Myxogastria

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Die Myxogastria, meist als Myxomyceten oder gelegentlich auch plasmodiale Schleimpilze bezeichnet, sind eine der drei Unterklassen der Schleimpilze. Mit rund 900 Arten in fast 60 Gattungen umfassen sie den größten Teil der Schleimpilze. Alle Arten durchlaufen im Laufe ihres Lebens mehrere, morphologisch extrem verschiedene Phasen.

Myxogastria

Trichia-Art

Systematik
Klassifikation: Lebewesen
Domäne: Eukaryoten (Eucaryota)
ohne Rang: Amoebozoa
Klasse: Schleimpilze (Eumycetozoa)
Unterklasse: Myxogastria
Wissenschaftlicher Name
Myxogastria
L. Olive

Die Unterklasse ist weltweit verbreitet, in gemäßigten Breiten ist sie jedoch deutlich häufiger und weist auch einen höheren Artenreichtum auf als in polaren Regionen, den Subtropen oder Tropen.

Merkmale und Lebenszyklus

Grob lässt sich der Lebenszyklus der Myxogastria in drei Phasen unterteilen, nämlich eine einzellige, einkernige Phase, dann das Stadium als amorphes, vielkerniges Plasmodium sowie die abschließende reproduktive Phase mit der Ausbildung des Fruchtkörpers, der sogenannten Fruktifikation.

Einzellige, einkernige Phase

Sporen

Die Sporen sind meist rund und messen zwischen 5 und 20, selten bis 24 Mikrometer im Durchmesser. Ihre Oberfläche ist üblicherweise netzartig, gratig, warzig bis stachelig strukturiert, nur sehr selten ist sie glatt. Durch die Struktur entsteht zugleich die wahrgenommene Färbung der Sporenmasse, die Sporen sind nicht pigmentiert. Bei einigen Arten (besonders bei Arten der Gattung Badhamia) bilden die Sporen Klumpen. Die „Farbe“ der Sporen, ihre Form, die Skulpturierung sowie der Durchmesser sind wichtige Merkmale zur Bestimmung. [1]

Entscheidende Faktoren für die Keimung sind vor allem Feuchtigkeit und Temperatur, welche Faktoren darüber hinaus eine Rolle spielen, ist unklar. Die Sporen bleiben meist mehrere Jahre lang keimfähig, einzelne Sporen von Herbarmaterial keimten sogar noch nach 75 Jahren. Bei der Keimung öffnen sich die Sporenhüllen entweder entlang spezieller Keimporen oder Keimspalten oder reißen unregelmäßig auf und geben dann ein bis vier Protoplasten frei. [1]

Myxamöben und Myxoflagellaten

Bei Arten, die sich sexuell und nicht apomiktisch vermehren, keimen die haploiden, gametischen Amoeboflagellaten in Protoplasten als trophisches Stadium [2]. Ist die Umgebung eher trocken, bilden sich aus ihnen Myxamöben, die sich amöboid auf dem Substrat kriechend fortbewegen. In eher feuchter bis nasser Umgebung hingegen entstehen mit den Myxoflagellaten begeißelte Zellen, die im Wasser schwimmen können. Diese weisen fast immer zwei Geißeln auf, welche aber nicht allein der Fortbewegung dienen, sondern auch dem Heranstrudeln von Nahrung. Verändert sich das Feuchtigkeitsregime, so können die Zellen zwischen der Erscheinung als Myxoflagellat oder Myxamöbe wechseln. [1]

In diesem Stadium ernähren sich Myxogastria von Bakterien und Pilzsporen sowie wahrscheinlich auch gelösten Stoffen. Eine Vermehrung erfolgt nur vegetativ per Zellteilung. [1]

Wenn sich in dieser Phase die Umweltbedingungen nachteilig verändern (zum Beispiel extreme Temperaturen, starke Trockenheit oder Nahrungsmangel), können Myxogastria in ein ausgesprochen langlebiges, dünnschaliges[2] Überdauerungsstadium wechseln, die sogenannte Mikrozyste, aus der sie bei verbesserten Bedingungen wieder zurückkehrt in das aktive Stadium. [3]

