Schweres akutes Atemwegssyndrom

Infektionskrankheit
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Das Schwere Akute Atemwegssyndrom (Severe Acute Respiratory Syndrome, SARS) ist eine Infektionskrankheit, die erstmals im November 2002 in der chinesischen Provinz Guangdong beobachtet wurde. Sie sollte nicht mit der Vogelgrippe verwechselt werden.
Laut dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg entspricht das klinische Bild einer atypischen Lungenentzündung (Pneumonie). Der Erreger von SARS war ein bis zum Ausbruch der Epidemie unbekanntes Coronavirus das man mittlerweile als SARS-assoziiertes Coronavirus (SARS-CoV) bezeichnet. Dieses Virus wird offensichtlich per Tröpfcheninfektion und Kontaktinfektion bzw. Schmierinfektion übertragen.

Erreger

Bakterielle Erreger wie Chlamydien, Mykoplasmen oder Legionellen, welche normalerweise die atypische Lungenentzündung verursachen, wurden bei dieser neuen Form nicht gefunden. Da die Erkrankten auf eine Behandlung mit Antibiotika nicht ansprechen, lag die Vermutung nahe, dass der Erreger ein Virus ist.

Zunächst wurden Paramyxoviren als Ursache von SARS vermutet. Um den 26. März 2003 erhärtet sich jedoch der Verdacht, dass der Erreger zu den Coronaviren gehört. Es wird vermutet, dass ein bekanntes Coronavirus entweder mutiert ist oder dass eine Virusart, die bisher nur Tiere befallen hat, auf den Menschen "übergesprungen" ist. Die derzeitigen Untersuchungen konzentrieren sich daher auf das neu entdeckte Coronavirus und als weitere Faktoren auf Chlamydien und Paramyxoviren. Bisher sei nichts gefunden worden, "was gegen die ursächliche Rolle des Coronavirus spricht", heißt es aus Fachkreisen. Allerdings finden sich auch Patienten ohne Kontakt zur SARS-Epidemie, die positiv auf das Coronavirus getestet worden sind. Kanadischen Forschern gelang es kürzlich, das Genom des Coronavirus zu entschlüsseln, was Hoffnungen auf die baldige Entwicklung eines Impfstoffes weckt.

Einige Experten glauben, das Virus hinter der asiatischen Lungenkrankheit könnte von seltenen wilden Tieren als Hauptwirt (Reservoirwirt) (z.B. den Larvenrollern aus der Familie der Schleichkatzen) stammen, die in Südchina gerne als Delikatesse verzehrt werden. Letzteres wird durch Berichte in der chinesischen Tageszeitung «Lianhe Wanbao» unterstützt, wonach die Krankheit vom Koch eines Spezialitätenrestaurants für wilde Tiere in Shenzhen in Südchina ausgegangen sein könnte. Auch Virologen eines WHO-Teams halten diese Theorie für plausibel. Für die mechanische Übertragung der Viren sind Kakerlaken als Vektor, Transportwirt festgestellt worden.

Im September 2005 ergab eine Studie an verschiedenen wildlebenden Tieren im Honkonger Großraum, dass das SARS-Coronavirus auch von Fledermäusen übertragen wird. Bei den Tieren handelt es sich um Hufeisennasen (Rhinopholus sinicus). In vierzig Prozent der Abstriche wurden Coronaviren gefunden, die genetisch große Ähnlichkeit mit den beim Menschen und bei Larvenrollern identifizierten Sars-Erreger besitzen. Die Fledermäuse zeigten keine Krankheitsanzeichen. Es ist noch nicht klar, ob Fledermäuse oder Schleichkatzen der ursprüngliche Reservoirwirt des Virus sind. Die chinesischen Fledermäuse könnten auch ein direkter Übertragungsvektor auf den Menschen sein, da sie ebenso wie Schleichkatzen als Delikatesse gelten und ihr Kot in der traditionellen chinesischen Medizin verwendet wird.

