Abraham Lincoln (* 12. Februar 1809 bei Hodgenville, Hardin County, Kentucky; † (ermordet) 15. April 1865 in Washington D.C.) wurde 1860 zum 16. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt und 1864 wiedergewählt.

Biographie
Abraham Lincoln gehört zu den bedeutendsten Präsidenten der USA. Nach der Sezession von 11 sklavenhaltenden Südstaaten führte er die auf die 22 Nordstaaten reduzierte Union durch den Bürgerkrieg von 1861-1865, setzte die Wiedervereinigung des Landes durch und betrieb die Sklavenbefreiung, die nach seiner Ermordung 1865 im 13. Zusatzartikel der US-Verfassung verankert wurde. Unter seiner Regierung schlugen die USA endgültig den Weg zum modernen Industriestaat ein und schufen so die Basis für ihren Aufstieg zur Weltmacht im 20. Jahrhundert.
Kindheit und Jugend
Der spätere Präsident wurde 1809 in einer Blockhütte bei dem Präriedorf Hodgenville in Kentucky geboren. Seine Eltern waren der Farmer (Landwirt) Thomas Lincoln und seine Frau Nancy. Kentucky gehörte zu den Staaten, in den die Sklaverei erlaubt war, und einige Verwandte der Lincolns waren Sklavenhalter. Als frommer Baptist und früherer Wanderarbeiter, der unter der Konkurrenz der billigen Sklavenarbeit gelitten hatte, lehnte Thomas Lincoln die Sklaverei jedoch dezidiert ab.
Nicht zuletzt deshalb zog er mit seiner Familie, zu der noch eine ältere Schwester und ein jüngerer Bruder Abrahams gehörten, mehrfach um. Ende 1816 ließen sich die Lincolns bei Little Pigeon Creek im Südwesten des jungen, sklavenfreien Staats Indiana nieder, in einem damals noch kaum besiedelten Gebiet. Zwei Jahre später starb Lincolns Mutter; wieder ein Jahr darauf heiratete sein Vater die Witwe Sarah Bush Johnston, die drei eigene Kinder in die Ehe brachte und zu der Abraham zeitlebens eine warmherzige Beziehung pflegte.
In seiner Kindheit und Jugend führte Abraham Lincoln das harte Leben von Farmern an der Frontier kennen, der Siedlungsgrenze zur Wildnis. Einer seiner Großväter war bei einem Indianerüberfall ums Leben gekommen. Bis zu seinem 19. Lebensjahr arbeitete Lincoln mit seinem Vater in der Landwirtschaft, machte Neuland urbar, rodete Wälder und legte Äcker an.
Lincoln behauptete später, er habe in seiner Jugend kein ganzes Jahr lang die Schule besucht. Immerhin lernte er soweit lesen, schreiben und rechnen, dass er mit 18 eine Stellung als Kaufmannsgehilfe erhielt. (Als Autodidakt sollte er sich im Laufe der Jahre eine umfassende Bildung aneignen.) Im Frühjahr 1828 nahm Lincoln einen Gelegenheitsjob als Flößer an, fuhr den Ohio und den Mississippi bis nach New Orleans hinunter und lernte erstmals die Welt außerhalb der Prärie kennen.
1830 zogen die Lincolns erneut weiter nach Westen, nach Macon County in Illinois. Kurz darauf verließ Abraham das Elternhaus und ließ sich im Präriestädtchen New Salem nieder, wo er in den nächsten Jahren als Kaufmann, Landvermesser und Posthalter arbeitete.
Lincolns Aufstieg
Im Jahr 1832 nahm Lincoln als Freiwilliger an einem Kriegszug gegen die Black Hawk-Indianer teil, ohne aber in Kämpfe verwickelt zu werden. Seine Kameraden wählten ihn bei dieser Gelegenheit zum Captain. Dies und die Tatsache, dass er sich in einem Debattierclub in New Salem als guter Redner erwiesen hatte, ermutigte ihn, noch im gleichen Jahr für das Parlament des Staates Illinois zu kandidieren. Als Parteigänger der liberal-konservativen Whigs trat er im Wahlkampf für den Ausbau der Verkehrswege und eine Verbesserung des Schulwesens ein. Im ersten Anlauf gescheitert, errang Lincoln das Mandat im Jahr 1834 und behielt es über vier Legislaturperioden bis 1842.
