Westfeldzug

deutsche Invasion in Westeuropa 1940 im Rahmen des Zweiten Weltkriegs
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Der Westfeldzug bezeichnet die militärische Eroberung der Niederlande, Belgiens, Luxemburgs (Fall "Gelb") und den Krieg gegen Frankreich (Fall "Rot") durch die Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges im Mai 1940 . Der von Generalleutnant Erich von Manstein erarbeitete Plan ("Sichelschnitt") war das Kernelement für einen blitzartigen Sieg Deutschlands an der Westfront. Gefolgt wurde der "Fall Gelb" vom "Fall Rot", der Schlacht um Frankreich.

Die Ausgangslage

Nachdem Deutschland als Reaktion auf den Überfall auf Polen von England und Frankreich der Krieg erklärt wurde, war es ziemlich still um die deutsch-französische Grenze geworden. Bis auf einige kleine Aufklärungsvorstöße saßen sich beide Seiten abwartend gegenüber. Man sprach auch vom "Sitzkrieg" (frz.: drôle de guerre, engl.: phoney war).

Frankreichs Illusionen

Frankreich, obwohl Siegermacht im ersten Weltkrieg, erlitt zwischen 1914- 1918 einen Verlust von einem Drittel seiner männlichen Population in der Altersgruppe der 18- und 27-Jährigen.

Die grauenhafte Erfahrung des 1. Weltkrieges in der menschenverachtenden Schlacht von Verdun erlebt und als 'Sieger' über Deutschland hervorgegangen, verfiel Frankreich dreier Illusionen :

1. Die Allianz mit Großbritannien und denUSA sei immerwährend

Die angelsächsische Allianz, die im Grossen Krieg mit dem Blut ihrer Jugend geschmiedet wurde, würde immer Frankreich beistehen und ihr Interesse bei der Neuformung Europas bekunden.

Doch als der Idealismus von 1918 den eigenen inneren Problemen der Alltagsgeschäfte wich, zogen sich die USA und Großbritannien aus Europa zurück (Isolationismus), wobei die Bedingungen vom Friedensvertrag von Versailles 1919 als zu hart betrachtet wurden.

2. Die französischen Streitkräfte seien unüberwindbar

Frankreich sei aus eigener Kraft als Sieger aus dem 1. Weltkrieg hervorgegangen. Frankreich habe somit die Überlegenheit ihrer Streitkräfte bewiesen und sei selbständig in der Lage, den Frieden von Versailles durchzusetzen.

Die mystische Glorifizierung der Schlacht von Verdun hatte einen starken Einfluss auf die französische Strategie und Psyche:

  • auf psychologischer Ebene:

"Der Franzose sei die überlegene Kriegerrasse."

  • auf der strategischer Ebene:

"Offensive Kriegführung ist gegen eine befestigte, kontinuierliche Front zu verlustreich."

Der Beweis des Kampfwertes von Festungen wurde in Verdun erbracht: Die Rückeroberung des Forts Douamont kostete Frankreich etwa 100'000 Soldaten. Fort Vaux mit einer Garnison von 250 Soldaten verzögerte ein deutsches Armeekorps eine ganze Woche lang.

Als Konsequenz daraus wurde ein starker Verteidigungswall, die Maginot-Linie, errichtet.

Diese Verteidigungslinie sollte nicht nur einen erneuten deutschen Angriff abwehren, sondern auch vorbeugend abschreckend wirken.

Der Baukredit wurde dazu 1930 verabschiedet und die Befestigung sollte bis 1935 fertiggestellt sein.

Doch diesem Schild von Frankreich mangelte es an:

  • Kontinuität

Denn es wurde lediglich die gemeinsame deutsch-französische Grenze ausgebaut. Die Grenzen zur Schweiz, zu Luxemburg und zu Belgien wurden nicht befestigt. Zum Einen fehlten dazu die finanziellen Mittel, zum Anderen wollte Frankreich nach der Erfahrung des 1. Weltkrieges den Verbündeten Belgien nicht durch Grenzbefestigungen ausgrenzen und dem eigenen Schicksal übergeben. So war es klar definierte Strategie Frankreichs, im Falle eines Krieges mit Deutschland nach Belgien vorzustossen, um dort einen Bewegungskrieg zu führen.

