I Ging

klassischer chinesischer Text
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Das I Ging (Vorlage:Zh-vtpw, auch: I Jing, Yi Ching, Yi King), das "Buch der Wandlungen" oder genauer "Klassiker der Wandlungen" ist der älteste der klassischen chinesischen Texte.

Es beschreibt die Kosmologie und Philosophie des alten China. Grundideen sind eine Ausgewogenheit der Gegenteile und ein Akzeptieren der Veränderung. In den westlichen Kulturen wird es vor allem als Weisheits- und Weissagungsbuch verstanden.

Das Buch ist auch als Zhou Yi (周易 zhōu yí) oder Chou I bekannt, was soviel wie "Wandlungen von Zhou" bedeutet. Hieraus kann man schließen, dass die Tradition einen Ursprung in der Zhou-Dynastie sah.

Das I Ging sagt nicht eine fest determinierte Zukunft voraus; es zeigt dem Fragenden, bildhaft verschlüsselt, die Gegenwart und auch die Richtung, in die sie tendiert: eben den Wandel, der das Grundprinzip des Universums darstellt und als Ausdruck des Lebens selbst zu betrachten ist. Wer das I Ging mit einer persönlichen Frage befragt, erhält ein Hexagramm, das den momentanen Zustand anzeigt. Dieses Hexagramm zeigt die Ursache. Es hat womöglich bewegte (alte/volle) Linien, die besonders gekennzeichnet und die dann besonders interessant sind, da sie die Wirkung anzeigen. In dem Fall ist dann auch die Wandlung (Zukunft/Richtung) relevant. Diese ersieht man im gewandelten Hexagramm.

Zitate über das I Ging

"Das I-Ging ist das älteste philosophische Buch der Menschheit, Es entstand dadurch, dass ein uraltes Orakelbuch ethisch erläutert wurde, Aus primitiven Strichzeichen machte man seelische Bewegungen: es galt, die Keime des Geschehens zu erfassen, Kennt man die Keime, ist alles Weitere beeinflussbar. Man baute eine ganze Psychologie hinein in diese Zeilen mit dem ursprünglich einfachen Gegensatze von fest und weich." (Rudolf von Delius: Das ewige China)


"Es gibt Bücher, die man nicht lesen kann, Bücher des Heiligen und der Weisheit, in deren Begleitung und Atmosphäre man jahrelang leben kann, ohne sie je so zu lesen wie man andere Bücher liest. Teile der Bibel gehören zu diesen Büchern, und das Tao-te-king. Aus diesen Büchern genügt ein Satz, um sich für lange zu füllen, für lange zu beschäftigen, für lange zu durchdringen. Diese Bücher hat man leicht erreichbar liegen, oder trägt sie in der Tasche mit, wenn man in den Wald geht, und liest niemals halbe oder ganze Stunden darin, sondern nimmt nur jedesmal einen Spruch, eine Zeile heraus, um darüber zu meditieren, um neben all dem Kram des Tages, auch dem der übrigen Lektüre, immer wieder den Maßstab des Großen und Heiligen aufzurichten." (Hermann Hesse: Mein Umgang mit dem I Ging)

Aufbau

Der Symbolismus des I Ging wird durch 64 verschiedene Linienzusammenstellungen, Hexagramme (卦 guà) genannt, dargestellt. Ein Hexagramm besteht aus sechs waagerechten Linien (爻 yáo); jede Linie ist entweder ungebrochen (hart, durchgehend) oder gebrochen (weich, in der Mitte unterbrochen). Aus diesen sechs Linien lassen sich 26, d. h. 64 Hexagrammkombinationen bilden.


Teile der Hexagramme

Historisch ist das I Ging viel älter als die Yin-Yang-Lehre, folgende Zuordnungen sind jedoch mit der Zeit üblich geworden:

Die durchgezogene Line steht für das yáng: Ausdehnung, maskuliner Aspekt, Licht, Leben, ungerade Zahlen, Durchdringung, Berge; in Indien der Lingam. Symbol ist der Drache.

Die unterbrochene Line steht für das yīn: Zusammenziehung, femininer Aspekt, Dunkelheit, Nacht, Tod, gerade Zahlen, Widerstand, Wasserläufe; in Indien Yoni. Symbol ist der Tiger.

Man findet beide auch im Symbol tàijítú ☯ dargestellt (traditionell: 太極圖, im Westen auch Yin-Yang-Symbol (vereinfacht: 阴阳, traditionell: 陰陽) genannt); dahinter verbirgt sich ein zyklisches Weltbild mit einem komplementären Kräfteverhältnis.

