Mongolische Kriegführung

Artikel zur Kriegführung der Mongolen
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Die mongolische Kriegsführung fasste alle Elemente des Steppenkrieges in ihrer bis dahin effektivsten und vernichtendsten Form zusammen.


Voraussetzungen

Die erste Voraussetzung jeder Heeresorganisation bei den Nomaden war das Dezimalsystem. Die Truppen wurden nach dem Vorbild fremder Armeen in Zehner-, Hundert-, Tausend- und Zehntausendschaften gegliedert, die man Arban, Jagun, Minghan und Tumen nannte. Dabei nahm man keine Rücksicht auf Stammeszugehörigkeiten. (Lediglich vertrauenswürdigen Leuten wurde ihr unmittelbarer Stammesanhang gelassen.) Das System sollte die Unabhängigkeit der Sippen und ihrer Führer (der noyane) im Kriegsfall einschränken und eine klare Schlachtordnung gewährleisten. Zudem erleichterte es die Eingliederung neuer Truppenteile.

An sich ist das keine Neuerung, das machten schon Hunnen, Kök-Türken und andere mächtige Steppenvölker so. Aber es mußte bei jeder Staatsbildung neu durchgesetzt werden, auch von Dschingis Khan 1204, kurz vor dem letzten Krieg gegen die Naimanen, der die Mongolei einigte.

Die Gesamtstreitkräfte gliederten sich in die Armee des Linken Flügels (im Osten) die Junghar genannt wurde, die Armee des Rechten Flügels im Westen, Baraunghar genannt und die Armee des Zentrum Khol. Die Zentrumsarmee bestand zu einem Großteil aus der Garde, dem Keshig.

In der Garde bildeten die Tagwache (Tunghaut) und die Nachtwache (Kabtaut) die persönlichen Truppen und Leibwachen des Großkhan, in der Stärke ca eines Minghan.

Strategie und Taktik

Die Mongolen verwendeten erstmalig das Konzept der "operativen Kunst" in vollem Umfang:

Als Nomaden trugen sie alles, was sie benötigten, mit sich zu Pferde. Sie transportierten gleichsam den gesamten logistischen Gegenwert einer Stadt auf dem Pferderücken. Somit waren sie flexibler als viele Armeen ihrer Konkurrenten, die durch ihre Logistik an feste Städte gebunden waren.

Bei der Invasion eines fremden Landes, marschierten die Mongolischen Armeen getrennt voneinander an mehreren Stellen in das Land ein, und sammelten sich dort zu einem vorher bestimmten Zeitpunkt weit im Hinterland des Feindes oder im Fall einer großen gegnerischen Feldstreitmacht zur Schlacht. Dabei marschierten meist 2 bis 3 Tumen in räumlicher Nähe zueinander, diesen folgten nach einiger Zeit und mit Abstand weitere Tumen die dann das Belagerungsgerät mit sich führten.

In der Feldschlacht setzten die Mongolen die verschiedensten Manöver und Taktiken ein, die häufigste Taktik war aber ein Angriff mit Fernwaffen, auf den ein Scheinrückzug folgte. Die Mongolen stellten sich in Formationen auf, die häufig 5 Mann tief waren, ritten dann auf 50m bis 100 m an den Gegner heran und überschütteten ihn mit Pfeilen. Dabei zielten sie zuerst vor allem auf die feindliche Reiterei und hierbei auf die Pferde des Gegners. Einem Angriff oder Gegenstoß des Feindes folgte dann der erwähnte Rückzug der den Feind hinter sich her zog. Aus diesem Rückzug heraus umging dann ein Teil der mongolischen Truppen den Gegner und fiel in dessen Flanken oder Rücken, dieses Manöver nannte man Tulughma.

Die Mongolen ließen dem Gegner immer eine Fluchtmöglichkeit offen und schlossen ihn nie vollständig ein. Fliehende Gegner wurden im Nahkampf attackiert und extrem lang und zäh verfolgt. Die Verfolgung geschlagener Gegner bis zum letzten Mann war ein Kernaspekt der mongolischen Kriegsführung und zog sich häufig über mehrere Tage hinweg.

Da ihre Kriegführung in der Mobilität jedem Gegner überlegen war (gegliederte leichte Kavallerie), mussten sie nicht jeden Kampf gewinnen. Die traditionelle Lösung des Problems einer Kriegsführung gegen Stellungen und große Heere war der Angriff auf die Logistik der Feinde (Nahrung, Felder, Wasser, usw.). Anders als die Mongolen waren die städtebewohnenden Feinde an ihre Logistik gebunden. Man schnitt den Städten die Nahrungsmittelzufuhr ab und zwang die Bauern zur Flucht in die Städte, so dass dort Seuchen ausbrachen. Die Städte wurden so erdrückt, bevor man sie überhaupt angriff. Manche Ruinenstädte (in Afghanistan, an der Seidenstraße) sind bis heute verlassen. Der konzentrische Angriff war beliebt: Städte wurden von drei Heeren von verschiedenen Seiten angegriffen, ebenso zog man mit zwei bis drei Heeresgruppen wieder weiter zum nächsten Ziel.

