Die Metaphysik (lat. metaphysica, von gr. metá „nach, über“ und phýsis „Natur, natürliche Beschaffenheit“, d.h. „was nach der Natur kommt“) ist die Erzdisziplin und Grundwissenschaft der Philosophie. Sie behandelt die zentralen Probleme und „großen Themen“ der theoretischen Philosophie in universal angelegten Systementwürfen: die Fundamente (Voraussetzungen, Ursachen oder „ersten Gründe“) und allgemeinsten Strukturen (Gesetzlichkeiten, Prinzipien) sowie den Sinn und Zweck der gesamten Wirklichkeit bzw. allen Seins.

Konkret bedeutet dies, dass die Metaphysik die „letzten Fragen“ verhandelt. Warum existiert das Universum und wie ist es entstanden? Gibt es einen Gott und welche Eigenschaften besitzt er? Was ist der Unterschied zwischen Geist und Materie? Besitzt der Mensch eine unsterbliche Seele? Verändert sich alles oder gibt es auch Dinge und Zusammenhänge, die bei allem Wechsel der Erscheinungen immer gleich bleiben?
Das Arbeitsfeld der Metaphysik stellen die nicht empirisch untersuchbaren Bereiche der Wirklichkeit dar, d.h. jene, die einer naturwissenschaftlichen Bearbeitung unzugänglich sind. Eine Aussage ist dann metaphysisch, wenn etwas gehalt- oder bedeutungsvolles über etwas gesagt werden soll („synthetisch über etwas urteilt“), was prinzipiell jeder (sinnlichen) menschlichen Erfahrungsmöglichkeit entzogen ist (vgl. dazu Transzendenz).
In ihrem universellen Anspruch auf Letzterklärung stellt die Metaphysik die Wurzel aller philosophischen Disziplinen dar, die sie zugleich umgreift. Jeder metaphysische Gesamtentwurf fordert automatisch seine umfassende und ausschließliche Gültigkeit. Zugleich stellt sich die Frage, wie der Mensch trotz seiner begrenzten geistigen Möglichkeiten an den ewigen und „göttlichen“ Wahrheiten teilhaben können soll, die er mit Hilfe der Philosophie zu ergründen versucht.
Metaphysik scheint auf natürliche Weise im Menschen angelegt zu sein. Immanuel Kant hat sie als „unhintertreibliches Bedürfnis“ bezeichnet, Arthur Schopenhauer definierte den Menschen sogar als „animal metaphysicum“, also als ein „metaphysiktreibendes Lebewesen“.
Begriffsgeschichte
Ursprünglich wurde mit „Metaphysik“ ein Werk des Aristoteles benannt, welches aus 14 Büchern allgemeinphilosophischen Inhalts bestand. Der Peripatetiker Andronikos von Rhodos (1. Jahrhundert) ordnete in der ersten Aristotelesausgabe diese Bücher hinter dessen 8 Bücher zur „Physik“ ein (tà metà tà physiká). Dadurch entstand der Begriff der „Metaphysik“, der also eigentlich bedeutet: „das, was hinter der Physik im Regal steht“, aber natürlich gleichzeitig didaktisch meint: „das, was den Ausführungen über die Natur folgt“ bzw. wissenschaftlich-systematisch bedeutet: „das, was nach der Physik kommt“.
Seit der Spätantike wird mit „Metaphysik“ auch die philosophische Disziplin benannt. In manchen Zeiten diente der Begriff gleichsam als Synonym für „Philosophie“ überhaupt. Auf der anderen Seite wurde das Adjektiv „metaphysisch“ aber auch in sehr abwertender Weise in der Bedeutung „zweifelhaft spekulativ“, „unwissenschaftlich“ oder „nicht-empirische Gedankenspielerei“ gebraucht.
Einführung
Themen der Metaphysik
Die Metaphysik fragt insbesondere nach den letzten bzw. ersten Gründen des Seins und des Seienden, insofern es seiend ist. „Sein“ wird dabei auf verschiedene Weise verstanden (s.u.). Die beiden unhintergehbaren, zentralen Fragen der Metaphysik lauten:
- Warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?
