Kai Meyer

deutscher Schriftsteller, Journalist, Drehbuchautor
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Kai Meyer (* 23. Juli 1969 in Lübeck) ist ein deutscher Schriftsteller, Journalist und Drehbuchautor und gilt als bedeutender Vertreter der deutschen Phantastik.

Biographie

Nach einigen Jahren journalistischer Tätigkeit u. a. bei der Boulevardzeitung "Express" arbeitet er seit 1995 als freier Schriftsteller, mit wachsendem Erfolg. Ein Merkmal seiner Werke ist die Verbindung historischer Personen und Ereignisse mit phantastischen Elementen aus der Welt der Mythen, Sagen und Märchen. Seine Jugendbücher umfassen die Reihe Sieben Siegel, die Merle-Trilogie und als jüngste Schöpfung die Wellenläufer-Trilogie.Dieses Werk ist einfach umwerfrend und zieht ein großteil seiner Leser in seinen Bann.Alle Personen sind so genau beschrieben, dass man fast glauben könnte, sie kommen jeden Moment zur Tür hinein.

Vier seiner Romane wurde ursprünglich unter dem Pseudonym Alexander Nix veröffentlicht, liegen allerdings mittlerweile unter seinem wahren Namen vor.

Kai Meyer lebt mit seiner Familie am Rande der Eifel.

Werke

  • Die Geisterseher, 1995
  • Der Rattenzauber, 1995, ISBN 3-453-13108-8
  • Der Schattenesser, 1996
  • Hex, 1997
  • Die Winterprinzessin, 1997
  • Die Alchimistin, 1998 (Rezension)
  • Giebelschatten - Zwei Erzählungen, 1998
  • Das Gelübde, 1998
  • Loreley, 1998 unter dem Pseudonym Alexander Nix, 2001
  • Göttin der Wüste, 1999
  • Das Haus des Daedalus, 2000 (Rezension)
  • Die Unsterbliche, 2001
  • Das zweite Gesicht, 2002
  • Das Buch von Eden, 2004 (Audiorezension)
  • Frostfeuer, 2005

Doktor Faustus

  • Der Engelspakt - Band 1 der Doktor-Faustus-Trilogie, 1996
  • Der Traumvater - Band 2 der Doktor-Faustus-Trilogie, 1996
  • Die Engelskrieger - Band 3 der Doktor-Faustus-Trilogie, 2000

Die Sieben Siegel

  • Die Rückkehr des Hexenmeisters - Band 1 der Sieben-Siegel, 1999
  • Der schwarze Storch - Band 2 der Sieben-Siegel, 1999
  • Die Katakomben des Damiano - Band 3 der Sieben-Siegel, 1999
  • Der Dornenmann - Band 4 der Sieben-Siegel, 1999
  • Schattenengel - Band 5 der Sieben-Siegel, 2000
  • Die Nacht der lebenden Scheuchen - Band 6 der Sieben-Siegel, 2000
  • Dämonen der Tiefe - Band 7 der Sieben-Siegel, 2000
  • Teuflisches Halloween - Band 8 der Sieben-Siegel, 2000
  • Tor zwischen den Welten - Band 9 der Sieben-Siegel, 2001
  • Mondwanderer - Band 10 der Sieben-Siegel, 2001

Leider alle Titel vergriffen

  • Die fließende Königin - Band 1 der Merle-Trilogie, 2001 (Rezension)
  • Das steinerne Licht - Band 2 der Merle-Trilogie, 2002
  • Das gläserne Wort - Band 3 der Merle-Trilogie, 2002

Auszeichnung

Auszeichnungen

"Corine 2005" für Frostfeuer als Bestes Jugendbuch

Essay: Zum Erzählstil Kai Meyers

Die Produktion und Verkettung von Fragmenten

Meyer entnimmt der Welt alles, was er braucht. Ihm steht ein Strom von Bruchstücken aus fremden Texten gegenüber, die er kaum mehr bändigen kann, vor allem jene Klischees, der fremden und eigenen Geschichten. Dies liegt zunächst an einer Abwesenheit: während in so genannten realistischen Romanen eine schärfere Trennung zwischen Träumen, Mythen und der Realität besteht, verwischen sich diese nicht nur, ähnlich etwa wie Haruki Murakami dies tut, sondern sie gehen nahtlos ineinander über. Träume erzählen die Wirklichkeit und die Wirklichkeit selbst ist phantastisch.

Doch ist dies nur der erste Schritt, den Meyer vollführt. Der zweite berichtet von der Produktion der Trennungen, von der Art und Weise, wie Träume, Mythen und Realität voneinander abgegrenzt werden. Lord Licht beschreibt dies in eindringlicher Weise (Das steinerne Licht, S. 262ff): die Trennung – hier zwischen Erdoberfläche und Hölle - wird produziert und sie wird paradoxerweise produziert durch eine Wissenschaft, die Mythen verbreitet.

