Am 25. März 1852 wurde ein Duell zwischen Georg von Vincke als Forderer und Otto von Bismarck als Gefordertem am Tegeler See ausgetragen. Bismarck berichtete in einem Brief vom 14. April 1852 an seine Schwiegermutter selbst darüber.
Philadelphia Museum of Art
Das Duell im 19. Jahrhundert
Das Duell ist nicht nur ein Verhaltenskodex, sondern ein fester Bestandteil der machtpolitischen Auseinandersetzung des 19. Jahrhunderts. Eine persönliche Meinung zur allgemeinen zu machen war nicht nur eine Frage der Mehrheit und der Konsensbildung, sondern man erwartete vom Meinungsführer, dass er diese auch unter Einsatz seines Lebens verteidigte. Anders als der Gerichtskampf des Mittelalters stand nicht die Sache - der Anlass konnte nichtig sein - sondern die Haltung des Vertreters im Vordergrund. Grundlegend hierfür war die Philosophie von Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der die Exklusivität des Herrschaft an einem vom Leben abstrahierten Bewusstsein festmacht. Die Demonstration dieses Bewusstseins ist der Kampf auf Leben und Tod um Herrschaft und Knechtschaft. Obwohl juristisch gesehen in Preußen, wie auch in anderen deutschen Staaten, sowohl die Aufforderung zum Duell als auch die Teilnahme und Mitwirkung ein Straftatbestand war,[1] erlagen selbst Politiker der Arbeiterschaft, wie Ferdinand Lassalle († 1864), diesem Ehrencodex. Im Allgemeinen hing es von der gesellschaftlichen Stellung ab, inwieweit für eine Persönlichkeit die Teilnahme an einem Duell als zwingend empunden wurde. Für Offiziere war der Ehrverlust empfindlich, während andere Stände sich weniger sensible zeigten. So forderte Bismarck seinerseits über zehn Jahre später am 3. Juni 1865 den Abgeordneten Rudolf Virchow zum Duell, dieser lehnte die Contrage jedoch mit der Begründung, ein Duell sei keine zeitgemäße Art der Diskussion, ab.[2] Auch widersprach das Duell den moralischen Grundsätzen dieser Zeit. Bismarck musste sich dem fordernden Vincke vor dem Hintergrund persönlicher und gesellschaftlicher Anschauungen stellen, um seine Reputation und damit verbunden seine politische Laufbahn zu retten. Dennoch durfte er aus religiöser moralischer Sicht seinen Kontrahenten nicht töten (siehe Du sollst nicht morden). In diesem Dilemma steckte Bismarck: Der Ausgang war entscheidend für seine weitere Zukunft:
„Daß ich mich stellen müsse, darüber war ich nie zweifelhaft, wohl aber, ob ich auf V. schießen solle“
Auslöser
Zwischen Bismarck und Vincke kam es im Lauf der politischen Auseinandersetzung seit Ende der 1840er Jahre zu unüberbrückbaren Spannungen:
„Ich hatte mich schon wiederholt über V.s Ungeschliffenheit gegen die Regierung und die Unsrigen verdrossen, und war bereit ihm bei nächster Gelegenheit ernst entgegenzutreten.“
In den Sitzungen des Preußischen Landtags vom 20. und 22. März 1852, zehn Jahre vor Bismarcks Zeit als Ministerpräsident, war es in der zweiten preußischen Kammer zwischen Bismarck, damals noch Abgeordneter, und dem Hagener Abgeordneten Georg von Vincke, Sohn des ersten Oberpräsidenten der Provinz Westfalen, zu einem für beide beleidigenden hitzigen Wortwechsel gekommen. Ursache war ein heftiger verbaler Streit über den preußischen Wehretat. Vincke hatte dabei u.a. festgestellt, alles was er von Bismarcks diplomatischen Leistungen wisse, beschränke sich auf die „bekannte brennende Cigarre“. Der Streit im Parlament eskalierte; Bismarck stellte von der Tribüne aus die Diskretion und gute Erziehung von Vinckes infrage.
Hintergrund
Bismarck hatte eines Tages den österreichischen Präsidialgesandten des Bundestages Friedrich von Thun und Hohenstein besucht und wurde von ihm wenig stilvoll mit Zigarre empfangen. Bismarck holte daraufhin seinerseits eine Zigarre aus seiner Tasche, bat den verdutzten Thun-Hohenstein um Feuer und nahm dann unaufgefordert Platz, um das Gespräch rauchenderweise zu beginnen. Laut Bismarck hatte er Vincke diese Geschichte „als etwas ganz Unwichtiges“ auf dessen ausdrücklichen Verlangen unter vier Augen und unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt.
