Zum Inhalt springen

Bahnstrom

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 30. September 2005 um 09:43 Uhr durch FritzG (Diskussion | Beiträge) ([[Einphasenwechselstrom]] mit [[Netzfrequenz]]: Verweis Stromnetz). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Unter Bahnstrom versteht man den elektrischen Strom, der für den Antrieb elektrischer Bahnen, insbesondere Eisenbahnen, verwendet wird. Der Strom wird den Fahrzeugen entweder über eine Oberleitung mit Stromabnehmern, oder mittels einer Stromschiene zugeführt.

Historisch entwickelten sich in den verschiedenen Ländern oder bei unterschiedlichen Bahngesellschaften einige verschiedene Stromsysteme.

Gleichstrom ist fahrzeugseitig die einfachste Lösung. Es ist kein (schwerer) Transformator notwendig, und außer den Motoren werden lediglich ein Fahrschalter sowie eine Reihe von Widerständen benötigt, über die die Motorspannung reguliert werden kann.

Gleichstromsysteme eignen sich besonders für Untergrund- und Straßenbahnen. Bei U-Bahnen werden in der Regel Stromschienen verwendet, weil eine Oberleitung ein größeres Tunnelprofil erfordern würde. Stromschienen können aber, schon aus Sicherheitsgründen, nur mit niedrigen Spannungen (in der Regel 500 bis 750 V) betrieben werden. Bei Straßenbahnen spielen neben den technisch einfacheren Fahrzeugen ebenfalls Sicherheitsgründe eine Rolle, denn ein Hochspannungs-Oberleitungsnetz über Straßen und zwischen Gebäuden wäre zu gefährlich.

Gleichstromnetze (meist 1.500 oder 3.000 V) findet man in vielen Ländern auch bei Fernbahnen, z.B. in Italien, Osteuropa, Spanien, Südfrankreich, Südafrika und Japan. Die Nachteile dieser Systeme ergeben sich aus der vergleichsweise geringen Spannung.

Gleichstrommotoren können maximal mit etwa 1.500 V betrieben werden. Bei einer Fahrspannung von 3.000 V müssen deshalb jeweils zwei Motoren in Reihe geschaltet werden. Auch 3.000 V sind jedoch - verglichen mit Wechselstromsystemen - eine relativ niedrige Spannung, was zu größeren Übertragsungsverlusten führt und damit Unterwerke in geringeren Abständen notwendig macht. Auch müssen - für eine gegebene Leistung - höhere Ströme über die Schleifkontakte der Stromabnehmer übertragen werden. Dies erfordert eine andere Konstruktion der Stromabnehmer oder sogar die Verwendung von zwei Stromabnehmern gleichzeitig.

Prinzipbedingt führt die klassische Regelung der Spannung über Widerstände zu Verlusten. Die Widerstände heizen sich dabei auf und werden deshalb oft auf dem Dach der Fahrzeuge angeordnet. Dieser Nachteil entfällt bei neueren Fahrzeugen, in denen die Gleichspannung mit Hilfe von Leistungselektronik umgeformt und u.U. sogar in Drehstrom umgewandelt wird, so daß die einfachen und robusten Asynchronmotoren verwendet werden können.

Einphasenwechselstrom mit verminderter Frequenz

In einigen europäischen Ländern (Deutschland, Österreich, Schweiz, Schweden, Norwegen) fahren die Eisenbahnen mit Wechselspannung mit einer gegenüber der der Öffentlichen Stromnetze verminderten Frequenz (16,7 Hz statt 50 Hz). Auch Systeme mit 25 Hz sind in Verwendung.

Da Wechselstrom eine Transformierung der Fahrdrahtspannung auf die für die Motoren geeignete Spannung zuläßt, kann eine deutlich höhere Fahrdrahtspannung gewählt werden als bei Gleichstrombetrieb (Anfangs ca. 5.000 V, heute in den oben genannten Ländern 15.000 V). Die Transformatoren sind als Stelltransformator ausgeführt (siehe auch Stufenschalter für Leistungstransformatoren) und ermöglichen eine Spannungsregelung ohne die Verwendung von Widerständen. Das Gewicht dieser Transformatoren ist der leistungsbegrenzende Faktor bei Elektrolokomotiven.

Die gegenüber der öffentlichen Stromnetze verminderte Frequenz wurde Anfang des 19. Jh. gewählt, weil es nicht möglich war, große Einphasen-Elektromotoren mit hohen Frequenzen zu betreiben, da es dabei zu übermäßiger Funkenbildung am Kommutator kam.