Diese Strategie machte solange Sinn, als Belgien am Bündnis mit Frankreich festhält und sich nicht als neutral erklärt, sowie solange als die Möglichkeiten des Blitzkrieges noch nicht bekannt waren.

  • Tiefe

Die vier Befestigungslinien erreichten auch in ihrem fortgeschrittesten Stadium kaum 12 Meilen Tiefe.

3. Der 'Boche' wird bezahlen

Von den Kriegsanstrengungen des ersten totalen Krieges moralisch, in der Population aber vor allem wirtschaftlich geschwächt, ist Frankreich der Meinung, dass Deutschland für erlittene Schäden vollumfängliche Kriegsreparationen (134 Milliarden Goldfranken) zu bezahlen habe. Doch Deutschland, selbst vom Krieg ausgezehrt, ist dazu unmöglich in der Lage.

Der Krieg hinterliess ein Frankreich in Schulden:

Handelsdefizit stieg von 1,5 auf 17,5 Millionen FF. Die Staatsverschuldung erreichte am Kriegsende 156 Milliarden FF., wobei 32 Milliarden der USA und GB geschuldet wurde. Kohlenproduktion sank um 37 % des Standes von 1914. Stahlproduktion sank um 60 % des Standes von 1914. 25 % der nationalen Vermögens wurden für die Kriegsaufwendungen ausgegeben. 7 % des Territoriums wurde verwüstet. 3'500 Meilen Schienentrasse und 30'000 Meilen Strasse wurden vernichtet. Die Fiskalpolitik erlitt auf Druck der revolutionären Linken nach besseren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen sowie wegen der Verschuldung durch die Geldmengenerhöhung Schiffbruch und der Französische Franc entwertete sich ständig.

Das Scheitern der französischen Fiskalpolitik brachte einen Regierungswechsel nach dem anderen (19 Regierungen, 11 Premierminister, 8 Finanzminister, 7 Aussenminister und 8 Kriegsminister in der Zeitspanne von 1932-1939), was keine politische Kontinuität zuliess und somit keine kohärente Aussenpolitik, geschweige eine Versöhnung mit Deutschland. Frankreich war innerlich so zerstritten, am Rande einer Revolution und einem Bürgerkrieg nahe, dass periodische Streiks die marode Wirtschaft zusätzlich schädigte:

zwischen 1928 und 1934 sank das Bruttosozialprodukt um 17 % zwischen 1929 und 1936 sank das Durchschnittseinkommen um 30% 1938 hatte Frankreich über 800'000 Arbeitslose .

  • 1936 überschreiten deutsche Truppen den Rhein mit dem vorbehaltenem Entschluss, sich im Falle einer französischen Reaktion sofort wieder zurückzuziehen. Hitler besetzt das zuvor demilitarisierte Rheinland und beginnt mit der Konstruktion der Siegfriedlinie (Westwall) als Gegenstück zur Maginotlinie.
  • Belgien kündigt den 1920 unterzeichneten Bündnisvertrag mit Frankreich und ruft die Neutralität aus.

Konsequenz:

  • 1. Die franz. Strategie wird untergraben

Als Russland als Bündnispartner zur Eindämmung Deutschlands wegfiel, war die französische Strategie ins Wanken geraten. Zudem erschien Frankreich mit ihrer defensiven Grundhaltung kaum glaubwürdig in ihrer Bereitschaft, im Falle eines Konfliktes mit Deutschland einem Bündnispartner im Osten zu Hilfe zu eilen. Die deutsche Defensivlinie (Siegfriedlinie) beraubt Frankreich zudem der einzigen Möglichkeit, Deutschland durch einen erneuten Einmarsch in das Rheinland wie 1923 verletzend treffen zu können, um im Falle eines Krieges in Osteuropa wirkungsvoll einzuschreiten.