- Worin besteht die Wirklichkeit des Wirklichen - was ist das Sein des Seienden?
Außer nach dem dem Ursprung wird hier nach der Konstruktion und Deutung eines Zusammenhangs alles Seienden, d.h. der Gesamtwirklichkeit gefragt. Daneben werden die elementarsten Eigenschaften des Seienden angesprochen: Die Problematik ist, ob es Bestimmungen gibt, die jedem Seienden als solchem zukommen, und damit also Grundzüge des Seins selbst darstellen (Transzendentalien).
Im einzelnen sind die Gegenstände, die sich daraus für die Behandlung durch die Metaphysik ergeben unter anderem:
- Gott, Sein, Wirklichkeit, Geist, Seele, Materie, Natur, Nichts, Wahrheit, Freiheit, Unsterblichkeit, Möglichkeit, Werden, Veränderung usw.
- die Klärung der Relation zwischen dem Individuellem und dem Allgemeinen (Universalienproblem)
- die Bestimmung das Verhältnis der Wirklichkeit als solcher und der Wirklichkeit, wie sie sich dem Menschen durch sein ihm zur Verfügung stehendes Erkenntnisvermögen vermittelt darbietet
- die Klarstellung in welchem Bezug Wert- und Seinsaussagen zueinander stehen (vgl. „naturalistischer Fehlschluss“).
Die Metaphysik entwickelt die zentralen Kategorien der Philosophie: Form/Materie, Akt/Potenz, Wesen, Sein, Substanz usw. Ihr Begriffsinstrumentarium stellt die Grundlage für die philosophischen Einzeldisziplinen dar, die sich aus ihr entwickelt haben.
Der Begriff „Sein“
Von entscheidender Bedeutung für die Art der jeweiligen Metaphysik ist der zugrunde gelegte Seinsbegriff. In der Tradition gibt es dabei zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze:
univokes Seinsverständnis:
Sein wir hier als das aller-allgemeinste Merkmal beliebiger Dinge (genannt „Seiendes“ oder „Entitäten“) verstanden. Es ist das, was allen Seienden nach Abzug der jeweils individuellen Eigenschaften immer noch gemeinsam ist: dass sie sind, oder anders ausgedrückt: dass ihnen allen Sein zukommt (vgl. ontologische Differenz). Dieser Seinsbegriff führt zu einer „Wesensmetaphysik“. Der Gegenbegriff zum Sein ist hier das Wesen, zu dem es nur noch die Existenz hinzufügt. Vom Begriff des Nichts unterscheidet er sich letztlich inhaltlich nicht mehr. Als Beispiel kann die Frühphilosophie des Thomas von Aquin angegeben werden (De ente et essentia).
analoges Seinsverständnis:
Hier wird Sein als das verstanden, was allem zukommt, wenn auch auf je verschiedene Weise (Analogia entis). Das Sein ist das, worin alle Gegenstände übereinkommen und worin sie sich zugleich unterscheiden. Diese Seinsverständnis führt zu einer (dialektischen) „Seinsmetaphysik“. Der Gegenbegriff zum Sein ist hier das Nichts, da nichts außerhalb des Seins stehen kann. Sein wird hier als Fülle verstanden. Ein Beispiel für diesen Ansatz liefert die Spätphilosophie des Thomas von Aquin (Summa theologica).
Systematik und Methodik
Traditionell wird in die Metaphysik in einen allgemeinen (metaphysica generalis) und einen speziellen (metaphysica specialis) Zweig geschieden; den ersten bildet die Ontologie, der andere wird durch die philosophische Theologie, Psychologie und Kosmologie gebildet:
- Die allgemeine Metaphysik hat von allen Wissenschaften die höchste Abstraktionstufe; sie fragt nach den allgemeinsten Kategorien des Seins und heißt deshalb auch Fundamentalphilosophie. Sie beschäftigt sich damit, was Dinge, Eigenschaften oder Prozesse ihrem Wesen nach sind und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen. Sofern sie das Seinende als Seiende untersucht spricht man von Ontologie bzw. Seinslehre. Diese untersucht das Sein, d.h. sie sucht vor allem zweckfrei-theoretische Einsichten in das Wesen und die allgemein-elementarsten, fundamental-letzten Gründe und Prinzipien des Seins zu gewinnen. Dabei kann der Gegenstandsbereich sehr weit gefasst sein, wenn auch Gott, logische Gebilde oder Erkenntnisprozesse eingeschlossen werden.
