Natürliche Theologie
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Die theologia naturalis, also die natürliche Theologie, ist diejenige Lehre von Gott, die aus natürlichen Quellen schöpft. Sie unterscheidet sich von der Offenbarungstheologie, die ihr Wissen vor allem aus der übernatürlichen Selbstoffenbarung Gottes bezieht, dadurch, dass sämtliche Erkenntnisse ausschließlich mit Hilfe der natürlichen Vernunft des Menschen gewonnen werden oder zumindest gewonnen werden können. Obwohl also von Gott geredet wird, handelt es sich nicht um Glauben und Religion, sondern um den Höhepunkt der Philosophie. Dies wird bestätigt durch die Tatsache, dass alle großen Philosophen über Gott geschrieben haben und monotheistische Ansätze beispielsweise unabhängig vom Judentum und vor dem Christentum in der griechischen Philosophie zu finden sind. An dieser Stelle soll zunächst kurz auf die Widerlegung grundsätzlicher Einwände gegen die Möglichkeit einer natürlichen oder mit anderen Worten philosophischen Gotteslehre eingegangen werden. Hier sind vor allem die grundsätzliche Möglichkeit objektiver Erkenntnis sowie die durchgängige Gültigkeit des metaphysischen Kausalprinzips bzw. des Satzes vom zureichenden Grund zu zeigen. Unhaltbar ist die Kritik des Fideismus, nach dem Aussagen über Gott ausschließlich durch den Glauben und mit Hilfe der besonderen Gnade Gottes möglich seien. Diese Kritik stellt sich als widersprüchlich heraus, da es unmöglich ist, die genannte gnadentheologische Aussage des Fideismus über den der Vernunft angeblich völlig unzugänglichen Inhalt mit den Mitteln eben dieser Vernunft zu beweisen. In diesem Zusammenhang ist (u.a. mit Blick auf I. Kant) auch anzumerken, dass es den Glauben nicht schmälert, wenn man philosophische Erkenntnisse über Gott gewinnt, oder ihn gar vermehrt, wenn man auf solche Erkenntnisse verzichtet.
Der Einwand gegen die natürliche Theologie, dass es für den endlichen Menschen grundsätzlich unmöglich sei, den unendlichen Gott zu erkennen, verwechselt die vollständige bzw. vollkommene Wesenserkenntnis mit der Erkenntnis des Seins Gottes. Während es sicher unmöglich ist, dass das Endliche den Unendlichen völlig er- um nicht zu sagen umfaßt (Diese Erkenntnis setzt jedoch bereits eine gewisse Kenntnis des Unendlichen voraus), ist es sehr wohl möglich, auf dessen Sein zu schließen. Der Schluß auf das Sein Gottes ist jedoch nicht durch den sog. ontologischen Gottesbeweis möglich, der (zumindest in der verbreiteten und nicht selten verkürzten Form) vom Begriff des vollkommenen Wesens auf dessen Sein schließen will. Aus der Mangelhaftigkeit des ontologischen Gottesbeweises folgt jedoch keine Unmöglichkeit von Gottesbeweisen überhaupt, wie dies fälschlich etwa von Kant (Kritik der reinen Vernunft, etwa A 620 ff.) behauptet wird. Da das schlussfolgernde Wissen aus Gründen Beweis genannt wird, spricht man mit Blick auf das philosophische Wissen von Gott auch von „Gottesbeweisen". Auf Thomas stützt sich auch die folgende Argumentation, die in diesem Rahmen jedoch nur die Hauptargumente nennen kann. Man kann die fünf Wege den vier Aristotelischen Ursachen zuweisen oder sie nach Ordnungs-, Wirkungs- und Seinszusammenhängen gliedern. Letztlich gibt es aber nur einen Gottesbeweis, nämlich den Kontingenzbeweis. Die verschiedenen Wege beleuchten die Kontin-genz jeweils nur aus einem anderen Blickwinkel, einem anderen Seinsmodus des Kon-tingenten. Der Beweis aus der Bewegung beginnt bei der Möglichkeit, bewegt, allgemeiner gesprochen verän-dert zu werden; der Beweis aus der Wirkursache setzt beim Gewirktsein an; der Stufenbeweis betrachtet die Tatsache, dass einigem mehr Wahrheit, Gutheit und Einheit zukommt als anderem, und der teleologische Beweis schließlich betont die Hinordnung und das Gelenkt-werden des Seienden auf ein Ziel (griechisch telos).
