SAR-Lupe

Aufklärungssystem mit Radar-Satelliten
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SAR-Lupe ist das deutsche Satellitenaufklärungssystem. Es besteht aus fünf identischen Kleinsatelliten und einer Bodenstation zur Satellitenkontrolle und zur Bildauswertung. Als erst drittes System mit Radartechnik (nach den USA und Russland) können wetter- und tageszeitunabhängig hochauflösende Bilder von jedem Punkt der Erde gewonnen werden. Die Satelliten werden in den Jahren 2005 bis 2007 mit russischen Kosmos-3M Trägerraketen ins All gebracht, die Bodenstation wird derzeit in Gelsdorf bei Bonn errichtet. Benutzbar soll das System ab 2006 sein, seine volle Leistungsfähigkeit wird 2007 erreicht.

Technik

Das Radar

Die Satelliten benutzen ein Synthetic Aperture Radar (SAR), mit dem bei jedem Licht- und Wetterverhältnis Bilder gewonnen werden können. Die SAR-Technik erlaubt durch mehrfaches Aufnehmen eines Zieles aus verschiedenen Winkeln und entsprechender Nachbearbeitung der Daten eine erheblich höhere Auflösung zu liefern als ein vergleichbares normales Radar. Die Impulse für eine Aufnahme werden ca. 10 Sekunden abgestrahlt, die dabei abgegebene Leistung ist leider nicht bekannt. Die parabolische Radarantenne hat einen Durchmesser von ca. 3 m und ist unbeweglich am Satelliten montiert; er muss also komplett gedreht werden, um ein Ziel anzuvisieren.

Radartechnik hat gegenüber Optik neben der Wetterunabhängigkeit noch weitere Vorteile für die Aufklärung: So können Höhenunterschiede gemessen und Bewegungsgeschwindigkeiten bestimmt werden. Da Radarwellen von Wasser und Metall besonders gut reflektiert werden, können Menschen und technische Geräte (z.B. Fahrzeuge oder auch Minen) besonders gut erkannt werden. Teilweise kann auch durch Bäume oder Tarnnetze hindurch aufgeklärt werden. Jedoch ist es zumindest technisch möglich, mit Hilfe eines Jammers das Radar zu behindern oder gar zu blockieren.

Einsatzmodi und die "Lupen"-Fähigkeit

Der Überflug kann in den Modi 'Strip-Map' (normal, Geschwindigkeit über Boden ca. 7 km/s, zur großflächigen Beobachtung) sowie 'Spot-light' erfolgen: bei letzteren dreht sich der Satellit so, dass die Bewegung gegenüber dem Boden (zumindest teilweise) ausgeglichen wird und somit einen höhere Auflösung gewonnen werden kann.

Der Name "Lupe" kommt von der Fähigkeit, besonders interessante Ziele mit deutlich höherer Auflösung aufzunehmen. Nach Herstellerangaben ist dies einmalig. Dies gelingt durch die Kombination der SAR-Technik (möglicherweise auch mit zwei Satelliten gleichzeitig) und des Spot-light Manövers. Jedoch ist bei der Benutzung der Lupe eine Bewegung des Ziels störend, es sollte möglichst statisch sein. Leider ist nicht bekannt, wie sich dieses Manöver auf den Energieverbraucht und Datenmenge (Speicherplatz und Übertragungsbandbreite) auswirkt. Ebenfalls unbekannt ist die benötigte Zeit, um den Satelliten erneut in Aufnahmeposition zurückzubringen.

Auflösung

Im Lupen-Modus können Auflösungen von unter einem Meter erreicht werden. Diese Angabe bezieht sich dabei möglicherweise nur auf die Vertikalauflösung (quer zur Flugrichtung). Zu beachten ist, dass der Neigungswinkel des Satelliten zum Zielgebiet die Auflösung ebenfalls beeinflusst. Laut Hersteller ist die Auflösung höher als die amerikanischer und russischer Radarsatelliten; eine gewagte Angabe, ist doch deren Auflösung unbekannt.