Mit der belgischen Neutralität ist die Maginotlinie um die Grenzlänge zu Belgien zu kurz, denn ein Vormarsch nach Belgien für eine Vorwärtsverteidigung ist ohne Verletzung deren Neutralität nicht möglich: Auf einen Streich wurde die ganze franz. Maginotlinienstrategie über den Haufen geworfen.

  • 2. Erstes aussenpolitisches Erfolgserlebnis für Hitler

Das Ausbleiben einer militärischen Reaktion auf diese Verletzung des Vertrages von Versailles war Beweis für die politische Zerstrittenheit Frankreichs und für dessen Unvermögen, gegen Verstösse Deutschlands tatkräftig einzugreifen.

Die Besetzung des Rheinlandes war der erste erfolgreiche aussenpolitische Schritt in Hitlers Vision und Ansporn für noch verwegenere Schritte (1936: Legion "CONDOR" im spanischen Bürgerkrieg; März 1938: der Anschluss Österreichs; März 1939: Annexion der Tschechoslowakei in Missachtung der Münchner Vereinbarung; 23.8.1939: deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt; 1. Sept. 1939: Angriff auf Polen), die Europa in einen zweiten Weltkrieg stürzen würden.

  • Fazit:

Frankreich, eine innerlich gespaltene Nation, sah sich mit einer nur auf dem Papier starken Armee, mit einer hoffnungslos unterlegenen Luftwaffe und mit einer wegen der Neutralität Belgiens von Longwy bis zur See zu kurzen Maginotlinie im solange befürchteten Krieg ohne Alliierte mit Ausnahme von Polen und Großbritannien.

Der Plan

Datei:Manstein.jpg
Erich von Manstein

Die deutsche Generalität hatte erhebliche Zweifel an den Erfolgsaussichten des Westfeldzugs. So wurde auch der Erfolg gegen die schwache polnische Armee als nicht richtungsweisend für einen Feldzug gegen die Westmächte angesehen. Da entwickelte ein Außenseiter, der nicht zu dem für die Operationsplanung verantwortliche Oberkommando des Heeres gehörte, eine Idee, wie man das scheinbar Unmögliche dennoch möglich machen könnte. Es handelte sich um Generalleutnant Erich von Manstein , den Chef des Generalstabes der Heeresgruppe A. Er bezeichnete den vom Oberkommando des Heeres vorgeschlagenen Operationsplan, nämlich mit Schwerpunkt im Norden bei der Heeresgruppe B anzugreifen, als zu durchsichtig. Hierbei handele es sich lediglich um eine Neuauflage des bereits im Ersten Weltkrieg gescheiterten Schlieffenplans, also genau das, womit die Franzosen rechnen mussten. Das Deutsche Reich war jedoch auf eine schnelle strategische Entscheidung angewiesen. Deshalb musste der zurückweichende Gegner noch vor Erreichen der Somme abgeschnitten werden. Und so forderte Manstein, den Schwerpunkt von der Heeresgruppe B zur Heeresgruppe A zu verlagern. Starke Panzerkräfte sollten durch die dichten Wälder der Ardennen vorstoßen. Gelänge es, im Überraschungsangriff die Maas bei Sedan zu überschreiten, so könnten die deutschen Panzerdivisionen durch das französische Hinterland bis zur Kanalküste vordringen. Alle in Nordfrankreich und Belgien stehenden alliierten Truppen seien dann in einem Kessel eingeschlossen. Mansteins Plan beinhaltete jedoch ein erhebliches Risiko. Alles hing davon ab, dass der Gegner tatsächlich in die belgische Falle hineinmarschierte. Die Alliierten rechneten damit, das die Deutschen auch diesmal, wie schon 1914, nach dem Schema des Schlieffenplans angriffen. Deshalb erwarteten sie den feindlichen Schwerpunkt in Flandern. Im rechten Frontabschnitt war Frankreich durch die Maginotlinie geschützt. In der Mitte bildeten das Waldgebirge der Ardennen und die Maas einen doppelten geographischen Sperrriegel. Doch das erste Opfer des Sichelschnitt-Plans auch Manstein-Plan genannt, war Generalleutnant v. Manstein selbst. Er wurde wegen dieser gefährlichen Idee auf einen völlig unbedeutenden Posten abgeschoben. Vorher aber gelang es ihm noch, Hitler von der Realisierbarkeit seines Plans zu überzeugen. Inzwischen hatte sich auch der Chef des Generalstabes des Heeres, General Halder, vom erbitterten Gegner zum entschiedenen Verfechter dieser Idee gewandelt. Diese Idee führte zu einem der erstaunlichsten operativen Erfolge des Zweiten Weltkrieges. Gerade weil dieser Plan so abenteuerlich erschien, versäumte es die alliierte Führung, sich darauf einzustellen.

