Esskultur im Mittelalter

europäische Ernährungsgewohnheiten vom 5. bis Ende des 15. Jahrhunderts
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Die Esskultur im Mittelalter hat wenig gemein mit der der verfeinerten Küche der Antike, sondern ist eine eigenständige Entwicklung im Spannungsfeld von Hungersnöten, religiösen Ernährungsvorschriften und adeliger Verschwendungssucht. Die Hauptnahrungen Brot und Fleisch sorgten für eine recht einseitige Ernährung, der es an Vitaminen und Fetten fehlte.

Bankett am Hofe Karl V.

Speisen

Getreide

 
Ackerbau im Mittelalter

Im Rahmen der Dreifelderwirtschaft wurden hauptsächlich Roggen, Weizen und Hafer angebaut, aus denen das Hauptnahrungsmittel des Mittelalters, das Brot, produziert wurde. Regional wurden auch Rispenhirse, Dinkel, Emmer und Einkorn angebaut.

Obst und Gemüse

Das Gemüse (hauptsächlich Pastinak, Kraut, Kohl, Zwiebeln und Knoblauch) galt als Bauernkost und war weit weniger in die Ernährung integriert als heute. Die Pferdebohne war ein wichtiger Bestandteil der Ernährung der Landbevölkerung. Rüben wurden nur im geringen Maße angebaut, da sich die vorherrschende Dreifelderwirtschaft für ihren Anbau wenig eignete.

Das Obst wurde gartenbaulich kultiviert und galt, da es meistens hoch auf Bäumen anstatt in der Erde wuchs, als unbedenkliches Lebensmittel für den Speiseplan der Reichen und des Adels. Bekannt waren Äpfel, Birnen, Kirschen, Maulbeeren, Quitten und Feigen. Eine hochstehende Kultivierung des Obstanbaus entstand in Nordeuropa erst nach Einführung südeuropäischer Techniken, vor allen des Pfropfens, etwa ab dem Jahr 1000. Auch Nüsse und Mandeln standen auf dem mittelalterlichen Speiseplan.

Tierische Produkte

Durch die einfache Haltung war das Hausschwein der bevorzugte Fleischlieferant. Schlachtzeit waren die Monate November und Dezember zur Anlegung eines Wintervorrats an Speck, Pökel- und Rauchfleisch. Andere Haustiere dienten hauptsächlich anderen Zwecken als der Nahrungsproduktion (Rinder als Milcherzeuger und Transporttiere, Schafe als Lieferanten von Wolle) und wurden nur geschlachtet, wenn sie keinen Nutzen mehr einbrachten. Der Verzehr von Pferdefleisch war kirchlich verboten. Die Erlegung und der Verzehr von Jagdwild blieb größtenteils als Privileg dem Adel vorbehalten.

Neben Hühnern, Enten und Gänsen wurden auch Reiher, Schwäne, Störche, Adler und Pfauen verzehrt.

Milch, Käse und Eier spielten vor allen an Fastentagen eine größere Rolle in der Ernährung, ebenso für alle Bevölkerungsschichten der Verzehr von Fisch. Durch Beschränkung des Zugangs zu Bächen und Teichen für den Fischfang durch Klöster und Adel gewannen gedörrte, gepökelte und geräucherte Seefische an Bedeutung.

Gewürze

Stark gewürzte Speisen waren beliebt, doch Gewürze wie Pfeffer, Zimt, Muskat, Safran, Nelken und Ingwer waren durch lange Transportwege kostbar und dadurch den Reichen vorbehalten. Salz als notwendiger Ernährungsbestandteil und als Konservierungsmittel wurde zum politschen Machtfaktor, z.B. durch die Erhebung von Salzzöllen.

Getränke

Der Wein nahm vor allen in Frankreich eine bedeutende Stellung als Getränk ein, auch durch die Bedeutung, die ihm das Christentum durch die Eucharistie gab. Bis zum 13. Jahrhundert wurden vor allem Weißweine getrunken, während danach auch die Bedeutung des alkoholreicheren Rotweins aus den Mittelmeergebieten stieg. Enorme Konsummengen (200 bis 900 Liter jährlicher Pro-Kopf-Verbrauch) sind überliefert.