- Die rationale Theologie fragt nach der ersten Ursache allen Seins, d.h. nach Gott als dem höchsten Sein und als Grund aller Wirklichkeit. Diese philosophische Teildisziplin wird auch Natürliche Theologie genannt.
- Die rationale Psychologie beschäftigt sich mit der Seele als einfacher Substanz (Anthropologie).
- Die rationale Kosmologie untersucht das Wesen der Welt, d.h. den Zusammenhang alles Seienden im Ganzen. Als Lehre des Aufbaus der materiellen Welt als ein natürliches System physischer Substanzen fällt sie schon seit der Antike im wesentlichen mit der Naturphilosophie zusammen.
Metaphysik kann auf verschiedene Weisen vorgehen:
- Sie ist spekulativ, wenn sie von einem obersten Grundsatz ausgeht, von dem aus sie schrittweise die Gesamtwirklichkeit deutet. Ein solches höchstes Prinzip könnte etwa die "Idee", "Gott", das "Sein", die "Monade", der "Weltgeist" oder auch der "Wille" sein.
- Sie ist induktiv, wenn sie in im Versuch, die Ergebnisse aller Einzelwissenschaften in einer Gesamtschau zu betrachten, ein metaphysisches weltbild zu entwerfen versucht.
- Sie kann aber auch als reduktiv (weder induktiv noch subjektiv) begriffen werden, wenn man sie nur als spekulative Überhöhung jener Überzeugungen auffasst, die immer schon vom Menschen vorausgesetzt werden muss, um überhaupt erkennen und handeln zu können.
Eine kritische Reflexion über ihre eigenen Grundbegriffe, Grundsätze und Argumentationsstrukturen gehörte ebenso von Beginn an zur Metaphysik wie eine Abgrenzung gegenüber den übrigen philosophischen Disziplinen und zu den Einzelwissenschaften (Physik, Mathematik, Psychologie usw.).
Metaphysische Positionen
Metaphysik vor Immanuel Kant
Antike
Bereits bei den Vorsokratikern scheint das zentrale Motiv der Metaphysik in der Frage auf, aus welchem Stoff oder Element alles besteht, d.h. schon am Beginn der Philosophie steht der Versuch, das Weltganze aus einem einzelnen, einigendem (Ur-)Prinzip (arché) zu begreifen.
Nicht der Stoff, sondern die Form ist bei Platon das Eigentliche der Dinge und der Wirklichkeit. Diese Formen oder Ideen - und damit die eigentliche und wahre Wirklichkeit - sind der sinnlichen Wahrnehmung unzugänglich in einem eigenen „Reich der Ideen“ befindlich. Die Ideenlehre ist die erste Zweiweltenlehre (Dualismus) in der Metaphysik.
Für Aristoteles, der die Metaphysik als eigenständige Disziplin begründet, markiert diese den absoluten Anfang aller Philosophie, die allen einzelwissenschaftlichen Fragestellungen - etwa denen der Physik, Mathematik, Biologie oder Psychologie - vorangeht. Deren Forschungen beschäftigen sich jeweils nur mit bestimmten Teilgebieten oder Aspekten der Wirklichkeit bzw. des Seienden, nicht aber mit den eigentlichen zugrundeliegenden Voraussetzungen dieser Wirklichkeit bzw. des Seienden. Weil in ihr die Grundgesetze der theoretisch thematisierten Wirklichkeit untersucht werden nennt Aristoteles die Metaphysik auch Philosophia prima („Erste Philosophie“), die der Secunda philosophia („Zweite Philosophie“), nämlich der Untersuchung der Natur („Physik“) vorausgeht.
Die aristotelische Metaphysik ist Wissenschaft vom Wesen des Seienden wie den ersten Gründen des Seins. Sie bemüht sich um begriffliche Bestimmung dessen, was ist, d.h. sie reflektiert die begrifflichen Strukturen der Wissensbildung - auch in Hinblick auf die Erfahrungswissenschaften. Aristoteles unternimmt den Versuch, mit Hilfe allgemeingültiger logischer Prinzipien wie dem Satz vom verbotenden Widerspruch oder tertium non datur die Philosophie auf sicherem Boden zu begründen.