Die Durchführung

 
Westfeldzug und Norwegen 1940

Die Invasion Hollands und der Dyle-Plan

Der Angriff begann am 10. Mai 1940. Unterstützt wurde er durch vorbereitende Bombardements durch die Luftwaffe. Ferner wurden Fallschirmjäger in den Zielgebieten abgesetzt. Diese besetzten beispielsweise handstreichartig das Fort Eben-Emael, die wichtigste und schwerste Verteidigungsanlage der Belgier, und machten es durch Sprengungen binnen kürzester Zeit nutzlos. Wie geplant rückten die Heeresgruppen A und B nach Holland und Nordbelgien vor, ohne auf allzu großen Widerstand zu treffen. Trotz einiger tapferer Widerstandsversuche blieb die Wehrmacht auf dem Vormarsch und die Niederlande mussten bereits am 15. Mai kapitulieren. Wie erwartet stießen die Alliierten mit ihrer linken Flanke in den Norden Belgiens um den stark an den Schlieffenplan vergangener Tage erinnernden Angriff zu begegnen (Dyle-Plan).

Durch die Ardennen

So wurde speziell für den Sichelschnittplan die operativ selbständige Panzergruppe Kleist geschaffen, in der fünf Panzerdivisionen zusammengefasst wurden. General v. Kleist verfügte über 1222 Kampfpanzer, die Hälfte der deutschen Panzerwaffe mit nahezu 41000 Fahrzeugen. Die ergab eine theoretische Marschlänge von annähernd 1500 km. Um schnellstmöglich an die Maas zu gelangen, hätten die Panzerdivisionen auf möglichst vielen Straßen konzentrisch, aus mehreren Richtungen, zu den Übergangsstellen vorstoßen müssen. Tatsächlich aber billigte die Heeresgruppe dieser riesigen Fahrzeugarmada nur einen schmalen Korridor mit vier Vormarschstraßen durch die Ardennen zu. Am vierten Tag der Offensive sollten die fünf Panzerdivisionen der Gruppe Kleist gleichzeitig die Maas überwinden: das Panzerkorps Guderian bei Sedan und das Panzerkorps Reinhardt unmittelbar rechts davon bei Montherme. Doch paradoxerweise wurde das Panzerkorps Reinhardt nicht rechts neben dem Panzerkorps Guderian eingesetzt, sondern unmittelbar dahinter als zweite Staffel. Die Straßen rechts davon waren einem zu Fuß marschierenden Infranteriekorps vorbehalten. Diese Verbände waren zum Teil schneller als die im Nadelöhr festliegenden Panzerdivisionen und drängten befehlswidrig in den Nachbargefechtsstreifen ein. Als das Panzerkorps Guderian schließlich die rechte Vormarschstraße freimachen sollte, um das Panzerkorps Reinhardt vorbeizulassen, kam es zum totalen Verkehrchaos. Schließlich stauten sich die Fahrzeuge von der Maas mehr als 200 Kilometer rückwärts bis über den Rhein hinweg. Die Führung der Heeresgruppe A hatte durch ihre Fehlplanung den größten Verkehrsstau, der bis heute in Europa bekannt ist, heraufbeschworen. Die deutschen Panzerdivisionen saßen in der Falle. Doch die Beinahe-Katastrophe blieb ohne Folgen, denn die alliierten Luftwaffen ließ sich diese einmalige Chance entgehen. Die Konsequenzen waren auch so fatal genug. Als am 13. Mai um 16:00 Uhr nach