Umweltpolitik
Unter Umweltpolitik versteht man die Gesamtheit politischer Bestrebungen, die die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen bezwecken.
Entwicklung als eigenständiger Politikbereich
Die Herausbildung der Umweltpolitik als ein eigenständiger Politikbereich war eng verknüpft mit der Entstehung eines weit verbreiteten "Umweltbewußtseins" in den 1970er Jahren, das seinerseits eine Reaktion auf die sich drastisch verschärfenden Umweltprobleme war. Motor dafür waren soziale Bewegungen wie die Umweltbewegung und die Anti-Atomkraft-Bewegung.
Problematik eines Querschnittbereiches
Die Umweltpolitik teilt mit anderen Politiken wie z.B. der Frauenpolitik die Problematik, ein Querschnittsbereich zu sein, der thematische Überschneidungen mit vielen anderen Politikfeldern aufweist. Für die Umweltpolitik sind das vor allem die Wirtschaftspolitik einschließlich der Landwirtschaftspolitik, die Verkehrspolitik, die Städtebau- und Siedlungspolitik. Diese Bezüge verlangen von den Akteuren der Umweltpolitik ein hohes Maß an Interdisziplinarität, Kommunikations-, Überzeugungs- und Durchsetzungsvermögen wie auch Kompromißbereitschaft.
Problematik eines Langfristbereiches
Die Umweltpolitik teilt mit anderen Politiken wie z.B. der Rentenpolitik die Problematik, ein Langfristbereich zu sein. Damit ist gemeint, daß einmal getroffene - oder auch versäumte - Entscheidungen sich langfristig auswirken und die Auswirkungen häufig erst mit großer Zeitverzögerung deutlich werden. Die Akteure staatlicher Politik in Demokratien denken jedoch in den sehr viel kürzeren Wahlperioden und werden auch nach deren Rhythmus ausgetauscht. Ähnliches gilt auch für die Akteure der Wirtschaft, die längerfristige Entwicklungen häufig vernachlässigen, weil sie sich an Jahresumsatzzahlen und rasch wechselnden Börsenkursen orientieren. Dies begünstigt die Konzentration auf kurzfristige Politikmuster, die auf rasch wirksame Maßnahmen hin orientiert sind und benachteiligt tendenziell Themen, bei denen die Auswirkungen politischer Entscheidung über viele Jahre oder Jahrzehnte in die Zukunft berücksichtigt werden müssen. Teilbereiche wie die Klimaschutzpolitik lassen sich zudem kaum anders als im globalen Maßstab angehen.
Prinzipien der Umweltpolitik
Wie in anderen Politikbereichen auch besteht in der Umweltpolitik kein allgemeines Einverständnis über oberste Prinzipien. Dennoch lassen sich einige wenige Grundsätze als sehr weitgehend akzeptiert hervorheben:
- Umweltpolitik soll möglichst vorbeugenden Charakter haben; die Reparatur bereits eingetretener Umweltschäden ist - soweit überhaupt möglich - nur ein sekundäres Ziel.
- Umweltpolitik sollte dem Prinzip der Nachhaltigkeit folgen.
- Umweltpolitik sollte dem Verursacherprinzip folgen, d.h. die Kosten für die Vermeidung und - soweit möglich - Beseitigung von Umweltschäden sollen den Verursachern angelastet werden.
- Umweltpolitik sollte auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse beruhen. Sie ist deswegen ein besonders beratungsintensiver Politikbereich.
Institutionelle Verankerung
In Deutschland erhielt die Umweltpolitik erst in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre einen institutionellen Rahmen durch die Einrichtung eines eigenen Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, die in Reaktion auf den Reaktorunfall in Tschernobyl erfolgte. Die deutschen Länder haben überwiegend eigenständige Umweltministerien die in Form einer ständigen Konferenz (Umweltministerkonferenz) zusammenarbeiten.
In Österreich wurde 1986 ein eigenständiges Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft eingerichtet.
In der Schweiz besteht seit 1997 das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation.
Die Europäische Gemeinschaft begann schon 1971 in Gestalt einer "Mitteilung der Kommission über eine gemeinschaftliche Umweltpolitik", Ansätze einer Umweltpolitik herauszubilden, aus denen jedoch wegen der personellen und institutionellen Schwäche des Umweltschutzes innerhalb der Organe der Europäischen Gemeinschaft zunächst kaum konkrete Initiativen entstanden. Erst 1987 erhielt die europäische Umweltpolitik durch die Einheitliche Europäische Akte eine kompetenzielle Verankerung in den Zielsetzungen der EG, die durch die Verträge von Vertrag von Maastricht und Vertrag von Amsterdam ausgebaut wurde, und eine institutionelle Stütze in Form der Generaldirektion Umwelt.
Rechtliche Grundlagen
Das deutsche Grundgesetz (Art. 20a) und die schweizerische Bundesverfassung (Art. 73 und 74) enthalten Vorschriften, die den Bund auf eine Politik zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verpflichten. In Österreich fehlt eine entsprechende Verfassungsbestimmung bisher. Zu den Zielen der Europäischen Gemeinschaft gehört "ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität" (Art. 2 EGV).
Maßnahmen
Maßnahmen der Umweltpolitik bestehen zu einem hohen Anteil in der Setzung von Umweltrecht, erschöpfen sich jedoch nicht darin. Das Wissen über Zusammenhänge in den Ökosystemen ist sehr begrenzt, so daß viele Umweltbeeinträchtigungen erst spät identifiziert werden; die Entwicklung umweltschonender Technologien wird von den wirtschaftlichen Akteuren nur in manchen Bereichen aktiv vorangebetrieben. Deswegen ist eine gezielte Forschungsförderung eine weitere wichtige Aufgabe der Umweltpolitik. Schließlich gehört zu den umweltpolitischen Aufgaben auch die Information und Aufklärung der Bevölkerung über Umweltprobleme und Möglichkeiten für jeden einzelnen, sie zu vermeiden oder ihre Verschärfung zu verhüten.
Nichtstaatliche Akteure der Umweltpolitik
Im Abschnitt "Entwicklung als eigenständiger Politikbereich" wurde bereits auf die Rolle von Umweltverbänden hingewiesen. Ihre Funktion hat sich jedoch nicht in der Rolle eines Initiators erschöpft. Nach wie vor sind es vor allem Umweltverbände, die Defizite im Umweltschutz identifizieren und anprangern und dadurch umweltpolitische Themen auf die Tagesordnung der politischen Akteure zu bringen. Ihre problemorientierte Herangehensweise führt dazu, daß sie nicht innerhalb der ressortmäßigen Grenzen der staatlichen Politik denken und handeln und damit immer wieder unkonventionelle und innovative Vorschläge erarbeiten. Sie sind deswegen ein unverzichtbarer Teil des umweltpolitischen Gesamtgeschehens.
Weblinks
Staatliche und überstaatliche Institutionen der Umweltpolitik
- Deutsches Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
- Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit des Deutschen Bundestages
- Konferenz der deutschen Länder-Umweltminister
- Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
- Österreichisches Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
- Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission
Umweltpolitische Verbände (Auswahl)
Wissenschaftliche Beratungsgremien der Umweltpolitik