Das Kernkraftwerk Cattenom liegt bei der französischen Ortschaft Cattenom (Kattenhofen) in der Region Lothringen, etwa acht Kilometer nördlich der Stadt Thionville (Diedenhofen) und besteht aus vier Druckwasserreaktoren.
Kernkraftwerk Cattenom | ||
---|---|---|
![]() | ||
Lage | ||
| ||
Koordinaten | 49° 24′ 56″ N, 6° 13′ 0″ O | |
Land | Frankreich | |
Daten | ||
Eigentümer | EDF | |
Betreiber | EDF | |
Projektbeginn | 1979 | |
Kommerzieller Betrieb | 13. Nov. 1986 | |
Aktive Reaktoren (Brutto) |
4 (5.448 MW) | |
Eingespeiste Energie im Jahr 2006 | 34.084 GWh | |
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme | 583.422 GWh | |
Website | Seite bei EDF | |
Stand | 22. Juli 2007 | |
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation. |
Allgemeines
Das Kernkraftwerk liegt an der Mosel, zwölf Kilometer von der saarländischen Grenze und neun Kilometer von der luxemburgischen Grenze entfernt. Betreiber ist die französische Gesellschaft EDF. Die schweizerische Kraftwerksgesellschaft BKW bezieht jährlich 6 % Energie über die Kernbeteiligungsgesellschaft vom Kraftwerk. Zur Kühlung des Kernkraftwerks, in dem etwa 1.150 Personen beschäftigt sind, werden vier Kühltürme verwendet. In Rahmen von geplanten Abschaltungen und Revisionen erhöht sich die Zahl der Beschäftigten durch Fremdfirmen auf ca. 2000.
Im Jahre 2007 war der Standort Cattenom mit 37 TWh elektrischer Energie der größte Produzent in Frankreich. Dies entsprach ungefähr 8 % der französischen Produktion an elektrischer Energie. Im Jahre 1995 wurde mit 38,8 TWh ein Produktionsrekord erzielt.
Im Jahre 2005 wurde Cattenom nach ISO 14001 – Umweltmanagement, im Jahre 2007 nach ISO 9001 – Qualitätsmanagement und 2008 nach OHSAS 18001 – Arbeitsschutzmanagement zertifiziert.
Alle 58 französischen Kernkraftwerke sind unzureichend gegen Naturkatastrophen geschützt.[1] Der Einschätzung des gemeinsamen Beobachters von Luxemburg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland zufolge hat der Stresstest beim Atomkraftwerk Cattenom erhebliche Mängel zutage gefördert.[2] Laut dem Bericht, den die Autorité de sûreté nucléaire am 3. Januar 2012 der französischen Regierung vorgelegt hat, muss keinerlei Installation sofort stillgelegt werden.[3]
Geschichte
Der Bau des ersten Reaktorblockes wurde am 29. Oktober 1979 begonnen, dieser ging am 13. November 1986 in Betrieb. Zwischen 1980 und 1983 wurde mit dem Bau dreier weiterer Reaktorblöcke begonnen, die dann am 17. September 1987, am 6. Juli 1990 und am 27. Mai 1991 in Betrieb genommen wurden.[4]
Seit Beginn der Planungen bis Mitte der 1990er-Jahre gab es im französischen, luxemburgischen, deutschen und insbesondere im saarländischen Umland des grenznahen Kernkraftwerks Widerstand gegen das Kernkraftwerk.[5]
Ein Resolutionsentwurf, den die saarländische Abgeordnete Helma Kuhn-Theis zu Cattenom vorlegte, forderte einen den europäischen Normen entsprechenden Stresstest sowie überhaupt einen Ausstieg aus der Atomenergie und keine Verlängerung der Laufzeit von Cattenom. Darüber kam es im Interregionalen Parlamentarierrat zu einem Eklat, wobei Jean-Pierre Masseret, Präsident des Regionalrates in Metz, wütend den Plenarsaal verließ.[6]
Leistung
Die elektrische Nettoleistung der vier Reaktorblöcke liegt bei jeweils 1.300 Megawatt (MW), die Bruttoleistung bei 1.362 MW.[4] Die gesamte installierte Bruttoleistung des Kernkraftwerks liegt bei 5.448 MW, womit es das drittgrößte in Frankreich ist. Durchschnittlich werden pro Jahr 35.200 GWh in das Netz eingespeist.