einem Luftwaffenbombardement bisher unbekannten Ausmaßes die Panzergruppe Kleist die Maas überwinden sollte, lagen zahlreiche Verbände noch in den Ardennen fest. Beim Panzerkorps Guderian hatten noch nicht einmal zwei Divisionen die Ausgangsstellungen erreicht, während vom Panzerkorps Reinhardt erst ein verstärktes Infanteriebataillon an der Maas stand. Der berühmte Panzervorstoß durch die Ardennen war keineswegs eine der größten Leistungen, sondern eine der größten Fehlplanungen. Die Schlacht bei Sedan am 13. Und 14. Mai 1940 war geradezu prädestiniert für eine Legendenbildung. Auf diesem Schlachtfeld war schon einmal ein deutsch-französischer Krieg entschieden worden. Das Hauptangriffsziel am 13. Mai 1940 bildete die Höhe 301, genannt La Boulette. Während 1870 der Vereinigungspunkt der beiden Zangenarmeen 9 km von Moltkes Feldherrnhügel entfernt bei Illy lag, bildete die Operation von 1940 eine gigantische, nahezu 400 km lange Umfassungsbewegung. Sie erstreckte sich sichelförmig von der luxemburgischen Grenze bis zur Kanalküste. War es 1870 gelungen, in Sedan eine französische Armee von 120000 Mann einzukesseln, so geriet 1940 fast 1,5 Millionen alliierte Soldaten in die Falle des Sichelschnittplans. In diesem Feldzug jedoch zeigte sich, das der Faktor Schnelligkeit nicht mehr nur die Beschleunigung von Führungsvorgängen und Gefechtsabläufen bedeutete. Schnelligkeit, gepaart mit Überraschung, verlieh der Kriegsführung eine neue psychologische Dimension. Darin bestand die eigentliche Revolutionierung des bisherigen schnellen Krieges. Die Steigung der Geschwindigkeit führte zu einem Umschwung in eine neue Qualität den Blitzkrieg. Besonders deutlich hat dies der britische Panzerexperte Fuller in seiner Analyse des Westfeldzuges herausgestellt: "Dieser Blitzkrieg setzte die Beweglichkeit als psychologische Waffe ein: nicht Beweglichkeit um zu töten, sondern um zu erschrecken, verwirren und zu verblüffen, um im feindlichen Hinterland Bestürzung, Ungewissheit und Unordnung hervorzurufen, so dass die Gerüchte, die dabei entstehen, immer wilder werden und schließlich eine Panik auslösen". Für keine andere Schlacht hat dies mehr Geltung als für die von Sedan, in der die französischen Truppen eine Niederlage erlitten, ohne eigentlich richtig zum Kämpfen gekommen zu sein. Genau hier liegt der Ansatz für die spätere Legendenbildung. Es müssen drei Fakten hervorgehoben werden:

Bei Sedan kam es zu keinen Panzerdurchbruch. Dieser fand nur in den Propagandafilmen der Wehrmacht statt. Vielmehr trafen die Panzer erst verspätet auf dem Gefechtsfeld ein.
Die Schlacht wurde nicht auf der Erde, sondern in der Luft entschieden.
Die Luftwaffe wirkte weniger durch materielle Zerstörungsgewalt als durch psychischen Terror.

Insofern vollzog sich die Niederlage nicht auf den Gefechtsfeld, sondern gewissermaßen in den Köpfen der französischen Verteidiger.

