Amerikanische Literatur

in den USA geschriebene oder veröffentlichte Literatur
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Die US-amerikanische Literatur ist Teil der Nordamerikanischen Literatur.

Charakteristika der US-Literatur

  • Sämtliche Einwanderungswellen tragen (wie in Kanada) zur Konstitution der US-Literatur bei (Europäer, Afrikaner, Asiaten, Latinos), sowie die Indianer mit ihrer mündlichen Tradition und ihrer neueren Schriftkultur.
  • Die US-Literatur muss getrennt von der Kanadischen Literatur betrachtet werden, da die USA eine andere geschichtliche Entwicklung nehmen und schon erheblich früher ein ausgeprägtes Bewusstsein ihrer nationalen Eigenständigkeit haben.
  • Traditionspflege steht ständig im Wechselspiel mit Innovation: Während in jeder Bevölkerungsgruppe Teile auf die Literatur und Kunst der Herkunftsländer zurückgreifen, identifizieren sich andere intensiv mit ihrer US-Identität und suchen nach eigenständigen Formen literarischen Ausdrucks bzw. behandeln gezielt US-Themen. Beispiele:
    • 18./19. Jahrhundert: Autoren englischer Herkunft distanzieren sich häufig von Großbritannien als Kolonialmacht und betonen, dass sie Amerikaner sind (Walt Whitman, Mark Twain)
    • 20. Jahrhundert: Afroamerikaner wollen zurück zu ihren Wurzeln (Alex Haley : Roots), andere empfinden sich als eigenständige Nation (Ursula Rucker: "HipHop is a Culture!"); Weiße Autoren knüpfen an englische Traditionen an (Michael Cunninghams Roman The Hours als Rezeption von Virginia Woolfs Roman Mrs. Dalloway)
  • Ältere Gruppen dominieren jüngere Gruppen von Einwanderern. Die US-Bevölkerung besteht zu etwa 75 Prozent aus Weißen, in der Literatur haben von Anfang an die Angehörigen der WASP-Gruppe das Sagen:
    • WASP = White Anglo Saxon Protestants
  • Der Entstehungsraum innerhalb der USA prägt die Literatur: Ostküste - Westküste - Nordstaaten - Südstaaten - Stadtkultur - ländliche Provinz
  • Die Auseinandersetzung zwischen Religiösen (Fundamentalisten) und Toleranten bzw. zwischen politischen Hardlinern und Liberalen drückt sich auch in der Literatur aus (Nathaniel Hawthorne, Michael Moore).


Phasen der US-Literatur

Die Phaseneinteilung orientiert sich an historischen Ereignissen oder an der Runden Zahl:

  • 1607 Gründung von Jamestown
  • 1763 Ein britisch-königliches Edikt, die Besiedlung des Kontinents solle an den Appalachen stoppen, weckt den Widerstand der Pioniere
  • 1850 Die Grenzen zu Kanada und Mexiko liegen fest, Kalifornien wird ein Bundesstaat der USA
  • 1917 Die USA treten in den Ersten Weltkrieg ein und werden Weltmacht.

Die Koloniale Phase (1607-1763)

Zunächst dominieren die Gattungen Reisebericht, Landesbeschreibung, Abenteuer mit Indianern sowie christliche Literatur. Die Autoren haben zumeist das britische Publikum daheim als Adressaten im Auge. Gedruckt wird in England, dann eventuell reimportiert.

Wichtige Autoren und Werke:

Die Nationale Konstitution (1763-1850)

Die literarische Produktion nimmt zu. Von 1774 bis 1820 entstanden nur 113 Titel, von 1820 bis 1830 bereits 167 Titel. Inzwischen gibt es auch eigene Druckereien in den USA. Neben Autobiographien werden zunehmend lyrische und erzählerische Werke geschrieben.

Wichtige Autoren, Gruppen und Werke:

Die Prämoderne (1850-1917)

Die Literatur greift nationale Themen auf, wie Sklaverei und Sklavenbefreiung, den Bürgerkrieg und die Zeit danach. Die Autoren reflektieren z.T. bereits kritisch über amerikanische Geschichte und Gesellschaft. Beispielsweise stellt Nathaniel Hawthorne in Der scharlachrote Buchstabe den religiösen Fundamentalismus in Frage.