Sicherheit
Verwendeter Brennstoff
Inzwischen hat die französische Atomaufsichtsbehörde Autorité de sûreté nucléaire (ASN) dem Stromkonzern Électricité de France (EDF) die Zustimmung erteilt, seine 1.300-MW-Atomreaktoren mit einer neuen Generation Brennstäbe (HTC – Haut Taux de Combustion) auszustatten und ein neues Brennelement-Managementprogramm unter dem Namen Galice (Gestion avec Augmentation Limitée de l’Irradiation pour les Combustibles en Exploitation, deutsch: Reaktorführung mit beschränkt erhöhter Bestrahlung des eingesetzten Brennstoffs) anzuwenden. Diese Erlaubnis betrifft auch das Atomkraftwerk Cattenom, wo das neue Verfahren in den kommenden Jahren eingeführt werden soll. Die neuartigen Brennstäbe enthalten einen höheren Anteil an spaltbarem Uran-235. Sie sollen zudem länger im Reaktorkern eingesetzt werden, um die Phasen des Reaktorstillstands wegen Brennelementwechsels zu verkürzen.
Erdbeben
Das Kernkraftwerk Cattenom wird als ein Sicherheitsrisiko wegen mangelnder Erdbebensicherheit der technischen Installationen angesehen, da sicherheitsrelevante Ventile nach einem Erdbeben nicht mehr funktionieren würden.[7] Presseberichten zufolge stuft Betreiber EDF Cattenom als erdbebensicher bis Stärke 5,4 ein[8], allerdings gab es in Mitteleuropa schon weitaus stärkere Beben (das Erdbeben von Roermond 1992 erreichte Stärke 5,9; die Beben von Düren 1756 und Verviers 1692 werden auf Stärke 6,4 geschätzt).
Notkühlung
In über 100 km Entfernung befindet sich auf der Westseite der Vogesen in Lothringen der Speichersee Lac de Pierre-Percée[9] (auch Lac du Vieux Pré oder Lac de la Plaine). In Notfällen soll dieses Reservoir als Wasserlieferant über den Meurthe-Nebenfluss Plaine und den Mosel-Nebenfluss Meurthe dienen, um in der Mosel einen für die Kühlung ausreichenden Flusspegel aufrecht zu erhalten. Auch diese Talsperre unterliegt mit ihrer Staumauer den örtlich vorhandenen Erdbebenrisiken.
Störungen und meldepflichtige Ereignisse
Am 17. Februar 2002 öffnete sich in Block 1 unvorhergesehen ein Ventil in einer Anschlussleitung an den Reaktorkühlkreislauf. Es habe eine „erhebliche Freisetzung" von leicht kontaminiertem Primärkühlwasser ins Containment gegeben, schreibt die Behörde ASN.[10] Um das Ventil zu schließen, musste sich ein Team in Schutzmontur ins Containment begeben (Einstufung INES 1).
Am 16. Mai 2004 musste Block 2 heruntergefahren werden, weil es in einem Kabelraum zu einem Brand kam, der durch die herbeigerufene Feuerwehr nach 2,5 Stunden gelöscht werden konnte.[11]
Im Dezember 2004 wurde entdeckt, dass über 30 Schläuche von Feuerlöschern der Anlage angeritzt worden waren. Die zuständige Gendarmerie in Thionville nahm Ermittlungen wegen Sabotage auf, die Feuerlöscher wurden ausgetauscht.[12]
Im Jahr 2009 gab es insgesamt 36 meldepflichtige Ereignisse der Stufe INES 0 (Internationale Bewertungsskala für nukleare Ereignisse) und neun Ereignisse der Stufe INES 1. Bis Juni 2010 gab es bisher 16 meldepflichtige Ereignisse der Stufe INES 0 und zwei meldepflichtige Ereignisse der Stufe INES 1.