Panik bei Bulson

Am 13. Mai ereignete sich bei Sedan ein Drama, das als die Panik bei Bulson bekannt wurde. Als die deutschen Truppen nach Überwinden der Maas weiter nach Süden angriffen, wunderten sie sich über den immer schwächer werdenden Widerstand. Auf französischer Seite hatte sich folgendes abgespielt: Die Meldung eines Artilleriebeobachters wurde falsch weitergegeben. Plötzlich entstand das Gerücht, deutsche Panzer stünden bereits weit hinter der Front bei Bulson. Dieses Gerücht breitete sich steppenbrandartig aus, und schließlich hatte sich die 55. Infanteriedivision in eine Woge von Flüchtenden aufgelöst. Als später eine französische Kommission die Ursache jener Panik untersuchte, behaupteten einzelne Soldaten, sie hätten mit eigenen Augen angreifende Panzer gesehen. Nach den deutschen Kriegstagebüchern aber rollten erst 12 Stunden später die Panzer über die Maasbrücke. Jene Massensuggestion wurde deshalb als un phe’nomene d’hallucination collective bezeichnet. Insofern ereignete sich bei Sedan einer der kuriosesten Panzersiege in der Geschichte. Es kam zwar immer wieder vor, dass Panzer den Gegner in die Flucht jagten, ohne einen Schuss abzufeuern – allein durch ihr Erscheinen. Hier jedoch schlug sie den Gegner in die Flucht, ohne überhaupt in Erscheinung getreten zu sein. In Wirklichkeit lösten nicht die Panzer, sondern die Flugzeuge, vor allem die Stukas, diese Massenpanik aus. Sedan erlebte den bis dahin massivsten Luftangriff der Geschichte. Guderian hatte zusammen mit dem Luftwaffengeneral Loerzer ein neuartiges Verfahren ausgearbeitet, das auf die psychologische Zermürbung des Gegners zielte, den sogenannten rollenden Einsatz. Hierbei war nicht wie sonst üblich ein kurzes, konzentriertes Bombardement geplant, vielmehr sollte dieser Angriff gegen die Psyche des Gegners zehn Stunden lang ununterbrochen anhalten. Guderian schreibt in seinen Memoiren als er am 14. Mai nach den Durchbruch die feindlichen Stellungen besichtigte:“ Das Gelingen unseres Durchbruchs kam mir fast wie ein Wunder vor.“

Gespensterdivision

Datei:Rundstedt, Blumentritt, Speidel, Rommel.jpg
(von links nach rechts:) Gerd von Rundstedt, Günther Blumentritt, Hans Speidel und Erwin Rommel in La Rôche Guillon