Herausforderung
Daraufhin forderte ihn Vincke durch seinen Sekundanten, den Herrn Konstanz von Saucken-Julienfelde, am folgenden Tag zu einem Pistolenduell auf vier Kugeln. Bismarck beriet sich mit seinen Freunden Alexander von Uhden, General von Gerlach, Eberhard zu Stolberg-Wernigerode; alle meinten es müsse sein. Selbst der Theologe Carl Büchsel war verzweifelt und riet ihm abzustehen, sah aber keinen Ausweg. Mit ihm und Stolberg betete er noch am Abend vor dem Duell. Da er als Herausgeforderter das Recht der Waffenwahl hatte, wollte er sich mit Vincke in einem Säbelduell auseinandersetzen. Bismarck war aufgrund seiner corpsstudentischen Erfahrung ein guter Fechter auf dem Korbschläger, an Säbelpartien und Pistolenduellen hatte er zuvor jedoch nur als Sekundant und Unparteiischer mitgewirkt.[5] Auch Vincke war fechterfahrener Corpsstudent[6] und 1833 bereits wegen eines Duelldelikts zu Festungshaft verurteilt worden. Doch die, von Bismarcks Sekundant und Schwager Oskar von Arnim-Kröchlendorff[7] überbrachte Konzession wurde Saucken-Julienfelde[8] abgelehnte. Als unparteiischer Zeuge war Carl von Bodelschwingh, ein Corpsbruder Vinckes,[9] bestimmt.
Duell
Nachdem der Wunsch von Vincke, das Duell um 48 Stunden zu verschieben, stattgegeben wurde, traf man sich am 25. März 1852 um 8 Uhr früh am Seeufer in Tegel. Mit Bismarck war sein Sekundant Oskar von Arnim-Kröchlendorff und sein Bruder Bernhard von Bismarck[10] und Eberhard zu Stolberg-Wernigerode als Zeugen erschienen. Vincke war in Begleitung von Saucken-Julienfelde, sowie Major Vincke als Zeugen und Bodelschwingh. Dieser als Unparteiischer erklärte, dass die Duellbedingungen ihm zu hart erscheinen und schlug vor, sie auf einen Schuss pro Seite zu reduzieren. Dies wurde von beiden Parteien angenommen. Saucken-Julienfelde ließ für Vincke anfragen, dass man vom Duell als Ganzes Abstand nehmen wolle, wenn Bismarck erkläre, dass es im leid tue. Dies lehnte Bismarck ab. Nun wurden die präzisen Duellpistolen von den Sekundanten geladen. Dabei wurden eine überladen, sodass sie für den Augenblick nicht zur Verfügung stand. Daher wich man auf unpräzise Pistolen aus, die zum Sekundieren vorgesehen waren. Die beiden Duellanten nahmen ihre Positionen ein. Auf Kommando von Bodelschwinghs schossen beide und fehlten. Bismarcks erste innere Regung war Enttäuschung über den misslungenen Schuss. Bodelschwingh vergoss über den unblutigen Ausgang Tränen der Freude. Alle Anwesenden schüttelten sich erleichtert und unter Jubel die Hände. Das politische Berlin zeigte sich unzufrieden: Hofften doch beide Lager, einen wortgewaltigen Gegner zu verlieren. Bismarck konnte auf jeden Fall mit dem Ausgang zufrieden sein. Er selbst bezeichnet im nachhinein, "bei ruhigen Blut" den Ausgang des Duells als Gnade Gottes und als Wendepunkt in seinem Leben:
„Es ist mir innerlich glaube ich recht heilsam gewesen, mich dem Tode nahe gefühlt und mich darauf vorbereitet zu haben“
Literatur
- Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin, Stuttgart 1900, Seite 327–329
- Josef Cornelissen: Haus Heyde bei Unna – Ein westfälischer Adelssitz in seinem wechselvollen Schicksal. (= Schriftenreihe der Stadt Unna, Band 35), 1998, ISBN 3-927082-37-6.
- Ed. von Hellen: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin, 1941, dort: Anhang 80, S. 303
- Otto Remmert: Wenn Vinckes Kugel Bismarck tötlich getroffen hätte..., in: Hagener Heimat-Kalender, Gustav Butz-Verlag, Hagen 1960
Einzelnachweise
- ↑ Nach dem geltenden Preußischen Allgemeinen Landrecht. Wortlaut und Kommentar: [1]
- ↑ Petra Lennig: Das verweigerte Duell: Bismarck gegen Virchow, DHM-Digitalisat
- ↑ siehe Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin, Stuttgart 1900, Seite 329
- ↑ siehe Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin, Stuttgart 1900, Seite 327 und 328
- ↑ siehe Otto von Bismarck als Student
- ↑ Kösener Korps-Listen 1910, 69, 174; 185, 329.
- ↑ v. Arnim war Mitglied des Corps Saxo-Borussia Heidelberg, vgl. Kösener Corpslisten 1960, 66, 156
- ↑ Mitglied des Corps Littuania Königsberg, vgl. Kösener Korps-Listen 1910, 139, 25.
- ↑ Kösener Korps-Listen 1910, 69, 138
- ↑ Mitglied des Corps Saxonia Leipzig, vgl. Kösener Korps-Listen 1910, 154, 201.
- ↑ siehe Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin, Stuttgart 1900, Seite 327