Parlamentarier und Anwalt in Illinois
Als Honest Abe (ehrlicher Abe) – ein Spitzname, der ihm bleiben sollte – erwarb sich Abraham Lincoln im Parlament rasch so viel Vertrauen, dass er zum Sprecher des Finanzausschusses und bereits mit 27 Jahren zum Parteiführer der oppositionellen Whigs gewählt wurde. Lincoln nahm maßgeblichen Einfluss auf die Verlegung der Hauptstadt von Vandalia nach Springfield. Aus dem Jahr 1837 datiert seine erste öffentliche Stellungnahme gegen die Sklaverei. In einem Sondervotum gegen die regierenden Demokraten und die Mehrheit der eigenen Partei stellte er fest, „...dass die Einrichtung der Sklaverei auf Ungerechtigkeit und schlechte Politik zurückzuführen ist.“ Im Repräsentantenhaus von Illinois traf Lincoln auch erstmals auf den späteren Führer der Demokraten Stephen A. Douglas, der sein Gegenkandidat bei den Senatswahlen 1858 und im Präsidentschaftswahlkampf 1860 sein sollte.
In den ersten Jahren seiner politischen Tätigkeit absolvierte Lincoln ein höchst diszipliniertes Selbststudium der Rechtswissenschaft, und 1836 wurde er zur Anwaltskammer von Illinois zugelassen. Im folgenden Jahr gründete er mit dem Rechtsanwalt John T. Stuart eine gemeinsame Kanzlei in der neuen Hauptstadt Springfield. Doch auch als Anwalt lebte Lincoln noch lange in äußerst bescheidenen Verhältnissen. Seine Heirat mit Mary Todd im Jahr 1842 stieß daher auf großen Widerstand in ihrer Familie, reichen Pflanzern und Sklavenhaltern aus Kentucky. Abraham und Mary Todd Lincoln wurden vier Söhne geboren, von denen aber drei noch im Kindesalter starben.
Abgeordneter im Repräsentantenhaus
Im Jahr seiner Hochzeit schied Lincoln aus dem Staatsparlament von Illinois aus, um sich wieder verstärkt seiner Anwaltstätigkeit zu widmen. Er erwarb sich einen Ruf als Spezialist für Eisenbahnrecht und kam allmählich zu bescheidenem Wohlstand. Als einer der führenden Köpfe der Whig-Partei in dem jungen Bundesstaat wurde er 1847 ins US-Repräsentantenhaus gewählt.
In Washington trat er als Gegner von Präsident James K. Polk auf. Er lehnte den Krieg gegen Mexiko und die gewaltsame Annexion aller mexikanischen Gebiete nördlich des Rio Grande strikt ab. Darüber hinaus brachte er eine zaghafte Resolution zur Beschränkung der Sklaverei im District of Columbia ein, dem Hauptstadtbezirk, in dem Washington liegt. Ansonsten machte er bei seinem ersten Auftreten in der Bundespolitik kaum von sich reden.
Da er in Washington alleine ohne seine Familie lebte, reizte ihn eine Karriere in der Bundeshauptstadt offenbar wenig. Als der neue Präsident Zachary Taylor ihm anbot, Gouverneur des neuen Territoriums Oregon (heutige Staaten Oregon und Washington) zu werden, schlug er auch dies aus und kehrte 1849, nach nur einer Legislaturperiode, nach Springfield zurück. Für die nächsten fünf Jahre verabschiedete sich Abraham Lincoln völlig aus der Politik. Erst die Zuspitzung der Sklavenfrage und die Verschärfung der Gegensätze zwischen Nord- und Südstaaten brachten ihn auf die politische Bühne zurück.
Der Weg zur Präsidentschaft
Um zu verstehen, wie Abraham Lincoln von einer kaum über Illinois hinaus bekannten Parteigröße zu einem in ganz Amerika beachteten Politiker und schließlich zum Präsidentschaftskandidaten der neuen Republikanischen Partei werden konnte, muss man die Entwicklung des Konflikts zwischen Nord und Süd betrachten und Lincolns Haltung in der Frage der Sklaverei verstehen.