Bier wurde vor allem in Deutschland, Holland und England (Ale) konsumiert und mit verschiedenen Aromastoffen (Enzian, Salbei, Lavendel, Koriander) "verfeinert". Besonders in Regionen, in denen das natürlich vorkommende Wasser nicht ungekocht trinkbar war, erfreute sich das Dünnbier großer Beliebtheit. Seit dem frühen Mittelalter wurde die Haltbarkeit des Biers durch Bierwürzen wie Hopfen verbessert. In Norddeutschland wurde hierfür auch Gagel eingesetzt, der sich aber aufgrund der schädlichen Nebenwirkungen bis hin zur Erblindung bei übermäßigem Biergenuß nicht durchsetzte.

Branntwein wurde erst durch die Ergebnisse des Destillierens durch Alchimisten im späten Mittelalter entwickelt und nur als Chemikalie und Arnzei eingesetzt.

Zubereitung und Küchenausstattung

 
Küche mit Kachelofen, Dreifußtöpfen und Bratenspieß. Abbildung aus der Kuchenmaistrey, Augsburger Ausgabe von 1505

Die Ausstattung der Küchen war überall einfach. Gekocht wurde meistens am offenen Herd, der aus einer kniehoch aufgemauerten Feuerplatte bestand. Kochgefäße aus Ton waren üblich. Erst später gab es in reichen Haushalten Kessel aus Bronze, Messing oder Kupfer. Dort gehörten auch drehbare Bratenspieße, zur Verfeinerung der Speisen manchmal aus Wacholder, Hasel oder Erlenholz gefertigt, und Bratenroste zur Ausstattung. Ab dem 13. Jahrhundert stetzen sich raffiniertere Küchengeräte wie Dreifußtöpfe, Pfannen, Waffeleisen, Siebe und Reiben durch.

Das wichtigste Küchengerät war, neben Messern und Beilen, der Mörser.

Vornehme und adelige Küchen hatten viel Personal, einen Küchenmeister und einen Truchseß. Der Fürschneyder tranchierte Fleischspeisen am Eßtisch.

Viele Lebensmittel wurden langsam über dem Herdfeuer gegart, zu Mus zerstampft oder zu Brei zerkocht. Dies geschah wohl aus hygienischen Gründen, aber auch, um dem schlechten Stand der Zahngesundheit dieser Zeit Rechnung zu tragen.

Konservierung, Bevorratung und Qualitätskontrolle

Nahrungsmittel wurden durch Beizen, Pökeln, Räuchern, Dörren und Einmachen haltbar gemacht oder zu Würsten verarbeitet. Fleisch wurde zur Haltbarmachung mit heißem Öl, Fett oder Talg übergossen oder vor dem Braten in heißem Wasser abgebrüht.

Die Lagerung der Lebensmittel erfolgte in Gruben oder Kellern. In vornehmeren Küchen lagerte man die Vorräte in eigenen Speisekammern hoch auf Stangen zum Schutz vor Ratten.

Zahlreiche Lebensmittelverordnungen unter der Androhung drakonischer Strafen sollten den Problemen verdorbener oder gepanschter Nahrungsmittel Einhalt gebieten.


Der Geschmack des Mittelalters

Säuerliche Saucen aus Traubensaft, Wein oder Essig waren beliebt. Lebensmittel wurden, besonders in adeligen und reichen Kreisen, gesüßt, durch Gewürze ihres natürlichen Eigengeschmacks beraubt und etwa mit Safran oder Sandelholz gefärbt. Gelegentlich kamen sogar gefährliche Farbstoffe wie Grünspan, Blei oder Zinnober zum Einsatz.

