Fugu

japanische Spezialität
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Fugu (jap. 河豚) ist eine japanische Spezialität, die aus dem Muskelfleisch von Kugelfischen besteht.

Takifugu rubripes in einem Restaurant in Nagoya, Japan

In einer besonderen Zubereitungstechnik werden die durch das darin enthaltene Tetrodotoxin hochgiftigen Körperteile wie Darm, Rogen, Leber und je nach Kugelfischart auch die Haut vorsichtig entfernt und nur das schwachgiftige Muskelfleisch verwendet.[1][2][3] Daher muss heute in Japan jeder, der mit Fang, Handel oder Zubereitung zu tun hat, eine spezielle Lizenz besitzen. Für die Zubereitungslizenz muss der Koch zwei Jahre in einem Fugurestaurant gearbeitet haben und muss dann eine Prüfung ablegen. In Deutschland ist die Zubereitung von Fugu gänzlich verboten, in der Schweiz ist die Lebensmittelgewinnung verboten[4], was bedeutet, dass Fugu nur für den privaten Konsum importiert werden darf.

Heute können allerdings mithilfe einer besonderen Diät auch ungiftige Kugelfische gezüchtet werden, da die Fische das Gift nicht selbst herstellen, sondern seine Bestandteile mit ihrer Nahrung aufnehmen.

Etymologie

Im Altertum hieß der Fisch Fuku und wird auch heute noch im Raum Shimonoseki so bezeichnet. Den Namen erhielt er deshalb, weil sich der Fisch mit Wasser aufbläst und dieses beim Fangen herausspritzt, was sich wie pūpū anhört[5] – /f/ und /p/ sind im Japanischen beides stimmlose Bilabiale.

Geschrieben wurde er als 布久 oder . Ersteres ist eine phonetische Schreibweise und findet sich erstmalig im Wörterbuch Wamyō Ruijushō von 938. ist dagegen viel jüngeren Datums und stammt aus der Edo-Zeit, wo es in der illustrierten Enzyklopädie Wakan Sansai Zue von 1712 verwendet wird.[5] Dasselbe Schriftzeichen allerdings mit der Aussprache awabi bezeichnet aber auch Seeohren.

Die heutige übliche Kanji-Schreibweise 河豚 bedeutet wörtlich „Flussschwein“ und stammt aus China, wo es den im Jangtsekiang heimischen Takifugu obscurus (jap. mefugu) bezeichnete. Das „Schwein“ bezieht sich auf bereits vorher genannten Laut, der an ein Schwein erinnert, und „Fluss“ hier auf dessen wohlschmeckendes Fleisch.[5]

Arten, Geschmack und Darreichung

 
Fugu-Verkauf in einer Marktstrasse in Osaka, Japan
 
Fugu-Sashimi

Fugu wird in zumeist Restaurants angeboten, die sich auf das Zubereiten von Kugelfischen spezialisiert haben. Die Restaurants erkennt man oft an einem getrockneten und aufgeblasenen Kugelfisch am Eingang. Er ist wegen der nötigen Sicherheitsmaßnahmen und der Spezialausbildung der Köche teuer und gilt als Statussymbol. Der Fisch wird zumeist als Sashimi roh in hauchdünnen Scheiben, jedoch auch frittiert oder gebraten (karage) verzehrt oder in einer Suppe zubereitet. Um den Rohfischgeschmack voll wahrzunehmen, werden traditionell zwei bis drei Scheiben übereinandergelegt in den Mund gesteckt, die üblicherweise zuvor mit Sojasauce (Shōyu) benetzt werden. Sein Geschmack wird meist als fade beschrieben. Die Kunst der Zubereitung liegt darin, gerade noch ohne ernsthafte Vergiftungserscheinungen tolerierbare Giftdosen zu verabreichen, die neben einem prickelnden Taubheitsgefühl im Mund beim Gast auch rauschhafte Euphorie auslösen sollen.[6]

Folgende Kugelfisch-Arten werden vom japanischen Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales als für den Verzehr geeignet erlaubt, wobei Leber, Eierstöcke und Gedärme als generell giftig gelten:[7]