Die Zuspitzung der Sklavenfrage
Gesellschaftlich, kulturell und wirtschaftlich hatten sich der Norden und der Süden der USA seit je her unterschieden. Trotz seiner geringeren Bevölkerungszahl nahm der Süden mit seiner reichen Pflanzeraristokratie bis zum Bürgerkrieg die gesellschaftlich führende Rolle ein. So kamen z. B. die meisten Präsidenten aus den Sklavenhalterstaaten. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts schritt im Nordosten jedoch die Industrialisierung rasch voran und verschob das wirtschaftliche Gewicht immer mehr zu seinen Gunsten. Der Nordwesten - z.B. Lincolns Heimat Illinois - war zwar agrarisch strukturiert wie der Süden, fand in den bevölkerungsreichen Staaten des Nordostens jedoch seine wichtigsten Märkte und verband daher seine Interessen mit den ihren.
In den USA existierten also zwei völlig gegensätzliche Wirtschaftssysteme nebeneinander, deren jeweilige Interessen sich immer schwerer miteinander vereinbaren ließen. Der Süden, als Agrarland auf die Ausfuhr von Baumwolle, Tabak und anderer Plantagenprodukte angewiesen, verfocht beispielsweise eine Freihandelspolitik. Der Norden, der seine noch junge Industrie vor der Einfuhr von Massenprodukten – etwa aus England - schützen wollte, trat für möglichst hohe Schutzzölle ein. Die im Süden traditionell starke Demokratische Partei war für eine weitgehende Autonomie der Einzelstaaten, was auch das Recht neuer Staaten einschloss, auf ihrem Territorium die Sklaverei zu gestatten. Lincolns Partei dagegen, die Whigs (wie später auch die Republikaner), traten für eine starke Zentralmacht in Washington ein, für eine handlungsfähige Zentralbank, für Bundessubventionen zum Aufbau eines bundesweiten Verkehrsnetzes und für das Prinzip der freien Arbeit in den neu zu besiedelnden Gebieten des Westens.
Freie und Sklavenstaaten waren zunehmend darauf bedacht, gegenüber der jeweils anderen Seite politisch nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dieses Problem trat regelmäßig mit der Aufnahme eines neuen Staats auf, da ihm, unabhängig von seiner Größe, zwei Sitze im Senat zustanden. Eine erste Zuspitzung des Konflikts konnte 1820 durch den Missouri-Kompromiss entschärft werden. Er sah vor, dass nördlich der sogenannten Mason-Dixon-Linie, die etwa dem 36. Breitengrad folgte, die Sklaverei in allen neuen Staaten verboten sein solle, mit Ausnahme Missouris. Zugleich wurde Maine als freier Staat in die Union aufgenommen. Ähnliche Probleme tauchten auf, als nach 1848 in den von Mexiko annektierten Gebieten die neuen Staaten Utah, New Mexico und Kalifornien entstanden. Streitfragen konnten aber jedesmal im Rahmen des Missouri-Kompromisses gelöst werden.
1854 jedoch verabschiedete der US-Kongress den Kansas-Nebraska Act. Dieses Gesetz, das Lincolns Rivale Douglas eingebracht hatte, stellte es den beiden Territorien - obwohl nördlich der Mason-Dixon-Linie gelegen - frei, in ihren künftigen Staatsverfassungen selbst festzulegen, ob sie die Sklaverei gestatteten oder nicht. In Kansas brach daraufhin ein "Bürgerkrieg vor dem Bürgerkrieg" aus. In bleeding Kansas, dem blutenden Kansas, bekämpften sich Sklavereibefürworter und sogenannten Free Soiler, die für das Prinzip der freien Arbeit auf freiem Land eintraten, aufs heftigste . Noch bedeutsamer aber war, dass die faktische Aufhebung des Missouri-Kompromisses einen Sturm der Entrüstung im ganzen Norden auslöste. Abraham Lincoln empfand die Nachricht von der Verabschiedung des Kansas-Nebraska Acts wie der „Klang einer Sturmglocke in der Nacht“.