So lässt sich feststellen, dass Meyer als allererstes Mythen aufnimmt, diese in einen anarchistischen Strom von Übergängen und Verkettungen umwandelt, um schließlich zu einer Reflexion auf ihre Konventionalität zurückzukehren.

Deshalb kann man Meyers Geschichten auch schlecht als phantastische Geschichten bezeichnen. Sie reflektieren eher die Welt von einer bevorzugten Stellung aus, die das Unwirkliche nötig macht. Dieses Unwirkliche ist die Realität der Abweichung, die zwar überspitzt wird, wie irgend möglich, aber dadurch auch herausheben kann, was zeitgemäß ist: die moderne Wirklichkeit ist eine intensive Reise, die sich aus Fragmenten, Chat-Rooms, global villages, zapping und mixes zusammensetzt. Es gibt keine Erfindung mehr, die inhaltlich wäre, sondern nur noch intensive Verkettungen, die die Bruchstücke rasch durchläuft und Straßen, Texte, Mythen, Philosophien, Gegenstände und Personen durcheinander wirbelt. Die Welt ist ein Patchwork. Meyers Erzählungen sind selbst wie ein Schwarm verstaubter, mumifizierter Krieger, die besinnungslos umher taumeln und sich fragen: welches Land? welches Land? Die Länder, die die klassischen Autoren besetzt halten, sind die der stilistischen Charakteristik und der Einheit durch die Idee. Solche despotischen Regimes schafft Meyer ab und taucht in die mahlenden Ströme der Schizophrenie ein.

Vier Merkmale des Klischees

Doch auch hier macht Meyer noch nicht halt, sondern treibt die Analyse weiter: Die Menschen und Dinge, die in Meyers Romanen auftauchen, schaffen keine wirklichen Individualitäten, sondern polarisieren die Klischees mal in die eine, mal in die andere Richtung. Klischees und Konventionen besitzen verschiedene Pole; diese Pole festigen die innere Struktur der Klischees und füllen sie mit Bedeutung auf. Jedoch sind es praktische Pole: solange eine Geschichte erzählt wird, funktionieren sie hervorragend, doch werden sie aus der Geschichte heraus gerissen, verlieren sie ihren Glanz und werden grau und stumpf. Ihr Reich ist die Lust am besinnungslosen Lesen, nicht die halbwissenschaftlich-halberzählerische Analyse vom menschlichen Charakter.

So können die Klischees auch keine Personen und Gegenstände individualisieren: vielmehr werden Personen und Gegenstände benutzt, damit sich das Klischee in einem Moment der Praxis selbst individualisieren kann und so eine praktische Variation zum ideellen Klischee (die Waise, die Sphinx, die uralte Stadt, der vergessene Gott, das ewige Buch) einführen kann.

Aus diesem Zwang zur Selbst-Individualisierung heraus wird auch verständlich, warum Klischees keine Personen charakterisieren können. Figuren, wie die der Merle, bleiben inkonsistent, wolkig. Sie gehorchen aus der „Laune der Situation“ heraus. Doch was hier als „Laune der Situation“ bezeichnet wird, sind die pragmatischen Pole der Klischees: pragmatisch sind sie insofern, als sie Übergänge schaffen und in der Komposition der Geschichte verteilen, in denen die Pole, insofern sie genutzt werden, Differenz- und Differenzierungspunkte markieren.

Kai Meyer als Autor

Der Erzählstil Meyers ist konventionell, leicht verständlich und doch sehr ausgefeilt. Er wirkt im Ganzen „märchenhaft“, „geheimnisträchtig“, und fesselt den Leser bis zur letzten Seite.

Meyers Erfolg beruht nicht darin, die Leser durch seine Geschichten vom Alltag zu entlasten und ihnen eine Gegenwelt vorzuführen, sondern die Wirklichkeit in einer gewissen Weise zu reflektieren und plastisch zu machen. Die Welt wirkt mehr und mehr zerrissen. Die so genannte multikulturelle Gesellschaft hat sich als Utopie erwiesen, da diese sowohl die Trennung als auch den Frieden als auch ein gegenseitiges, realistisches Wissen voneinander beansprucht. Ein solches Multi-Kulti hat es nie gegeben. Statt dessen hat sich die Gesellschaft mehr und mehr als ein Archiv von Klischees offenbart, aus denen man sich diejenigen herausnimmt, die in Reichweite liegen.

Wenn Lord Licht zugleich der Kartograph der Hölle ist, und der Despot, der über ein Volk unterschiedlichster Lebewesen herrscht, ohne ihren Willen vollständig steuern zu können, hat Meyer damit nicht weniger als eine Allegorie von sich selbst als Autor gegeben. Meyer kartographiert diese Hölle aus halbmenschlichen und unmenschlichen Bruchstücken. Er zwingt sie in die Ordnung einer Geschichte, ohne diese in sich festigen zu können und schafft es doch, genau dies zu schreiben und zu erzählen. Insofern ist Meyer nicht nur ein moderner, sondern auch ein philosophischer Autor.

Siehe auch

Phantastik Neue deutsche Phantastik