Name für den Verzehr erlaubt
Wissenschaftlich Japanisch Hoden Haut Muskelfleisch
Takifugu chrysops Akamefugu Ja Nein Ja
Lagocephalus inermis Kanafugu Ja Ja Ja
Takifugu chinensis Karasu Ja Ja Ja
Takifugu niphobles Kusafugu Nein Nein Ja
Laocephalus gloveri Kurosabafugu Ja Ja Ja
Takifugu stictonotus Gomafugu Ja Nein Ja
Takifugu poecilonotus Komonfugu Nein Nein Ja
Takifugu flavidus Sansaifugu Nein Nein Ja
Takifugu xanthopterum Shimafugu Ja Ja Ja
Takifugu snyderi Shōsaifugu Ja Nein Ja
Laocephalus wheeleri Shirosabafugu Ja Ja Ja
Takifugu rubripes Torafugu Ja Ja Ja
Takifugu stictonotus Nashifugu Nein[Anm. 1] Nein Nein[Anm. 2]
Takifugu pardalis Higanfugu Nein Nein Ja
Takifugu porphyreus Mafugu Ja Nein Ja
Takifugu obscurus Mefugu Ja Nein Ja
Sphoeroides pachygaster Yoritofugu Ja Ja Ja

Anmerkungen:

  1. Verzehr der Hoden möglich für Fänge aus der Ariake-See, Tachibana-Bucht und der Seto-Inlandsee von Kagawa und Okayama.
  2. Verzehr des Muskelfleisches möglich für Fänge aus der Ariake-See und Tachibana-Bucht, nach einer von der Präfektur Nagasaki festgelegten Verarbeitungsweise.

Unter die Bezeichnung Fugu fallen aber auch die Igelfisch-Arten Grauer Igelfisch (Ishigakifugu), Braunflecken-Igelfisch (Harisenbon), Masken-Igelfisch (Hitozura-Harisenbon) und Gepunkteter Igelfisch (Nezumifugu) bei denen Hoden, Haut und Muskelfleisch essbar sind, sowie die Kofferfisch-Art Ostracion immaculatus (Hoden und Muskelfleisch essbar).[7]

Gefährlichkeit und Verbote von Kugelfischkonsum

 
Gebratene Fugu-Fischmilch

Die Wirkung wie auch die Gefährlichkeit der Kugelfische werden bereits im ältesten chinesischen Kräuterbuch (Pen tsao chin) erwähnt.

Während der Muromachi-Zeit (14.–16. Jahrhundert) wurde ein allgemeines Verzehrverbot erlassen. Bei Samurai wurde eine Fuguvergiftung als sinnloser Tod betrachtet und führte zur Aufhebung der Besoldung der ganzen Familie. Als der Premierminister Itō Hirobumi 1888 im Restaurant Shunpanrō (春帆楼) in Shimonoseki in der Präfektur Yamaguchi Kugelfisch aß und von dessen Geschmack begeistert war, hob der Gouverneur dieser Präfektur Hara Yasutarō das Verbot für diese auf. Andere Gegenden Japans folgten, wobei sich in Osaka das Verbot bis 1941 hielt.[5]

Die Zahl der Menschen, die in Japan in den Jahren 1956 bis 1958 an Fugu-Vergiftungen starben, belief sich auf 420. Seit die Handhabung des Fisches in Japan Lizenzen erfordert, ist diese Zahl quasi auf Null zurückgegangen. Die durchschnittlich fünf Japaner im Jahr, die auch heute noch nach Kontakt mit Fugu-Innereien sterben, sind ausnahmslos Privatleute, die ohne Lizenz mit dem Fisch arbeiteten oder bewusst die gifthaltige Leber als Rauschmittel konsumierten (seit 1983 verboten). Fugu ist auch das einzige Nahrungsmittel, das den Mitgliedern der kaiserlichen Familie nicht aufgetischt werden darf. Eine moderne Legende ist, dass Fugu-Köche, in deren Restaurant Leute vergiftet wurden, Seppuku (rituellen Selbstmord) begingen.