Lincoln als gemäßigter Sklavereigegner
Im Streit über das neue Gesetz zerbrach die Partei der Whigs. Wie Lincoln schloss sich der größte Teil ihrer Mitglieder noch im Laufe des Jahres 1854 mit gemäßigten Sklavereigegnern aus den Reihen der Demokraten, mit radikalen Abolitionisten, die das sofortige Verbot der Sklaverei forderten, und mit einigen anderen Gruppierungen zu neuen Republikanischen Partei zusammen.
Zu dieser Zeit war Lincoln kein bedingungsloser Gegner der Sklaverei. Er verabscheute sie zwar moralisch, vertrat gegenüber den Südstaaten damals aber einen streng an Recht und Gesetz orientierten Standpunkt. Er war der Ansicht, dass die Väter der US-Verfassung die Sklaverei grundsätzlich als Übel angesehen, sie aber aus pragmatischen Gründen weiter in jenen Staaten geduldet hätten, in denen sie zur Zeit der Unabhängigkeitserklärung von 1776 bereits bestand. Eine Ausdehnung der Sklaverei auf weitere Staaten und Territorien aber sei gegen den Geist der Verfassung. Noch bis in die Zeit des Bürgerkriegs hinein akzeptierte Lincoln, dass die Sklaverei dort weiterbestand, wo sie bereits existierte – aber ausschließlich dort. Nur unter dieser Voraussetzung war er zu Kompromissen mit dem Süden bereit. Daher löste der Kansas-Nebraska Act in ihm den Entschluss aus, wieder in die Politik zurück zu kehren.
Das neue Gesetz hatte seine Hoffnung zunichte gemacht, die Sklaverei werde als überlebtes Wirtschaftssystem von selbst absterben, wenn sie erst einmal auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt sei. Nun aber war klar, dass die Sklavereibefürworter neuen Auftrieb erhielten und das Land an den Rand der Spaltung brachten. In einer vielbeachteten Rede vor dem Parteitag der Republikaner am 16. Juni 1858 erläuterte Lincoln seinen Standpunkt in so klaren und einfachen Worten, dass jeder Farmer ihn verstehen konnte:
- “Ein in sich gespaltenes Haus, kann keinen Bestand haben. Ich glaube dieser Staat kann keinen Bestand haben halb für, halb gegen die Sklaverei. Ich erwarte nicht, dass die Union aufgelöst wird. Ich glaube nicht, dass das Haus in sich zusammenfällt. Aber ich erwarte, dass seine Uneinigkeit aufhört. Es muss ganz das eine oder ganz das andere sein.“
Und Lincoln ließ keinen Zweifel daran, dass er eine Union ganz ohne Sklaverei befürwortete.
Drei Jahre zuvor, 1855, war Lincolns erster Versuch misslungen, einen Sitz im Senat zu erlangen. Nun, 1858, unternahm er einen zweiten Anlauf. Sein Gegenkandidat war Stephen A. Douglas, inzwischen Führer der Demokraten, der als großer Redner berühmt und gefürchtet war. Im Wahlkampf ließ er sich mit Lincoln auf eine Reihe öffentlicher Rededuelle ein, die wegen ihrer Grundsätzlichkeit und der rhetorischen Fähigkeiten beider Kontrahenten Tausende von Zuhörern anlockten. Entscheidend aber war, dass die Debatten weit über Illinois hinaus Millionen von Zeitungslesern überall in den USA erreichten. Lincoln verlor die Wahl in den Senat zwar erneut, wenn auch nur knapp, aber er hatte sich nun als gemäßigter Sklavereigegner im ganzen Land einen Namen gemacht und galt als ernsthafter Kandidat der Republikaner für die nächsten Präsidentschaftswahlen.
1859, im Jahr vor der entscheidenden Wahl, heizte ein Ereignis das gegenseitige Misstrauen in Nord und Süd noch einmal bis zum äußersten an: der Überfall einer Gruppe militanter Abolitionisten unter John Brown auf ein Armeedepot in Harper’s Ferry, Virginia, der das Fanal zu einem Sklavenaufstand sein sollte. Zunächst wurde der Süden von einer Welle der Empörung erfasst, später dann auch der Norden, als Brown hingerichtet und von seinen Anhängern zum Martyrer verklärt wurde.
