Der Reim ist im weiteren Sinne eine Verbindung von Wörtern mit ähnlichem Klang. Im engeren Sinne ist der Reim der Gleichklang eines betonten Vokals und der ihm folgenden Laute bei verschiedenem Anlaut. Beispiel: lauf – sauf; laufen – saufen; laufender – saufender.
Der Ursprung des Wortes liegt im germanischen (altfränkischen) rim, wo es Reihe oder Zahl bedeutet, das Wort ist über das französische rime in die übrigen europäischen Sprachen gelangt, die englische Schreibung rhyme beruht auf einer gelehrten, aber unzutreffenden Herleitung aus dem griechischen rhythmos.
Das Wort bezeichnete bis ins 17. Jahrhundert den ganzen gereimten Vers, Martin Opitz legte die heutige Bedeutung fest; aber die ursprüngliche Bedeutung wird noch sichtbar in Kinderreim und Kehrreim.
Das Kunstmittel des Reims wird seit dem Ende der Antike in der christlichen Dichtung des lateinischen Mittelalter verwendet, vielleicht in bewusster Abgrenzung von der heidnischen Antike und der stabreimenden heidnischen Dichtung der Germanen. Das alte Testament kennt den Reim ebenso wenig wie die Dichter der griechischen und römischen Antike, die den Gleichklang der Laute als unschön ablehnten. Das Mittelalter hindurch ist die geistliche und weltliche lateinische Dichtung entweder akzentuierend und reimend, oder sie ist reimlos und quantifizierend d. h. sie verwendet die antiken Metren, vor allem den Hexameter. Eine Ausnahme bildet der leoninische Vers.
Die erste in Reimen verfasste deutsche (althochdeutsche) Dichtung ist das Evangelienbuch Otfrids von Weißenburg (um 870). Seit dem 12. Jahrhundert tritt der Reim den Siegeszug in der Dichtung aller europäischen Volkssprachen an, und er behält seine Dominanz, bis diese sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark abschwächt. Versuche deutscher Dichter im 18. Jahrhundert, den Reim durch den Blankvers und antike Metren zu ersetzen (Klopstock, Voss, Goethe, Schiller, Hölderlin), bleiben - wenn auch eine sehr bedeutsame – Episode.
Die Funktion des Reims ist vielfältig. Er schmeichelt unserm Ohr und wirkt nach dem ästhetischen Prinzip der Einheit in der Vielfalt vor allem überzeugend, wenn die Reimwörter als solche originell sind, zu unterschiedlichen Wortarten gehören und in ihrer Bedeutung und ihren Konnotationen weit auseinander liegen. Als Echo des Gedankens, wie man gesagt hat, haben reimende Wörter oft für die Sinngebung der Dichtung ein besonderes Gewicht. Gereimtes bleibt zudem besser im Gedächtnis haften, daher haben Sprichwörter, Wetterregeln, Merkverse, Werbesprüche und dergleichen oft die Form des Reims.
Die wichtigste Funktion des Reims im Gedicht ist, stärker als das Metrum die Struktur des Gedichts beziehungsweise der einzelnen Strophe „ohrenfällig“ zu machen, indem der Reim das Ende der Zeile markiert und die einzelnen Zeilen zueinander in Beziehung setzt. Diese Funktion ist besonders wichtig in französischen Gedichten, in denen die Verszeile nur durch die Silbenzahl (im Alexandriner zwölf oder dreizehn Silben) bestimmt wird.
Reimformen
Paarreim
- aa bb cc
Beispiel:
(a) Ich geh' im Urwald für mich hin...
(a) Wie schön, dass ich im Urwald bin:
(b) man kann hier noch so lange wandern,
(b) ein Urbaum steht neben dem andern.
(c) Und an den Bäumen, Blatt für Blatt,
(c) hängt Urlaub. Schön, dass man ihn hat!