Nach deutschem Recht darf Fugu nicht zum Verzehr nach Deutschland importiert werden. Diesen Umstand nutzte die hessische Partei Die Grünen 1985 für einen Scherz, als sie in die Koalitionsvereinbarung mit der SPD ein fiktives Shanghaier Kugelfisch-Abkommen aufnahm, das angeblich die Fristen von Arbeitserlaubnissen für Fugu-Köche verlängern sollte.

In den USA haben einige wenige japanische Restaurants das Recht, Fugu zu servieren; dieser darf allerdings nicht vor Ort zubereitet werden, sondern muss filetiert und tiefgefroren aus Japan importiert werden.

Kugelfischfang und giftfreie Züchtung

Fugu ist eine Spezialität verschiedener japanischer Hafenstädte der Präfektur Yamaguchi, z. B. Shimonoseki, da in dieser Region das Tiefenwasser nahe dem Meeresgrund die von den Fischen bevorzugte Temperatur von 13 Grad Celsius aufweist. Gefischt wird durch Schleppfischen mit der Besonderheit, dass der Fisch sich beim Einholen infolge Druckabfalls aufbläht und ohne nachfolgende Manipulation kieloben im Fangbehälter treibt. Diesem Umstand wird abgeholfen, indem die Luft durch einen gezielten Stich mittels eines Spezialwerkzeuges hinter die Kiemenflosse, abgelassen wird.

Professor Tamao Noguchi (Universität Nagasaki) hat nach jahrelangen Forschungen giftfreie Kugelfische züchten können.[8] Mittels der Fütterung durch eine Spezialnahrung werden die Kugelfische giftfrei. Das japanische Gesundheitsministerium will jedoch so lange keine Genehmigung für den Verkauf dieser Art erteilen, bis geklärt worden ist, wie das Gift im Fisch entsteht.[9] Kugelfischzüchter halten diese Beschränkung für eine willkürliche Schutzbestimmung zugunsten der Fugu-Köche.[10]

Fugu in der Populärkultur

In der Columbo-Folge Mord á la Carte (1978, Regie: Jonathan Demme) bringt der Mörder sein Opfer mit Fugugift um. In der Simpsons-Folge Die 24-Stunden-Frist (1991, Regie: Wesley M. Archer) glaubt Homer, dass er nur noch 24 Stunden zu leben hat, weil er in einem Sushi-Restaurant Fugu gegessen hat.

Commons: Takifugu rubripes – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Klaus Roth, Chemische Delikatessen, 1. Auflage 2007, ISBN 978-3-527-31984-8, Seite 142
  2. Thomas Hauer: Das Geheimnis des Geschmacks: Aspekte der Ess- und Lebenskunst. Anabas Verlag, 2005, ISBN 3-8703-8366-6, Seite 17
  3. Japan, Lonely Planet Verlag, ISBN 3829716214, S. 100
  4. Verordnung des EDI über Lebensmittel tierischer Herkunft Art. 2g
  5. a b c d 虎河豚(とらふぐ). In: 日本の旬・魚のお話. Shinkō Gyorui K.K., abgerufen am 21. Oktober 2011 (japanisch).
  6. Thomas Hauer: Das Geheimnis des Geschmacks: Aspekte der Ess- und Lebenskunst. Anabas Verlag, 2005, ISBN 3-8703-8366-6, Seite 17
  7. a b 自然毒のリスクプロファイル:魚類:フグ毒. Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales, abgerufen am 22. Oktober 2011 (japanisch).
  8. Tamao Noguchi, Osamu Arakawa und Tomohiro Takatani: Toxicity of pufferfish Takifugu rubripes cultured in netcages at sea or aquaria on land. In: Comparative Biochemistry and Physiology Part D: Genomics and Proteomics, Volume 1, Issue 1, March 2006, p. 153-157, ScienceDirect
  9. Vorlage:Tagesschau, tagesschau, 10. September 2008
  10. „If the Fish Liver Can’t Kill, Is It Really a Delicacy?“ New York Times, 4. Mai 2008