Am 18. Januar 2012 kam es zu einem weiteren Störfall, den die Aufsichtsbehörde ASN mit Stufe INES 2 angab. Durch ein fehlendes Bauteil wurde der Rückfluss in den Kühlleitungen des Lagerbeckens der Brennelemente der Blöcke 2 und 3 nicht verhindert. So hätte das Lagerbecken unkontrolliert leer werden können.[13]
Daten der Reaktorblöcke
Das Kernkraftwerk Cattenom hat insgesamt vier Blöcke:
Reaktorblock[4] | Reaktortyp | Netto- leistung |
Brutto- leistung |
Baubeginn | Netzsyn- chronisation |
Kommer- zieller Betrieb |
geplante Abschaltung |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Cattenom 1 | Druckwasserreaktor | 1.300 MW | 1.362 MW | 29.10.1979 | 13.11.1986 | 01.04.1987 | 2046 |
Cattenom 2 | Druckwasserreaktor | 1.300 MW | 1.362 MW | 28.07.1980 | 17.09.1987 | 01.02.1988 | 2047 |
Cattenom 3 | Druckwasserreaktor | 1.300 MW | 1.362 MW | 15.06.1982 | 06.07.1990 | 01.02.1991 | 2050 |
Cattenom 4 | Druckwasserreaktor | 1.300 MW | 1.362 MW | 28.09.1983 | 27.05.1991 | 01.01.1992 | 2051 |
Quellen
- ↑ Bernd Wientjes: Vernichtender Mängelbericht für Cattenom Trierischer Volksfreund, 28. November 2011
- ↑ Frankreich: AKW Cattenom mangelhaft – und der Stresstest auch FOCUS Online, 28. November 2011.
- ↑ David Larousserie: L'ASN demande de renforcer la sûreté du parc nucléaire français Le Monde, 3. Januar 2012
- ↑ a b c Power Reactor Information System der IAEO: „France (French Republic): Nuclear Power Reactors“ (englisch)
- ↑ 20 Jahre Cattenom - 30 Jahre Widerstand. Eine Dokumentation zum Jahrestag der Inbetriebnahme des Atomkraftwerks an der Mosel. (PDF) Breyer, Hiltrud, November 2006, abgerufen am 11. April 2008.
- ↑ Helmut Wyrwich: Cattenom spaltet die Region Tageblatt, 2. Dezember 2011.
- ↑ Energie-Chronik
- ↑ Inspektoren sagen mangelhaft, Betreiber alles bestens, Trierischer Volksfreund vom 22. September 2011
- ↑ fr.wikipedia.org: Lac de Pierre-Percée
- ↑ Réacteur n°1 Arrêt manuel et fuite du circuit primaire Paris - 17. Februar 2002
- ↑ Réacteur 2 Incendie dans un local électrique. ASN, Stand 16. Juli 2007 [1] (französisch)
- ↑ Cattenom: Sabotage-Klage gegen Unbekannt. wort.lu, Stand 16. Juli 2007 [2]
- ↑ Störfall in französischem Atommeiler Cattenom. focus.de, 6. Februar 2012, abgerufen am 7. Februar 2012.
Siehe auch
- Liste der Kernkraftwerke
- Liste der Nuklearanlagen in Frankreich
- Liste der Kernreaktoren mit der höchsten Jahresproduktion
Weblinks
- Das Kernkraftwerk auf der Seite des Betreibers EDF (französisch)
- Das Kernkraftwerk auf der Seite des Betreibers EDF (deutsch)
- Dossier Cattenom (L'Essentiel, frz.)
- MAUS e. V. – ein Verein, der die Radioaktivität in der Umgebung von Cattenom überwacht
- mk: In: Luxemburger Wort. 15. März 2011 (Atomreaktor vor der Haustür. Cattenom-Betreiber verabreichen Beruhigungspille).