(Quelle: Heinz Erhardt: Noch 'n Gedicht und andere Ungereimtheiten 1. Aufl. - Hameln: Niemeyer, 1991)
Kreuzreim
- abab cdcd
Beispiel:
(a) Wir schreiten auf und ab im reichen Flitter
(b) Des Buchenganges beinah bis zum Tore
(a) Und sehen außen in dem Feld vom Gitter
(b) Den Mandelbaum zum zweitenmal im Flore.
(c) Wir suchen nach den schattenfreien Bänken.
(d) Dort wo uns niemals fremde Stimmen scheuchten
(c) In Träumen unsre Arme sich verschränken.
(d) Wir laben uns am langen milden Leuchten.
Umarmender Reim
- abba
Beispiel:
(a) ich esse
(b) ich liebe dich
(b) ich liebe mich
(a) ich messe
Haufenreim
- aaaa
Beispiel:
(a) Hallo du
(a) Ich bin ne Kuh
(a) mit großem Schuh
(a) und mache muh!
Schweifreim
- aa b cc b
Beispiel:
(a) Ja, ich weiß, woher ich stamme,
(a) Ungesättigt gleich der Flamme
(b) Glühe und verzehr' ich mich.
(c) Licht wird alles, was ich fasse,
(c) Kohle alles, was ich lasse,
(b) Flamme bin ich sicherlich.
(Friedrich Nietzsche: "Ecce Homo")
Kettenreim
- aba bcb cdc d
Beispiel:
(a) Wir sind so gut
(b) Wir sind so fein
(a) Wir haben Glut
(b) Wir haben Wein
(c) Wir lieben Bäume
(b) Und auch den Rhein
(c) Und wenn ich träume
(d) So nur von Dir
(c) Ich überschäume
(d) Das lob ich mir
Binnenreim
- Der Binnenreim ist ein Reim innerhalb einer Verszeile. Oft sind Binnenreime mit anderen Reimen gekoppelt, so dass ein dreifacher Reim entsteht.
Beispiel:
Er lief und schlief
und lachte sich schief.
Schlagreim
- Der Schlagreim reimt sich in zwei unmittelbar aufeinander folgenden Wörtern.
Beispiel:
Wir vier lagerten am See,
heyderney, es spross der Klee
.
Die englischen Operettenschreiber Gilbert und Sullivan verwendeten neben Wortspielen auch gerne Binnenreime in ihren Liedtexten. Der folgende Ausschnitt aus einer Parodie darauf von Tom Lehrer zeigt, mit welcher humoristischen Wirkung der Binnenreim genutzt werden kann ("for a rousing finale, full of words and music and signifying - nothing."):
- That I missed her depressed her young sister named Esther,
- This mister to pester she tried.
- Now her pestering sister's a festering blister,
- You're best to resist her, say I.
- The mister resisted, the sister persisted,
- I kissed her, all loyalty slipped.
- When she said I could have her, her sister's cadaver
- Must surely have turned in its crypt...
- (Tom Lehrer, Clementine)
Reimtypen
Stabreim oder Alliteration
- Gleiche Anlaute der betonten Stammsilben, meist Konsonanten, dienen zur Betonung wichtiger Worte im Versfluss. Bei Vokalen bilden alle Vokale untereinander Alliterationen. Bei Konsonanten wird gegebenenfalls auch der Konsonant der Stammsilbe für die Alliteration betrachtet. Im Neuhochdeutschen ist die Verwendung von Alliterationen selten geworden, hielt sich aber in Redewendungen: ... mit Mann und Maus, heute und hier usw.
Es alliterieren allerdings nur betonte Silben, also beispielsweise nicht "Vernunft und Verstand".
Es alliterieren in einer Reihe von Sprachen, wie zum Beispiel in Althochdeutsch und in vielen hochdeutschen Dialekten unterschiedliche Vokale, wie "e" und "a" in "ein und alles", da sie in der Aussprache mit einem Konsonanten beginnen (Knacklaut).