Die Lyrik ist bis 1890 die angesehenste Gattung mit Vertretern wie Longfellow und Whitman, denen viele Epigonen folgen. Eine der wichtigsten Lyrikerinnen der USA wird Emily Dickinson.

Das Drama wurde noch 1774 von den Puritanern geächtet. Ab 1800 entstehen zunehmend Stücke, in denen europäische Traditionen imitiert werden. New York mit dem Broadway beginnt zu florieren und entwickelt bereits ein boomendes Star-System. Typisch amerikanisch ist die Minstrel-Show mit ihren Variete-Zügen, Improvisationen, Gesang, Tanz, kurzen Sketchen. Dort tritt eine Art CLown namens Jim Crow auf: der Schwarze, meist von Weißen mit gerußten Gesichtern dargestellt. Frühe Dramatiker und Stücke: Robert Bird (The Gladiator, 1831); Anna Mowart (Fashion, or Life in New York, 1845); George Boker (Francesca da Rimini, 1855); William Brown (The Escape, 1858, 1. Stück eines Afroamerikaners)

Die erzählende Literatur entfaltet sich in Romanen und kürzerer Prosa. Wichtige Autoren und Werke: Nathaniel Hwathorne (Der scharlachrote Buchstabe, 1850; Das Haus der sieben Giebel, 1851; Der Marmorfaun, 1860); Harriet Beecher Stowe (Onkel Toms Hütte, 1852; Oldtown Folks, 1869); Louisa May Alcott (Little Women, 1869); Henry Adams (Democracy, 1880); Frank Norris (The Octopus, 1901)

Als eine Art amerikanischer Heimatliteratur entsteht nach dem Bürgerkrieg die Local Colour Literature, die von den Regionen geprägt ist. Der Westen steht für Freiheit vom Gesetz, der Süden für Leidenschaft und Sentiment, der Mittelwesten für listige Außenseiter, New England für die trotzige Bewahrung des Selbstwerts. Beispiele: George Washington Cable (Old Creole Days, 1879); Kate Chopin (A Night in Arcadia, 1897); Edgar Watson Howe (The Story of a Country Town, 1884, dt. Pioniere in Kansas)

Mit seinem Frühwerk gehört Mark Twain durchaus noch in die Local Colour Literature (Leben auf dem Mississippi, 1883). Er läßt diese mit seinem Talent für Humor und Satire und seinem zunehmend breiteren Themenspektrum weit hinter sich (Ein Yankee am Hofe des Königs Artus, 1889). Mit seinen Gestalten Huckleberry Finn und Tom Sawyer beeinflusst er bis in die Gegenwart das Selbstbild des Amerikaners als des jungenhaften Typs, der herumstromert, für sich selbst sorgt, ohne Egoist zu sein, und jeder Herausforderung gewachsen ist. Ernest Hemingway, J. D. Salinger (Der Fänger im Roggen, 1951) oder John Steinbeck (Die Straße der Ölsardinen) sind direkte Erben Mark Twains. Bei Joyce Carol Oates tritt er in Persona auf (Die Schwestern von Bloodsmoor, 1982).

Eine Hauptströmung der Prosa ist wie in Europa der Realismus mit Autoren wie William Dean Howells, Henry Blake Fuller, Willa Cather und Edith Wharton. Als herausragender Repräsentant des Realismus gilt Henry James, der neben Theodor Fontane oder Leo Tolstoi zur Weltliteratur zählt.

Um die Jahrhundertwende entwickelt sich auch in den USA der Naturalismus, vertreten von Jack London. Seine Abenteuer- und Tiergeschichten (Wolfsblut, 1906) basieren auf den Werken von Darwin, Nietzsche und Marx.

