Natürlich gibt es zwischen der Geschichte von Prag und der Geschichte Tschechiens Überschneidungen. Aber nur selten ist eine Hauptstadt so innig mit der Geschichte ihres Landes verknüpft wie Prag. Zur Unterstützung beim Lesen und um die Ereignisse geschichtlich besser einorden zu können hilft die Liste der Herzöge und Könige von Böhmen.
Vor- und Frühgeschichte
Die Besiedlung Böhmens und somit auch des Prager Raumes geht bis auf das 4. Jahrtausend v. Chr. zurück.
Die ersten slawischen Siedlungen entstanden bereits im 5. Jahrhundert und 6. Jahrhundert. Die Zahl der schriftlichen Quellen ist bis zum 10. Jahrhundert beschränkt. Vorwiegend archäologische Ausgrabungen zeugen für diese Zeitspanne vom Leben der Menschen in Prag.
Mittelalter
In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts breitete sich in Böhmen das Christentum aus und im Zentrum des Landes erlangte die Dynastie der Přemysliden über die anderen Stammesfürsten die Vorherrschaft. Herzog Bořivoj ist der erste belegte Vertreter dieses Herrschergeschlechts. Er baute die beiden ersten christlichen Kirchen in Levý Hradec und in Prag. Die um 870 gegründete Prager Burg (Pražský hrad), oberhalb der heutigen Prager Kleinseite (Malá Strana), wurde zur ständigen Residenz der Přemysliden unter Herzog Bořivojs Herrschaft. Dies war die erste Keimzelle der späteren Stadt.
Ab 926 errichtete Herzog Wenzel von Böhmen, ein eifriger Verfechter des christlichen Glaubens, die St. Veits Rotunde (rotunda sv. Víta) in dieser Burg. Sein Bruder Boleslav I. ermordete ihn im Jahre 935. Wenzel wurde von der Kirche heiliggesprochen. Sein Märtyrertot bildete Grundlage für die St. Wenzels Tradition. Er wurde der Schutzherr des Landes. Dies stärkte die innere Einheit des Landes und bestimmte die Entwicklung des böhmischen Staatswesens. Um das 10. Jahrhundert wurde die Burg Wyschehrad (Vyšehrad) auf der gegenüberligenden Uferseite der Moldau (Vltava) als geistlicher Gegenpol gegründet. Die erste Erwähnung Prags von dem jüdisch-arabischen Kaufmann mit dem Namen Ibrahím ibn Jakúb aus Cordoba stammt aus dem Jahre 965. Seine Beschreibungen sind deutlich übertrieben und dadurch weder archäologisch noch historisch belegbar. Nachdem in Böhmen von Kaiser Otto 973 unter Boleslav II. ein selbständiges Bistum eingerichtet wurde, wurde Prag der Sitz des Bischofs und stand nun unter dem Erzbistum Mainz. Seit hundert Jahren davor war Böhmen ein Teil des Bistums Regensburg.
1085 wurde Prag Residenz des ersten vom Kaiser ernannten Böhmischen Königs Vratislav II. (1061-1092) aus dem Adelsgeschlecht der Přemysliden, zuvor war er Herzog von Böhmen. Seitdem ist Prag Königssitz.
1172 wurden die Bauarbeiten an der Juditana-Brücke beendet. Es ist die die zweitälteste Steinbrücke in Mitteleuropa. Nach der weitgehenden Zerstörung durch Hochwasser wurde diese Brücke von Karl IV. im Jahre 1357 durch die Karlsbrücke ersetzt, der ältesten erhaltenen Steinbrücke dieser Spannweite der Welt und eines der Wahrzeichen der Stadt Prag.
Im 13. Jahrhundert wurden die reichen Silbererzvorkommen in Böhmen entdeckt. Die Prager Silbergroschen, die seit 1300 in Kuttenberg (Kutná Hora) mit dem böhmischen Löwen und der Königskron geprägt wurden, galten als eines der hochwertigsten Zahlungsmittel des europäischen Kontinents.
Ab 1230 entstand die Prager Altstadt (Staré město) auf der gegenüberliegenden Moldauseite und 1257 wurde die Prager Kleinseite (Malá Strana) von Otakar II. zu Füßen der Burg gegründet.
Vom 7. Februar 1311 bis 1346 ist Johann von Luxemburg (Jan Lucemburský), auch der Blinde genannt, Böhmischer König. Als dritte Prager Stadt wurde um das Jahr 1320 der Hradschin (Hradčany) als Untertanenstadt an der heutigen Platzanlage vor der Burg (Hradčanské náměstí) gegründet. Bis 1598 unterstand sie dem Burggrafen der Prager Burg. Die gewachsene Bedeutung der Stadt läßt sich an der von ihm 1338 bewilligten Errichtung des Altstädter Rathauses ablesen. Die dem Přemyslidengeschlecht entstammende Gattin von Johann mit dem Namen Elisabeth schenkte ihm den Sohn Karl.
