Angelus Novus

Gemälde von Paul Klee
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Angelus Novus ist eine von Paul Klee 1920 geschaffene Zeichnung aus Tusche und Ölkreide auf braun aquarelliertem Papier. Das Blatt hat die Maße 31,8 × 24,2 Zentimeter und befindet sich seit 1989 im Israel-Museum in Jerusalem.[1] Es ist insbesondere durch Walter Benjamin bekannt geworden, der mehrere seiner Schriften auf das Bild bezog.

Angelus Novus, 1920, Israel-Museum, Jerusalem

Bildbeschreibung

Angelus Novus gilt als eines der frühen Bilder in der von Paul Klee geschaffenen Motivgruppe von Engeln, die etwa fünfzig zwischen 1915 und 1940 entstandene Werke umfasst. Nach Klees eigenen Worten handelt es sich um Geschöpfe, die sich erst im „Vorzimmer der Engelschaft“ befinden. Ihre Ausführung wird beschrieben als stenogrammartige Zeichenschrift mit der Wirkung einer sprudelnden, unbekümmerten Heiterkeit, in der der Witz über das Leid gesiegt hat.[2] Auffällig an der gezeichneten Gestalt sind der übergroße Kopf, die emporgestreckten Arme, die nur leicht ein Paar Flügel andeuten, und die rudimentären Beine mit an Vogelfüße erinnernden drei Zehen. Ausgestaltet sind Augen, Nase, der geöffnete Mund mit sichtbaren Zähnen, Ohren und der Hals. Die Haare sind durch parallele Strichführung geordnet und wirken zugleich „vom Sturm zerzaust“.[3] Der Blick der Figur geht aus dem Bildraum heraus und am Betrachter vorbei.

Das Bild ist unten rechts signiert und datiert. Der Titel Angelus Novus wurde von Walter Benjamin al Neuer Engel übersetzt. Im Kontext von Paul Klees Motivgruppe kann er aber auch als Junger Engel verstanden werden, ein Engel, der erst noch werden muss.[4]

Provenienz

Das Bild war im Mai / Juni 1920 in der Paul Klee Werkschau der Galerie Hans Goltz in München ausgestellt. Walter Benjamin erwarb es im Mai oder Anfang Juni 1921 für 1000 Reichsmark. Im September 1933 nahm er es mit in sein Exil nach Paris. Als er nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht fliehen musste, ließ er es in einem Gepäckstück zurück, das Georges Bataille in der Bibliothèque Nationale verstecken konnte. Nach dem Krieg gelangte das Bild mit weiteren Unterlagen Benjamins nach New York zu Theodor W. Adorno, der es zunächst nach Frankfurt brachte und dann an Gershom Scholem weitergab. In einem Testament von 1932 hatte Benjamin die Zeichnung seinem Freund vermacht. Der Angelus Novus' hing bis zu Scholems Tod in dessen Wohnung in Rehavia, Jerusalem, dann wurde es als ein Geschenk von Fania und Gershom Scholem, John Herring, Marlene und Paul Herring, Jo Carole und Ronald Lauder an das Israel-Museum gegeben.[5]

Rezeption

„Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“

Walter Benjamin: Über den Begriff der Geschichte (1940), These IX[6]

Das Ensemble Sortisatio spielte 2003 die sich auf das Gemälde beziehende Komposition N-gl von John Wolf Brennan auf die CD 8 Pieces on Paul Klee ein. Die US-amerikanische Künstlerin und Musikerin Laurie Anderson behandelt den Angelus Novus in ihrem Song The Dream Before auf dem Album Strange Angels von 1989. Die Geschichte ist dabei angesiedelt in Berlin, wohl in Reverenz an Walter Benjamins Geburtsort. Außerdem bezieht sich Wim Wenders Spielfilm Der Himmel über Berlin von 1987 auf selbigen und Klees Bild.

Einzelnachweise

  1. The Israel Museum, Jerusalem
  2. Lothar Lang (Hrsg.): Paul Klee. Die Zwitschermaschine und andere Grotesken, Eulenspiegel Verlag, Berlin DDR, 1982, S. 206
  3. Ingrid Riedel: Engel der Wandlung: Die Engelbilder Paul Klees, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau, 2000, ISBN 978-3-451-05452-5, S. 36.
  4. Ingrid Riedel: Engel der Wandlung: Die Engelbilder Paul Klees, S. 35.
  5. Kobi Ben-Meir: Dialectics of Redemption. Anselm Kiefer’s The Angel of History: Poppy and Memory, S. 8, abgerufen am 8. Dezember 2011
  6. Text auf der Homepage von Walter Blumentritt