Zygotenbildung

Bei sexuellen Arten entwickelt sich das Plasmodium aus einer Zygote, bei apomiktischen Arten direkt aus den Amoeboflagellaten [2]. Treffen in diesem Stadium bei sexuellen Arten zwei Zellen gleicher Art aufeinander, verschmelzen Protoplasmen und Zellkerne miteinander zu einer diploiden Zygote, der Urform des Plasmodiums. Sowohl Heterothallie als auch Apogamie kommen vor, häufig bei gleichen Arten [1]. Falls die Ausgangszellen noch begeißelt waren, wechselt die Zygote ihre Gestalt zuvor von der begeißelten Form zur Myxamöbe. [3]

Plasmodium

 
Plasmodium im Übergang zur Ausbildung eines Fruchtkörpers

Das Plasmodium nimmt ab nun soviel Nährstoffe per Phagozytose (Bakterien und kleine Partikel organischen Materials) auf wie möglich. Sie ermöglichen der Zelle ein enormes Wachstum und ein vielfaches Teilen des Zellkerns, so dass die Zelle bald mit bloßem Auge sichtbar ist und eine Fläche – je nach Art – von bis zu einem Quadratmeter einnehmen kann. Myxogastria-Arten besitzen in ihrem trophischen Stadium als Plasmodium stets zahlreiche Zellkerne, bei den kleinen, nichtgeäderten Protoplasmodien sind es 8 bis 100 Kerne, bei den großen geäderten Netzwerken 102 bis 107 [2]. Alle sind jedoch nach wie vor Teil eines einzigen Lebewesens, das von zähflüssig-schleimiger Konsistenz und entweder transparent, weiß oder schrill gefärbt ist (orange, gelb, rosa). [3]

Die Zelle verfügt in dieser Phase über chemotaktische wie (negativ) phototaktische Fähigkeiten, ist also beweglich und bewegt sich auf Substanzen wie zum Beispiel Nährstoffe zu bzw. von gefährlichen Stoffen sowie von Lichtquellen fort. Auch in diesem Stadium kann ein Überdauerungsstadium gebildet werden, das sogenannte Sklerotium, eine ausgehärtete, widerstandsfähige Form aus zahlreichen sogenannten Makrozysten, die den Myxogastria in diesem Stadium z.B. das Überstehen von Wintern oder von Trockenheit[2] ermöglichen. [3] Vorlage:Scroll Gallery

Fruktifikation

Reife Plasmodien können dann unter angemessenen Umständen Fruchtkörper ausbilden. Die genauen Gründe, die diesen Prozess auslösen, sind nicht bekannt, bei einigen Arten werden aufgrund von Laborbeobachtungen Feuchtigkeits-, Temperatur- oder pH-Wert-Wechsel sowie Hungerphasen als auslösende Faktoren vermutet.

 
Mit Myxogastria-Sporen übersäte Assel

Die aus dem Plasmodium oder Teilen davon hervorgehenden Fruchtkörper können kleiner als 1 Millimeter sein, im Extremfall aber auch Größen von bis zu einem Meter und ein Gesamtgewicht von bis zu 20 kg erreichen (Brefeldia maxima). Meist haben sie die Gestalt gestielter oder ungestielter Sporangien (wobei die Stiele nicht zellulär sind), können aber auch als geäderte bis genetzte Plasmodiokarpe, kissenförmige Aethalien oder scheinbar kissenförmige Pseudoaethalien auftreten. In den Fruchtkörpern finden sich die massenhaft produzierten Sporen, die bei fast allen Arten (Ausnahmen sind die Arten der Liceida sowie einige Vertreter der Gattung Echinostelium) in einer netzartigen bis fadenförmigen Struktur, dem sogenannten Capillitium, eingelagert sind [2].

Nach Abtrocknung der geöffneten Fruchtkörper werden die Sporen hauptsächlich durch den Wind verbreitet, ebenso spielen Kleinstlebewesen wie zum Beispiel Asseln, Milben oder Käfer eine gewisse Rolle, die entweder sporenbehaftet aus Berührungen mit Fruchtkörpern hervorgehen oder diese als Teil ihrer Nahrung aufnehmen und keimfähig wieder ausscheiden. Nur eine geringe Rolle spielt die Verbreitung durch Fließgewässer. [1]

