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Institut für vergleichende Irrelevanz

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Aussenansicht des Institutsgebäudes, April 2007

Das Institut für vergleichende Irrelevanz (kurz: IVI oder IvI) ist ein soziokulturelles Zentrum in Frankfurt am Main.

Im Rahmen von Studierendenprotesten im Jahr 2003 besetzten Studierende das ehemalige, damals leerstehende Gebäude des Instituts für England- und Amerikastudien der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.[1] Seitdem finden dort unter dem Motto „Theorie, Praxis, Party“[2] Konzerte, Kongresse, Lesekreise, Parties, Festivals, Ausstellungen und Filmvorführungen statt. Die Besetzung wird von der Unileitung bisher toleriert.[3] Als politisches und kulturelles Zentrum ist das IVI für die linke und linksradikale Szene als Autonomes Zentrum von überregionaler Bedeutung.

Lage und Umgebung

Das Institut für vergleichende Irrelevanz befindet sich im Kettenhofweg 130 und liegt direkt an der Senckenberganlage. Somit befindet es sich zwischen dem Campus Bockenheim der Goethe-Universität und dem Stadtteil Westend, der in den 1960er Jahren Schauplatz des sogenannten „Frankfurter Häuserkampfes“ war. In unmittelbarer Nähe befinden sich das Senckenbergmuseum und das Institut für Sozialforschung.

Geschichte

Bau und Nutzung des Gebäudes durch die Universität

Das Gebäude, in dem sich heute das Institut für vergleichende Irrelevanz befindet, wurde im Jahr 1953 im Rahmen der der Neustrukturierung und Erweiterung des Campus Bockenheim der Goethe-Universität Frankfurt erbaut. Genau wie weitere Bauten der Universität wurde es vom Architekten Ferdinand Kramer entworfen und unter seiner Leitung als Baudirektor der Universität gebaut. Das Gebäude befindet sich am westlichen Ende des Kettenhofweg. Es war früher Sitz des Instituts für England- und Amerikastudien der Universität und steht heute unter Denkmalschutz. 2001 wurde das Gebäude von der Universttät im zuge ihres Umzugs auf den neu geschaffenen Campus Westend geräumt.

Besetzung

Das Gebäude, in dem sich heute das IvI befindet wurde von Ferdinand Kramer als universitäres Institutsgebäude entworfen. 1954 wurde es vom Land Hessen ausgezeichnet. Und im April 2000 als besonders schützenswertes Kulturdenkmal ausgewiesen.[4] Im Zuge des Universitätsstreikes 1997 gründete sich die so genannte „AG Französische Verhältnisse“. Studierende aus dem Umfeld dieser Gruppe thematisierten im Wintersemester 2001/2002 die aus ihrer Sicht unhaltbaren Studienbedingungen an der Frankfurter Universität. Aus ihren Aktivitäten ergab sich im Januar 2002 eine temporäre Besetzung eines Universitätsgebäudes. In diesem wurde das Institut für vergleichende Irrelevanz gegründet.[5] Diese erste Besetzung fand allerdings nicht am heutigen Standort im Kettenhofweg, sondern in einem Gebäude in der unmittelbaren Umgebung des heutigen Standortes, in der Georg-Voigt-Strasse 4 statt. Am 21. Januar wurde das IvI feierlich eröffnet.[6]

In einer ersten Stellungnahme formulierten die BesetzerInnen ihre Motive wie folgt:

„gemeinsamens wohnen, gemeinsames leben und lernen sind die voraussetzung für die veränderung der herrschenden verhältnisse. wir gestalten die uni nach unseren vorstellungen und eröffnen einen freiraum des forschens und feierns in diesem ehemaligen institut. wir nehmen mit dieser aktion den raum zurück, der zunehmend verknappt und vernichtet wird. wir fordern alle irrelevanten, studierenden. professorinnen, bewohnerinnen des stadtteils auf, uns zu unterstützen, sich mit diskussionen, eigenen veranstaltungen etc. zu beteiligen, - und nicht zu funktionieren, wie es die sachzwänge von ihnen verlangen.“

Selbstdarstellung 2002[7]

