Herzklappenersatz

künstlich eingebrachter Ersatz für eine natürliche Herzklappe
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Als Herzklappenersatz bezeichnet man einen aus künstlich eingebrachten Ersatz für eine natürliche Herzklappe. Man unterscheidet dabei nach Position (Aortenklappe, Mitralklappe oder Trikuspidalklappe), nach Art (mechanische und biologische Herzklappen) sowie Verfahren (offen-chirurgisch oder minimal-invasiv) des Klappenersatzes.

Geschichte

 
1. Starr-Edwards Herzklappe 2. Starr-Edwards Herzklappe 3. Smeloff-Cutter Herzklappe

Am 11. September 1952 setzte Charles A. Hufnagel von der Georgetown University eine von ihm entwickelte Herzklappe in die Aorta descendens eines Patienten ein.[1][2]

Die erste künstliche Herzklappe mit einer Kugelprothese wurde 1961 durch die beiden Amerikaner Albert Starr und Lowell Edwards implantiert. Im Jahr 2004 wurden in der BRD circa 17.000 Herzklappenoperationen durchgeführt.

Indikation

Die Indikation zur Operation wird in Abhängigkeit von klinischer Symptomatik und objektivierbaren Kriterien gestellt[3]. Ziel ist neben der Symptomerleichterung vor allem die Verhinderung einer akuten oder chronischen Herzinsuffizienz. Die Aufstellung gibt einen vereinfachten Überblick:

Aortenklappenstenose

  • schwere Aortenklappenstenose und Symptomatik
  • schwere Aortenklappenstenose ohne Symptomatik mit reduzierter Pumpfunktion (EF < 50 %) oder pathologischem Belastungstest oder rascher Progredienz

Aortenklappeninsuffizienz

  • schwere Aortenklappeninsuffizienz und Symptomatik
  • schwere Aortenklappeninsuffizienz ohne Symptomatik mit reduzierter Pumpfunktion (EF < 50 %) oder endsystolischem Durchmesser des linken Ventrikels > 50 mm

Mitralklappenstenose

  • erhebliche Symptomatik und Klappenöffnungsfläche < 1,5 mm² und Valvuloplastie nicht möglich
  • geringe Symptomatik und Klappenöffnungsfläche < 1,0 mm² und Valvuloplastie nicht möglich

Mitralklappeninsuffizienz

Offen-chirurgische Technik

Nach Indikationsstellung zum offen-chirurgischen Aortenklappenersatz werden Untersuchungen zur Abschätzung des Operations- und Narkoserisikos durchgeführt. Diese umfassen z.B. eine Lungenfunktionsprüfung und eine Herzkatheteruntersuchung. Wird bei letzterer eine koronare Herzkrankheit festgestellt, wird in der Regel die Anlage von Koronararterienbypässen empfohlen, die in einer Sitzung mit dem Klappenersatz erfolgen kann.

Operationsablauf

Die Operation erfolgt in Vollnarkose unter Verwendung der Herz-Lungen-Maschine. Der Brustkorb wird durch Aufsägen des Brustbeins eröffnet (mediale Sternotomie). Nach Eröffnung des Herzbeutels und Freilegung des Herzens, wird die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Sie ermöglicht die Blutversorgung des Körpers unter Ausschaltung des Herzens durch Abklemmen der großen Gefäße. Mittels kardiopleger Lösung wird das Herz dazu zum Stillstand gebracht. Nun wird die betroffene Herzklappe freigelegt. Beim Aortenklappenersatz geschieht dies über die Aorta, der Zugang zur Mitralklappe erfolgt über den linken Vorhof. Die betroffene Herzklappe wird falls nötig zunächst entkalkt und anschließend entfernt. Dazu werden die Klappensegel aus dem Klappenring ausgeschnitten. Ziel ist es, Platz für eine möglichst große Klappenprothese zu schaffen. Zur Fixierung der Prothese werden Haltefäden mit Filzbewehrung vorgelegt. Über diese wird dann die künstliche Herzklappe in die richtige Position geführt und fixiert. Beim Aortenklappenersatz unterscheidet sich die Art der Fixierung in Abhängigkeit von der verwendeten Prothese. Biologische Klappen ohne mechanisches Gerüst werden entweder unter Erhalt der eigenen Koronargefäße (subkoronare Technik) oder, bei Verwendung eines größeren Aortensegments, mit Reimplantation der Koronargefäße eingesetzt. Anschließend erfolgt der Verschluss der Aorta beziehungsweise des linken Vorhofs und die Entfernung der Herz-Lungen-Maschine. Bei wieder schlagendem Herzen erfolgt dann der Verschluss von Herzbeutel und Brustkorb[4].

