Mailart dient im laienhaften Sprachgebrauch als Sammelbegriff für künstlerische Gestaltungen, die mit der Post ausgetauscht werden. Die ursprünglich anderen Ansprüche, Absichten und Definitionen sind vielen Teilnehmern an Mailart Aktionen nicht bekannt.
An der Entstehung der Kunstrichtung Mailart in den 1960er Jahren waren Künstler wie Ben Vautier, Ray Johnson und Ken Friedman als Netzwerker beteiligt, deren medientheoretische Bedeutung mittlerweile bekannt und kunsthistorisch dokumentiert ist. Im Zusammenhang damaliger Medientheorien und konzeptueller Kunst galten die von Netzwerkern versendeten Gegenstände und Mitteilungen nur als Spuren und Mitteilungen eines umfassenden künstlerischen, politischen und philosophischen Unternehmens namens Mailart.
Als das Mailart Netzwerk entstand, wurde es nicht einfach als Benutzung eines staatlichen oder kommerziellen Postdienstes verstanden, sondern als dezentrales und chaotisches Netz der Netzwerker und ihrer Treffen, der eigenen Publikationen und kleinen Ausstellungen, das mit allen Aspekten und Grenzen der üblichen Postdienste spielte, sie erweiterte und auch ad absurdum führte.
Mailart oder die Correspondence Art Ray Johnsons bedeuteten ewas ganz anderes als per Post hin- und hergesendete Karten freundlicher Hobbykünstler. Das Versenden gestalteter Postkarten, häufig auch als Serials, die von den Empfängern durch Verfremdung, Ergänzungen oder anderen Eingriffen zu Unikaten gemacht und zu einer Ausstellung zurückgesendet werden, wurde zwar immer gern eingesetzt, war aber immer nur ein Teil einer komplexeren und vielfältigeren Arbeit mit postalischen Netzwerken.
Kunsthistorisch ist Mailart in den 1960er und 70er Jahren nur kurz als bedeutend wahrgenommen worden. Schon gegen Ende der 1970er Jahre erschien Mailart oberflächlich wie der Zeitvertreib von Hobbyisten. Hinter dieser Fassade haben weitgehend unbekannt gebliebene Netzwerker wie David Zack, Vittore Baroni, Cracker Jack Kid, H.R. Fricker jedoch Entwicklungen initiiert oder begleitet, die weltweit andere Netzwerker und Künstler einbezogen und beeinflußten.
Die ganze medientheoretische Bedeutung von Mailart erschließt sich erst in Beziehung zu späteren Entwicklungen wie Digitaler Netzkunst oder Netart, oder in Beziehung zu verschiedenen Aspekten des Austauschs in Mailboxen und im Usenet. Mailart war nicht das analoge Internet per Post, ließ aber bereits früh Strategien und Phänomene erkennen, die sich später in telematischer Kunst und verschiedenen kreativen Aspekten des Internet ausprägten. Von Anfang an ist Mailart eine Netzwerkkunst, die sich selbst reflektiert, Regeln für die eigene Funktion entwickelt, künstliche Identitäten und virtuelle Personen hervorbringt und soziale Verhaltensweisen der Teilnehmer verändert. Vorformen der Idee "Avatar" beispielsweise, sind dort zu finden.
Extensives Material zur Stilisierung von Identitäten oder zur Herstellung virtueller Identitäten im Mailart-Netz ist im Internet zu finden (siehe beispielsweise unter "Cavellini Foundation" oder "Karen Eliot").