fußes auf das Tretkurbel-Pedal entsteht eine Verbindung zwischen Tretkurbel und unterer Extremität. Diese Verbindung bildet eine kinematische Kette, welche die Muskelbewegung mit der Drehbewegung der Kurbel koppelt. Zu unterscheiden sind Treten im Sitzen und Trettechniken, bei denen der Fahrer sich aus dem Sattel erhebt und „im Stehen“ fährt, wie beim sogenannten Wiegetritt.
Wegen der Gleichförmigkeit bei der Bewegungswiederholung eignet sich der Tretzyklus gut für eingehende Untersuchungen, etwa in der Biomechanik. Ziel der Untersuchungen ist die weitere Ökonomisierung der Leistungserbringung, also die Erhöhung des Wirkungsgrades der Tretbewegung. Untersuchungsgegenstand sind die dabei auftretenden Leistungen, Momente und Kräfte. Eine Fokussierung auf die Kräfte führte zu einem Technikleitbild, das unter dem Namen Runder Tritt verbreitet ist. Ein Manko dieser Idealvorstellung ist, dass darin nicht die im Radsport wichtige Größe Leistung (Physik) abgebildet wird. Eine Erklärung, wie Muskelleistung auf den Antrieb übertragen wird, lässt sich daraus nicht ableiten.
Phasen des Tretzyklus
Die Phasen des Tretzyklus sind Gegenstand umfangreicher Untersuchungen der Tretbewegung (= Tretzyklus) eines Radrennfahrers. Im Mittelpunkt stehen dabei die Kurve des Drehmoments über der Zeit und ihr typischer Verlauf in den vier Hauptsektoren des Tretzyklus. Diese sind:
Druckphase
Zur besseren Verständlichkeit orientiert man sich bei der Abgrenzung der Phasen am Zifferblatt einer Uhr. Bei einer Tretbewegung im Uhrzeigersinn geht die Druckphase von „halb zwei“ (45°) bis „halb fünf“ (135°). In dieser Phase entwickelt der Fahrer die größte Kraft. Diese wirkt überwiegend senkrecht nach unten. Das Drehmoment bleibt über die gesamte Druckphase auf hohem Niveau, fällt aber gleichwohl in gewissem Umfang ab.
Zugphase (Gleitphase)
Im „Uhrzeiger-Modell“ handelt es sich um die Phase zwischen „halb fünf“ (135°) und „halb acht“ (225°). In der Zugphase „gleitet“ der Fuß mit vergleichsweise geringem Krafteinsatz nach hinten – daher der alternative Ausdruck „Gleitphase“. Hierbei durchläuft der Fuß den unteren Totpunkt.
Da der Radrennsport mit Pedalen ausgeübt wird, die durch feste Fixierung (früher "Haken und Riemchen", heute Klickpedale) in jeder Phase des Tretzyklus tangentiale Kraftentwicklung ermöglicht, ist es grundsätzlich in der Zugphase wie auch in den im Folgenden beschriebenen Phasen möglich, ein beliebig hohes Drehmoment zu erzeugen.
Tatsächlich werden aber in der Summe in der Zugphase die geringsten Kräfte entwickelt. Eine Erklärung hierfür kann die Biomechanik bis heute nicht anbieten.
Hubphase
Diese Phase wird irritierenderweise auch „Zugphase“ genannt. Im Modell zwischen „halb acht“ (225°) und „halb elf“ (315°), ist die Hubphase die schwächste Phase in Bezug auf den Krafteinsatz. Hier tritt beim Ungeübten ein negatives Drehmoment auf, d.h. das eine Bein wird vom Pedal mittels der Kraft des anderen Beines nach oben gehoben. Doch auch bei Spitzenamateuren und Profis tritt hier kaum ein positives Drehmoment auf. Lediglich bei maximalen Anstrengungen – hohe Beschleunigung, Sprint – wird in dieser Phase wirklich Zug auf die Pedale ausgeübt.
Schubphase
Zwischen „halb elf“ (315°) und „halb zwei“ (45°). Gute Stilisten auf dem Rad vermögen es, bereits in der Schubphase nennenswert hohe Kräfte auf das Pedal auszuüben und die Druckphase in einem fließenden Übergang einzuleiten. Dadurch wird die Schwäche der Zugphase (in der sich das jeweils andere Bein befindet) teilweise kompensiert, wenn auch in dieser Phase zu keinem Zeitpunkt beide Beine in der Addition ein Drehmoment ausüben, das annähernd mit dem Drehmoment in Addition von Druck- und Hubphase vergleichbar wäre.
Optimierung des Tretzyklus
Empirische Untersuchungen belegen, dass sämtliche Radrennfahrer einschließlich der weltbesten Bahn- und Straßen-Fahrer weit vom Ideal entfernt sind, nach dem das Drehmoment über den gesamten Tretzyklus gleichbleibend sein sollte. Während das sehr geringe (meist leicht negative) Drehmoment in der Zugphase durch den sehr hohen Krafteinsatz der Druckphase des jeweils anderen Beins kompensiert wird, stellen die Schubphase und Gleitphase den Hauptschwachpunkt des Tretzyklus dar.
Optimierungen des Tretzyklus zielen daher auf eine Verbesserung des Krafteinsatzes in diesen Phasen (z. B. Einbein-Pedalieren, Fahren mit dem starren Gang, Fahren auf der freien Rolle) und Harmonisierung der Übergänge zwischen den Phasen ab.
Eine technische Möglichkeit, den physiologisch bedingten, ungleichmäßigen Drehmomentverlauf zu glätten ist durch den Einsatz elliptischer „Biopace“-Kettenblätter gegeben. Ihre Wirkung ist jedoch umstritten. Da sie die Erholungsphase der Muskulatur verkürzen – durch den verkürzten Hebel wird die Tretbewegung schneller – sind sie für Straßenrennen, in denen es auf die Ausdauerleistung ankommt, kaum geeignet. Eine systematische Auswertung der Erfahrungen mit diesem Typ Kettenblättern dürfte lediglich von den sowjetischen Trainern vorgenommen worden sein, dort wurden diese Blätter gerne bei Zeitfahren eingesetzt. Alexander Winokurow verwendet sie auch heute noch in dieser Disziplin.
Dem Trainingsprinzip der Gegensätzlichkeit entsprechend wird der Tretzyklus daher nicht nur durch Fahrten mit extrem kleinen Übersetzungen (= hohe Trittfrequenz), sondern auch durch Fahrten mit sehr hohen Gängen (= niedrige Trittfrequenz) trainiert.
Literatur
Petzke, W. (2005): Muskelleistung und Wirkungsgrad beim Radfahren. Leistung der Gelenkbewegungen – Erklärung zum „runden Tritt“. In: Leistungssport 2006 (3), 47–54.