Die Klärung der ontologischen Grundlagen ist zugleich die Suche nach der Einheit und All-Einheit des Seienden als Grund aller Wirklichkeit. Als alleinige Ursache allen Seins ist für Aristoteles niemand anderes als Gott anzusehen. Die Metaphysik geht also zwangsläufig zusammen mit der natürlichen Theologie. Zusammen mit einigen Platonischen Dialogen, deren idealistische Ansätze Aristoteles verwandelnd aufnimmt, blieb die „Metaphysik" des Aristoteles bis heute das Grundbuch der Metaphysik, das die metaphysische Fachterminologie (s.o.) geformt hat (siehe auch Aristotelismus).
Mittelalter
Im Mittelalter wird die Metaphysik als die „Königin der Wissenschaften" (Thomas von Aquin) betrachtet. Sie steht vor der Aufgabe, die antike Überlieferung mit den Vorgaben der christlichen Lehre zu vereinen. Vorbereitet durch den spätantiken Neuplatonismus versucht sie, das „wahre Sein“ und Gott spekulativ, d.h. mit Hilfe der reinen Vernunft zu erkennen.
Zentrale Themen der mittelalterlichen Metaphysik sind die Unterschiede zwischen dem göttlichen und dem weltlichen Sein (Analogia entis), die Lehre von den Transzendentalien und die Gottesbeweise. Gott ist der unzweifelhafte, absoluter Grund der Welt. Er hat diese aus dem Nichts geschöpft (creatio ex nihilo) und in ihrer Ordnung „nach Maß und Zahl“ (Weisheit 11,20) gefügt. Beeinflusst von der antiken platonischen Philosophie manifestiert sich Metaphysik als Dualismus von „Diesseits“ und „Jenseits“, von „blosser sinnlicher Wahrnehmung“ und „reinem Denken als vernünftigem Erkennen“, von innerweltlicher „Immanenz“ und außerweltlicher „Transzendenz“.
Ein Grundproblem der mittelalterlichen - wie der gesamten Metaphysik - ist es, wie ist es der menschlichen Rationalität überhaupt möglich sein kann, dass sie an den ewigen und absoluten göttlichen Wahrheiten Anteil hat.
Beginn der Neuzeit
Mit Beginn der Neuzeit, die den Beginn des Niedergangs der traditionellen ontologisch-theologischen Metaphysik markiert, wird der Mensch selbst zum alleinigen Maßstab der Philosophie (Subjektivismus): René Descartes verfolgt als erster den methodischen Ansatz, die Metaphysik in das Subjekt „hineinzuholen“ und sie auf reiner, von empirischer Erfahrung freier, subjektiver Gewissheit zu gründen. Er nahm an, daß der Mensch angeborene Ideen (ideae innatae) von Phänomenen wie „Gott“ oder der „Seele“ besitze, die von höchster, unhinterfragbarer Klarheit und Gewissheit sind. Der Empirismus (John Locke, David Hume) hingegen bestritt hingegen die Existenz solcher angeborener Ideen als Grundlage der Wirklichkeitserkenntnis und stand damit naturgemäss der Metaphysik eher skeptisch gegenüber.
Das erste Buch, was sich eigens mit der Metaphysik beschäftigte, waren die Disputationes metaphysicae (1597) des Franciscus Suárez gewesen. Hieran schloss die scholastische Schulmetaphysik an, die durch die Verbindung mit der Lehre Descartes von Christian Wolff zu einer abschliessenden Synthese gebracht wurde, die Kant als „die klassische Form der Metaphysik“ empfand.
Gleichzeitig wird sie den Zeitgenossen aber auch immer fragwürdiger: Metaphysik wird als „dunkel“, „dogmatisch“ und „nutzlos“ empfunden; Johann Georg Walch diffamiert sie gar als „philosophisches Lexikon dunkler Kunstwörter, das nicht den geringsten Nutzen schafft".