Nach der einwöchigen Insitutusbesetzung folgte ein wiederum nur temporäres Sommercamp im Juni 2002 auf dem so genannten "IG-Farben-Campus" der Universität Frankfurt.[8] Nach Beendigung dieses Zeltcamps blieb das IVI mehrere Monate ohne festen Ort.[9]

Im Zuge des Unistreiks 2002 wurde im Anschluss an eine Vollversammlung der Studierenden der Universität Frankfurt am 03.12.2002 Das ehemalige Institut für England- und Amerikastudien im Kettenhofweg 130 besetzt.[10] Der alternative frankfurter Radiosender, Radio-X weigerte sich am 03.12.2002 über die Neueröffnung des Instituts für vergleichende Irrelevanz im besetzten Gebäude Kettenhofweg 130 zu berichten. Daraufhin besetzte eine Gruppe von Studierenden die UKW-Frequenzen des Sender für einen kurzen Zeitraum, um gegen dieses als Entsolidarisierung empfundene Verhalten zu protestieren.[11][12]

Obwohl das Institut „in einvernehmlicher Absprache mit dem damaligen Kanzler der Universität, Wolfgang Busch"[13] die nächsten zwei Jahre bestehen bleiben konnte, wurde das Gebäude im September 2005 von der Universität in der Frankfurter Rundschau zum Verkauf angeboten.[14]

Im Frühjahr 2006 ließ das Präsidium der Universität verlauten, dass es dem Institut eine letzte Frist bis zum Ende der Vorlesungszeit des Sommersemesters des selben Jahres gewähre. Nach Ablauf dieser Frist würde das Projekt ersatzlos geräumt werden.[15] [16] Zum Versuch einer Räumung kam es allerdings nicht, was wohl auf den Unwillen potenzieller Käufer, ein besetztes Haus zu kaufen, zurück zu führen ist.

Nachdem es im August 2006 im Rahmen einer Demonstration unter dem Motto "Gedenken an den Atombombenabwurf auf Hiroshima (6. August 1945) und für eine sofortige Waffenruhe im Nahen Osten" zu übergriffen von Demonstrationsteilnehmern gegenüber Personen, welche sich solidarisch mit dem Staat Israel zeigten gekommen war, worden diese Übergriffe in einer Stellungname des Instituts verurteilt:

„Gewalt in dieser Form verhindert Kritik und blockiert jegliche inhaltliche Auseinandersetzung, sie ist von daher die Absage an jede Emanzipation.“

Stellungname des IvI[17]

Obwohl die Besetzung von der Goethe-Universität in der Folge geduldet wurde, versuchte die Liegenschaftsverwaltung der Universität das Gebäude im Jahr 2009 zu verkaufen. Dieser Versuch blieb aufgrund des bestehenden Denkmalschutzes erfolglos.[18]

Architektur

Veranstaltungen

Vorträge

Im Institut für vergleichende Irrelevanz finden regelmäßig Vorträge, Seminare und Workshops zu verschiedenen Themenschwerpunkten statt. Als internationale Referent_innen wurden Vorträge unter anderem von Judith Halberstam, David Harvey und John Holloway gehalten. Außerdem hielten in den letzten Jahren unter anderen folgende Personen Vorträge:

Konzerte

Fester Bestandteil des kulturellen Programms des IVI sind Konzertveranstaltungen von SolokünstlerInnen oder Bands. Dabei wird vor allem unkommerziellen Acts, die Möglichkeit geboten ihre Werke vor einem großen Publikum zu präsentieren. Vor allem Elektro-Punk-Bands, z. B. aus dem Umfeld des Labels Audiolith wie Egotronic, Frittenbude oder Plemo, treten häufig im IVI auf.[19]

Unter anderem traten auch folgende Künstler im IVI auf:

Aufgrund von Streitigkeiten mit ihrem Vermieter, konnten die Hazelwood-Studios ihr jährliches Festival Hazelwoodstock im Januar 2012 nicht in ihren eigentlichen Räumlichkeiten veranstalten. Als Ausweichort wurde neben dem studentischen „Café KoZ“ auf dem Uni-Campus Bockenheim auch das IvI genutzt.[20]