Dieses wirksame Konzept stellte meistens einen mongolischen Sieg sicher. Allerdings wurden lange Belagerungen wegen der notwendigen Weideflächen und dem häufigen Fehlen der notwendigen Belagerungsgeräten - durch den schnellen Vormarsch - gern vermieden. Man bevorzugte einen schnellen Sturm, eine Kriegslist oder den Vertragsbruch. Wenn das nichts half, zog man weiter. Im Laufe der Zeit entwickelten allerdings chinesische Ingenieure hervorragende Belagerungsmaschinen für die mongolischen Heere. Und umgekehrt brachten die Mongolen auch westliche Belagerungsmaschinen wie das Trebuchet mit Gegengewicht von dort überhaupt erst in den Osten.

Die Mongolen setzten Terror systematisch als psychologische Waffe ein. Normalerweise wurde der Oberschicht einer eroberten Stadt grundsätzlich der Wechsel in eine neue Gegend befohlen. Bei Ablehnung wurde die gesamte Stadtbevölkerung vertrieben oder auch massakriert (bis auf eine Handvoll Spezialisten); Stadt und umgebende Felder wurden niedergebrannt. Im 14. Jahrhundert errichteten sie Bauwerke aus Menschenknochen vor einer zerstörten Stadt als Wahrzeichen ihres Durchzuges. Dann ließen sie einige Überlebende entfliehen, um den Schrecken in der Umgebung zu verbreiten.

Da die Mongolen viele Gebiete nicht nachhaltig kontrollieren konnten - vor allem aber auch aus Gründen der psychologischen Kriegsführung - richteten sie immer wieder furchtbare Gemetzel an, die den Gegner aus purem Entsetzen lähmen sollten. Die in Chroniken genannten Zahlen, die bei Einzelereignissen zum Teil die Millionenmarke überschreiten, sind zwar zu hoch angesetzt, dennoch brachten die Mongolen sehr große Mengen von Menschen gezielt und systematisch um. Die extrem hohen Zahlen in den Chroniken basieren dabei auf dem, was die Mongolen dann selbst aus propagandistischen Gründen verbreiteten, um den Schrecken vor ihnen noch zu vermehren.

Auch sonst betrieben die Mongolen eine ausgeprägte psychologische Kriegsführung und setzten viel auf Täuschung und List. Sie führten z.B. Puppen auf ihren Ersatzpferden mit um den Gegner über ihre Stärke zu täuschen, verbreiteten Gerüchte und Greuelpropaganda um dem Feind den Mut zu nehmen und setzten in großem Umfang Spione und Agenten ein.

Die Reiterei

Die Mongolen gründeten ihre Macht fast durchweg auf leichte Kavallerie. Ihre leichte Reiterei bestand hauptsächlich aus Bogenschützen mit zwei Bögen zu Pferde. Sie waren für einen Pfeilhagel zuständig, den man sowohl im Angriff als auch bei einer (z.B. vorgetäuschten) Flucht beherrschte. Im Nahschuß (bis zu 50m) zerschlugen die kurzen asymmetrischen Reflexbögen jede Panzerung. Beweglich und zahlreich, hatte die leichte Kavallerie im Kampf gute Angriffs- und Rückzugsmöglichkeiten vor feindlicher schwerer Kavallerie.

Man versuchte die feindliche Schlachtordnung vor einem Angriff irgendwie aufzulösen und ihre Truppenteile voneinander zu isolieren. Dazu täuschte man entweder zahlenmäßige Überlegenheit oder eine Flucht vor. War das geschafft, setzte man die Schwere Reiterei ein. Die Schwere Reiterei überrannte mit ihren meterlangen Lanzen die Reste des Feindes, die den Bogenschützen entkommen waren. Zog man sich zurück, so deckte diese Einheit den Rückzug.

Es wird noch diskutiert, wann und in welchem Umfang die Mongolen auch schwere Schockkavallerie mit Pferdepanzerung einsetzten. In der anfänglichen Struktur waren zwei Drittel der Mongolischen Reiter als Berittene Bogenschützen vorgesehen, ein Drittel war aber auch gezielt für den Nahkampf geschult und ausgerüstet.

Militärische Kommunikation

Die Mongolen bedienten sich eines entwickelten Systems von Horn- und Flaggensignalen, die vom Heerführer gegeben wurden, woraufhin sie ihre Truppen auf bestimmte Positionen des Kriegsschauplatzes verschoben bzw. zum Angriff, Rückzug oder in bestimmte Formationen übergingen. Zusätzlich verwendeten sie Unterführer, die die Entscheidungsverantwortung vor Ort zu tragen hatten.

Schutz

Die mongolische Bewaffnung unterschied sich wesentlich von der europäischen. Im Gegensatz zu europäischen Rittern, die Plattenpanzer (Helm, Kettenhemd und Metallteilen, die Blick und Bewegung einschränkten) verwendeten, hüllten die Mongolen sich in Seidentücher d.h. Stepppanzer aus vielen Lagen Rohseide und in eisenverstärkte, aus Ringen zusammengesetzte Lederpanzer. Das gestand den mongolischen Kriegern größere Bewegungsfreiheit, Ausblick, Ausdauer und Widerstandsfähigkeit gegen Waffen zu und stellte somit einen qualitativen Vorteil gegenüber dem Feind dar.

Wenn ein Pfeil einen Krieger verletzte, durchdrang dieser die Haut bis ins Fleisch, durchschlug aber die Seide nicht, so daß der Blutverlust verringert wurde. Ein mongolischer Feldarzt zog dann den Pfeil mittels der Seide aus der Wunde, säuberte und verband sie. Dieses einfache und hygienische Verfahren vermied Infektionen und rettete viele Leben.