Verbreitung und Habitate

Verbreitung

Myxogastria sind mit der Mehrheit ihrer Arten weltweit verbreitet, Nachweise existieren von allen Kontinenten. Am häufigsten und mit dem größten Artenreichtum treten sie in gemäßigten Breiten auf, deutlich weniger häufig in polaren Regionen oder den Subtropen und Tropen. [4]

Grundsätzlich gilt jedoch, dass detaillierte Aussagen über die Verbreitung von Myxogastria darunter leiden, das weite Teile der Welt nur unzureichend oder sogar noch gar nicht untersucht wurden. Als zumindest grundlegend erschlossen gelten allein Europa und Nordamerika. Die bisherigen Ergebnisse allerdings lassen darauf schliessen, dass für die Mehrheit aller Arten eine kosmopolitische Verbreitung angenommen werden darf. Als entscheidend für die Präsenz der Arten an bestimmten Standorten gelten vor allem die physikalischen Eigenschaften des Substrates sowie klimatische Bedingungen [5].[1]

Polare Regionen

Das Verbreitungsgebiet reicht im Norden von Alaska über Island, Nordskandinavien und Grönland bis zum nördlichen Russland. Dabei handelt es sich nicht allein nur um einzelne, spezielle Arten, eine Übersichtsstudie konnte allein für die arktischen und subarktischen Regionen Islands, Grönlands, Nordrusslands und Alaskas mehr als 150 verschiedene Arten nachweisen. Die Baumgrenze wird dabei deutlich überschritten, in Grönland erreicht das Verbreitungsgebiet sogar den 77. Breitengrad. [6]

Im südlichen Polarkreis hingegen existieren nur vereinzelte Nachweise von den Südlichen Shetlandinseln[7], den Südlichen Orkneyinseln, Südgeorgien sowie der Antarktischen Halbinsel[8]. Die im Vergleich zum arktischen Polarkreis ausgesprochen geringe Anzahl antarktischer bzw. subantarktischer Nachweise illustriert jedoch eher, wie unerforscht die Myxomycetenflora dieses Raumes ist. Bis 1983 waren nur fünf Funde bekannt[8], auch danach gab es nur einzelne weitere Funde[7]. Die beiden einzigen gründlichen Untersuchungen von Myxomycetenfloren der Region weist jedoch auf im allgemeinen deutlich höhere Artenzahlen hin. So konnten Stichproben subantarktischer Wälder des argentinischen Patagoniens und Feuerland 67 Arten nachweisen[9], eine Erhebung auf der nur 128 km² großen Macquarieinsel bereits 22[10].

Tropen und Subtropen

Als Gründe für die geringere Häufigkeit in tropischen Wäldern werden vor allem konstant hohe Luftfeuchtigkeiten genannt, die zum einen die notwendige Austrocknung der Fruchtkörper verhindern (nachteilig zur Verteilung der Sporen) und zum anderen einen Befall durch Schimmelpilze begünstigen [5]. Als weitere Faktoren gelten die relative Lichtarmut (Beeinträchtigung positiver Phototaxis), Windstille, sehr saure Böden, eine Vielfalt von Fressfeinden und häufige starke Regenfälle, die die Zellen abwaschen oder zerstören können [4].

Habitate

Die Mehrheit aller bekannten Myxogastriaarten lebt terrestrisch in offenen Wäldern. Das wichtigste Mikrohabitat ist hier Totholz, darüber hinaus von Bedeutung ist die Rinde lebender Bäume, verrottendes Pflanzenmaterial des Streuhorizonts, Erdboden und Tierexkremente.[4]

Davon abweichend finden sich Myxogastria aber auch an zahlreichen ungewöhnlichen Orten. Die umfangreiche Gruppe der sogenannten nivicolen Myxogastria wächst unter geschlossenen Schneedecken heran, um bei Exposition (zum Beispiel bei Tauwetter) schnell zu fruktifizieren und ihre Sporen freizugeben.[4] Auch Wüsten (für die Sonora-Wüste allein sind 33 Arten nachgewiesen)[4] oder lebende Blätter von Pflanzen in den Tropen[11] sind Habitate von Myxogastria.[4]