Die verminderte Netzfrequenz hat jedoch auch Nachteile. Zum einen müssen die Transformatoren etwas größer sein, zum anderen kann Strom aus dem öffentlichen Stromnetz nicht direkt bzw. durch einfache Herabtransformierung verwendet werden. Oft werden aus diesem Grund völlig unabhängige Netze mit Bahnstromleitungen unterhalten.

In Deutschland wird Bahnstrom in einigen Kraftwerken, etwa dem Block I des Atomkraftwerks Neckarwestheim, erzeugt. Dort erzeugen spezielle Bahnstromgeneratoren den mit 16,7 Hz getakteten Wechselstrom. Zusätzlich wird Bahnstrom in Bahnstromumformerwerken und -umrichterwerken aus dem öffentlichen Netz zu Bahnstrom (und umgekehrt) umgewandelt.

Die weltweit größte Verbreitung hat Wechselstrom mit einer Spannung von 25.000 V bei 50 Hz. In den USA (Lake Powell Railway) und Südafrika gibt es Bahnen, die sogar mit 50.000 V fahren.

Der Vorteil der Verwendung der Netzfrequenz besteht darin, daß eine Speisung aus dem öffentlichen Stromnetz zumindest theoretisch leicht möglich ist. In der Praxis besteht dabei jedoch die Gefahr von Schieflasten.

Der Nachteil dieser Systeme war anfangs die Notwendigkeit von Leistungselektronik, da die Motoren für die hohe Frequenz nicht geeignet waren und der Wechselstrom deshalb gleichgerichtet werden mußte mußte. Dafür wurden Leistungsgleichrichter benötigt, eine Technik, die erst Anfang der 1940er Jahre beherrscht wurde. Anfangs kamen dabei noch Quecksilberdampfgleichrichter zum Einsatz; erst in den 1960er Jahren setzten sich Halbleitergleichrichter durch.

Die Spannungsregelung erfolgte anfangs wie bei mit den mit reduzierter Frequenz betriebenen Lokomotiven über Stelltransformatoren, später kam auch eine Regelung über Phasenanschnittssteuerung zum Einsatz. Das typische Bauelement dabei ist der Thyristor.

Alle modernen Triebfahrzeuge wandeln heute den Fahrstrom auf elektronischem Weg in Drehstrom um, so daß die Frequenz des Stromsystems keine große Rolle mehr spielt.

Der entscheidende Vorteil von Drehstrom liegt darin, daß die sehr robusten und wenig wartungsintensiven Asynchronmotoren verwendet werden können, die ohne Bürsten auskommen und bezogen auf ihre Leistung ein relativ geringes Gewicht haben. Dem stehen allerdings mehrere Nachteile gegenüber.

Zunächst einmal kann ein Asynchronmotor nur mit einer bestimmten, von der Frequenz abhängigen Drehzahl wirtschaftlich betrieben werden. Theoretisch muß also zur Regelung der Fahrgeschwindigkeit die Stromfrequenz kraftwerkseitig verändert werden, was sich aber nur für Versuche eignet und nicht für den praktischen Betrieb. Durch eine besondere Schaltung der Motoren können diese zwar für mehrere Frequenzen ausgelegt werden, eine feine Regelung wie bei Gleichstrommotoren ist jedoch nicht möglich.

Ein weiterer Nachteil eines Drehstrom-Bahnsystems ist die Notwendigkeit einer dreipoligen Stromzufuhr, was mit der Verwendung der Schienen als einer der Pole eine zweipolige Oberleitung erfordert. Eine solche ist jedoch kompliziert (vor allem an Weichen und Kreuzungen) und störanfällig (Kurzschlußgefahr).

Nur in Norditalien hat es von 1912 bis 1976 längere Zeit ein größeres Drehstromsystem gegeben (3.600 V, 16 2/3 Hz). Die Gornergratbahn und die Jungfraubahn fahren noch heute mit Drehstrom (750 V, 50 Hz).

Durch die Verwendung von Leistungselektronik können moderne Lokomotiven die Vorteile des Drehstroms nutzen, ohne dessen Nachteile inkauf nehmen zu müssen. Spannung und Frequenz können dabei auf elektronischem Weg stufenlos geregelt werden. Die erste Lokomotive, die Einphasen-Wechselstrom an Bord in Drehstrom umgewandelt hat, war die Baureihe 120 der Deutschen Bundesbahn.

Siehe auch

Literatur

  • Ralf Roman Rossberg: Weitsicht, von der wir heute profitieren. 100 Jahre Bahnstrom. In: LOK MAGAZIN. Nr. 281/Jahrgang 44/2005. GeraNova Zeitschriftenverlag GmbH München, ISSN 0458-1822, S. 72-83.
  • Konrad Koschinski Her(t)zensfrage EISENBAHNJOURNAL 1/2005