Die Präsidentschaftswahl von 1860
Lincoln lehnte Aktionen wie die von John Brown entschieden ab. Er unternahm im selben Jahr 1859 Vortragsreisen durch die Nordstaaten, um sich der Bevölkerung und seinen Parteifreunden vorzustellen und weiter für seinen gemäßigten Standpunkt zu werben. Auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner in Chicago konnte er sich schließlich gegen den ursprünglichen Favoriten William H. Seward aus New York und weitere starke Kandidaten wie Salmon P. Chase aus Ohio und Simon Cameron aus Pennsylvania durchsetzen (die er später alle in sein Kabinett aufnahm). Am 18. Mai 1860 bestimmten die Republikaner Abraham Lincoln zu ihrem Spitzenkandidaten für den Kampf ums Weiße Haus.
Die Präsidentschaftswahl fand im Herbst statt. Eine Grundlage für seinen Sieg hatte Lincoln schon zwei Jahre zuvor in den Debatten mit Stephen A. Douglas gelegt. Er hatte damals seinen Gegner, der die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten anstrebte, in der Sklavenfrage zu Äußerungen gedrängt, die ihn für die Demokraten des Südens unwählbar machten. Wie die Whigs sechs Jahre zuvor, so spaltete sich nun auch die Demokratische Partei.
Die Nord-Demokraten nominierten Douglas, die Süd-Demokraten den eindeutigen Sklavereibefürworter John C. Breckinridge aus Kentucky. Beide zusammen gewannen 2,2 Millionen Wähler, der Whig-Kandidat John Bell aus Tennessee weitere 0,6 Millionen, Lincoln aber wurde mit 1,9 Millionen Stimmen der stärkste Einzelkandidat. Er siegte in keinem einzigen Wahlbezirk des Südens, erhielt aber fast alle Wahlmännerstimmen des Nordens (180) und damit eine klare Mehrheit: mit 40 % der Wähler hatte 59 % aller Wahlmänner für sich gewonnen. Am 6. November 1860 wurde Abraham Lincoln gewählt, am 4. März 1861 sollte er den Amtseid als 16. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ablegen. In diesen fünf Monaten aber wurden Tatsachen geschaffen, die Lincolns gesamte Regierungszeit bestimmen sollten.
Lincoln als Präsident
Während seiner gesamten Amtszeit als US-Präsident war Abraham Lincoln gezwungen, einen Bürgerkrieg zur Wiederherstellung der Union zu führen. Dabei stand er im wesentlichen vor vier großen Aufgaben: Er musste den Krieg militärisch gewinnen, bei der Bevölkerung des Nordens die Kampfbereitschaft aufrecht erhalten, die Einmischung europäischer Mächte zugunsten der Konföderierten verhindern und schließlich die Abschaffung der Sklaverei betreiben, um die Ursache des Konflikts ein für allemal zu beseitigen. Die Initiative aber lag zunächst nicht bei ihm, sondern bei seinen Gegnern.
Amtsantritt und Kriegsausbruch
Die Wahl Abraham Lincolns war nicht die Ursache, aber der Auslöser der Sezession. Bereits seit etwa 1850 hatten sich in den Südstaaten die Stimmen gemehrt, die für einen Austritt aus der Union eintraten. Die im Norden geübte Kritik an der Sklaverei wurde als Bedrohung der eigenen Lebensart und Kultur betrachtet und jeder Versuch, sie zu beschränken als Eingriff in das Eigentumsrecht und in die Rechte der Einzelstaaten. Aus dieser Sichtweise heraus war es nur logisch, dass die Verfechter der Sezession keinen Unterschied mehr sehen wollten zwischen der kompromissbereiten Haltung Lincolns und den Ansichten der Abolitionisten.