Immanuel Kants Kritizismus
Kants Transzendentalphilosophie bedeutet dann auch für die Metaphysik die „kopernikanische Wende". Kants Einstellung gegenüber der Metaphysik ist dabei paradigmatisch. Sie ist nurmehr eine „Worthülse“, er kritisiert sie als „Träume eines Geistersehers", andererseits fühlt er sich dennoch ihrem universalen Anspruch verpflichtet. Er will eine Metaphysik begründen, „die als Wissenschaft wird auftreten können“. Zu diesem Unterfangen muss er untersuchen, ob und wie Metaphysik überhaupt möglich ist. Auch für Kant sind die letzte Fragen und allgemeinen Strukturen der Wirklichkeit mit der Frage nach dem Subjekt verknüpft,
Das bedeutet für Kant, die Fundamente und Strukturen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit genau zu prüfen, denn nur über das, was im Bereich der Möglichkeiten unseres Erkenntnisvermögens liegt, kann überhaupt vom Menschen geurteilt werden. Alles läuft also auf eine detaillierte Analyse der menschlichen Erkenntisfähigkeiten hinaus, nämlich einer kritischen Prüfung der reinen, d.h. anschauungslosen Vernunft (Kritik der reinen Vernunft, 1781/87). Entscheidend ist dabei die epistemologische Vorgabe Kants, dass uns die Wirklichkeit nicht so erscheint, wie sie eigentlich („an sich“) ist, sondern nur auf die Weise, wie sie uns aufgrund der besonderen Struktur unseres Erkenntnisvermögens erscheint.
Da wissenschaftliche Erkenntnis stets auf Erfahrung angewiesen ist, kann der Mensch keine Urteile über Dinge fällen, die anschaulich nicht gegeben sind (wie „Gott“, „Seele“, „Weltganzes“). Die traditionelle Metaphysik ist daher unmöglich, weil der Mensch nicht über die Fähigkeit der geistigen Anschauung verfügt, die allein ein Nachprüfen der metaphysischen Hypothesen erlauben würde. Da das Denken keine diesbezügliche Wirklichkeitserkenntnis zu liefern vermag, bleibt es in dieser Frage rein spekulativ-konstruktiv. Kants Auffassung nach ist es folglich prinzipiell nicht möglich, zu einer rationalen Entscheidung der zentralen Fragen zu kommen, ob es einen Gott, eine Freiheit des Willens, eine unsterbliche Seele gebe. Sein Fazit lautet:
- „Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann; denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.“ (Quelle: [1])
Kant versucht, die Metaphysik neu als eine Theorie der Postulate zu begründen, das heißt als eine Theorie der theoretischen Überzeugungen über das letzte Sein, die der sich als sittlich verstehende Mensch notwendig als wahr voraussetzen muß.
Nachkantische Metaphysik
Der Deutsche Idealismus
Von Kant geht die Bewegung des Deutschen Idealismus aus - an spekulativer und systematischer Leistung des Denkens ein Höhepunkt in der Entwicklung metaphysischer Systeme. Diese Denkbewegung - vor allem durch Fichte, Schelling und Hegel repräsentiert - betrachtet die Wirklichkeit als geistiges Geschehen, in dem das reale in das ideale Sein „aufgehoben“ wird. Der Deutsche Idealismus übernimmt die transzendentale Wende Kants von objektiver Erkenntnis zu den subjektiven Bedingungen ihrer Möglichkeit. Er versucht aber die Selbstbeschränkung der Erkenntnis auf mögliche Erfahrung und bloße Erscheinung zu überwinden und einen absoluten Geltungshorizont wiederzugewinnen: „absolutes Wissen“, wie es von Fichte bis Hegel heißt. Wenn die Inhalte der Erkenntnis nur bezogen auf das Subjekt gelten, dieser Bezugspunkt aber selbst absolut ist, ein absolutes Subjekt, dann hat die darauf bezogene, für das absolute Subjekt gültige Erkenntnis, selbst absolute Geltung. Von diesem Ausgangspunkt aus glaubt der Deutsche Idealismus, den empirischen Gegensatz von Subjekt und Objekt (Subjekt-Objekt-Spaltung) übersteigen zu können, um das Absolute in den Griff zu bekommen.