Kongresse und Gegen-Uni

„Während die Universitäten fröhlich die Abschaffung des Geistes vorantreiben, liegt es an jeder selbst, den ‚Ort‘, in dem wir uns ‚in die Freiheit zurückziehen‘ (Hegel), der des Denkens, zu erkunden, um herauszufinden, wie und wo Gesellschaftskritik gegenwärtig möglich ist.“

aus dem Programm der ersten Gegen-Uni 2005[21]

Fester Bestandteil des Jahresprogramms ist die zweimal jährlich stattfindende so genannte Gegen-Uni, die sich in den letzten Jahren mit Themen wie Feminismus, Naturalisierung, Sexualität und Kulturtheorien beschäftigte.

Im Jahr 2010 fand der Jubiläumskongress der Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) an der Goethe-Universität statt. Im IVI wurde ein Gegensymposium unter dem Namen „Access Denied“ veranstaltet, dessen Ziel es war „die von der kritischen Theorie erreichte Stufe gesellschaftstheoretischer Reflexion und der Selbstreflexion ‚wissenschaftlichen‘ Arbeitens aufzunehmen und einen eigenständigen, kritischen Blick auf die Entwicklung der Soziologie zu werfen“.[22]

Des Weiteren finden im IVI Veranstaltungen und Kongresse von selbstorganisierten Studierendengruppen oder politischen Basisinitiativen statt, so etwa im Jahr 2010 der Herbstkongress des Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen[23] oder im Jahr 2011 das Medinetz-Bundestreffen[24].

Literatur

  • Rosalie Schnecke: „IvI bleibt! - bis auf Weiteres“, in: Diskus Nr. 1.06, 2006

Einzelnachweise

  1. http://www.arte.tv/de/1447686,CmC=1447712.html
  2. Frankfurter Rundschau, 30. April 2008
  3. Frankfurter Rundschau, 30. April 2008
  4. Pressemitteilung IVI, Denkmalschutz für Kramerbau in Gefahr
  5. IVI, against the eternal return of the always same … über die prekäre situation des instituts für vergleichende irrelevanz (ivi)
  6. Indymedia 21.01.2002, institutsbesetzung in frankfurt!.
  7. Indymedia 21.01.2002, institutsbesetzung in frankfurt!
  8. Indymedia 10.06.2002, zeltcamp an der uni frankfurt.
  9. IVI, against the eternal return of the always same … über die prekäre situation des instituts für vergleichende irrelevanz (ivi)
  10. IVI, against the eternal return of the always same … über die prekäre situation des instituts für vergleichende irrelevanz (ivi)
  11. IVI, die temporäre besetzung der ukw-frequenzen von radio x
  12. Indymedia 06.12.2003, Selbsthilfegruppe 3. Dezember. IVI besetzt Radio-X. 3
  13. diskus. Frankgurter Student_Innenzeitschrift, IvI bleibt! - bis auf Weiteres
  14. diskus. Frankfurter Student_Innenzeitschrift, IvI bleibt! - bis auf Weiteres
  15. jungle-world.com - Archiv #28/2006, Zu irrelevant
  16. diskus. Frankgurter Student_Innenzeitschrift, IvI bleibt! - bis auf Weiteres
  17. Stellungnahme des Instituts für vergleichende Irrelevanz zu den Übergriffen am Rande der Demonstration »Gedenken an den Atombombenabwurf auf Hiroshima (6. August 1945) und für eine sofortige Waffenruhe im Nahen Osten«, veranstaltet vom »Frankfurter Bündnis gegen den Krieg« am 5.8.06 in Frankfurt
  18. Frankfurter Rundschau, 6. Februar 2009
  19. Maximum RocknRoll, #331, San Francisco, Dezember 2010; http://maximumrocknroll.com/
  20. http://www.welt.de/print/welt_kompakt/vermischtes/article13828595/Intakte-Familie.html
  21. http://www.copyriot.com/raumspiel/gegen-uni.htm
  22. http://accessdenied.blogsport.eu/
  23. http://bakjkongress.blogsport.de/
  24. http://medibueros.m-bient.com/fileadmin/user_upload/PMFrankfurt2011.PDF

Koordinaten: 50° 7′ 0,6″ N, 8° 39′ 11,6″ O