Die Aussicht, Lincoln ins Weiße Haus einziehen zu sehen, gab den Extremisten im Süden den letzten entscheidenden Auftrieb. Noch bevor der neue Präsident sein Amt antreten konnte, gab South Carolina am 20. Dezember 1860 als erster Staat seinen Austritt aus der Union bekannt. Innerhalb weniger Wochen folgten alle Staaten des tiefen Südens: Georgia, Florida, Alabama, Louisiana, Mississippi und am 22. Februar 1861 Texas. In Montgomery, der Hauptstadt Alabamas wurden im Februar die Konföderierten Staaten von Amerika ausgerufen und der Senator von Mississippi und frühere Kriegsminister Jefferson Davis zu ihrem provisorischen Präsidenten gewählt. Die Sklavenstaaten des oberen Südens warteten zunächst ab. Der scheidende Präsident James Buchanan bestritt den Einzelstaaten zwar das Recht, die Union zu verlassen, tat in seinen letzten Wochen im Amt aber nichts, um die Sezession zu verhindern.
In der Rede zu seiner Amtseinführung am 4. März 1861 schlug Lincoln gegenüber dem Süden versöhnliche Töne an. Er versprach, nicht als erster zu Gewaltmaßnahmen zu greifen, machte aber zugleich deutlich, dass sein Amtseid ihn verpflichte, einer Spaltung der Union auf jeden Fall entgegenzutreten:
- "In euren Händen, meine unzufriedenen Landsleute, nicht in den meinen, liegt die folgenschwere Entscheidung über einen Bürgerkrieg. Die Regierung wird euch nicht angreifen, es sei denn, ihr greift sie zuerst an."
Alle Hoffnungen auf eine Verhandlungslösung zerschlugen sich jedoch am 12. April 1861. An diesem Tag begannen konföderierte Truppen mit der Beschießung des von unionstreuen Einheiten gehaltenen Forts Sumter, das in der Hafeneinfahrt von Charlestonlag, der Hauptstadt von South Carolina. Der Süden hatte also trotz des angebotenen Gewaltverzichts zu den Waffen gegriffen und obwohl kein Recht und keine Verfassung irgendeines Einzelstaats bis dahin verletzt worden war und Lincolns Regierung dies erklärtermaßen auch nicht vorhatte. Dieser Umstand und der erzwungene Abzug der garnison von Fort Sumter erzeugte nun auch im Norden eine Kriegsstimmung. Die Öffentlichkeit verlangte energische Schritte gegen die "Rebellen". Am 15. April berief Lincoln 75.000 Freiwillige Milizsoldaten ein. Der Krieg hatte begonnen.
Der Beginn der Kriegshandlungen bewog nun auch Virginia und drei weitere Staaten des oberen Südens - North Carolina, Tennessee und Arkansas - die Union zu verlassen. Die Konföderierten verlegten daraufhin ihre Hauptstadt nach Richmond (Virginia). In diesem Staat kam es zu einer Sezession in der Sezession: Die westlichen Landesteile, in denen es kaum Sklavenwirtschaft gab, erklärten ihre Loslösung und wurden später als neuer Bundestaat West-Virginia in die Union aufgenommen. Teils freiwillig, teils unter militärischem Druck blieben auch die vier Sklavenstaaten an der Grenze zum Norden loyal: Delaware, Maryland, Kentucky und Missouri .
Kriegsziele
Am 22. August 1862 schrieb Lincoln in einem offenen Brief an die Tribune, die Zeitung desAbolitionisten Horace Greely:
- Mein oberstes Ziel in diesem Krieg ist es, die Union zu retten; es ist nicht, die Sklaverei zu retten oder zu zerstören. Könnte ich die Union retten, ohne auch nur einen Sklaven zu befreien, so würde ich es tun; könnte ich sie retten, indem ich alle Sklaven befreite, so würde ich es tun; und könnte ich die Union retten, indem ich einige Sklaven befreite und andere nicht, so würde ich auch das tun. Alles was ich in Bezug auf die Sklaverei und die Schwarzen tue, geschieht, weil ich glaube, dass es hilft, die Union zu retten.
In der Tat ging es im Bürgerkrieg vordergründig nur darum. Die Frage, an der sich der Kampf entzündet hatte, weil Nord und Süd sie unterschiedlich beantworteten, lautete: Hat ein einzelner Bundesstaat der USA das Recht, jederzeit aus der gemeinsamen Union auszutreten? Der Süden bejahte dies, mit dem nicht ohne weiteres von der Hand zu weisenden Argument, man sei dem Bund ja schließlich auch freiwillig beigetreten. Die Konföderierten kämpfte also nach eigenem Selbstverständnis für die Rechte der Einzelstaaten.