Ungewöhnlich ist die aquatische Lebensweise einiger Arten. Einzelne Vertreter der Gattungen Didymium, Physarum, Perichaena, Fuligo, Comatricha und Licea konnten sowohl als Myxoflagellaten wie als Plasmodien unter Wasser lebend beobachtet werden. Zur Fruktifikation kamen sie allerdings erst, wenn das Wasser zurückging oder sie es verliessen, mit Ausnahme der Art Didymium difforme, für die ein Nachweis untergetauchter Fruktifikation erbracht wurde.[12]

Beziehungen zu anderen Lebewesen

Die Beziehungen der Myxogastria zu anderen Lebewesen sind bisher nur ansatzweise erforscht. Als Fressfeinde sind einige Gliederfüsser bekannt, insbesondere Käfer (so Vertreter der Staphylinidae[13], Leiodidae[14], Rhysodinae[15], Eucinetidae[16], Clambidae[17], Eucnemidae[18], Sphindidae[19], Cerylonidae[20],Latridiidae[21]), aber auch Fliegen, Milben und Springschwänze. Aber auch Nematoden konnten als Fressfeinde beobachtet werden; sie verankern sich mit ihrem Hinterende in den Plasmasträngen von Plasmodien oder leben sogar innerhalb der Stränge [22]. [1]

Als sogenannt assoziiert fanden sich bei Untersuchungen zahlreiche Bakterien meist aus der Familie der Enterobacteriaceae, die den Plasmodien helfen atmosphärischen Stickstoff zu binden oder Enzyme zu produzieren, die den Myxogastria erst die Zersetzung zum Beispiel von Zellulose ermöglichen. In einzelnen Fällen erwarben die Plasmodien durch die Assoziation auch Salz- oder Schwermetalltoleranzen. [23]

Fossilbericht

Fossile Funde, die den Myxogastria zugeordnet werden, sind ausgesprochen selten. Aufgrund ihrer kurzlebigen Natur und der empfindlichen Struktur sowohl der Plasmodien wie der Fruchtkörper kommen Myxogastria für Versteinerungen oder ähnliche Prozesse nicht in Frage, nur ihre Sporen können mineralisieren. Die wenigen bekannten Fossilien der Lebensstadien sind daher sämtlich nur als Einschlüsse aus Bernstein bekannt. [24]

Bis zum Jahr 2010 wurden drei Mal Fruchtkörper beschrieben, zwei Mal Sporen und einmal ein Plasmodium. Zwei ältere Taxa (Charles Eugène Bertrands Myxomycetes mangini und Bretonia hardingheni von 1892) gelten als zweifelhaft und werden in der Regel heutzutage nicht mehr berücksichtigt [25], [26]. [24]

1952 beschrieb Friedrich Walter Domke einen 35 bis 40 Millionen Jahre alten Fund aus baltischem Bernstein der noch heute vorkommenden Art Stemonitis splendens. Bemerkenswert ist der Erhaltungszustand und die Vollständigkeit der Fruchtkörper, die eine annähernd einwandfreie Bestimmung ermöglichen. Aus derselben Periode und ebenfalls anhand baltischen Bernsteins wurde 2003 durch Heinrich Dörfelt und Alexander Schmidt Arcyria sulcata erstbeschrieben, eine Art, die der heutigen Arcyria denudata stark ähnelt. Beide Funde weisen darauf hin, dass sich die Fruchtkörper der Myxogastria in den letzten 35 bis 40 Millionen Jahren nur wenig verändert haben. [24]

Die 2006 wiederum von Dörfelt und Schmidt aus baltischem Bernstein beschriebene Protophysarum balticum hingegen gilt als fragwürdig. Nicht allein, dass sie der Gattungsbeschreibung in vielen Punkten widersprach und durch das Fehlen einer lateinischen Diagnose keine gültige Publikation darstellt. Schnell wurde auch ihr Charakter als Art der Myxogastria in Frage gestellt, da – anders als bei den bisherigen Funden – wichtige Details der Fruchtkörper nicht sichtbar waren oder der Zuordnung widersprachen. Darum wird heute eher davon ausgegangen, dass es sich bei dem Fund um eine Flechte aus dem Umfeld der Gattung Chaenotheca handelt. Der einzige bisher berichtete Fund eines Plasmodiums stammt aus dominikanischem Bernstein und wurde den Physarida zugeordnet. Auch er gilt jedoch als zweifelhaft, vor allem, da die Publikation durch Mängel als unzureichend eingestuft wird. [24]