Am 16.05.1940 unternahm Generalmajor Erwin Rommel, der Kommandeur der 7. Panzerdivision, einen Vorstoß, der seiner Division den französischen Beiname La division fantome (Gespensterdivision) einbrachte. Am Abend des 16.05 hatte seine Division die belgisch-französische Grenze bei Avesnes erreicht. Er setzte ohne Vorbereitung seine Panzer zu einem Frontalangriff aus der Bewegung heraus an – und das bei Nacht. Die Verteidiger waren derart überrascht, dass schon im ersten Ansturm der Durchbruch gelang. Anschließend stieß Rommel ohne Rücksicht auf offene Flanken 40 Kilometer tief in das feindliche Hinterland vor. Seine Panzer überrollten die ohnehin schon dezimierten Reste eines französischen Armeekorps, das sich weitgehend in Flucht befand. Die 7. Panzerdivision machte am 17.05 circa 10000 Gefangene, die eigenen Verluste betrugen 36 Mann. Doch im Morgengrauen war deutlich geworden, welch ein Risiko Rommel eingegangen war. Er erkannte, das ihm bei seinem ungestümen Angriff nur die Vorausabteilung gefolgt war. Diese bestand aus einem Panzer-Regiment, verstärkt durch Kradschützen und einer Aufklärungsabteilung. Die Masse der Division, stand immer noch auf belgischem Gebiet und hatte sich zur Nachtruhe begeben. Der Funkkontakt war abgerissen, und niemand wusste, wo sich die 7. Panzerdivision befand. So sollte die 7. Panzerdivision nicht nur für den französischen, sondern auch für den deutschen Generalstab zur Gespensterdivision werden. In jener Nacht war Rommel mit seinen Panzern spurlos verschwunden. Das Oberkommando des Heeres geriet in helle Aufregung. Doch es war unmöglich einen derart erfolgreichen General vor das Kriegsgericht zu stellen. Rommel erhielt vielmehr das Ritterkreuz. Der Erfolg dieser Panzerattacke bei Avesnes basierte nicht auf materieller Gewalt, sondern wie bei Sedan, auf dem psychologischen Verwirrungsprinzip. Denn nur wenige Generäle hatten wie Rommel erfasst, welche ungeahnte Möglichkeiten die neuartige Panzerwaffe bot, wenn man sie nur entschlossen genug einsetzte. Im Gegenteil, die schwindelerregenden Erfolge der Panzerdivisionen wurden einem Großteil der deutschen Führung zunehmend unheimlich, sie beflügelten sie nicht, sondern lähmte sie. Gerade Hitler geriet in eine fast hysterische Panik. General Halder notierte am 17.05. in seinem Tagebuch: “Ein recht unerfreulicher Tag. Der Führer ist ungeheuer nervös. Er hat Angst vor dem eigenen Erfolg. Er tobt und brüllt, man sei auf dem Wege, die ganze Operation zu verderben.

Die Vollendung von "Fall Gelb"

Das erste Ziel war nun erreicht: Die alliierten Truppen waren gespalten und dadurch entscheidend geschwächt. Ein von General Maxime Weygand entworfener Plan für eine Offensive bei Arras durch gleichzeitiges Vorrücken von Norden und Süden konnte nicht durchgeführt werden: zum einen waren die Wehrmacht die eingekesselten Truppen, zum anderen konnte die sie entlang der Somme Infanteriedivisionen auffahren, welche die Situation entscheidend zu ihren Gunsten stabilisierten. Im Norden wurde nun kontinuierlich vom 25. bis zum 31. Mai der Kessel enger gezogen, so dass schließlich nur noch ein schmaler Streifen Sand rund um Dünkirchen für die Alliierten blieb. Nach Auflösung des Kessels am 4. Juni – mit Verzögerung wohlgemerkt – war die Operation "Fall Gelb" beendet.

Die Folgen

Datei:Waffenstillstand von compiegne.jpg
Hitler verlässt den Wagen in dem der Waffenstillstand unterschrieben wurde

Die Wehrmacht erreichte am 9. Juni westlich von Paris die Seine. Östlich von Paris wurde am 12. Juni bei Châlons der Widerstand gebrochen. Die 65 französischen Divisionen konnten wegen der schlechten Ausrüstung und Nachschublage die Weygand-Linie an Somme und Aisne nicht lange halten, so fiel den Deutschen Paris am 14. Juni in die Hände. Am 22. Juni wurde schließlich in Compiègne der Waffenstillstand geschlossen.

An der Westfront begann nun die Luftschlacht um England.

Für Belgien, die Niederlande und den Norden Frankreichs begann mit dem Westfeldzug die deutsche Besatzung, die das Schicksal der dort lebenden Juden besiegelte und zu einer brutalen Unterdrückung jeglichen Widerstands durch die SS führte.

Literatur

  • Karl-Heinz Frieser, Blitzkrieg-Legende: der Westfeldzug 1940, 2. Aufl., München, 1996 ISBN 3-486-56201-0
  • Die deutsche Besatzung in Frankreich 1940 - 1944 : Widerstandsbekämpfung und Judenverfolgung / Ahlrich Meyer. - Darmstadt : Wiss. Buchges. - 2000. - ISBN 3-534-14966-1