Nachsorge

Der zeitliche Ablauf ist von vielen Faktoren abhängig, z. B. vom Vorliegen weiterer Erkrankungen und dem Auftreten von Komplikationen. Ein unkomplizierter Verlauf bei einem Patienten mittleren Alters könnte so aussehen:

  • Zwei Tage Diagnostik (Ultraschall, Röntgenaufnahme, Herzkatheter, Labor etc.)
  • ein Tag unmittelbare Operationsvorbereitung
  • Operation und ein Tag Intensivstation
  • drei Tage Intermediate-Care-Station, erstes Aufstehen
  • acht bis zehn Tage kardiochirurgische oder kardiologische Akutklinik mit ersten krankengymnastischen Übungen
  • drei bis vier Wochen Reha-Klinik oder ambulante Rehabilitation mit kontrolliert ansteigender körperlicher Belastung
  • einige Wochen weitere Genesungszeit zu Hause, Alltagsgewöhnung
  • Wiederaufnahme der Berufstätigkeit etwa zehn bis zwölf Wochen nach der Operation

Mechanische Herzklappen

Mechanische Herzklappen gibt es in verschiedenen Bauformen, die alle bauartbedingte Vor- und Nachteile haben. Eine 'ideale' mechanische Herzklappe gibt es (noch) nicht.

Alle mechanischen Bauformen verursachen ein mehr oder weniger stark hörbares Klappengeräusch ("Prothesenklick"). Dieses Geräusch entsteht beim Schließen der Klappe, wenn der oder die Klappenflügel auf den Klappenring aufprallen. Die Klarheit dieses Geräusches ist auch ein Indiz dafür, ob sich Ablagerungen auf der Klappe gebildet haben. Alle mechanischen Klappen erzeugen einen Ultraschall-Schatten.

Bauformen

  • St. Jude-Medical: Zweiflüglige Klappe (ab 1977)
  • Björk-Shiley: einflüglige Klappe (aufgehängter Diskus, ab 1968)
  • Medtronic-Hall: einflüglige Klappe (Diskus mit zentralem Loch). Der Diskus bewegt sich auf einem gebogenen Dorn innerhalb des Klappenrings. Der Klappenring ist ein gefräster Titan-Monoblock.
  • Starr-Edwards: Kugelkäfigprothese (erster Einsatz 1952). Als Ventil dient eine Kunststoffkugel, die sich in einem Drahtkäfig mit der Blutströmung bewegt. Dies war der erste künstliche Klappentyp und ist heute (fast) ohne Bedeutung, da bei dieser Variante durch das bauartbedingte Gewicht entscheidende Nachteile entstehen (Hämolyse).

Lebensdauer

In Labortests haben mechanische Herzklappen eine (theoretische) Haltbarkeit von 100 bis 300 Jahren erreicht. Diese Angabe bezieht sich auf die Anzahl der Öffnungs- und Schließvorgänge gerechnet auf die normale Herzfrequenz von 60 bis 80 Schlägen pro Minute. Um eine Bildung von Blutgerinnseln und Ablagerungen ('Thromben') auf der Klappenoberfläche zu vermeiden, ist eine lebenslange Einnahme von blutgerinnungssenkenden Mitteln ('Antikoagulation') notwendig. Viele Patienten nehmen das Messen der Blutgerinnungswerte und die angepasste Dosierung der Medikamente selbst vor. Die Bestimmung des Blutgerinnungswertes (Thromboplastinzeit) ist heute dank moderner und handlicher Messgeräte so einfach wie die Bestimmung des Blutzuckerwertes. Wichtig ist auch eine strenge Endokarditisprophylaxe bei Eingriffen, die ein erhöhtes Risiko für das Eindringen von Bakterien in den Blutkreislauf beinhalten, wie z.B. zahnärztliche Eingriffe (Zahnsteinentfernung) oder Operationen.

Biologische Herzklappen

Biologische Herzklappen werden in drei Gruppen eingeteilt:

  • Tierklappen (Xenografts) (Hierbei haben sich Klappen von Schweinen als erstaunlich "kompatibel" mit dem menschlichen Herz erwiesen.)
  • menschliche Spenderklappen (Homografts)
  • genetisch gezüchtete Klappen (Autografts, befinden sich im frühen Experimentalstadium)

Präservierungsverfahren

Tier- und menschliche Spenderklappen müssen nach der Entnahme für die spätere Implantierung konserviert werden. Hierfür eignen sich die folgenden Verfahren:

  • Cryopräservierung mit flüssigem Stickstoff
  • Präparation in einer antibiotischen Lösung bei 4 °C
  • Röntgenbestrahlung
  • Trockengefrierung

Die Cryopräservierung hat sich als effektivstes Verfahren durchgesetzt.