Für Fichte ist das Absolute das „absolute Ich“ oder das absolute Subjekt. Dieses ist wesentlich durch seine Aktivität gekennzeichnet, der „Tathandlung“, in der Selbst- und Gegenstandsbewusstsein zusammenfallen. Fichte geht so weit, vom „Ich an sich“ zu sprechen. Der dem Ich entgegengesetzte Gegenstand wird bei ihm zum bloßen „Nicht-Ich“. Schelling wendet dagegen ein, dass damit die Subjekt-Objekt-Zweiheit nicht wirklich überstiegen wird, sondern das Absolute in den einen Pol des Gegensatzes, die Subjektivität, zurückfällt. Das Absolute werde als bloß ich-hafte, subjektive Größe aufgefasst, ihre Objektivität dagegen als bloßes Nicht-Ich annulliert. Das Objekt müsse als gleichwertiger Gegenpol des Subjekts verstanden und die Subjekt-Objekt-Zweiheit noch radikaler überstiegen werden. Dies führt Schelling zur „absoluten Identität“, die vor aller Differenz, auch vor der ersten und höchsten Differenz des Bewusstseins zwischen Subjekt und Objekt, „absolute Indifferenz“ ist, weder Subjekt noch Objekt oder beides zugleich in absoluter, noch undifferenzierter Einheit. Dagegen wendet Hegel wiederum ein, dass aus reiner und absoluter Identität keinerlei Differenz entspringen oder begriffen werden kann (diese Identität sei „die Nacht, in der alle Kühe schwarz sind“). Die Identität des Absoluten muss daher so gedacht werden, dass sie schon ursprünglich die Macht und Notwendigkeit der Differenzierung in sich birgt, das heißt, dass sich das Absolute selbst in seiner Identität durch die Setzung und Aufhebung nicht identischer Momente realisiert. Der absoluten Identität Schellings setzt Hegel die dialektische Identität entgegen: „Identität der Identität und der Nicht-Identität“. Von diesem Ausgangspunkt entwickelt er in der Wissenschaft der Logik das wohl letzte große System der abendländischen Metaphysik.
Der Bruch mit der Metaphysik
Ab der Mitte 19. Jahrhunderts tritt dann eine starke Ernüchterung gegenüber der Metaphysik ein. Das Wort vom „Zusammenbruch der metaphysischen Systeme“ macht die Runde.
Die Erfolge der Naturwissenschaften führen dazu, dass sich der Positivismus durchsetzt. Als Aufgabe des menschlichen Geistes wird nun die Beherrschung und Berechnung der Wirklichkeit gesehen, nicht mehr die Frage nach ihrem Sinn. Die Naturwissenschaften insgesamt übernehmen nun vorläufig die Rolle der Grundlagenwissenschaften. Diese sehen in der Metaphysik nur die falschen Fragen gestellt oder reine Scheinprobleme behandelt und fordern die Abdankung einer Disziplin, die in ihrem „vorwissenschaftlichen Fragen“ (Auguste Comte) nach dem Wesen und Sinn der Dinge nur die Wirklichkeit "verfälscht". Die Umgestaltung der Philosophie zu einer reinen Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie unter Aufgabe ihres metaphysischen Charakters hat dann in der Folge zu der absehbaren Instrumentalisierung der ehemaligen Universalwissenschaft durch die Einzelwissenschaften geführt. Die Metaphysik sollte nun nur noch „Weltanschauungen“ entwerfen, die ein „allgemeines Bedürfnis“ nach Sinn und Orientierung befriedigen soll.
Metaphysik im 20. Jahrhundert
Im 20. Jahrhundert sah sich die Metaphysik insbesondere aus dem Lager der sprachanalytischen Philosophie, des Logischen Empirismus sowie der Wissenschaftstheorie der Kritik ausgesetzt. Dabei hat man der Metaphysik immer wieder vorgeworfen, daß sie ihre (sprachlichen) Grundlagen nicht reflektiert und als Theorien ausgibt, was nur „Gefühle“ seien. „Metaphysiker sind Musiker ohne musikalische Fähigkeit" sagt Rudolf Carnap. Für Ludwig Wittgenstein ist Philosophie ein „Kampf gegen die Verhexung des Verstandes durch die Mittel unserer Sprache“ . Sie ist am Ziel, wenn sie sich selbst aufgehoben hat.
