Gibbs-Energie G (im deutschen Sprachraum entgegen der IUPAC-Empfehlung meist Freie Enthalpie genannt, früher auch Gibbs freie Energie, Gibbs-Potenzial oder freie Reaktionsenthalpie) ist ein thermodynamisches Potenzial mit den natürlichen unabhängigen Variablen Temperatur T, Druck p und Teilchenzahl N. Sie ist definiert durch:
Mit der inneren Energie U, dem Volumen V und der Entropie S. Der differentielle Ausdruck davon ist
Dieses Potenzial ist maßgeblich für chemische Reaktionen, da diese sehr häufig an ein Druck-, sowie an ein Temperatur-Reservoir gekoppelt sind.
Anwendung der Freien Enthalpie in der Chemie
Chemische Reaktionen und enzymatische Umsetzungen gehorchen den Gesetzen der Thermodynamik. Die Thermodynamik beschreibt Beziehungen zwischen verschiedenen Energieformen und beantwortet die Frage, ob, unter welchen Bedingungen und in welchem Umfang eine chemische oder enzymatische Umsetzung der (beliebigen) Agenzien und in und
abläuft. Hier ist das entscheidende Kriterium die freie Enthalpie G. Für die Änderung der freien Enthalpie während einer Reaktion gilt
- : exergone Reaktion, die unter den gegebenen Bedingungen (Konzentrationen) spontan abläuft;
- : Gleichgewichtssituation, keine Reaktion;
- : endergone Reaktion, deren Ablauf in der angegebenen Richtung Energiezufuhr erforden würde.
Bezogen auf die obige Reaktionsgleichung gilt für die Änderung der freien Enthalpie
Darin sind [A] bis [D] die molaren Konzentrationen der entsprechenden Moleküle (Metabolite) und a bis d ihre Stöchiometrien. R steht für die Gaskonstante:
- R = 8,31434 · 10-3 kJ/(mol K), früher: R = 1,98717 · 10-3 kcal/(mol.grd)
- T ist die absolute Temperatur (in der Enzymkinetik nach Konvention 298 K entsprechend 25 °C) und
- eine reaktionsspezifische Konstante, die noch abzuleitende freie Standardenthalpie.
Es gilt die Gleichheit , wenn alle Edukte und Produkte in Konzentrationen von 1 mol/l vorliegen und somit ln(([C]c[D]d)/([A]a[B]b) gleich Null wird. Aufgrund des Vorzeichens kann aus also die (hypothetische) Reaktionsrichtung bei 1 M Konzentrationen aller Reaktionspartner abgelesen werden (sog. "Standardbedingungen"). In der Biochemie wird das verwendet, um die Gibbs-Energie bei physiologischem pH 7 zu kennzeichnen.
Die Gleichgewichtseinstellung der Reaktion folgt bei beliebigen Ausgangskonzentrationen [A] bis [D] dem Kriterium minimaler freier Enthalpie. Im Gleichgewicht ändert sich definitionsgemäß nicht mehr, d. h. es gilt , woraus folgt
Zusammen mit der aus dem Massenwirkungsgesetz folgenden Definition der Gleichgewichtskonstanten, K = ([C]c[D]d)/([A]a[B]b) ergibt sich vereinfachend
Hierdurch wird illustriert, dass sich aus der entsprechenden Gleichgewichtskonstanten bei derselben konstanten Temperatur ermitteln lässt. Somit ist die Änderung der freien Standardenthalpie die charakteristische thermodynamische Konstante einer jeden Reaktion.
Auf der anderen Seite ist mit der Konzentration der Reaktionspartner veränderlich. ist derjenige Wert, welcher die Reaktionsrichtung bestimmt: Nur bei negativem liegt die Reaktionsrichtung auf der Produktseite. Eine durch positives gekennzeichnete Reaktion kann durchaus in der geschriebenen Richtung ablaufen, sofern die Ausgangskonzentrationen ein negatives gewährleisten.
Siehe auch
Redox-Potenzial, Thermodynamisches Potenzial, Gruppenübertragungspotenzial, Gibbs-Helmholtz-Gleichung