Übertragung

Die Erregerübertragung erfolgt wohl überwiegend durch Tröpfcheninfektion nur aus kurzer Distanz (< 1m) und damit bei engem Kontakt mit hustenden und niesenden Infizierten. Der Weg über Kontaktinfektion bzw. Schmierinfektion mit den Viren der auf Gegenständen oder Körperoberflächen niedergegangenen infektiösen Expirationströpfchen, wenn sie anschließend über die Schleimhäute z.B. in Mund, Nase oder Augen in den Körper gelangen, ist bislang nicht eindeutig nachgewiesen, kann aber andererseits nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden [1]. Eine Übertragung über Körperausscheidungen (fäko-oralen Weg] kann ebenfalls nicht ausgeschlossen werden.

Vorkommen

Liste der WHO vom 7. August 2003
Rest ist noch in Behandlung

Land Fälle Tote Genesene
Australien 6 0 6
Brasilien 1 0 1
China * 5327 349 4949
Hong Kong * 1755 296 1448
Macao * 1 0 1
Taiwan 665 180 475
Deutschland 9 0 9
Finnland 1 0 1
Frankreich 7 1 6
Großbritannien 4 0 4
Indien 3 0 3
Indonesien 2 0 2
Irland 1 0 1
Italien 9 0 9
Kanada 251 41 200
Kolumbien 1 0 1
Südkorea 3 0 3
Kuwait 1 0 1
Malaysia 5 2 3
Mongolei 9 0 9
Neuseeland 1 0 1
Philippinen 14 2 12
Rumänien 1 0 1
Russische Föderation 1 0 0
Schweden 3 0 3
Schweiz 1 0 1
Singapur 238 33 205
Spanien 1 0 1
Südafrika 1 1 0
Thailand 9 2 7
USA 33 0 26
Vietnam 63 5 58
Summe 8422 916 7442
(*) China, Macao und Hong Kong

werden von der WHO separat aufgelistet.

Die Lungenkrankheit geht nach Angaben der WHO mit Sicherheit von der chinesischen Provinz Guangdong aus. Im Februar 2003 breitete sich die Erkrankung dann auf Vietnam und Hong Kong aus; in Vietnam wurde das erste Auftreten der Krankheit in Hanoi am 26. Februar 2003 beobachtet.

Bis Mitte März 2003 wurden der WHO 150 weitere Krankheitsfälle, meistens aus den asiatischen Ländern der Volksrepublik China, Vietnam, Hong Kong, Indonesien, Singapur, Thailand und den Philippinen, gemeldet. Inzwischen sind aber auch über 200 Fälle in Kanada aufgetreten. Auch in Japan wurden bei Personen, die in die betroffenen asiatischen Regionen gereist waren, die ersten SARS-Verdachtsfälle registriert. Am 12. April wurde gemeldet, dass sogar in der chinesischen Inneren Mongolei erstmals 2 Menschen an SARS gestorben seien. Zudem hätten sich in der abgelegenen Region weitere 8 Menschen mit dem Virus infiziert. Inzwischen wird offiziell bestätigt, dass es dort weitere Betroffene gibt. In Großbritannien und Deutschland wurden bis zum 14. April je 6 Fälle einer SARS-Infektion gemeldet. Erstmals wurde auch innerhalb Europas ein Mensch mit SARS angesteckt, ohne dass er nach Südostasien gereist war. Der betroffene britische Geschäftsmann wurde auf der Intensivstation eines Londoner Krankenhauses behandelt.