Der Norden wies dagegen darauf hin, dass keines der Einzelstaatenrechte bis dahin verletzt worden war und dass nach der Unabhängigkeitserklärung der USA von 1776 eine Revolution nur nach fortgesetzten schweren Rechtsverletzungen gerechtfertigt sei. Den tiefern Grund aber berührte Abraham Lincoln in der Gettysburg Adress von 1863. In dieser, seiner berühmtesten Rede sagte er, der Krieg werde geführt um die Frage, ob ein Staat der sich auf Demokratie und individuelle Freiheit gründe, überhaupt auf Dauer bestehen könne. Diese Gefahr sah er als gegeben, als eine Minderheit (die Südstaatler) sich das Recht anmaßte, eine auf demokratischem Wege zustande gekommene Entscheidung (Lincolns Wahl zum Präsidenten) der Mehrheit nicht anerkannte, sondern mit Gewalt beantwortete.
Hinter der Frage der Einzelstaatenrechte stand aber immer unübersehbar die Sklavenfrage. An ihr - und nur an ihr - hatte sich der Streit entzündet. Ohne sie hätte sich das Problem der Einzelstaatenrechte nie in dieser Schärfe gestellt. Lincoln verneinte aus wahltaktischen Gründen lange, dass die Abschaffung der Sklaverei zu seinen Kriegszielen gehörte. Zu Beginn des Konflikts bildeten die Abolitionisten auch im Norden noch immer eine Minderheit; kaum jemand wäre bereit gewesen, für die Befreiung der Sklaven in den Kampf zu ziehen. Doch genau das hatte Lincoln bereits in die Wege geleitet, als er den zitierten Brief an Greely schrieb.
Die Slavenbefreiung
Lincoln hatte nie zu den radikalen Abolitionisten gehört und wurde es auch nicht im Krieg. In seinem berühmten Brief an Horace Greely (s.o.) unterschied er zwischen seinen persönlichen Wünschen, nach der alle Menschen frei sein sollten, und seinen Pflichten als Amtsträger, als der er die Gesetze zu respektieren und anzuwenden hatte. Nach dem Gesetz aber war die Sklaverei im Süden erlaubt.
Wogegen sich Lincoln aber immer gewehrt hatte, war die weitere Ausbreitung der Sklaverei. Nach seiner Vorstellung sollte die Sklavenfrage in einem allmählichen Prozess auf dem Verhandlungsweg gelöst und die Sklavenhalter für den Verlust ihres "Besitzes" entschädigt werden. Auf keinen Fall war Lincoln vor 1861 bereit, einen Krieg um diese Frage zu führen. Dafür hätte er weder in der eigenen Partei noch in der Bevölkerung auch nur des Nordens eine Mehrheit gefunden.
Indem sie den Krieg auslösten, hatten die Südstaaten nach Lincolns Auffassung jedoch selbst den Boden des Rechts und der Verfassung verlassen. Je länger der Krieg dauerte und je mehr Opfer er forderte, desto stärker wurde Lincolns Überzeugung dass die Sklaverei, als Quelle allen Übels, endgültig abgeschafft werden müsse. Seit dem Frühjahr 1862 arbeitete er an einer Proklamation zur Sklavenemanzipation. Gleichzeitig übte er immer mehr Druck auf die Parlamente der loyal gebliebenen Grenzstaaten aus, die Sklaverei freiwillig und auf Entschädigungsbasis abzuschaffen.
Dazu kam, dass er die Sklavenbefreiung mehr und mehr als Mittel begriff, den Süden wirtschaftlich und militärisch schwer zu treffen. In seinem Bemühen, auch widerstrebende, konservative Mitglieder seiner Partei zu überzeugen, welche die Befreiung einzelner Sklaven durch Feldkommandeure der Union als ungesetzlich kritisiert hatten, sagte er im Juli 1862:
- Die Rebellen können nicht gleichzeitig die Verfassung wegwerfen und an ihren Schutz appellieren.
