Als Biedermeier wird die Zeitspanne von ca. 1815-1850 bezeichnet. Mit ihr verbunden ist der politische Begriff der Restauration, der sich auf die staatspolitische Entwicklung nach dem Ende der Napoleonischen Zeit und des Wiener Kongresses 1815 bis zu den Revolutionsjahren 1848/49 bezieht.

Der Ausdruck Biedermeier bezieht sich zum einen auf die subtile Wohnkultur und Kunst des Bürgertums, zum anderen auf die Literatur der Zeit, die beide häufig zu Unrecht als »hausbacken« und »konservativ« galten. Als typisch galt die Flucht ins Idyll und die Begrenzung. Schon der Dichter Jean Paul hatte eine vom »Vollglück in der Beschränkung«, Goethes Sekretär Johann Peter Eckermann »eine reine Wirklichkeit im Lichte milder Verklärung« zu erkennen geglaubt.
Überblick
Der Begriff Biedermeier(zeit) selbst entstand erst nach 1848/49 und leitet sich von dem Pseudonym Gottlieb Biedermaier her, das sich wiederum aus den zwei Gedichten, >Biedermanns Abendgemütlichkeit< und >Bummelmeiers Klage<, die Joseph Victor von Scheffel in den Fliegenden Blättern in München 1848 veröffentlichte, zusammensetzt. Unter dem Namen Gottlieb Biedermaier brachten ab 1855 der Landarzt Adolf Kussmaul und der Jurist Ludwig Eichrodt abwechselnd Verse des Landschullehrers Samuel Friedrich Sauter und eigene Produkte in den Fliegenden Blättern in München heraus. In diesen Veröffentlichungen wurde die Geisteshaltung der später so genannten Zeitspanne jedoch bereits parodistisch entfremdet dargestellt: Der Mensch des Biedermeier wird als entpolitisierter, von naiv-obrigkeitstreuen Bestrebungen und Harmoniesüchteleien getriebener Kleinbürger karikiert. Diese und ähnliche Konnotationen haften dem Ausdruck »Biedermeier« bis heute an - so wie bsplw. Franz Grillparzers »Der Traum ein Leben« heute kaum ohne ironischen Seitenblick gelesen werden kann.
- »Eines nur ist Glück hienieden,
- Eins: des Innern stiller Frieden
- Und die schuldbefreite Brust!
- Und die Größe ist gefährlich,
- Und der Ruhm ein leeres Spiel,
- Was er gibt, sind nicht'ge Schatten,
- Was er nimmt, es ist so viel!«
Daran treffend ist sicherlich die Feststellung, dass etliche Autoren des Biedermeier von einer konservativen bis reaktionären Grundhaltung bestimmt waren und sich in einer zunehmend von der Industrialisierung und der hiermit einhergehenden Urbanisierung zu einem einfachen, harmonischen Leben zurücksehnten. In diesem Sinne ist die Literatur der Biedermeierzeit also eben nicht idyllisierend und dem Zeitgeschehen abgewandt, wie es sich in mancher Hinsicht in der Romantik feststellen lässt, sondern geradezu ein Reflex auf die gesellschaftliche Gegenwart, auf eine Entfremdung und Sinnentleerung, der in der Rückbesinnung auf elementares Erleben und Schaffen entgangen werden sollte.
Die Natur war den Dichtern des Biedermeiers nicht mehr Projektionsfläche sehnsüchtigen Welt- und Ichschmerzes, sondern Gut und Schöpfung. Aufkommende Forschungsreisen dienten der Würdigung aller einzelnen Elemente dieser Natur, von denen viele auch gern gesammelt, katalogisiert und zuhause dann ausgestellt wurden. Und auch wenn gerade diese Wertschätzung dann auf den christlichen Gott als Schöpfer hinwies, so verschloss die Religiösität nicht, sondern förderte geradezu die zaghaften empirischen Interessen. Die Kritik an der wahrgenommenen Entfremdung schaffte aber auch einen Elitarismus, der sich gegen Leichtigkeit und Zügellosigkeit abgrenzte.
Im Häuslichen fanden sich nun Lese- und Liederabende, wie überhaupt das Lied eine hohe Bedeutung hatte. Die Lieder Wilhelm Müllers standen in großem Ansehen und die Versdichtung gelangten erst zu einem solchen, wenn die Singbarkeit gegeben war. Im Persönlichen wurde aber gern auf zu viel Schmuck und Ornament verzichtet und die Schlichtheit gelobt. Erst hier, im Bereich des Zwischenmenschlichen, zeigten sich dann auch die konservativen Züge in aller Deutlichkeit.