Das Lungenvirus hat bislang nach Angaben der WHO 916 Menschen getötet, davon 290 in Hong Kong und 343 in den 5 chinesischen Provinzen. 81 SARS-Tote gab es in Taiwan, 32 in Kanada, 31 in Singapur, 5 in Vietnam. Rund 8.400 Personen sind mittlerweile in 32 verschiedenen Ländern weltweit infiziert, vor allem in asiatischen Ländern. Dabei unterscheidet die WHO zwischen Ländern, in denen lokale Infektionsketten bestehen, d.h. Neuansteckungen auftraten, und Ländern, in denen die Erkrankung nur bei Reisenden auftrat, die sich in den Ländern der ersten Kategorie infiziert haben. Länder mit lokalen Infektionsketten sind die Volksrepublik China, Hong Kong, Singapur, Kanada, Vietnam, Taiwan, die USA und Großbritannien. Der Schwerpunkt der Erkrankung liegt dabei eindeutig in China und Hong Kong, wo mehr als 80 % der Fälle auftraten.

In Hongkong sterben immer mehr jüngere Menschen an SARS. In China wird die Zahl der Erkrankten mit rund 5.300 angegeben. Peking ist am schwersten betroffen. Das Zentrum der Epidemie ist Guangdong. In Hongkong, wo es offenbar die verlässlichsten Daten gibt, sind rund 1.750 Personen infiziert. Besonders verbreitet ist das Virus hier unter Klinikmitarbeitern. Vor einigen Wochen starb erstmals ein Ausländer in China am akuten Atemnotsyndrom. Es handelt sich dabei um einen 53jährigen Finnen, der für die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) in Peking eine Konferenz vorbereitet hatte. Am 20. April 2003 wurden der chinesische Gesundheitsminister Zhang Wenkang und der Bürgermeister von Peking Meng Xuenong wegen steigender Kritik in ihrem Umgang mit der Gefahr durch SARS ihrer Ämter enthoben. Kurz davor legte China deutlich höhere Zahlen von Infektionen vor.

Am 29. März 2003 starb der italienische Arzt Carlo Urbani, der als Erster auf die Lungenkrankheit aufmerksam gemacht hatte, selbst in Thailand an dem Virus.

Im Sommer 2003 ging die Zahl der Erkrankten beständig und schließlich vollständig zurück. Im Dezember 2003 gab es jedoch eine Neuerkrankung bei einem Militärarzt in Taiwan, der mit dem Virus experimentierte.

Symptome

Die Inkubationszeit beträgt 2 bis 7 Tage. Symptome sind laut Weltgesundheitsorganisation (WHO):

Behandlung

Spezielle Behandlungsmaßnahmen gibt es bisher keine. Ärzte verabreichen zunächst das Anti-Viren-Medikament Ribavirin sowie Steroide. Danach erhalten die Betroffenen meist einen Cocktail aus verschiedenen Antibiotika, um die begleitende Entzündung der Atemwege durch Bakterien abheilen zu lassen. Die zusätzliche bakterielle Infektion macht nämlich die Lungenentzündung erst so gefährlich. Der genetische Code des mutmaßlichen SARS-Erregers ist zwar in Kanada entschlüsselt worden, jedoch ist die Entwicklung eines wirksamen Medikaments noch nicht in Sicht. Mit Hilfe der Gen-Daten könnten zwar neue Diagnoseverfahren entwickelt werden, aber bis Arzneimittel oder Impfstoffe zur Verfügung stünden, können noch Wochen oder Monate vergehen.

Vorbeugung

Am 15. März 2003 wurde von der WHO eine Reisewarnung ausgesprochen, was als sehr drastische Maßnahme angesehen werden kann. Reisende, die nach dem Besuch betroffener Regionen Symptome bemerken, sollen sofort medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Bis vor kurzem nahm man an, dass nur etwa 4 bis 5 Prozent aller Infizierten an der Virusinfektion sterben. Doch diese Ansicht musste nach Angaben der Fachzeitschrift Lancet vom 7. Mai revidiert werden: Die Todesrate ist wesentlich höher als bisher vermutet. In jedem fünften Fall führt die Infektion zum Tode. Die erste umfangreiche wissenschaftliche Studie über die Ausbreitung der Seuche, basierend auf exakten Daten aus Hong Kong, ergab, dass SARS bei Menschen, die jünger als 60 Jahre sind, in sieben bis 13 Prozent der Fälle tödlich verläuft, bei Menschen über 60 sogar in 43 bis 55 Prozent der Fälle. Besonders ältere Menschen müssen sich also vorsehen. Reisende, die in Südostasien unterwegs sind, sollten Vorsichtsmaßnahmen beachten und etwa Menschenansammlungen meiden und in Verkehrsmitteln einen Mundschutz tragen.