Als einzig bekannte mineralisierte Fossilien sind 1971 zwei Sporenfunde bekannt geworden, von denen ein nacheiszeitlicher als Trichia favoginea nahestehend eingestuft wurde. Die Anregung zur Aufnahme von Myxogastria-Sporen in Pollen- und Sporenanalysen blieb jedoch ohne Widerhall.[25]

Systematik

Das Taxon Myxogastria wurde 1975 von Lindsay Shepherd Olive erstbeschrieben, die Gruppe ist jedoch schon wesentlich länger bekannt und wurde zuvor als Myxomyceta bezeichnet, ein Name, der bis heute noch vielfach angeführt wird. Die Unterklasse umfasst rund 900 bis 1000 Arten. Eine auf Vollständigkeit angelegte Erhebung im Jahr 2000 ergab 1012 gültig beschriebene Taxa, darunter 866 auf Art-Ebene [27]. Eine andere Arbeit schätzte im Jahr 2007 die Artenzahl auf deutlich mehr als 1000, danach umfasste die Unterklasse Myxogastria als bei weitem größte Gruppe der Schleimpilze weit über 900 Arten. Die kontinuierliche Beschreibung neuer Taxa macht deutlich, dass die Kenntnis um die Gruppe noch immer unvollständig ist. Schätzungen anhand sequenzierter Umweltproben gehen davon aus, dass die Gruppe mit gesamt 1200–1500 Arten deutlich größer ist als bisher bekannt. Von den bekannten 1012 Taxa sind aber nur wenige Arten häufig: 305 sind von einem einzigen Ort oder nur einer einzigen Aufsammlung bekannt, 258 Arten wurden zwischen 2 und 20 Mal an wenigen Orten gesammelt und nur 446 der Arten waren mit über 20 Funden an mehreren Standorten häufig [27]. [28]

Zahlreiche Neubeschreibungen leiden allerdings darunter, dass Myxogastria durch Umwelteinflüsse morphologisch sehr beeinflussbar sind und zugleich nur wenige diagnostische Merkmale mit geringem Formenreichtum besitzen [29]. In Kombination mit der „problematischen Gepflogenheit“[1] von Autoren bereitwillig anhand auch nur weniger zur Verfügung stehender Exemplare ein neues Taxon zu beschreiben, führt dies zu zahlreichen Dubletten (gelegentlich sogar auf Gattungsebene wie im Fall von Squamuloderma nullifila, eigentlich einer Art der Gattung Didymium [29]). [1]

Die folgende Systematik mit fünf Ordnungen orientiert sich an der Systematik von Dykstra und Keller 2000, die dort als „Mycetozoa“ behandelt werden. [30]

Phylogenetische Systematik der Myxogastria [31]
  Myxogastria  

 Echinosteliida


   
  Dunkelsporige Klade  

 Stemonitida


   

 Physarida



  Klarsporige Klade  

 Liceida


   

 Trichiida





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Sie entspricht weitgehend der traditionellen Klassifikation, die seit den Arbeiten von Lister und Lister Anfang des 20. Jahrhunderts üblich war. Molekulargenetische Untersuchungen bestätigen diese Einteilung und festigen sie durch gut belastbare Resultate. Als basalste Gruppe gelten danach die Echinosteliida, die anderen Gruppen lassen sich darüber hinaus in zwei Superkladen fassen, die nach der Sporenfarbe auch morphologisch abgrenzbar sind. Das Schwestertaxon bildet die Unterklasse der Dictyostelia [32]. [31]

Forschungsgeschichte

 
Illustration eines Blutmilchpilzes Lycogala (unten) von Pier Antonio Micheli, 1729