Endreim
- Gleicher betonter Vokal und gleiche darauf folgende Konsonanten und Vokale im Wortauslaut (gleicher Reim im linguistischen Sinne der betonten Silbe plus gleiche darauf folgende unbetonte Silben). - Dabei ist die Aussprache (nicht die Schreibung) maßgebend. "Sache" reimt sich auf "lache", aber "Sprache" reimt sich nicht (sauber) auf "lache", da die Vokallänge unterschiedlich ist. "Neige" reimt sich in einigen Gegenden auf "reiche". Homophone (Wörter mit gleicher Aussprache, d.h. auch mit gleichen Anfangslauten) werden im Deutschen nicht als Reime betrachtet.
Männlicher oder stumpfer Reim
- Endreim, besteht aus einer betonten Silbe. Beispiel: Stand / Wand.
weiblicher oder klingender Reim
- Endreim, besteht aus einer betonten und unbetonten Silbe. Beispiel: machte / lachte
dreisilbiger oder gleitender Reim
Beim dreisilbigen Reim ist der Reim und die Betonung auf der ersten Silbe und die Betonung gleitet über die folgenden Silben. Beispiel: gleitende / reitende. Im Gegensatz zum reichen Reim erscheint der gleitende Reim als reiner Reim.
oder auch ""gesungen/den Flegel geschwungen""
reiner Reim
- Endreim, männlich, weiblich, oder mehrsilbig. Für die Reinheit des Reims ist die gesprochene Sprache maßgeblich. Beispiele: Er geht / und fleht. Er richtet/und dichtet.
unreiner Reim
- Endreim, männlich, weiblich, oder mehrsilbig, beim unreinen Reim stimmen aber Vokale oder Konsonanten (in der gesprochenen Form) nicht überein. Beispiel: Sprache, Lache. Auch Homonyme bzw. Homophone, bei denen alle Laute einschließlich des Anlauts übereinstimmen, werden im Deutschen als unreine Reime betrachtet. Ein unreiner Reim liegt auch vor, wenn sich eine betonte und eine unbetonte Silbe reimen. Beispiel: "Ich warte / und seh"
- Lediglich die Vokale stimmen überein. Beispiel: Dach/Fahrt
Doppel- und Mehrfachreim
- Zwei oder mehr Reimwörter reimen sich jeweils. Beispiel mit drei Reimen: Ich gehe in den Wald hinein und werde da wohl bald drin sein.
- Bei zwei Reimwörtern, die sich paarweise reimen, werden jeweils untereinander die Anfangslaute der betonten Silben ausgetauscht. Beispiel: Bleich erglühen/gleich erblühen. (Oft wird das ganze Gedicht als Schüttelreim bezeichnet.)
Reicher Reim
- Beim reichen Reim, der besonders in französischer Dichtung vorkommt, reimt sich bereits die Silbe vor der letzten betonten Silbe. Beispiel: "maison / saison". Ein deutscher Reim mit dieser Eigenschaft erscheint oft als "unreiner" Reim. Beispiel: Ich gehe an die Tankstelle, wo ich mich auf die Bank stelle. (falls hier die Hauptbetonung auf der vorletzten und nicht der drittletzten Silbe liegt).
spezielle Reimformen
- Ein Limerick ist ein scherzhaftes Gedicht in der Form aabba.
- Ein Klapphornvers ist ein Vierzeiler, meist in der Form aabb, aber auch abab.
Beispiele für die Anwendung von Reimen
In der Werbung
- Willst du viel, spül mit Pril
Siehe auch
Weblinks
- http://www.2rhyme.ch/ Reimgenerator
- http://www.netschool.de/deu/schulw/oberst/gloss_r.htm
- http://www.weinreichpeter.de/wissen/germanistik/mediaevistik/mittelalterlichedichtung.htm
- http://www.brgzell.salzburg.at/faecher/deutsch/Lyrikweb.htm
- http://www.einzelhandelspoesie.de (Beispiele für Reime in der Werbung)
- Reim und Versmaß oder freier Vers?