Die ursprüngliche Annahme, dass das Virus an der Luft nicht sehr resistent sei, musste ebenfalls revidiert werden. Es überlebt nach neueren Erkenntnissen bis zu 24 Stunden außerhalb des menschlichen Körpers. Eine Übertragung über Klimaanlagen hält man dennoch für nicht sehr wahrscheinlich. Die wichtigste Infektionsquelle ist vermutlich die Tröpfcheninfektion über die Atemluft. Das heißt, Personen können sich z.B. über den Husten von Infizierten in einem Umkreis von rund ein bis zwei Metern anstecken. Daneben kann das Virus auch indirekt per Kontaktinfektion bzw. Schmierinfektion übertragen werden, vor allem über Gegenstände oder Flächen, die infizierte Menschen oder infizierte Tiere (z.B. Kakerlaken als Vektoren) zuvor berührt haben. Auch die WHO schließt die Übertragung durch Tiere nicht aus. Bedenkt man ferner, dass das Virus offenbar erst in größeren Mengen und ab einem bestimmten Entwicklungsstadium der Krankheit ansteckend ist, dürfte es angesichts der getroffenen Sicherheitsmaßnahmen zu einer Ausbreitung von SARS in Deutschland nicht kommen. Allerdings gibt es auch anderslautende Hinweise, dass das Virus doch stärker über die Umwelt verbreitet werden könnte, als man bisher dachte.

Das US-amerikanische Forscherteam um Hilary Koprowski veränderte Anfang 2005 Tomaten- und Tabakpflanzen genetisch so, dass die Pflanzen einen Teil des so genannten Spike-Proteins des SARS-Virus produzieren. Dieses so erhaltene Protein, das sich normalerweise in der Außenhülle des Virus befindet und dem Erreger hilft, in die menschlichen Zellen einzudringen, wurde nun als ein Impfstoff gegen das Virus bei Mäusen erfolgreich getestet. Weitere Studien hinsichtlich der besseren Verabreichung des Impfstoffes sind jedoch noch notwendig. [2]

Sorgen und Warnungen

Sorgen bereiten die Aussagen des Hongkonger Mikrobiologen Yuen Kwok Yung. Der Forscher hält es für möglich, dass das SARS-Virus zu einer Biowaffe entwickelt werden kann. Auf einer Konferenz von 2.000 Wissenschaftlern zur Bekämpfung der Seuche in der taiwanischen Hauptstadt Taipeh sagte Yuen am 21. April 2003: "Das Virus aus der Familie der Corona-Viren schädigt nicht nur die Atemwege, sondern auch Rückgrat, Milz und Nervensystem." Weil es ständig mutiere und gefährlicher werde, ähnele es den Milzbrandsporen."

Literatur

  • Christian Drosten: SARS. Weltreise eines neuen Virus. Biologie in unserer Zeit 33(4), S. 212 - 213 (2003), ISSN 0045-205X
  • I. Stock: Coronaviren: Erreger von SARS und anderen Infektionen. Medizinische Monatsschrift für Pharmazeuten 27/1), S. 4 - 12 (2004), ISSN 0342-9601
  • S. Hecker: SARS und Vogelgrippe - Die Wissenslücken. Österreichische Ärztezeitung 4/2004, S. 30 - 31 (2004), ISSN 0029-8786