Die Trivialliteratur erreicht zahlreiche Leser mit Aufsteigerromanen, Comics, Western und Abenteuerstorys. Populäre Autoren und Werke: Horatio Alger mit Jugendbüchern, Owen Wister (The Virginian, 1902); Zane Grey (Western, um 1910); Edgar Rice Burroughs (Tarzan, 1914)

Die Moderne (1917-1950)

Die USA stehen technisch gesehen an der Weltspitze, sind aber ansonsten weithin konservativ. So kommt es als Gegenreaktion unter den Intellektuellen zur Entwicklung der Moderne. Die Moderne wird in drei Phasen unterteilt:

  • Avantgarde-Rebellen brechen mit Konventionen und Normen im gesellschaftlichen wie im ästhetischen Bereich. Es wird rücksichtslos experimentiert.
  • Ab ca 1920 erfolgt die Abkehr von wilden Experimenten. Mit erweitertem Kunst- und Weltverständnis sucht man nach Balance, innovativen Transformationen, Meisterschaft
  • Ab 1945 erfolgt eine Kanonisierung der Moderne als Klassik des 20. Jahrhunderts, welche humanistische Werte bewahrt, das Chaos der Welt durch die Ordnung der Kunst konterkariert.

Im Stieglitz-Kreis in New York findet die Moderne eine wichtige Basis. In der Zeitschrift Camera Work schreiben Autoren wie Hart Crane, William Carlos Williams und Waldo Frank.

Zur Avantgarde in den USA zählen die Lyriker Wallace Stevens, Marianne Moore und Robert Frost, sowie die Romanautoren John Dos Passos, James T. Farrell und Raymond Chandler. Der Naturalist John Steinbeck und der Südstaaten-Chronist William Faulkner finden internationale Anerkennung.

Teile der US-Moderne fühlen sich von den Konservativen in den Staaten zu sehr eingeengt und gehen nach Europa. Ein weiteres Motiv der Literaten-Emigration ist der Wunsch, sich näher an die Wurzeln der Kultur zu begeben.

  • Getrude Stein gilt mit ihren Sprachexperimenten als Mutter der Moderne. Sie prägt das Wort von der Lost Generation, zu der vor allem jüngere Autoren wie F. Scott Fitzgerald und Ernest Hemingway gehören.
  • T. S. Eliot verarbeitet europäische Mythen (Das wüste Land, 1922)
  • Ezra Pound definiert den Dichter als den representative man, der die Sprache seiner Nation reinigt, Pound entwickelt das Imagist Manifest (1913) und den Vortizismus.

Das Theater erlebt eine erste Blütezeit. Neben Tragödien, Dramen und Komödien entstehen Folkdrama, Musical und Oper. Wichtige Vertreter sind Susan Glaspell, Lillian Hellmann, Maxwell Anderson, Eugene O'Neill, Thornton Wilder und Arthur Miller.

Das Medium Film gewinnt an Bedeutung. Einerseits vermitteln Literaturverfilmungen konventionelle literarische Werke an ein breites Publikum, auch an Nicht-Leser. Andererseits tritt das Drehbuch zunehmend neben das Bühnenstück und wird sogar als Form im Roman adaptiert.

Die Postmoderne (1950-2000)

In der McCarthy-Aera und danach kommt es zu immer stärkerer Individualisierung, nach dem Kalten Krieg wird die Literatur multi- und interkulturell. Typisch sind Wertverlust oder Umkehrung von Werten. Die Literatur lebt von Parodie und Spiel. Als Gattung entwickelt sich die Performance. Die neuen Medien, Film, Computer erlangen Bedeutung. Wichtige Themen werden die sexuelle Orientierung (Homosexualität), die Rolle Amerikas in der Welt (Vietnamkrieg, Golfkriege, wirtschaftliche Globalisierung), die Menschenrechtssituation (in den USA und abroad).

Wirbel erzeugt die Beat Generation, die Beatniks, die sich in Kalifornien entwickelt. Sie thematisieren Sex und Drogen, plädieren für Bewusstseinserweiterung, suchen die Nähe der Natur, wobei sie bereits ökologische Ideen verfolgen und setzen sich für den Dialog zwischen den Kulturen und mehr Spiritualität ein. Wichtige Autoren: Kenneth Rexrodt, Gary Snyder, Allen Ginsberg (Kaddish, 1960, The Fall of America, 1973), Jack Kerouac (Gammler, Zen und hohe Berge, 1958), William S. Burroughs (Junkie, 1953; Naked Lunch, 1959).