Aufgrund ihrer unscheinbaren Natur sind die Myxogastria erst spät gezielt erforscht worden. Erstmals erwähnt Thomas Panckow 1654 in seinem Herbarium Portatile, oder behendes Kräuter- und Gewächsbuch von einer Illustration begleitet einen Myxogastria, nämlich den Blutmilchpilz, unter dem Namen „Fungus cito crescentes“, versteht ihn also noch als Pilz. 1729 formulierte Pier Antonio Micheli dann erstmals den Gedanken der bis dato bekannten Arten als eine von den Pilzen zu unterscheidende Gruppe von Lebewesen, dem Heinrich Friedrich Link ab 1833 zur Durchsetzung verhalf. Bereits 1829 hatte Elias Magnus Fries das plasmodiale Stadium dokumentiert, Anton de Bary konnte dann 1864 auch das Stadium der Sporenkeimung beobachten. Da er zugleich auch die Bewegung ermöglichende Plasmaströmung in der Zelle beobachten konnte, sah er sie als den Tieren näherstehend und beschrieb sie demzufolge neu als Mycetozoa, wörtlich übersetzt „Pilztiere“, eine Ansicht, die bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts dominierte. [1]

Von 1874 bis 1876 veröffentlichte Jósef Tomasz Rostafinski, ein Schüler De Barys, die erste umfangreiche Monographie zur Gruppe. 1894, 1911 sowie 1925 erschienen schließlich von Arthur und Guilielma Lister drei Monographien, die bis heute als „beispielhafte, grundlegende Arbeiten“ rezipiert werden, das selbe gilt für das 1934 erschienene The Myxomycetes von Thomas H. Macbride und George Willard Martin. Wichtige Arbeiten des späten 20. Jahrhunderts waren die Monographien von George Willard Martin und Constantine John Alexopoulos 1969 sowie Lindsay S. Olive 1975. Insbesondere erstere gilt als bedeutend, da durch sie „die moderne Ära der Taxonomie der Myxogastria begann“ [27]. Zur Kenntnis neuer Taxa und ihrer Systematik trugen insbesondere Persoon, Rostafinski, Lister, Macbride sowie Martin und Alexopoulos bei, ihre Arbeiten erhöhten die jeweiligen Artenzahlen maßgeblich [27]. [1]

Neben den die Gruppe weltweit behandelnden Monographien sind darüber hinaus auch einige Großraumfloren von Bedeutung, insbesondere, da die Gruppe wegen ihrer disjunkten Verbreitung wesentlich weniger regional wirksame Beschränkungen aufweist. Wichtige Großraumfloren sind z.B. Robert Hagelsteins The Mycetozoa of North America (1944) und Marie Farrs Band für die Flora Neotropica 1973, neuere Werke dieser Art sind Bruce Ings The Myxomycetes of Britain and Ireland, Lado und Pandos Band für die Flora Mycologica Iberica von 1997 und Yamamotos The Myxomycete Biota of Japan von 1998. Ungewöhnlich ist die Entstehung des dreibändigen Werkes Die Myxomyceten Deutschlands und des angrenzenden Alpenraumes unter besonderer Berücksichtigung Österreichs, das von 1993 bis 2000 durch Hermann Neubert, Wolfgang Nowotny und Karlheinz Baumann verfasst und im Eigenverlag veröffentlicht wurde. Obwohl die Autoren formal Amateure waren, erfuhr ihr Werk sehr positive Kritiken auch durch Wissenschaftler und ist heute ein vielzitiertes Standardwerk.

Verwendung

Für den Menschen sind die Myxogastria weitgehend ohne wirtschaftliche oder kulturelle Bedeutung. Physarum polycephalum dient in der Biologie als häufiger Modellorganismus zur Untersuchung von Zellmotilität, Zellwachstum und Zelldifferenzierung. Vorteilhaft für die Handhabung sind die leichte Kultivierbarkeit und die Größe der Zelle.[33]

Plasmodien der Gelben Lohblüte (Fuligo septica) und Aethalien von Enteridium lycoperdon werden in der Gegend von Veracruz in Mexiko von Menschen gegessen. Dort sind sie gegrillt unter der Bezeichnung „caca de luna“, zu deutsch „Kacke des Mondes“, als Delikatesse bekannt.[34]