Um die Darstellung der Hexagramme zu vereinfachen, werden im Folgenden durchgezogene Linien als '|' und unterbrochene als ':' dargestellt. Normalerweise werden sie von unten nach oben dargestellt; hier sind sie von links nach rechts angeordnet. Durch eine Drehung der hier gewählten Darstellung um 90 Grad gegen den Uhrzeigersinn erreicht man die übliche Darstellung.

Die 4 Xia

Aus zwei Linien lassen sich 4 verschiedene "Bilder" (Xia) zusammensetzen:

  •  || altes Yang
  • :| junges Yang
  • :: altes Yin
  •  |: junges Yin

Die 8 Gua

Durch Hinzufügen jeweils eines Yang oder Yin entstehen aus den vier Xia Acht Trigramme (Gua).

Diese geben allerdings nur ein statisches Bild. Erst die Erweiterung zu den 64 Hexagrammen erlaubt es, ein dynamisches Geschehen darzustellen, da hier die Trigramme in Wechselwirkung zueinander stehen.

 
Die Acht Trigramme

Die Hexagramme werden also jeweils aus zwei Trigrammen (卦 guà) zusammengesetzt aufgefasst. Die acht Trigramme (八卦 bā guà) sind:

  1.  ||| Kraft (☰ 乾 qián) = Himmel (天)
  2. ::: Feld (☷ 坤 kūn) = Erde (地)
  3.  |:: Erschütterung (☳ 震 zhèn) = Donner (雷)
  4. :|: Schlucht (☵ 坎 kăn) = Wasser (水)
  5. ::| Bund (☶ 艮 gèn) = Berg (山)
  6. :|| Boden (☴ 巽 xùn) = Wind (風)
  7.  |:| Strahlung (☲ 離 ) = Feuer (火)
  8.  ||: Offen (☱ 兌 duí) = Sumpf (澤)

Das erste oder untere Trigramm wird als der innere Aspekt der ablaufenden Veränderung angesehen; das zweite oder obere Trigramm heißt der äußere Aspekt. Der beschriebene Wechsel verbindet somit den inneren Aspekt (Person) mit der äußeren Situation. Gelesen werden die Hexagramme von unten nach oben, wobei jeweils die sog. Ränge 1-4, 2-5, 3-6 der beiden Trigramme in Verbindung gesehen werden müssen.

Die 64 Hexagramme

Der Text des I Ging beschreibt jedes der vierundsechzig Hexagramme (64 Gua). Später wurden Kommentare und Interpretationen angefügt. All diese zusammengenommen bilden das I Ging.

Nr. Zeichen Bedeutung Schriftzeichen Pinyin
01. IIIIII Das Schöpferische qián
02. :::::: Das Empfangende kun1
03. I:::I: Die Anfangsschwierigkeit chún
04. :I:::I Die Jugendtorheit méng
05. Das Warten xu1
06 Der Streit sòng
07 Das Heer shi1
08 Das Zusammenhalten bi3
09 Des Kleinen Zähmungskraft 小畜 xiao3 chù
10 Das Auftreten lu3
11 Der Friede taì
12 Die Stockung pi3
13 Gemeinschaft mit Menschen 同人 tóngrén
14 Der Besitz von Großem 大有 dà you3
15 Die Bescheidenheit qian1
16 Die Begeisterung
17 Die Nachfolge suí
18 Die Arbeit am Verdorbenen gu3
19 Die Annäherung lín
20 Die Betrachtung guan1
21 Das Durchbeißen 噬嗑 shìkè
22 Die Anmut
23 Die Zersplitterung bo1
24 Die Wndezeit
25 Unschuld 無妄 wúwàng4
26 Des Großen Zähmungskraft 大畜 dàchù
27 Die Ernährung
28 Des Großen Übergewicht 大過 dàguò
29 Das Abgründige kan3
30 Das Feuer
31 Die Einwirkung xián
32 Die Dauer héng
33 Der Rückzug dùn
34 Des Großen Macht 大壯 da4 zhuang4
35 Der Fortschritt jin4
36 Die Verfinsterung des Lichts 明夷 ming2 yi2
37 Die Sippe 家人 jia1 ren2
38 Der Gegensatz kui2
39 Das Hemmnis jian3
40 Die Befreiung xie4
41 Die Minderung sun3
42 Die Mehrung yi4
43 Der Durchbruch guai4
44 Das Entgegenkommen gou4
45 Die Sammlung cui4
46 Das Empordringen sheng1
47 Die Bedrängnis kun4
48 Der Brunnen jing3
49 Die Umwälzung ge2
50 Der Tiegel ding3
51 Das Erregende zhen4
52 Das Stillehalten gen4
53 Die Entwicklung jian4
54 Das heiratende Mädchen 歸妹 gui1 mei4
55 Die Fülle feng1
56 Der Wanderer lu3
57 Das Sanfte xun4
58 Das Heitere dui4
59 Die Auflösung huan4
60 Die Beschränkung jie2
61 Innere Wahrheit 中孚 zhong1 fu2
62 Des Kleinen Übergewicht 小過 xiao3 guo4
63 Nach der Vollendung 既濟 ji4 ji4
64 Vor der Vollendung 未濟 wei4 ji4