Als 1344 das Prager Bistum zum Erzbistum befördert wurde, begann Karl mit der Errichtung des gotischen St. Veitsdom (katedrála sv. Víta, Václava und Vojtěcha). Fertiggestellt wurde die Kathedrale jedoch erst 1929.
Karl IV.
Als Karl IV. wurde der König von Böhmen 1355 vom Papst zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt. So wurde Prag Haupt- und Residenzstadt des Heiligen Römischen Reiches. Mit Böhmen blühte auch Prag in der Epoche von Karl IV. 1346-1378 auf und erlangte Ruhm durch Baukunst und Kultur. Er ließ den Hradschin beträchtlich erweitern und befestigen. Im Jahre 1348 gründete er die Prager Neustadt (Nové Město). Die Karls-Universität wurde am 7. April 1348 von Karl IV. in seiner Funktion als böhmischer König gegründet. Sie war aber auch als Reichsinstitution gedacht, zumindest nahm sie eine solche Funktion in den ersten Jahrzehnten wahr. Zudem war sie durch das Übergewicht der deutschen Studenten und Professoren die erste "deutsche" Universität, die erste in Mitteleuropa überhaupt. Die Studenten waren zu dieser Zeit in die "Nationen" Böhmen, Polen, Bayern und Sachsen unterteilt. Erst durch den Auszug der "deutschen Nationen" unter König Wenzel IV. verlor die Prager Universität diese Funktion und wurde zu einer mehrheitlich böhmischen. Prag wurde durch all diese Errungenschaften und durch den Bau von Befestigungen um die Kleinseite zu einer der größten Städte Europas sowohl hinsichtlich seiner Ausdehnung als auch seiner Bevölkerungszahl (35-40 000 Einwohner).
Durch Verschiebung des Stimmverhältnisses unter den in vier Nationen gegliederten Angehörigen zugunsten der böhmischen Nation kam es 1409 zum Auszug fremder Studenten und Professoren aus der Prager Karls-Universität zwischen dem 11. und 18. Mai. Rund 1000 Studenten und Professoren gingen im Juni nach Leipzig und gründeten dort die Universität Leipzig.
Hussitenzeit
Es kam zum Aufstand unter dem Reformator und Märtyrer Jan Hus. Nach dem ersten Prager Fenstersturz kam es zu den Hussitenkriegen. Im Jahre 1422 wird Jan Želivský, Anführer der radikalen Hussiten, am Altstädter Ring hingerichtet. Nach der Hinrichtung von Jan Hus zwischen 1419 und 1437 unternahm die katholische Kirche Reformversuche.
Neuzeit
1526 trat die Habsburger Dynastie die Thronfolge an und behielt den Thron fast lückenlos bis ins Jahr 1918 inne. Unter dem böhmischen König Rudolf II. (1576-1611) wurde Prag Kaiserresidenz und mithin Brennpunkt des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens.
Dreißigjähriger Krieg
Auslöser des Dreißigjährigen Krieges war der zweite Prager Fenstersturz.
In der Schlacht auf dem Weißen Berg 1620 wurden die protestantischen Stände von den katholischen Habsburgern besiegt. Die siegreiche Partei bestimmte fortan die kulturelle Entwicklung (Prager Barock). Damit einher ging ein schleichender Verfall der Tschechischen Sprache und des Tschechischen Nationalbewußtseins.
Im Prager Frieden am 30. Juni 1635 trat der Kaiser die Lausitz an Kursachsen ab.
Im Jahr 1781 wurde die Leibeigenschaft aufgehoben.
Siebenjähriger Krieg
Die Schlacht von Prag im Siebenjährigen Krieg am 6. Mai 1757 schrieb ebenfalls Geschichte. Auf preußischer Seite führten König Friedrich der Große und Generalfeldmarschall Graf von Schwerin, auf österreichischer Prinz Karl von Lothringen und Feldmarschall Maximilian Graf von Browne.
1784 schlossen sich die vier bisher selbständigen Prager Stadtteile Hradschin (Hradčany), Kleinseite (Malá Strana), Altstadt (Staré Město) und Neue Stadt (Nové město) zusammen. Bis 1848 war dann die Zeit der Wiedergeburt der tschechischen Nation. Wie auch andere europäische Städte nahm Prag im 19. Jahrhundert an der Industriellen Revolution teil und expandierte stark. In den 1780ern wird die Königliche Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften gegründet.