Nachweise

  1. a b c d e f g h i j k l Wolfgang Nowotny: Myxomyceten (Schleimpilze) und Mycetozoa (Pilztiere) - Lebensformen zwischen Tier und Pflanze In: Wolfgang Nowotny (Hrsg.): Wolfsblut und Lohblüte. Lebensformen zwischen Tier und Pflanze = Myxomycetes (= Stapfia. Band 73). Linz 2000, ISBN 3-85474-056-5, S. 7–37 (deutsch, englisch, französisch, spanisch).
  2. a b c d e f Sina M. Adl, Alastair G. B. Simpson, Mark A. Farmer, Robert A. Andersen, O. Roger Anderson, John A. Barta, Samuel S. Bowser, Guy Brugerolle, Robert A. Fensome, Suzanne Fredericq, Timothy Y. James, Sergei Karpov, Paul Kugrens, John Krug, Christopher E. Lane, Louise A. Lewis, Jean Lodge, Denis H. Lynn, David G. Mann, Richard M. McCourt, Leonel Mendoza, Øjvind Moestrup, Sharon E. Mozley-Standridge, Thomas A. Nerad, Carol A. Shearer, Alexey V. Smirnov, Frederick W. Spiegel, Max F. J. R. Taylor: The New Higher Level Classification of Eukaryotes with Emphasis on the Taxonomy of Protists. The Journal of Eukaryotic Microbiology 52 (5), 2005; S. 399-451 (Abstract und Volltext)
  3. a b c d Henry Stempen, Steven L. Stevenson: Myxomycetes. A Handbook of Slime Molds. Timber Press, 1994, ISBN 0-88192-439-3, S. 15–18.
  4. a b c d e f Henry Stempen, Steven L. Stevenson: Myxomycetes. A Handbook of Slime Molds. Timber Press, 1994, ISBN 0-88192-439-3, S. 49–58.
  5. a b Steven L. Stephenson, Martin Schnittler, Carlos Lado:Ecological characterization of a tropical myxomycete assemblage—Maquipucuna Cloud Forest Reserve, Ecuador In: Mycologia, Bd. 96, S. 488-497, 2004
  6. Steven L. Stephenson, Yuri K. Novozhilov, Martin Schnittler:Distribution and Ecology of Myxomycetes in High-Latitude Regions of the Northern Hemisphere In: Journal of Biogeography, 27:3, 2000, S. 741-754
  7. a b J. Putzke, A. B. Pereira, M. T. L. Putzke: New Record of Myxomycetes to the Antarctica. In: V Simposio Argentino y I Latinoamericano de Investigaciones Antarticas, 2004, Buenos Aires - Argentina, Actas del V Simposio Argentino y I Latinoamericano de Investigaciones Antarticas, Bd. 1, S. 1-4, 2004, PDF online
  8. a b B. Ing, R. I. L. Smith: Further myxomycete records from South Georgia and the Antarctic peninsula. In: British Antarctic Survey Bulletin 59, S. 80-81, 1983
  9. Diana W. de Basanta, Carlos Lado, Arturo Estrada-Torres, Steven L. Stephenson:Biodiversity of myxomycetes in subantarctic forests of Patagonia and Tierra del Fuego, Argentina In: Nova Hedwigia, 90:1-2, S. 45-79
  10. S.L. Stephenson, G.A. Laursen, R.D. Seppelt:Myxomycetes of subantarctic Macquarie Island. In: Australian Journal of Botany 55, S. 439–449
  11. Uno H. Eliasson: Myxomyceten auf lebenden Blättern im tropischen Regenwald Ecuadors; eine Untersuchung basierend auf dem Herbarmaterial höherer Pflanzen In: Wolfgang Nowotny (Hrsg.): Wolfsblut und Lohblüte. Lebensformen zwischen Tier und Pflanze = Myxomycetes (= Stapfia. Band 73). Linz 2000, ISBN 3-85474-056-5, S. 81 (deutsch, englisch, französisch, spanisch).
  12. Lora A. Lindley, Steven L. Stephenson, Frederick W. Spiegel:Protostelids and myxomycetes isolated from aquatic habitats In: Mycologia, Bd. 99, S. 504-509, 2007
  13. Rolf G. Beutel, Richard A. B. Leschen (Hrsg.): Coleoptera, Beetles (= Handbuch der Zoologie. Band 4: Arthropoda: Insecta). 1. Auflage. Volume 1: Morphology and Systematics (Archostemata, Adephaga, Myxophaga, Polyphaga partim). de Gruyter, 2005, ISBN 3-11-017130-9, ISSN 1861-4388, S. 304 (englisch).