Das Süßen der Speisen war kostspielig, da der Rohrzucker aus dem Orient importiert werden mußte. Man behalf sich mit Honig, eingekochtem Wein und Rosinen, Datteln oder Feigen. Da diese Produkte bei weitem nicht ausreichend vorhanden waren, muß davon ausgegangen werden, daß süße Speisen sehr selten auf dem Speiseplan standen.

Täuschende Schaugerichte erfreuten den Adel und das reiche Bürgertum. So wurden Pasteten mit lebenden Vögeln gefüllt. Pfaue wurden enthäutet, gekocht, das gekochte Fleisch wieder in die Haut zurückgefüllt und das Tier in vollem Federkleid aufgetragen. Festmahle des Adels bestanden aus drei oder vier Gängen, wobei jeder Gang bis zu zehn verschiedene Gerichte beinhaltete. Dabei gab es keine keine geschmackliche Trennung: Fisch und Fleisch wurden zusammen aufgetragen; Süßes, Saures und Scharfes wurde in großen Mengen durcheinander gegessen. Eine Abwendung von dieser überladenen Kochkunst und die Geburtsstunde der modernen klasisschen Küche machen manche Historiker am Jahr 1533 fest, als Katharina von Medici durch ihre Heirat mit Heinrich II. toskanische Lebenskultur im Geiste der Renaissance nach Frankreich brachte und für eine raffiniertere, ausgewogenere Koch- und Eßkultur sorgte.

Ernährungsgewohnheiten der sozialen Schichten

Zwei Drittel bis drei Viertel der Gesamtausgaben der Familien mußten im Mittelalter für Nahrungsmittel veranschlagt werden. Ausgenommen die relativ kleine wohlhabende Oberschicht, bestimmte die Sorge um das tägliche Essen den Lebensalltag der Menschen entscheidend.

Üblich waren zwei Mahlzeiten am Tag: das Mittagessen (Prandium) zwischen zehn und elf Uhr vormittags und das Abendessen (Cena) zwischen vier und sieben Uhr nachmittags.

Man aß aus gemeinsamen Schüsseln und trank aus gemeinsamen Bechern. Die Speisen wurden mit der Hand aufgenommen, das Fleisch mittels eines Messers auf einem Schneidebrett zerteilt. Der Löffel war nur als liturgisches Gerät bekannt und die Gabel war als "teuflisches" Instrument mit einem Kirchenbann belegt.

Religiöse Fest- und Feiertage sowie die Zeiten des Fastens strukturierten die Speisegewohnheiten, Nahrungsverbote und Nahrungsgebote über das ganze Jahr für die gesamte Bevölkerung.

Landbevölkerung

Die Landwirtschaft im goldenen Zeitalter des Mittelalters blühte auf und profitierte vom warmen Klima. Die Landbevökerung wuchs, bis die Abkühlung des Klimas für geringere Erträge sorgte. Hungersnöte waren die Folge, bis nach den Pestepedemien die Erträge für die dezimierte Gesamtbevölkerung wieder ausreichten.

Ihren Ölbedarf deckte die Landbevölkerung hauptsächlich durch den Anbau von Lein, der neben der Ölgewinnung auch als Faserpflanze diente. Die Landbevölkerung aß überwiegend Brot und Breie aus Getreide. Die Mahlzeiten wurden gemeinsam am Tisch aus einer großen Schüssel zu sich genommen.


Stadtbevölkerung

In den Städten des Frühmittelalters wurde der Viehbestand, vor allem die Schweine, in den Städten selbst gehalten. Für Rinder und Schafe gab es Gemeindeweiden. Sogenannte Ackerbürger bewirtschafteten die umliegenden Felder zur Deckung des Nahrungsbedarfs der Städte.

In den Städten gab es im Spätmittelalter Pasteten- und Waffelbäcker, die mit mobilen Öfen durch die Straßen zogen und kleine Gerichte zubereiteten. Auch Schänken und Gastwirtschaften, oft in Nachbarschaft und Verbindung zu Schwitzbädern, den Orten der Prostitution, setzten sich immer mehr durch. Der Fleischkonsum erreichte durch den Wohlstand der Städte ein hohes Niveau. Reiche Bürger ahmten die Speisegewohnheiten des Adels mit raffinierten und verschwenderischen Speisefolgen nach. Die Mahle der Zünfte und Gilden waren fest geregelt und gaben mit den Vorrechten der Meister und Handelsherren ihrem sozialen Status gegenüber den Gesellen und Dienstboten Ausdruck.