Das Klappengewebe wird auf einem Kunststoffgerüst („Stent“) befestigt oder gerüstfrei verwendet. Ebenso wie künstliche Herzklappen sind auch biologische Klappen zum Einnähen mit einer Polyestermanschette umgeben.

Lebensdauer

Die Lebensdauer biologischer Herzklappen ist begrenzt, da sie im Vergleich zum eigenen Gewebe einem beschleunigten Alterungsprozess (Verkalkung) unterliegen. Dieser kann nach einigen Jahren zu sichtbaren und auch funktionell bedeutsamen Funktionsstörungen führen, die einen Austausch notwendig machen. Dafür ist bei vielen Patienten keine Antikoagulation erforderlich. Erfahrungsgemäß verkalken biologische Herzklappen bei Kindern früher und schneller als bei Erwachsenen. Die Ursache hierfür ist bisher nicht bekannt und es kann auch keine Vorhersage gemacht werden, bei welchem Menschen dieser Zustand wann eintritt.[5]

Auswahl und Abwägung

Die Abwägung ob mechanischer oder biologischer Klappenersatz zum Einsatz kommt, ist unter anderem von folgenden Faktoren anhängig:

  • Alter des Patienten
  • Möglichkeit und Akzeptanz der lebenslangen Antikoagulierung
  • Weltanschauliche Erwägungen

Abwägung und Auswahl unterliegen dem verantwortlichen Mediziner.

Minimal-invasive Verfahren

Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI)

Neben der offen-chirurgischen Technik existiert ein minimal-invasives Verfahren, bei denen ein Zugangsweg über die Leistenarterie (transfemoral) oder über die Herzspitze (transapikal) gewählt wird. Dieses Verfahren wird Transkatheter-Aortenklappenimplantation (engl. transcatheter aortic valve implantation, TAVI) genannt. Die Technik wurde erstmals von Alain Cribier und Kollegen im Jahr 2002 beschrieben[6]. Ziel der TAVI ist es, den Patienten einen Aortenklappenersatz anbieten zu können, deren Operationsrisiko für eine offen-chirurgischen Ersatz zu hoch eingeschätzt wird.

Siehe auch

Aortenklappeninsuffizienz, Aortenklappenstenose, Mitralinsuffizienz, Mitralstenose, Prosthetic valve infection

Literatur

  • Martin Steiner: Beurteilung von biologischen und mechanischen Herzklappenprothesen anhand zeitaufgelöster Verfahren (Dissertation). VVB Laufersweiler Verlag, Giessen 2005, ISBN 3-89687-053-X, S. 319.
  • Michael J. Eichler: In vitro Kavitationsuntersuchungen an mechanischen Herzklappenprothesen (Dissertation). Logos Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-8325-0398-6, S. 175.

Einzelnachweise

  1. CA Hufnagel, Gomes MN: Late follow-up of ball-valve prostheses in the descending thoracic aorta. In: J Thorac Cardiovasc Surg. 72. Jahrgang, Nr. 6, 1976, S. 900-9.
  2. Martin Misfeld, Hans-H. Sievers: Die Aortenklappenchirurgie - gestern, heute und morgen. In: Focus MUL. 23. Jahrgang, Nr. 2. Medizinische Universität Lübeck, Lübeck 2006, S. 82–89 (mu-luebeck.de [PDF; abgerufen am 9. Februar 2009]).
  3. Geißler, Hans Joachim; Schlensak, Christian; Südkamp, Michael; Beyersdorf, Friedhelm. Herzklappenchirurgie heute: Indikationsstellung, OP-Technik und ausgewählte Aspekte der Nachsorge bei erworbenen Herzklappenvitien. Dtsch Arztebl Int 2009; 106(13): 224-33
  4. Ziemer G. und Haverich A. Herzchirurgie. 3. Auflage (2010) Springer Verlag. S. 614 ff. und 641 ff.
  5. Dietmar Boethiga, Wolf-Rüdiger Thiesb, Hartmut Heckerc und Thomas Breymannd: Mid term course after pediatric right ventricular outflow tract reconstruction: a comparison of homografts, porcine xenografts and Contegras. In: European Journal of Cardio-Thoracic Surgery. 27. Jahrgang, Nr. 1. Elsevier, 2005, S. 58–66, doi:10.1016/j.ejcts.2004.09.009.
  6. Cribier A, Eltchaninoff H, Bash A, Borenstein N, Tron C, Bauer F, Derumeaux G, Anselme F, Laborde F, Leon MB. Percutaneous transcatheter implantation of an aortic valve prosthesis for calcific aortic stenosis: first human case description. Circulation. 2002;106(24):3006-8.