Andere wichtige Gruppen der Postmoderne:

Im Drama der Postmoderne kommt es zu einer breiten Produktion. Es entstehen Theaterformen, bei denen das Wort weniger eine Rolle spielt und Bewegung oder Licht zu Ausdrucksfaktoren werden. Bühnenstück und Drehbuch fordern die Autoren gleichermaßen heraus: (Arthur Miller: Misfits mit Marilyn Monroe), Woody Allen

Weitere Dramatiker: David Mamet, Sam Shepard

Große Erfolge haben Autoren, die Science Fiction, Horror, Punk, Fantasy, HipHop publizieren: Ray Bradbury (Fahrenheit 45, 1953); Marge Piercy (Die Frau am Abgrund der Zeit, 1976); Anne Rice (Interview mit einem Vampir, 1976); Kathy Acker (Punkroman Empire of the Senseless, 1988). Als King of Horror erringt Stephen King literarische Anerkennung als Erbe von Edgar Allen Poe. Um die Fantasy-Romane von Marion Zimmer Bradley (Darkover-Zyklus; Die Nebel von Avalon) entsteht ein feministisch orientierter Kult.

Bedeutende und lesenswerte Autoren von Erzählungen und Romanen, die oft kritisch-realistisch oder humorvoll geschrieben sind:

Paul Auster, Saul Bellow, Richard Brautigan, Colum McCann, Michael Cunningham, Joseph Heller, John Irving, Norman Mailer, Bernard Malamud, Vladimir Nabokov, Joyce Carol Oates, Sylvia Plath, Helen Hooven Santmyer, Alice Sebold, Anne Tyler, John Updike, Gore Vidal, Irvin D. Yalom

Als bedeutendster US-Autor der Gegenwart gilt Philip Roth (Amerikanisches Idyll, 1997; Der menschliche Makel, 2000)

Die computerisierte Phase (ab ca. 1990)

Das Tempo in der Literaturszene wird unter dem Einfluss von Großverlagen wie Random House (Bertelsmann) beschleunigt. Groß-Autoren wie Michael Crichton verkaufen Filmrechte, schon bevor ein Roman geschrieben wird. Die Honorare für Bestseller explodieren, Millionenbeträge sind üblich.

Seit Bill Gates den Computer zum Volksgut werden ließ, fordert er die Kreativen heraus, die Möglichkeiten zu erforschen. So bestehen zwar sämtliche Gattungen fort, doch benützen die Autoren zunehmend statt der Schreibmaschine den PC. Gelegentlich publizieren Autoren wie Stephen King bereits während des Schreibprozesses im Internet. Eine Wandlung im Sektor Distrubution deutet sich an. PC und Internet werden auch zum Thema von Literatur und Film (E-mail für dich, Das Netz). Als eigene Gattung der Gebrauchsliteratur entsteht die Homepage, die Schriftzeichen mit visuellen und akustischen Elementen mischt. Neben den Brief tritt die E-Mail und die SMS. Der Zeichentrickfilm wird von digitalen Animationsfilmen abgelöst, in Realfilme werden Digitale Animationen eingesetzt (Krieg der Sterne).

Als große Themen nach dem Millennium zeichnen sich ab: der Erhalt der amerikanischen Demokratie angesichts von Familien-Dynastien (George W. Bush), die Aufgabe der Selbstjustiz angesichts der Brutalisierung Waffengesetze, Amoklauf von Jugendlichen, gegen die sich ein Sachbuchautor und Satiriker wie Michael Moore stellt, die Bewältigung der Terrorismus-Frage (inländische Gruppen und Islamisten), die Sinnfrage in der Konsumgesellschaft

Literatur

  • Amerikanische Literaturgeschichte. Hrsg. von Hubert Zapf. Metzler-Verlag, 1996 ISBN 3-476-01203-4
  • Martin Schulze: Geschichte der amerikanischen Literatur. Propyläen-Verlag, 1999
  • Literatur-Brockhaus, Bd III, Artikel USA-Literatur
  • Horst Dippel: Geschichte der USA. Beck-Verlag, 1999
  • Amerikanische Lyrik. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Zweisprachig. Reclam 9759 ISBN 3-15-009759-2

siehe auch

Indianische Literatur; Afroamerikanische Literatur; Asiatischamerikanische Literatur; Hispanoamerikanische Literatur; Liste englischsprachiger Schriftsteller; Liste amerikanischer Schriftsteller