Adel

Der Adel unterschied sich in der täglichen Nahrungsaufnahme wenig vom normalen Volk: Brot und Fleisch wurden hauptsächlich verzehrt, das jedoch in einer größeren Kalorienmenge.

Mehrtägige Bankette zu besonderen Anlässen mit exotischen Speisen im Überfluß sollten Reichtum und Macht darstellen. Die Tischordnung und die Menge und Qualität der gereichten Speisen spiegelte die strenge soziale Hierarchie wieder. An den Königshöfen entwickelte sich eine umfangreiche Etikette mit strengen Ritualen der Speisenreichung.

Klöster und Klerus

In der Regel ernährten sich die Ordensbrüder von Brot, Gemüse und Fisch. Spezielle Kost für Kranke wurde im Rahmen der Gesundheitsfürsorge durch die Klöster entwickelt. Die Klöster mit ihren Herbularien waren Vorreiter im Anbau von Kräutern. Gebräuchlich waren Kümmel, Dill, Petersilie, Salbei, Beifuß, Liebstöckel, Mohn, Minze, Koriander, Rosmarin und Wacholder. Benediktiner und Zisterzienser förderten rund um ihre Klöster den Weinbau. Manche Klöster entwickelten sich jedoch durch lockere Regeln zu Inseln der Völlerei.

Köche und Kochbücher

Einer der berühmtesten Köche des Mittelalters war der Hauptkoch Karl V. Guillaume Tirel (auch genannt Taillevent), der um 1370 das Kochbuch "Viandier" erstellte.

Die älteste deutschsprachige Rezeptesammlung ist das "Buch von guter spise" um 1350 aus einer geistlichen Hofhaltung in Würzburg. Das aus dem Bodenseeraum stammende "Büchlein von guter Speise" datiert vom Anfang des 15. Jahrhunderts. Das erste gedruckte deutsche Kochbuch ist die "Küchenmeisterey" aus Nürnberg um 1490.

Literatur

Sekundärliteratur

  • Karl-Ernst Behre: Die Ernährung im Mittelalter, in: Bernd Herrmann (Hg.), Mensch und Umwelt im Mittelalter, Frankfurt am Main 1989, Seite 74-87 ISBN 3596241928
  • Irmgard Bitsch, Trude Ehlert, Xenja von Ertzdorff (Hgg.): Essen und Trinken in Mittelalter und Neuzeit. Vorträge eines interdisziplinären Symposions vom 10.-13. Juni 1987 an der Justus-Liebig-Universität Gießen, 2. Auflage Sigmaringen 1990 ISBN 379954108X
  • Bruno Laurioux: Tafelfreuden im Mittelalter: Die Eßkultur der Ritter, Bürger und Bauersleut, Weltbild Verlag Augsburg 1999 ISBN 382890727X
  • Johanna Maria van Winter: Kochen und Essen im Mittelalter, in: Bernd Herrmann (Hg.), Mensch und Umwelt im Mittelalter, Frankfurt am Main 1989, Seite 88-100 ISBN 3596241928

mittelalterliche Rezeptsammlungen

  • Maggie Black: "Küchengeheimnisse des Mittelalters" Verlag Flechsig 1998 ISBN 3881892400
  • Odile Redon, Francoise Sabban, Silvano Serventi: "Die Kochkunst des Mittelalters." Panorama Verlag Wiesbaden 2000 ISBN 3926642149
  • Trude Ehlert: "Das Kochbuch des Mittelalters" Patmos Verlag 2000 ISBN 3491960037
  • Jacob Blume (Hrsg.): "Das Buch von guter Speise" Verlag Die Werkstatt 2004 ISBN 3895334510