Die Beispielfotos von des Herstellers haben Kantenbreiten von 5,5 × 5,5 km in "höchster Auflösung" und 60 × 8 km in "hoher Auflösung". Die Breite dürfte dabei tatsächlich durch die Radartechnik begrenzt sein, die Länge (im Strip-Map Modus) entweder durch die interne Datenverarbeitung oder die Stromversorgung. Sicher ist jedoch, dass eine wirkliche Flächenabdeckung nur mit wesentlich mehr Satelliten möglich ist; eine Beschränkung, die jedes Satellitensystem hat.

Leider existieren keine Angaben über Auflösungen bezüglich Höhen und Geschwindigkeiten.

Weitere Werte der Satelliten

Das Gewicht eines einzelnen Satelliten beträgt ca. 770 kg, seine Größe wird mit 4 × 3 × 2 m angegeben. Die geschätzte Lebensdauer beträgt mindestens 10 Jahre, bei einer Verlässlichkeit von mindestens 97 % pro Jahr. Der durchschnittliche Stromverbrach wird mit ca. 250 Watt angegeben.

Die Satelliten kreisen in drei verschiedenen polnahen Umlaufbahnen, die jeweils im Mittel 500 km hoch sind. Die durchschnittliche Antwortzeit (Zeit von der Anfrage bis zur Rückgabe der Bilder) beträgt dabei 11 Stunden, 95 % der Anfragen können innerhalb von 19 Stunden beantwortet werden.

Der Bordspeicher von mehr als 128 GByte erlaubt dabei die Aufnahme von ca. 30 Bildern pro Tag (möglicherweise wird diese Beschränkung aber auch durch die Stromversorgung oder Übertragungsbandbreite gesetzt). Für die Datenübertragung wird das X-Band benutzt (über den gleichen Parabolspiegel wie das Radar abgestrahlt; eine Verbindung zur Bodenstation ist nur möglich, wenn sich der Satellit über ihr befindet), Steuerungs- und Telemetrie-Daten werden verschlüsselt über S-Band ausgetauscht (direkt mit der Bodenstation ober über Intersatellitenlink).

Die Ausrichtung erfolgt Mithilfe von Magnetspulen und Schwungrädern, die Orbitalkontrolle mit Hydrazin-Triebwerken. Da die Solarzellen ebenfalls nicht schwenkbar angebracht sind, könnte es gelegentlich nötig sein, den Satelliten mit dem Rücken zur Sonne zu drehen.

Die Nutzlastverkleidung der Kosmos 3M Trägerrakete musste speziell angepasst werden, da der Antennendurchmesser der Satelliten zu breit ist. Die neue Nutzlastverkleidung wurde Anfang 2005 bei einem Flug der Kosmos 3M mit einem russischen Satelliten erfolgreich getestet.

Bodenstation

Die Bodenstation ist unterteilt in die zwei Segmente, dem Nutzer- (NBS) und dem Satellitenbodensegment (SBS). Ersteres übernimmt im wesentlichen die Zielauswahl und Auswertung der Bilder, das SBS kümmert sich um die technische Steuerung, Datenaustausch und Bilderzeugung (der Satellit nimmt selbst keine Vorverarbeitung vor, sondern liefert nur Rohdaten).


Entstehungsgeschichte und Kooperationen

Das SAR-Lupe System ist eigentlich eine Low-Cost-Lösung: das Vorgängerprojekt Horus wurde abgebrochen, da die Kosten von bis zu 5 Milliarden D-Mark der Bundesregierung zu hoch waren. Der Kosovokonflikt und der damit einhergehende erste Einsatz deutscher Soldaten im Ausland machte jedoch schnell deutlich, dass die neue Doktrin der deutschen Aussenpolik ein Aufklärungssystem erforderlich macht. So wurde 1998 mit Arbeiten am SAR-Lupe-System begonnen, das nur noch ca. 300 Millionen Euro kostet. Dies wurde zum einen durch Einschränkungen der Leistungsfähigkeit erreicht (so kann zum Beispiel das Radar nicht geschwenkt werden, stattdessen muss der gesamte Satellit gedreht werden), vor allem aber durch die Verwendung bereits existierender Einzelteile, die Kleinsatellitenbauweise sowie durch die Vergabe der Subaufträge an den jeweils billigsten Zulieferer (weniger als Hälfte der Einzelteile kommt aus Deutschland). Der endgültige Vertrag wurde schliesslich am 17. Dezember 2001 unterzeichnet.

