Gevierthaufen

militärisch-taktische Formation der Infanterie vom 14. bis zum 17. Jahrhundert
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Gevierthaufen, auch Haufentaktik, war eine militärisch-taktische Formation der Infanterie vom 14. bis zum 17. Jahrhundert mit gleicher Anzahl von Kämpfern an allen Seiten.[1]

Gevierthaufen der Schweizer Eidgenossen in der Schlacht bei Sempach 1386

Die Ordonnanzen der Gevierthaufen, die sich mit der spanischen Tercio, der Niederländischen Ordomnanz bis hin zur Schwedischen Ordonanz vervollkommnete, war schließlich durch die Entwicklung der Feuerwaffen überholt und wurde durch die modernere Lineartaktik abgelöst.

Entstehung

In den Kriegen der Schweizer Volksheere gegen die Ritterheere der Burgunder im 14./15. Jahrhundert bildeten sich als Hauptelement der Schlachtordnung des in geschlossenen Massen kämpfenden Fußvolks der Haufen heraus. Zur Schlacht formierten die Schweizer gewöhnlich drei Haufen, nämlich Vorhut, Gewalthaufen und Nachhut, für die sich im Laufe des 15. Jahrhunderts das sogenannte Geviert als Norm durchsetzte.

Weiterentwicklung

Seit dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts, als die Schweizer immer häufiger als Söldnertruppen in fremde Dienste traten, wurde der Schweizer Gevierthaufen ebenso wie die Aufstellung des Fußvolks in drei Haufen von den Söldnerheeren anderer Länder übernommen und zur taktischen Formation der Infanterie weiterentwickelt. So wurde in englischsprachigen Söldnerheeren der Begriff des Pike square, eine durchaus sinngemäße Übersetzung für Geviethaufen, geprägt, der sich in der Folgezeit erhalten hat.

Taktische Formation

Schweiz

Der Gevierthaufen war ein dicht geschlossenes Rechteck mit je 30-50 Mann neben- und Hintereinander. Bei den Schweizern bestand er aus mehreren Gliedern Spießern, die anfangs von Leichtbewaffneten mit Äxten, Beilen und kurzen Schwerten, später von Hellebardieren umgeben waren.

Gevierthaufen Schweizer Pikeniere, hier Reenactment taktischer Formationen

Abbildung 1: Pikeniere in „Kampfbereitschaft“.
Die Stangenwaffen werden in senkrechter Position dicht am Körper gehalten, der Gevierthaufen hat im Kampf-Karree Aufstellung genommen.

Abbildung 2: Pikeniere in „Abwehrhaltung gegen Kavallerie“.
Die erste Reihe hält das Schaftende der Stangenwaffen am Boden fixier. Die Pike zeigt im Winkel von ca. 30-35° schräg nach oben in Richtung des anstürmenden Gegners. Die zweite Reihe hält die Stangenwaffen horizontal nach vorn und leistet “Sicherung und Deckung“.

Abbildung 3: Pikeniere in „Ausfallposition bereit zur Attacke“.
Die erste Reihe hält die Stangenwaffen horizontal stoßbereit in Schulterhöhe in Richtung des zu attackierenden Gegners. Die zweite Reihe hält die Piken „Schräg nach oben“ zur Vermeidung von Verletzungen der Pikeniere in der ersten Reihe und in Bereitschaft diesen zu ersetzen. Unter realen Gefechtsdingungen konnten beide Rhein, je nach Kantenlänge des Karrees und der Personalstärke, drei bis fünf Glieder umfassen. Alle Waffen zeigten somit zum Gegner und nicht in Richtung der eigenen Kampfformation.

Abbildung 4: Pikeniere im Karree zur „Rundumverteidigung“.
Die Pikeniere halten die Stangenwaffen horizontal stoßbereit in Schulterhöhe und sicher schützen so Karre nach allen Richtungen gleichzeitig.

Deutschland

Den Gevierthaufen der deutschen Landsknechte bildeten immer weniger Hellebardiere, Spießer und Pikeniere. Im ersten Glied kämpften gewöhnlich die Hauptleute und Doppelsöldner, in der Mitte des Gevierthaufend befanden sich die Fahnen. Auf jene Hauptleute geht der spätere militärische Dienstgerad Hauptmann der Dienstgradgruppe der Offiziere in deutschsprachigen Armeen zurück.

Kampftaktik und Ablösung durch die Linientaktik

Der Gevierthaufen suchte mit wuchtigem Stoß die gegnerische Aufstellung aufzubrechen, wozu die ersten sechs dem Gegner zugewandten Glieder die Spieße fällen, löste sich aber nach dem Zusammenprall zumeist in Einzelkämpfer auf. In der Verteidigung, besonders gegen Reiterei, steckten alle äußeren Glieder die Spieße vor, so dass ein Igel mit hoher Abwehrkraft entstand. Anfangs schwärmten die Armbrust- und Büchsenschützen lose in geringer Zahl vor der Front des Gevierthaufens und spielten im Gefecht nur eine unbedeutende Rolle.

Mit der raschen Zunahme der Musketiere im 16. Jahrhundert entstanden im Rahmen der Haufen zur besseren Verbindung von Stoß- und Feuerkraft neue Gefechtsaufstellungen, die in der Ordonanzen festgelegt wurden.

Die weitere Entwicklung der Feuerwaffen führte zur allmählichen Auflösung der großen Gevierthaufen in eine größere Anzahl Haufen mit geringerer Tiefe. Die Einführung des Bajonetts macht schließlich um 1700 die Stangenwaffen als Infanteriebewaffnung überflüssig. An die Stelle der dichten Haufen der Pikeniere und der mit ihnen zusammenwirkenden Musketiere traten die langen, 6-10 Glieder tiefen Linien der ausschließlich mit Feuerwaffen ausgerüsteten Infanterie.

Die Haufentaktik war durch die sich immer schneller entwickelnde Waffentechnik überholt und wurde letztendlich durch die Linientaktik abgelöst.

Quellennachweis

  1. Wörterbuch zur deutschen Militärgeschichte, Militärverlag … 1985, S. 254

Siehe auch