Die Hexagramme stellen Merkregeln der in ihnen enthaltenen Konzepte dar, die auf einer Philosophie der Ausgewogenheit der Gegenteile und Akzeptieren der Veränderung basieren.

Philosophie

Taoistische Vorstellungen sind zentral zum I Ging, und der dialektische Dualismus des Taoismus wird durch die beiden Teile der Hexagramme ausgezeichnet dargestellt.

Eine alternative Sichtweise versteht das I Ging als ein rein konfuzianisches Werk. Diese Auffassung wird folgendermaßen begründet:

  • Die Anfänge werden Konfuzius zugeschrieben.
  • Im alten China war das I Ging ein vorgeschriebener Studientext, und nur konfuzianische Texte waren verbindlich.
  • Es ist eines der konfuzianistischen Klassiker.
  • Es ist in keiner der alten Manuskripte des Tao Te King enthalten.
  • Die wichtigsten Kommentare wurden von Konfuzianern geschrieben.

Geschichte

Es wird angenommen, dass das Prinzip der I Ging auf einen der ersten legendären Herrscher, Fu Xi (伏羲 Fu2 Xi1, nicht historisch 2852 v. Chr.-2738 v. Chr.) zurückgehe; dieser habe die Trigramme entdeckt. Vor der Zhou Dynastie gab es andere Literatur zum Thema 'Wechsel', z. B. Lian Shan Yi (『連山易』 Lian2 Shan1 Yi4) und Gui Cang Yi (『歸藏易』 Gui1 Cang2 Yi4), deren Philosophie die Zhou Dynastie prägte. Ein Verfeinerungsprozess habe dann das I Ging in der Han Dynastie (ca. 200 v. Chr., etwa zur Zeit Han Wu Dis (漢武帝 Han4 Wu3 Di4) produziert.

Erhalten sind viele Orakelknochen aus dem zweiten vorchristlichen Jahrtausend, auf welchen in Form von "Frage, Antwort und realen Ausgang der Frage" Befragungen dokumentiert sind. Der "Text" des I Ging war damals jedoch offensichtlich noch nicht vorhanden, sondern das Orakel scheint aufgrund der Intuition des Fragenden und wahrscheinlich auch überlieferten Regeln bestimmt geworden zu sein. Es kann also von einer ursprünglich mündlichen Tradierung des Textes augegangen werden.

Der "Text" des I Ging ist dann vermutlich erst im sechsten oder siebenten vorchristlichen Jahrhunderts entstanden, die früheste heute noch existierende Abschrift datiert aus ungefähr 200 v.Chr und stimmt mit dem heutigen Text erstaunlich stark überein.

Das Verdienst, das I Ging "in den Westen gebracht" zu haben, kommt vor allem dem deutschen Sinologen Richard Wilhelm zu, dessen immens einflußreiche Übersetzung, die er mit Hilfe eines chinesischen Meisters dieser Kunst 1924 vollendete, bis heute unerreicht ist.

Weissagungen

Das I Ging wurde und wird auch als Orakel befragt. Allerdings ist dies nur eine der 7 traditionellen taoistischen Interpretationen des I Ging (andere wären zum Beispiel philosophische, magische...). Zu diesem Zweck wird jeweils eines der 64 Hexagramme ausgewählt, und der mit dem Hexagramm assoziierte Text gelesen und interpretiert, insgesamt bilden 8 Hexagramme eine komplette Vorhersage.