Am 30. Juli 2002 wurde in Schwerin ein Kooperationvertrag mit Frankreich geschlossen, die mit ihren Helios Satelliten optische Aufklärung bieten. Die beiden Systeme sollen sich gut ergänzen, und so sollen sie gekoppelt werden. Ziel ist dabei mittelfristig einen gemeinsamen Aufklärungsverbund für die EU zu schaffen. Dies wurde schon in der technischen Planungsphase beachtet: das System ist modular aufgebaut und leicht erweiterungsfähig. Es wird gehofft, dass sich auch andere EU-Partner mit weiteren Satelliten beteiligen.

Beteiligte Firmen und Behörden

Das System untersteht der Bundeswehr, Auftraggeber sind das Verteidigungsministerium (BMVg) und das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB). Die neugegründete "Abteilung satellitengestützte Aufklärung" (Abt SGA) des Kommando Strategische Aufklärung (KdoStratAufkl) betreibt das Nutzerbodensegment. Die Sollstärke dieser Abteilung beträgt 31 Offiziere, 39 Unteroffiziere und 23 zivile Mitarbeiter.

Anforderungsberechtigte Dienststellen sind :

  • Einsatzführungskommando der Bundeswehr (EinsFüKdo Bw)
  • Führungskommandos der Teilstreitkräfte (TSK FüKdo)
  • Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr (ZVBw)
  • Amt für Geowesen der Bundeswehr (AGeoBw)

Das Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr (ZNBw) legt dann die Reihenfolge der Auftragsbearbeitung fest und leitet dies an die Abteilung SGA weiter.

Die Herstellung unterliegt einem Konsortium europäischer Unternehmen, angeführt von der OHB-System AG, der auch die Gesamtleitung unterliegt und die das Satellitenbodensegment betreiben wird. Das SAR wird von Alcatel Space geliefert, der zugehörige Verstärker kommt von Tesat Spacecom, die Parabolantenne von Saab Ericsson Space. Die Batterien stammen von Diehl Eagle Pitcher, der Gyro von Kearfott und die Drallräder von Teldix. Weitere Partner: Carlo Gavazzi Space SpA, COSMOS International, EADS, Raumfahrt Systemtechnik GmbH, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), RTG, Thales.

Anmerkungen

Sämtliche technische Werte zur Leistungsfähigkeit werden in den öffentlich zugänglichen Papieren nur mit Mindestwerten angegeben. So kann es durchaus sein, dass die tatsächliche Leistung erheblich höher liegt. Ein Gerücht besagt beispielsweise, dass die Auflösung eher bei 60 oder gar 40 cm liegt, also ungefähr doppelt so fein wie offiziell angegeben.

Ebenfalls mit Vorsicht zu behandeln dürfte der Ausdruck "wetterunabhängig" sein: Radar reagiert auf Wasser, schwerer Niederschlag oder Sturm dürfte das Radar durchaus behindern, möglicherweise sogar blockieren.

Siehe auch

  • TerraSAR - ziviles Radarsatellitenprojekt, dass auf Militärtechnik zurückgreift (dual use)
  • SATCOM - zukünftiges Satellitenkommunikationssystem der Bundeswehr
  • Galileo - Europäisches Satellitennavigationssystem, zur zivilen und militärischen Nutzung.


  • Helios - Der französische, optische Aufklärungssatellit
  • Lacrosse - Der amerikanische Radarsatellit