Allen zugrunde liegt der Kontingenzbeweis, der im folgenden etwas näher betrachtet werden soll. Die Kontingenz zeigt sich (bereits bei der Behandlung des Kausalprinzips) als die Indifferenz dem Sein gegenüber, also die Möglichkeit zu sein oder genausogut nicht zu sein. Mit dem kontingenten Sein und dem Kausal-prinzip ist der Gottesbeweis quasi schon gegeben, er besteht sozusagen im zu Ende gedachten metaphysischen Kausalprinzip. Ausformuliert lautet die Kurzform des Beweises also: Das Kontingente setzt das Absolute voraus. Anders ausgedrückt: Wenn und weil das Bedingte ist, muß das Unbedingte sein. Es kann unmöglich nur kontingent Seiendes geben. Da das Seiende nur Sein-Habendes ist, verweist es notwendig auf anderes. Dies ist entweder selbst wieder nur Seiendes oder das absolute Sein selbst. Ein unendlicher Regress von Seiendem zu Seiendem ist un-möglich, da diese jeweils nur potentiell, aber eben nicht notwendig sind. Gebe es das reine, subsistierende Sein, das „ens a se"nicht, gebe es gar nichts. Weil Gott das „ens a se", d.h. das Sein aus sich, ist, spricht man auch von seiner Aseität.
In der Hinsicht und Sprache des Wirkens heißt das: Wenn es verursachtes, gewirktes Sein gibt, muß es das unverursachte Sein geben, die „prima causa" also die erste Ursache, ohne die auch keine folgenden und damit auch nicht die jetzigen Ursachen und Wirkungen wären. Teleologisch betrachtet ist aus der Ordnung der Natur auf einen weisen Ordner und Lenker zu schließen. Auf die Bewegung bezogen muß es den unbewegten Beweger, auf Wahrheit, Gutheit, Einheit bezo-gen die Wahrheit, Güte und Einheit geben. Da die Nominaldefinition dem Menschen bei der Wahl der Begriffe eine gewisse Freiheit läßt, gibt es eine Reihe von Namen für das Absolute. Zum bekanntesten Namen heißt es bei Thomas treffend: „quam omnes Deum nominant" (Summe der Theologie I, q. 2, 3) also, dass dies(er) von allen Gott genannt wird.
Ursprünglich war es „nur" Ziel der Gottesbeweise zu zeigen, dass Gott ist. Weil jede Dass-Erkenntnis immer auch eine Was-Erkenntnis enthält, und sei sie auch noch so bescheiden, ist eine rein agnostische Position, nach der man vermeintlich gar nichts von Gott aussagen kann, ausgeschlossen. Durch die fünf thomistischen Beweise steht von Gott immerhin schon folgen-des fest: Er ist unbewegter Beweger, erste Wirkursache, notwendiges, absolutes Sein, höchstes, wahrstes Sein, mit Ver-nunft und Willen. Dass das Ende der fünf Beweisketten wirklich der persönliche Gott ist und nicht ein blindes Prinzip, bedarf jedoch weiterer Ausführungen. Es sei aber darauf verwiesen, dass dies an vielen Stellen (z.B. Thomas von Aquin: „Summe der Theologie" oder „Summe gegen die Heiden") geschehen ist. Die Gotteslehre wird dabei im Anschluß an die Gottesbeweise überwiegend im analytisch-deduktiven Verfahren entwickelt. Besonderer Wert wird zudem auf den Weg des Heraushebens, der Analogie und der Verneinung gelegt: Je mehr „Negationen" feststehen, desto mehr verliert die menschliche Erkenntnis an Dunkelheit. Dass dem Menschen jedoch immer sehr viel mehr von Gott verborgen bleibt, als sich ihm erschließt, zeigt sich alleine schon daran, dass er der Vielzahl der Beweise und Begriffe bedarf, obwohl Gott wesens-mäßig in absoluter Weise Einheit ist.