Das Auswählen des Hexagrammes erfolgte ursprünglich unter Verwendung von 50 getrockneten Stängeln der Schafgarbe, heute werden dazu dünne Stäbchen aus Holz, Metall oder Elfenbein verwendet. Vereinfacht ausgedrückt werden nach einer rituellen Reinigung des Raumes die 50 Stäbchen in die linke Hand genommen und eines weggelegt, danach werden die 49 verbliebenen in 4 beliebige Bündel geteilt, ein Vorgang der bei jedem der 8 Hexagramme wiederholt werden muss-so man eine komplette Vorhersage möchte. Diese Methode erfordert offensichtlich Erfahrung und Können im Umgang mit dieser Orakeltechnik und setzt intensive Beschäftigung voraus. Später entwickelte sich deshalb eine Methode um einfachere Fragestellungen zu beantworten in Form eines Münzorakels.

Diese Art des Orakels wurde in China wahrscheinlich seit der Epoche der streitenden Reiche (403–221 v. Cr.) angewandt. Der Legende nach wurde das Münzorakel des I Ging durch den taoistischen Eremiten und Philosophen Gui Guo Zi entwickelt. Die Münzmethode fand in der chinesischen Gesellschaft bald eine weite Verbreitung. Die Anzahl der jeweils verwendeten Münzen war jedoch unterschiedlich. In Verbindung mit dem I Ging setzte sich schließlich die Methode der 3 Münzen weitestgehend durch. Die Befragung des Orakels sollte unmittelbar nach oder während der Meditation erfolgen.

Der Vorderseite einer Münze ist die Zahl 3 zugeordnet, der Rückseite die Zahl 2. Für jeden Münzwurf gibt es 8 mögliche Kombinationen mit den Summen 6,7,8 und 9. Die 6 und 8 entsprechen einem Yin (gebrochene Linie). Die 7 und 9 entsprechen Yang (ungebrochene Linie. Die Linien wiederum ergeben, von unten nach oben, ein Hexagramm, welches im I Ging erläutert wird. 6 und 9 sind starke Zeichen und kehren sich darum um. Sie werden als "wandelnde Linien" besonders gekennzeichnet und einzeln interpretiert.

Daher gibt es mit allen denkbaren Möglichkeiten wandelnder Linien eine Wahrscheinlichkeit, genau dieselbe Weissagung zu erlangen, von 4096 zu eins.

Literatur

I Ging, in der Übersetzung von Richard Wilhelm, ISBN 3-424-00061-2
Chu-San D. Bölter: Yi Jing, Das Buch der Wandlung, ISBN 3896200925
Hermann G. Bohn: Die Reyeption des Zhouyi in der chinesischen Philosophie, ISBN 3-89675-282-0 Nehme von den 50 Stengeln einen weg und lege ihn ab. Dieses nimmt an weiteren Operationen zur Befragung nicht mehr teil. Verbliebene 49 Stengel teile in zwei Haufen. Den linken Haufen nehme in die linke Hand, aus dem rechten Haufen nehme 1 Stengel und stecke ihn zwischen den kleinen und den Ringfinger der linken Hand. Den rechten Haufen lege in Reichweite ab. Von den Stengeln in der linken Hand nimm jeweils 4 Stengel weg, bis zum Schluss 1, 2, 3 oder 4 Stengel übrig bleiben, den zwischen dem kleinen und Ringfinger nicht mitgerechnet. Diesen Rest klemmst Du zwischen den Mittel- und Ringfinger der linken Hand. Darauf nimmst Du den zunächst abgelegten rechten Haufen in die linke Hand und wiederholst den Vorgang, bis wiederum ein Rest von 1, 2, 3 oder 4 Stengeln übrig bleibt. Nun wirst Du 5 oder 9 Stengel in der Hand halten. Diese lege zur Seite, und mit den verbliebenen Stengeln wiederholst Du den Vorgang: Teilen, einen aus dem rechten Haufen zwischen kleinen und Ringfinger stecken, je 4 abnehmen usw. Bei folgenden 2 Wiederholungen wirst Du zum Schluss 4 oder 8 Stengel in der linken Hand übrig haben. Diesen Rest legst Du zu den ersten 5 oder 9 ausgezählten dazu. Nach 3 Auszählungen wirst Du 13, 17, 21 oder 25 Stengel haben, die als Reste übrig geblieben sind. Damit hast Du den Wert der 1., untersten Linie Deines Hexagramms ermittelt. Um alle Linien des Hexagrams zu erhalten, musst Du den Vorgang noch 5 x wiederholen. 13 ist ein sich wandelndes Jang, 17 ist Jin, 21 ist Jang, 25 ist ein sich wandelndes Jin.

Siehe auch

  1. Buch der Wandlungen
  2. Buch der Lieder
  3. Buch der Urkunden
  4. Buch der Riten
  5. Frühlings- und Herbstannalen