Andererseits gab es aber im 20. Jahrhundert auch neue Zugangsversuche zur klassischen Metaphysik. Die Phänomenologie Husserls war am Begründungsideal der Ersten Philosophie orientiert. Bei Martin Heidegger kam es ebenso zu einer Aufwertung der Ontologie, als er eine völlig verwandelte Seinstheorie vorlegte. Seine Fundamentalontologie, die sich der existenzialen Analytik des menschlichen Daseins verschrieben hatte, stellte einen für die Moderne radikal neuen Ansatz dar. Nicolai Hartmann („kategorialanalytische Schichtontologie“) und Alfred North Whitehead haben ebenfalls beachtliche Neuentwürfe gewagt.
Metaphysikkritik
Wegen ihrer vermeintlich unklaren Zielstellung, komplizierten Begriffsbildungen und Mangel an intersubjektiv überprüfbarem Erfahrungsbezug wurde die Metaphysik oft kritisiert. Die Kritik beruht jedoch häufig auf den Grundlagen des Empirismus. Dessen Grundsatz „Nur die Erfahrungserkenntnis ist wahr“ kann selbst jedoch nicht durch die Erfahrung gewonnen werden, was zu einer gewissen Selbstwidersprüchlichkeit führt.
Die Argumentationsformen der Metaphysik unterscheiden sich i.a. deutlich von denen der Naturwissenschaften. Als der naturwissenschaftlich sicherste Beweis wird das reproduzierbare Experiment angesehen, bei dem die Abhängigkeit einer messbaren Größe von einer variablen Größe unter Konstanthalten aller anderen Parameter untersucht wird. Solche Möglichkeiten bleiben natürlich verschlossen, wenn es um Fragen nach dem Ursprung der Welt oder des Seins geht. Hierauf beruht auch ein wesentlicher Punkt der Metaphysikkritik. Diese Kritik übersieht jedoch, dass jede Wissenschaft und damit auch die Naturwissenschaften metaphysische Prämissen hat. Was ein Experiment, Beweis etc. ist, kann selbst nicht experimentell begründet werden. Ein naiver „Anti-Metaphysiker“ ist also jemand, der sich seiner metaphysischen Vorentscheidungen nur nicht bewusst ist, der die philosophischen Grundlagen der Naturwissenschaften nicht ausreichend reflektiert hat.
- Dabei ist die Metaphysik nicht als Gegensatz zur Physik oder gar der Naturwissenschaft generell zu verstehen. Sie stellt naturwissenschaftliche Erkenntnisse nicht unbedingt in Frage, sondern befasst sich vielmehr mit Fragestellungen, die sich einer naturwissenschaftlichen Bearbeitung grundsätzlich entziehen. Sie liefert die (wissenschaftstheoretische) Grundlage aller weiteren Philosophie sowie aller Einzelwissenschaften. Die Trennung von Metaphysik und Naturwissenschaften hat sich erst seit der Renaissance durchgesetzt. Frühere Philosophen waren oftmals Universalgelehrte: So finden sich unter den Schriften des Aristoteles sowohl Schriften metaphysischen Inhalts als auch Abhandlungen über Botanik und Zoologie. Für die Gelehrten der Antike war es nur konsequent, sich sowohl mit dem erfahrbaren Sein zu beschäftigen als auch Fragen nach dem letzten (bzw. ersten) Grund für dieses Sein zu stellen. Aus der Beschäftigung mit den konkreten Erscheinungen des Seins entstanden die die Naturwissenschaften, die sich mit den Verhältnissen der Dinge (des Seienden) befassen, die sie beschreiben und deren vielfältigen Zustände und Wechselwirkungen innerhalb der von uns erkennbaren Natur sie beschreiben.
