Binnen-I
Ein Binnen-I (auch Majuskel-I) ist ein groß geschriebenes i im Inneren eines Wortes (Binnenmajuskel). Es dient dazu, bei Bezeichnungen von Personengruppen explizit sowohl weibliche wie männliche Gruppenangehörige einzubeziehen, ohne beide Genera ausschreiben oder das generische Maskulinum verwenden zu müssen. Beispiel: „LehrerInnen“ statt „Lehrerinnen und Lehrer“.

Das Binnen-I entspricht nicht den amtlichen Rechtschreibregeln.
Geschichte
Diese Schreibung stammt ursprünglich aus der feministischen Sprachkritik der Schweiz und kam dort in den 1980er-Jahren auf. Auch über den ursprünglichen Benutzerkreis hinaus ist das Binnen-I in der Schweiz heute, sogar im halboffiziellen Gebrauch, sehr verbreitet.
Ziel dieser politischen Handlung ist es, das Publikum auf die ansonsten möglicherweise in den Hintergrund tretende Beteiligung von Frauen an den jeweiligen Personengruppen aufmerksam zu machen. Der feministischen Linguistik nach ist die Benutzung einer Bezeichnung wie „die Busfahrer“ an sich sexistisch, weil damit ausschließlich Männer assoziiert werden könnten.
Mit der Verwendung des Binnen-Is soll die Möglichkeit geschaffen werden, Personengruppen geschlechtlich genauer zu benennen, ohne dabei die weibliche Form als Sonderfall und Abweichung von der „normalen“ männlichen Form darzustellen. Dies verhindert die Verwechslung von Genus und Sexus.
Beispiel
Die zugrunde liegende Problematik kann an diesem Satz verdeutlicht werden: Mädchen sind die besseren Schüler.
Nach traditioneller Sprachauffassung (generisches Maskulinum) ist dieser Satz sinnvoll, da Schüler sowohl Mädchen als auch Jungen sind (Genus ist nicht gleich Sexus). Nach Auffassung der feministischen Linguistik ist der Satz jedoch sinnlos: Mädchen sind gar keine Schüler, sondern Schülerinnen.
Würde der Satz dagegen lauten: Mädchen sind die besseren Schülerinnen, so wäre er gleichermaßen sinnlos, da ja alle Schülerinnen Mädchen sind.
Die Variante Mädchen sind die besseren Schülerinnen und Schüler ist ebenfalls nicht möglich, da Mädchen nicht Schülerinnen und zugleich Schüler sein können.
Theoretisch müsste der Satz also korrekt lauten: Mädchen sind bessere Schülerinnen, als Jungen Schüler sind. Nach der Binnen-I-Schreibweise lautet der Satz: Mädchen sind die besseren SchülerInnen.
Verwendung
In die geschriebene Sprache in Deutschland fand das Binnen-I insbesondere durch die tageszeitung (taz) Eingang. Dabei werden die Artikel in der Regel konsequent in der weiblichen Form geschrieben und aus Gründen der Lesbarkeit auf die männlichen Bezeichnungen verzichtet. "Jede TeilnehmerIn kann ihre FreundInnen mitbringen" verzichtet auf den Lesefluss unterbrechende zusätzliche Großbuchstaben und Schrägstriche.
Seltener als die Schreibung des Binnen-I ist seine Nicht-Auflösung in gesprochener Sprache. Statt dass „LehrerInnen“ beim Vorlesen in „Lehrerinnen und Lehrer“ aufgelöst wird, kann man auch die Aussprache [le:ʁɐ(ʁ)ʔɪnən] hören: das Binnen-I wird also durch einen Knacklaut vor dem /i/ ausgedrückt.
In Baden-Württemberg darf an Schulen und in der Schulverwaltung das Binnen-I aufgrund einer Vorschrift des Kultusministeriums nicht verwendet werden; in Prüfungen ist seine Verwendung als Fehler zu werten. Jedoch kann beobachtet werden, dass häufig gegen diese Vorschrift verstoßen wird.
Alternativen
Als Alternative zum Binnen-I wird gelegentlich ausschließlich die weibliche Schreibweise (sozusagen ein „generisches Femininum“) verwendet. Dies kann eine sinnvolle Lösung sein, falls es ein geschlossener Text ist, in dessen Einleitung ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass Männer „mitgemeint“ sind, so wie in der traditionellen Schreibweise die Frauen „mitgemeint“ sind. Eine Variante ist, männliche und weibliche Form abwechselnd als generische zu verwenden, was jedoch die Lesbarkeit des Textes bis hin zur Unverständlichkeit herabsetzen kann.
Weder alte noch neue deutsche Rechtschreibung lassen das Binnen-I als korrekt gelten. Stattdessen wird beispielsweise die Schreibung „Lehrer(innen)“ empfohlen. Auch die Schreibung „Lehrer/-innen“ ist gebräuchlich. Wo möglich, ist häufig die Verwendung eines geschlechtsneutralen Wortes wie „Lehrkräfte“ am sinnvollsten. Zu beachten ist jedoch, dass es hierbei zu Inhaltlichen Verschiebungen kommen kann, so sind die oft zitierten „Studierenden“ nicht gleich der Gesamtheit von Studenten und Studentinnen.
Im allgemeinen Sprachgebrauch ist es üblich, in der Anrede die grammatisch weibliche Variante explizit auszuformulieren und im sonstigen Sprachgebrauch sich darauf zu verlassen, dass das generische Maskulinum im jeweiligen Kontext richtig verstanden wird. Beispiele:
- „Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen wir gleich zur Tagesordnung.“
- „In XYZ streiken heute die Busfahrer.“ Dies bedeutet nicht, dass die Busfahrerinnen als Streikbrecher auftreten.
In Westdeutschland wird eine weibliche Fahrerin heutzutage überwiegend als „Busfahrerin“ bezeichnet. Dagegen wird im ostdeutschen Sprachgebrauch zumeist noch die Formulierung wie „Meine Schwester ist Busfahrer“ verwendet.
Kritik
Die Binnen-I-Schreibweise kann die Leserlichkeit eines Textes beeinträchtigen; insbesondere wenn dabei zwei verschiedene Sätze zu einem zusammengefasst werden. In vielen Texten wird sie daher nicht konsequent durchgehalten. Manche Sätze würden sonst bis zur Unleserlichkeit entstellt, etwa „JedeR TeilnehmerIn kann ihre/seine FreundInnen mitbringen“. Das Problem ist, dass der gewohnte Lesefluss ins Stocken gerät, da „die/der LeserIn“ vier verschiedene Versionen ein und desselben Satzes gleichzeitig erfassen muss. Dadurch, dass in vielen Fällen die maskuline Form im Wort nicht mehr erkennbar ist, handelt es sich eher um ein verstecktes generisches Femininum. Aus der Sicht von Typographen und Sprachästheten ist überdies die ungewohnte Verwendung von Großbuchstaben inmitten von Wörtern problematisch.
Weblinks
Pro
- Frauensprache.com
- Oliver Tolmein: „Ein Zeichen erfreulichen Eigensinns“ (taz)
- „Eine Sprache für beide Geschlechter – Richtlinien für einen nichtsexistischen Sprachgebrauch“ (pdf-Dokument)
Contra
- www.duden.de Gleichstellung von Frauen und Männern in der Sprache, Empfehlungen des Dudenverlags
- Arthur Brühlmeier: Sprachzerstörung aus Konzilianz – die Umkehr ist fällig
- Dagmar Lorenz: Die neue Frauensprache – Über die sprachliche Apartheid der Geschlechter