Im Jahre 1834 entsteht die Königliche Ständische Technische Lehranstalt als erste technische Hochschule Europas. Das Nationalmuseum wird 1818 errichtet. Später wurde es durch den Politiker und Historiker František Palacký in ein aktives Zentrum der Bestrebungen um Erneuerung der tschechischen Nationalkultur verwandelt. Im Jahr 1834 erklingt die Melodie des Liedes Kde domov můj? (Wo ist mein Heim, mein Vaterland). Im Revolutionsjahr 1848 tritt zum ersten mal seit mehr als zwei Jahrhunderten das tschechische Nationalbewusstsein wieder als selbstständiger politischer Faktor auf. Die Errichtung des Nationaltheaters inspiriert eine ganze Generation von Komponisten und gestaltenden Künstlern. Es entstanden Bedřích Smetanas Opern und Antonín Dvořáks Schaffen erreichte seinen Höhepunkt.
Für die Tschechen war Prag der kulturelle Mittelpunkt, während die deutschsprachigen Künstler Prags (zum Beispiel Franz Kafka, Egon Erwin Kisch und Franz Werfel) oft einen Teil ihres Lebens in den übrigen deutschen Kulturzentren (unter anderem Berlin, Dresden, München oder Wien) verbrachten.
Die Aufteilung der Prager Karls-Universität in eine deutsche und eine tschechische Universität war ein Symbol für die ethnischen Konflikte, die Prag am Ende des 19. Jahrhunderts erschütterten.
Mit dem ersten Weltkrieg brach über das Volk sowohl materielle Entbehrung als auch politische und nationale Unterdrückung herein. Dagegen und unmittelbar gegen die Monarchie loderte der Widerstand gleich zu Beginn auf. In der österreichischen Armee brach immer wieder Aufruhr aus und sowohl Hungerdemonstrationen als auch Kundgebungen nahmen in dem Frühsommer 1918 zu.
Am 28. Oktober 1918 rief das Nationalkomitee die Selbstständigkeit der Tschechoslowakischen Republik (ČSR) aus, für die sich am 30. Oktober auch das in Turčiansky Martin tagende Slowakische Nationalkommitee aussprach. Prag wurde Hauptstadt des neuen Staates. 1920 wurde Prag durch Eingemeindung vieler Vororte vergrößert.
Am 15. März 1939 marschierten deutsche Truppen, vor den Augen der Welt, zur vollständigen Besetzung der ČSR ein. Prag wurde die Hauptstadt des Protektorats Böhmen und Mähren. Emil Hacha, der 1938 nach dem Rücktritt von Edvard Benes Präsident der tschechoslowakischen Republik wurde, blieb bis 1945 Präsident des Protektorats unter deutscher Aufsicht. Deutsche Truppen hielten Prag bis 1945 besetzt. Im zweiten Weltkrieg wurde Prag kaum zerstört, da die Stadt außerhalb der Reichweite der alliierten Luftwaffe lag und anders als Pilsen keine kriegswichtige Industrie besaß.
Am 5. Mai 1945 wurden die Prager über das Radio zu den "Prager Aufständen" aufgerufen und tobten sich in einer Gewaltorgie an der deutschen Minderheit aus. Die Anarchie hielt nur wenige Tage und es kam zur Befreiung Prags vom Naziregime als am 9. Mai 1945 sowjetische Truppen einmarschierten. Die Befreiung mündete wenige Tage später in eine Besetzung. Am 27. Juni 1945 wurde Emil Hacha als prominentester Kollaborateur hingerichtet, während Tausende seiner Anhänger in wilden Gewaltexzessen ohne Gerichtsverfahren ermordet wurden. Nach dem Februar 1948 verschaffte sich die Kommunistische Partei (KSČ) den Zugang zur Macht. 1968 wurde ein friedlicher Umsturzversuch (Prager Frühling) gewaltsam niedergeschlagen. Fünf Staaten des Warschauer Paktes intervenierten.
Sturz des Sozialismus im Jahre 1989 durch die so genannte Samtene Revolution (Sametová revoluce). Bildung einer Regierung des nationalen Verständnisses. Václav Havel wird zum Präsidenten gewählt. Am 1. Januar 1993 wurde Prag Hauptstadt der unabhängigen Tschechischen Republik.
Beginn des 21. Jahrhunderts
Im August 2002 litt Prag, wie auch andere Teile Mitteleuropas, unter schweren Überschwemmungen. Teile der Stadt mussten evakuiert werden und Kulturgut wurde zerstört oder beschädigt.
Weblinks
- "Prag am Anfang der Geschichte" - Ausstellung im Museum der Hauptstadt Prag.
- Gründungsurkunde der Prager Karlsuniversität vom 7. April 1348 (Littera fundationis Universitatis Carolinae Pragensis)
siehe auch: Prager Fenstersturz, Prager Frühling, Samtene Revolution, Liste der Herzöge und Könige von Böhmen, Liste von Reformatoren, Liste der Präsidenten der Tschechoslowakei, Liste der Präsidenten von Tschechien