Ein Hauptargument gegen die Metaphysik ist das Problem der Russellschen Antinomie. Diese beschreibt das Problem von Mengen, die sich selbst als Element enthalten. Betrachtet man Metaphysik nun als in gewisser Weise „absolut“, d.h. allen anderen „übergeordnete“ Wissenschaft, so ist es auf der anderen Seite auch wahr, dass Metaphysik zunächst eine Wissenschaft des Menschen ist, der selbst eben nicht absolut ist. Metaphysik ist in gewisser Hinsicht „Teil“ der Welt, andererseits gehen ihre Erkenntnisse über diese Welt hinaus, was jedoch nicht notwendig ein Widerspruch sein muss. Zur Auflösung des scheinbaren Widerspruchs ist zu bedenken, dass philosophische Probleme im allgemeinen nicht mit mathematischen Methoden und Begriffen gelöst werden können. Außerdem ist die logische Ebene von der ontologischen Ebene zu trennen.
Jede Kritik an der Metaphysik muss gleichzeitig eine metaphysische Position beziehen, da der negierende Teil zugleich eine These über das Verhältnis zwischen Geist und sinnlicher Erfahrung aufstellen muss. Meta-Physik kann sich zur Meta-Moral (Kant) oder Meta-Wissenschaft umdeklarieren, bleibt aber eben darin formal doch stets dem Metaphysischen verhaftet. Das Zitat von Theodor W. Adorno "Dass keine Metaphysik möglich sei, wird zur letzten" beschreibt dabei einen dem Agnostizismus verwandten Standpunkt. Es zeigt jedoch treffend die Selbstwidersprüchlichkeit der radikalen Ablehnung der Möglichkeit einer jeglichen Metaphysik.
Einen äußersten Standpunkt vertritt auch Ludwig Wittgenstein, der die Metaphysik grundsätzlich zum Schweigen bringen will, wenn er erklärt:
- „Worüber man nicht sprechen kann, darüber soll man schweigen."
Umstritten ist, ob er damit nicht etwa an das um das Unsagbare wissende Schweigen der Mystik gemahnte.
Zentrale Werke der Metaphysik
- Platon: Phaidon, Symposion u. a.
- Aristoteles: Metaphysik (Aristoteles)
- Thomas von Aquin: De ente et essentia (dt. Über das Sein und das Wesen), Summa theologica
- Francisco Suarez: Disputationes Metaphysicae
- René Descartes: Meditationen
- Gottfried Wilhelm Leibniz: Monadologie
- Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft
- Johann Gottlieb Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre
- Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling: System des transzendentalen Idealismus
- Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Wissenschaft der Logik, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften
- Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung
- Alfred North Whitehead: Prozess und Realität
- Martin Heidegger: Sein und Zeit
Siehe auch
Literatur
- Emil Angehrn: Der Weg zur Metaphysik. Vorsokratik, Platon, Aristoteles. Nachdr. Velbrück Wiss., Weilerswist 2005, ISBN 3-934730-95-7
- Emerich Coreth: Grundriß der Metaphysik. Innsbruck u.a. 1994, ISBN 370221951X
- Alois Dempf: Metaphysik. Versuch einer problemgeschichtlichen Synthese. Würzburg u.a. 1986, ISBN 3-88479-702-6
- Jörg Disse: Kleine Geschichte der abendländischen Metaphysik. Von Platon bis Hegel. Primus (u.a.), Darmstadt 2001 u.ö., ISBN 3-89678-412-9
- Friedrich Kaulbach: Einführung in die Metaphysik. 5. Aufl. WBG, Darmstadt 1991, ISBN 3-534-04853-9
- Jürgen-Eckardt Pleines: Philosophie und Metaphysik. Teleologisches und spekulatives Denken in Geschichte und Gegenwart. Olms, Hildesheim u.a. 1998, ISBN 3-487-10485-7
- Friedo Ricken (Hrsg.): Lexikon der Erkenntnistheorie und Metaphysik. Beck, München 1984, ISBN 3-406-09288-8
- Walter Schweidler: Die Überwindung der Metaphysik. Zu einem Ende der neuzeitlichen Philosophie. Königshausen und Neumann (u.a.), Würzburg 1986, ISBN 3-608-91438-2
- Béla Weissmahr: Ontologie, Kohlhammer, Stuttgart, 1991, ISBN 3-17-011775-0