St.-Marien-Kirche (Selmsdorf)

Die St.-Marien-Kirche ist ein neugotisches Kirchengebäude in Selmsdorf. Sie ist die Pfarrkirche der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Selmsdorf, Propstei Grevesmühlen im Kirchenkreis Wismar.
Geschichte
Ein Pfarrer wird für Selmsdorf erstamls 1386 bezeugt.[1] Die Pfarrer waren meist Mitglieder des Ratzeburger Domkapitels
Über die backsteingotische Dorfkiche ist nur wenig bekannt ist. Sie hatte einen für diese Gegend Westmecklenburgs in gotischer Zeit typischen quadratischen Kastenchor. Der viereckige niedrige Turm war mit einem Ziegeldach versehen.[2]
Die alte Kirche, die baufällig und für die wachsende Gemeinde zu klein war, wurde 1862 abgebrochen. An ihrer Stelle entstand bis 1864 ein neugotischer Neubau. Der Entwurf, der sich an Bauten Friedrich Wilhelm Buttels anlehnt, stammte von dem Schönberger Baumeister Fritz Rickmann. erhatte auch die technische Bauleitung, während die verwaltungsmässige Aufsicht in den Händen des Schönberger Landdrosten Fritz von Eyben lag.
Die Einweihung der neuen Kirche, deren Bau 11.165 Taler gekostet hatte[3], konnte am dritten Adventssonntag, den 11. Dezember 1864, gefeiert werden.
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West- und Ostansicht (1867)[4]
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Grundriss (1867)
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Aufriss des Chorraums (1867)
Baubeschreibung
Die Kirche ist aus gelblichem Backstein erbaut und hat ein rechteckiges Schiff mit einem eingezogenen, polygonalen Chorabschluss. Der Turmbau ist wie ein Westwerk dem Kirchenschiff querriegelartig vorgelagert. Das Hauptschiff ist durch Wandvorlagen in fünf Joche gegeliedert. In jedem Joch finden sich in der durch einen Zickzackfries abgeschlossenen Erdgeschosszone zwei kleinere Spitzbogenfenster, darüber ein hohes zweigeteiltes Spitzbogenfenster. An beiden Seiten des Chores sind Portalvorbauten angebracht. Charakteristisch ist der aufwändig gestaltete Westvorbau. Über zwei dreigeschossigen, mit Eckpfeilern akzentuierten Seitenteilen erhebt sich der eigentliche Turm mit dem Uhr- und Glockengeschoss und einem achteckigen Spitzhelm. Über dem Westportal zwei Formstein-Felder mit Fischblasen-Ornamenten. Das Dach des Schiffes wurde mit roten Dachziegeln gedeckt, der Turm hingegen mit Schiefer.
Das Innere ist nicht gewölbt, sondern zeigt ein hölzerne Balkendecke, deren einziger Schmuck ein zusätzlicher Unterzug zwischen Schiff und Chorraum mit geschnitzter Masswerkornamentik ist. Hinter dem Altar befindet sich eine auch als Beichtraum zu nutzende Sakristei. Die Süd-, West- und Nordseite des Schiffes wurden mit Emporen versehen.
Ausstattung
St. Marien besitzt eine einheitliche neugotische Ausstattung. Der Altar ist in neugotischen Architekturformen gehalten; das Altargemälde des segnenden Christus stammt von 1885.
Aus der Vorgängerkirche erhalten blieb die Kuppa einer Tauffünte aus gotländischem Kalkstein vom Ende des 13. Jahrhunderts, die mit kleeblattförmigen Arkaden geschmückt ist. Sie kam zunächst auf den Friedhof und später in Teile zerbrochen zurück in die Kirche. Im Winter 2011/2012 wurde sie mit Hilfe mehrerer Spender restauriert und erhielt einen neuen Platz im Chor der Kirche.[5]
Ebenfalls aus der alten Kirche stammen einige Grabsteine, ein hölzernes Grabmal von 1658, sowie der 16-armige Lübecker Messing-Kronleuchter von 1653.
1869 erhielt die Kirche eine Orgel des Orgelbauers Barnim Grüneberg (op. 114, Schleiflade, II + P/13), die 2009 durch die Werkstatt W. Sauer restauriert wurde.[6]
Im Turm der Kirche hingen ursprünglich drei Bronzeglocken. Die größte mit einem Durchmesser von 1,32 m war vom Lübecker Ratsgießer Lorenz Strahlborn 1742 gegossen worden, die beiden anderen vom Lübecker Ratsgießer Johann Georg Wilhelm Landré. Diese wurden im Ersten Weltkrieg abegeliefert und eingeschmolzen.[7] 1929 erhielt die Kirche eine neue Glocke.
Gemeinde
Zur Kirchgemeinde Selmsdorf zählen neben Selmsdorf noch Zarnewenz, Sülsdorf, Teschow, Lauen und Hof Selmsdorf.
Literatur
- Alfred Horn, Zur Geschichte des Kirchspiels Selmsdorf
- Gottlieb Matthias Carl Masch: Geschichte des Bisthums Ratzeburg. F. Aschenfeldt, Lübeck 1835 (Digitalisat)
- J. Russwurm: Die neue Kirche zu Selmsdorf im Fürstentum Ratzeburg. In: Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule und Haus 9 (1867), Nr. 11, S. 161—165 (mit 5 Holzschnitten) (Digitalisat)
- Georg Krüger (Bearb.): Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Freistaats Mecklenburg-Strelitz. Band II: Das Land Ratzeburg, Neubrandenburg 1934; Nachdruck Stock & Stein, Schwerin 1994, ISBN 3-910179-28-2, S. 319-323
- Die Bau- und Kunstdenkmale in der mecklenburgischen Küstenregion. (Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR 5) Berlin: Henschelverlag Kunst und Gesellschaft 1990, ISBN 3-362-00457-1, S. 80-82
Weblinks
- Commons: St.-Marien-Kirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Literatur über St.-Marien-Kirche in der Landesbibliographie MV
- Kirchgemeinde Selmsdorf auf den Seiten des Kirchenkreises Wismar
Einzelnachweise
- ↑ Krüger (Lit.), S. 318
- ↑ Eine Abbildung findet sich bei Alfred Horn: Zur Geschichte des Kirchspiels Selmsdorf. Band 1, Schönberg i.M.: 1909, S. 201.
- ↑ Detaillierte Aufstellung der Kosten und Kostenübernahmen bei Rußwurm (Lit.), S. 164f
- ↑ Zeichnungen aus Rußwurm (Lit.)
- ↑ Sankt Marien hat Tauffünte wieder, Bericht der Ostsee-Zeitung vom 15. Februar 2012, abgerufen am 29. Februar 2012; Abbildung im Gemeindebrief März 2012
- ↑ W. Sauer
- ↑ Beschreibung bei Theodor Hach: Lübecker Glockenkunde. Lübeck 1913, S. 175f
Koordinaten: 53° 52′ 44,7″ N, 10° 51′ 46,2″ O