Um die Argumentationen der Gotteslehre anzudeuten, folgt eine geraffte Darstellung über den Gang der „Wesenserkenntnis" Gottes: Aus der Unbeweglichkeit und Unveränderlichkeit folgt Gottes Ewigkeit. Weil Gott erste Ursache und notwendig ist, was alles Nichtseinkönnen ausschließt, ist er frei von jeglicher Potenz, also reiner Akt (actus purus). Damit ist er frei von jeder Zusammensetzung, ohne Materie und auch nicht von seiner Wesenheit zu unterscheiden. Da Gottes Wesen mit seinem Sein zusammenfällt, er das erste Sein, die oberste Ursache und reiner Akt ist, bleibt ihm jeder Mangel fern, ist er also vollkommen. Mit der Vollkommenheit folgt auch die All-Güte, die Einheit, die All-macht und die Allwissenheit sowie die Tatsache, dass Gott schlechthin unendlich ist. Das Erkennen und Lenken aller Dinge setzt einen Willen voraus, und da dieser in absoluter und vollkommener Weise wirkt, folgt ebenfalls Gottes unendliche Lie-be. Die vollkommene, intelligente Ursache allen Lebens und aller Personen ist nicht nur das Leben selbst, sondern auch Person. In seiner höchsten Vollendung ist Gott zudem nicht nur glücklich, sondern das Glück selbst, wie Thomas es als die Krönung der natürlichen Theologie erweist.
Der Höhepunkt der Metaphysik und damit derjenige der (Universal-)Wissenschaft ist der Schluß vom relativen, begrenzten und bedingten Seienden zum absoluten, unbegrenzten und unbedingten Sein, sprich Gott. Obwohl das Wissen um Gott in der letzten Zeit immer mehr in den Hintergrund verdrängt wird, gibt es doch eine Reihe exponierter Stellen, die öffentlich auf die Wirklichkeit Gottes hinweisen. So heißt es etwa in der Präambel des deutschen Grundgesetzes, das für das gesamte Volk und nicht nur für Gläubige gilt: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen [...] hat das deutsche Volk [...] dieses Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland be-schlossen." Noch deutlicher wird die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen. Dort heißt es im ersten Satz des ersten Artikels des dritten Abschnittes, der Schule, Kunst, Wissenschaft, Sport, Religion und Religionsgemeinschaften behandelt, kurz gesagt in Artikel 7: „Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung."
Literatur
- Brugger, Walter: Philosophisches Wörterbuch, 21. Auflage, Freiburg 1992
- Cramer, Wolfgang: Gottesbeweise und ihre Kritik – Prüfung ihrer Beweiskraft, Frankfurt am Main 1967
- Kälin, Bernhard: Lehrbuch der Philosophie. Band I: Logik, Ontologie, Kosmologie, Psychologie, Kriteriologie und Theodizee, Sarnen 1957
- Lehmen, Alfons: Lehrbuch der Philosophie auf aristotelisch-scholastischer Grundlage; Band III: Theodizee, fünfte, verbesserte Auflage, Freiburg im Breisgau 1923
- Seidl, Hans (Hrsg. und Übersetzer): Die Gottesbeweise in der „Summe gegen die Heiden" und der „Summe der Theologie", zweite Auflage, Hamburg 1986
- Thomas von Aquin: Summe der Theologie, deutsch-lateinische Ausgabe, hrsg. vom kath. Akademikerverband, Salzburg 1934
- Thomas von Aquin: Summe gegen die Heiden (Summa contra gentiles) Lateinisch – Deutsch, hrsg. und übersetzt von Karl Albert und Paulus Engelhardt unter Mitarbeit von Leo Dümpelmann, Sonderausgabe, Darmstadt 2001
- Vries, Josef de: Denken und Sein, Ein Aufbau der Erkenntnistheorie, Freiburg 1937
Weblinks
- Die Gottesbeweise bei Thomas von Aquin Die Arbeit erläutert die Gottesbeweise und verteidigt sie gegen (moderne) Kritik
- Philosophische Dissertation, die u.a. auch ein Kapitel "Natürliche Theologie" enthält
Siehe auch
Theologie; Gottesbeweis; en:Arguments_for_the_existence_of_God; ...