Hier wirkte die Vorstellung von einem einfachen und sittlichen Leben in der hohen Gewichtung alter christlicher Tugendbegriffe – Treue, Redlichkeit, Elternliebe usw. –, wirkte sodann in die Rollenvorstellungen vom ver- und vorsorgenden und die Normen der Familie prägenden Vater und der der häuslichen, gefühligen und die Familie beisammen haltenden Mutter (was bis Talcott Parsons wirkt).
Stifter formuliert dies als »Sanftes Gesetz«:
- [...] So wie es in der äußeren Natur ist, so ist es auch in der inneren, in der des menschlichen Geschlechtes. Ein ganzes Leben voll Gerechtigkeit, Einfachheit, Bezwingung seiner selbst, Verstandesgemäßheit, Wirksamkeit in seinem Kreise, Bewunderung des Schönen verbunden mit einem heiteren gelassenen Sterben halte ich für groß: mächtige Bewegungen des Gemütes, furchtbar einherrollenden Zorn, die Begier nach Rache, den entzündeten Geist, der nach Tätigkeit strebt, umreißt, ändert, zerstört und in der Erregung oft das eigene Leben hinwirft, halte ich nicht für größer, sondern für kleiner, da diese Dinge so gut nur Hervorbringungen einzelner und einseitiger Kräfte sind, wie Stürme, Feuer speiende Berge, Erdbeben. Wir wollen das sanfte Gesetz zu erblicken suchen, wodurch das menschliche Geschlecht geleitet wird. [...] Es ist [...] das Gesetz der Gerechtigkeit, das Gesetz der Sitte, das Gesetz, das will, dass jeder geachtet, geehrt und ungefährdet neben dem andern bestehe, dass er seine höhere menschliche Laufbahn gehen könne, sich Liebe und Bewunderung seiner Mitmenschen erwerbe, dass er als Kleinod gehütet werde, wie jeder Mensch ein Kleinod für alle andern Menschen ist. Dieses Gesetz liegt überall, wo Menschen neben Menschen wohnen.« (Vorrede zu Bunte Steine, 1853)
Im Positiven wird die Biedermeierzeit so verkürzend oft mit Geborgenheit, Ruhe und Gemütlichkeit assoziiert. Die noch weniger zur Kenntnis genommene negative Seite dieses Bildes vom Familienidyll, erst in einer restriktiven Erziehung denjenigen Menschen schaffen zu müssen, der sich hierin einfügt, verdeutlicht die Lektüre des in seiner latenter Gewaltdrohung zum Exempel der Schwarzen Pädagogik gewordenen Struwwelpeters jener Zeit. Die Literaten des Biedermeier waren, im Gegensatz zur Romantik, deren Schriftsteller sich noch vorwiegend aus dem Adel rekrutierten, Bürger, die als solche oft nicht einmal auf besonders wohlhabende Verhältnisse zurückblicken können.
Den Abschluss der Zeit sieht man im Allgemeinen in Stifters Werk. Sein erster Roman Nachsommer (der von ihm selber »Erzählung« genannt wurde) erschien zwar erst 1857, galt aber dennoch als vorzüglichstes Werk der Biedermeierzeit. Stifter wirkte sowohl auf Rosegger und Ganghofer, auf Heyse, Freytag und Wildenbruch, wie auch direkt in den folgenden Bürgerlichen Realismus hinein, auf Storm und Fontane und über diese auf Thomas Mann und Hesse.
Stifters Werk, das immer wieder für Kontroversen sorgte, zeigt aber auch selbst schon über den Biedermeier hinausreichende Elemente – so findet sich bspw. in der Novelle Brigitta neben Sophokleisch-Fatalistischem auch frauenrechtlich Emanzipatorisches.
Weitere dem Biedermeier mehr oder weniger zuzurechnende Autoren sind Annette von Droste-Hülshoff, Franz Grillparzer, Wilhelm Hauff, Karl Leberecht Immermann, Nikolaus Lenau, Eduard Mörike, Wilhelm Müller (der "Griechen-Müller"), Johann Nepomuk Nestroy, Ferdinand Raimund, Friedrich Rückert und Leopold Schefer. Zudem die Komponisten Ludwig Berger, Christian Heinrich Rinck, (abermals) Leopold Schefer und Franz Schubert; sowie die bildenden Künstler Ludwig Richter, Carl Spitzweg, Joseph Kriehuber und Ferdinand Georg Waldmüller u.a.