  14. Rolf G. Beutel, Richard A. B. Leschen (Hrsg.): Coleoptera, Beetles (= Handbuch der Zoologie. Band 4: Arthropoda: Insecta). 1. Auflage. Volume 1: Morphology and Systematics (Archostemata, Adephaga, Myxophaga, Polyphaga partim). de Gruyter, 2005, ISBN 3-11-017130-9, ISSN 1861-4388, S. 269 (englisch).
  15. Rolf G. Beutel, Richard A. B. Leschen (Hrsg.): Coleoptera, Beetles (= Handbuch der Zoologie. Band 4: Arthropoda: Insecta). 1. Auflage. Volume 1: Morphology and Systematics (Archostemata, Adephaga, Myxophaga, Polyphaga partim). de Gruyter, 2005, ISBN 3-11-017130-9, ISSN 1861-4388, S. 147 (englisch).
  16. Rolf G. Beutel, Richard A. B. Leschen (Hrsg.): Coleoptera, Beetles (= Handbuch der Zoologie. Band 4: Arthropoda: Insecta). 1. Auflage. Volume 1: Morphology and Systematics (Archostemata, Adephaga, Myxophaga, Polyphaga partim). de Gruyter, 2005, ISBN 3-11-017130-9, ISSN 1861-4388, S. 433 (englisch).
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  22. Courtney M. Kilgore, Harold W. Keller:Interactions Between Myxomycete Plasmodia and Nematodes, In: Inoculum 59:1, S. 1-3, 2008
  23. Indira Kalyanasundaram:A Positive Ecological Role for Tropical Myxomycetes in Association with Bacteria In: Systematics and Geography of Plants, 74:2, S. 239-242, 2004
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  26. B.M. Waggoner, G.O. Poinar: A Fossil Myxomycete Plasmodium from Eocene-Oligocene Amber of the Dominican Republic. In: Journal of Eukaryotic Microbiology, 39, S. 639–642, 1992
  27. a b c d M. Schnittler & D. W. Mitchell: Species Diversity in Myxomycetes Based on the Morphological Species Concept - a Critical Examination In: Wolfgang Nowotny (Hrsg.): Wolfsblut und Lohblüte. Lebensformen zwischen Tier und Pflanze = Myxomycetes (= Stapfia. Band 73). Linz 2000, ISBN 3-85474-056-5, S. 39–53 (deutsch, englisch, französisch, spanisch).
  28. Sina M. Adl, Brian S. Leander, Alastair G. B. Simpson, John M. Archibald, O. Roger Anderson, David Bass, Samuel S. Bowser, Guy Brugerolle, Mark A. Farmer, Sergey Karpov, Martin Kolisko, Christopher E. Lane, Deborah J. Lodge, David G. Mann, Ralf Meisterfeld, Leonel Mendoza, Øjvind Moestrup, Sharon E. Mozley-Standridge, Alexey V. Smirnov, Frederick Spiegel: Diversity, Nomenclature, and Taxonomy of Protists. Systematic Biology, Band 56, 2007, S. 684-689.
  29. a b Jim Clark: The species problem in the myxomycetes In: Wolfgang Nowotny (Hrsg.): Wolfsblut und Lohblüte. Lebensformen zwischen Tier und Pflanze = Myxomycetes (= Stapfia. Band 73). Linz 2000, ISBN 3-85474-056-5, S. 39–53 (deutsch, englisch, französisch, spanisch).
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  31. a b A.-M. Fiore-Donno, C. Berney, J. Pawlowski, S.L. Baldauf: Higher-Order Phylogeny of Plasmodial Slime Molds (Myxogastria) Based on Elongation Factor 1-A and Small Subunit rRNA Gene Sequences. In: Journal of Eukaryotic Microbiology, 52, S. 201–210, 2005
  32. Anna Maria Fiore-Donno, Sergey I. Nikolaev, Michaela Nelson, Jan Pawlowski, Thomas Cavalier-Smith, Sandra L. Baldauf: Deep Phylogeny and Evolution of Slime Moulds (Mycetozoa) In: Protist, 161:1, S. 55-70, 2010
  33. Henry Stempen, Steven L. Stevenson: Myxomycetes. A Handbook of Slime Molds. Timber Press, 1994, ISBN 0-88192-439-3, S. 19–21.
  34. Henry Stempen, Steven L. Stevenson: Myxomycetes. A Handbook of Slime Molds. Timber Press, 1994, ISBN 0-88192-439-3, S. 67–68.