- (Weitere Bearbeitung folgt)
(alter Artikel)
Lincolns Emanzipations-Proklamation galt nur für die Gebiete der Konföderierten, die noch nicht von der Union kontrolliert wurden. Während des amerikanischen Bürgerkriegs hatte Lincoln mehr Macht als alle seine Vorgänger. Mehrfach verstieß er gegen die Verfassung und ließ Südstaaten-Spione und -Sympathisanten ohne Gerichtsverhandlung ins Gefängnis werfen.
Während des Kriegs zeigte er große Führungsqualitäten, die insbesondere bei seiner Gettysburg-Rede deutlich wurden, einer Rede, die den Gefallenen der Schlacht von Gettysburg gewidmet war. Während die meisten Redner lange sprachen, einige sogar stundenlang, machten Lincolns wenige Worte auf die gesamte Nation Eindruck, wodurch seine eigene Vorhersage "Die Welt wird kaum wahrnehmen, noch sich lange daran erinnern, was wir hier sagen" unzutreffend wurde. Während die anderen Reden kaum dokumentiert sind, gilt Lincolns Rede, die auf der Fahrt auf der Rückseite eines Umschlags notiert hatte, als eine der größten Reden der Geschichte.
Der Krieg war sehr frustrierend für den Präsidenten und beanspruchte fast seine gesamte Zeit. Nachdem er mit General George McClellan mehrmals unzufrieden war, traf er die schicksalsschwere Entscheidung, ihn durch einen radikalen und etwas skandalösen Kommandeur, General Ulysses Simpson Grant, zu ersetzen, dessen militärisches Geschick und seine Führungsqualitäten schließlich das Ende des Krieges brachten.
Am 15. April wurde Lincoln von John Wilkes Booth, einem fanatischen Südstaatler, ermordet.
Vorgänger: |
Präsident der USA | Nachfolger: |
Vizepräsident: |
Zitate von Abraham Lincoln
Abraham Lincoln gehörte zu den größten Rednern seiner Zeit und dürfte einer der begabtesten Rhetoriker gewesen sein, die je das Amt des US-Präsidenten bekleidet haben. Hier eine Auswahl seiner Zitate:
- Nichts ist geregelt, was nicht gerecht geregelt ist.
- Wer anderen die Freiheit verweigert, verdient sie nicht für sich selbst.
- Man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen, und das ganze Volk einen Teil der Zeit. Aber man kann nicht das ganze Volk die ganze Zeit täuschen.
- Man hilft den Menschen nicht, wenn man für sie tut, was sie selbst tun können.
- Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, gib ihm Macht.
- Besser schweigen und als Narr scheinen, als sprechen und jeden Zweifel beseitigen.
- Staatskunst ist die kluge Nutzung persönlicher Niedertracht für das allgemeine Wohl.
- Die Henne ist das klügste Geschöpf im Tierreich. Sie gackert erst, nachdem sie das Ei gelegt hat.
- Ausführungsbestimmungen sind Erklärungen zu den Erklärungen, mit denen man eine Erklärung erklärt.
- Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben.
- Gott hat die einfachen Menschen offenbar geliebt, denn er hat so viele von ihnen gemacht.
- Takt ist die Fähigkeit, andere so darzustellen, wie sie sich selbst gerne sehen.
- Immer wenn ich höre, dass jemand für die Sklaverei eintritt, fühle ich das starke Bedürfnis, sie an ihm selbst auszuprobieren.
- Möge die Regierung des Volkes durch das Volk und für das Volk nicht von der Erde verschwinden.
- Die Wahlversprechen von heute sind die Steuern von morgen.
- Der Stimmzettel ist stärker als die Kugel.
Literatur
- Carl Sandburg, Abraham Lincoln. Das Leben eines Unsterblichen, Hamburg Wien 1958
- Stephen B.Oates, With Malice Toward None. A Life Of Abraham Lincoln, New York 1994
- Jürgen Kuczinski, Abraham Lincoln, Köln 1985
- Jürgen Heideking (Hg.), Die amerikanischen Präsidenten. 41 historische Portraits von George Washington bis Bill Clinton, München 1995
- James M. McPherson, Für die Freiheit sterben. Die Geschichte des amerikanischen Bürgerkriegs, München Leipzig o.J.