Mit Urbanisierung (lat. urbs: Stadt) ist die Verdichtung und Vergrößerung menschlicher Siedlungen (Städte und Dörfer) gemeint.

Begriffsdefinition
- Häufig wird, genau wie im englischen Sprachraum, der Begriff Urbanisierung mit Verstädterung gleichgesetzt. Oft wird aber unterschieden:
- Verstädterung ist die Vermehrung, Ausdehnung oder Vergrößerung von Städten nach Zahl, Fläche oder Einwohnern, sowohl absolut als auch im Verhältnis zur ländlichen Bevölkerung bzw. zu den nicht-städtischen Siedlungen (räumliche Perspektive). (Siehe auch: Verstädterung)
- Urbanisierung ist die Ausbreitung und Verstärkung städtischer Lebens-, Wirtschafts- und Verhaltensweisen (gesellschaftliche Perspektive). Zudem schliesst der Begiff Urbanisierung meistens die Aspekte der Verstädterung mit ein.
Arten der Urbanisierung
Es wird zwischen verschiedenen Arten der Urbanisierung unterschieden:
- physiognomische Verstädterung:
Sie bedeutet eine Ausbreitung städtischer Wohnformen und Flächennutzung. - funktionale Verstädterung:
Es kommt zu einer Verflechtung zwischen Stadt und Land ("Stadt-Land-Kontinuum"). Dabei breitet sich die städtische Produktion aus und es entwickeln sich neue Kommunikations- und Informationsnetze. - soziale Verstädterung:
Das Umland nimmt Normen und Wertvorstellungen der städtischen Bevölkerung an, und auch das Konsumniveau und die Haushaltsführung gleichen sich an. Gesamtgesellschaftlich stellt sich Urbanität ein. - demographische Verstädterung:
Diese kennzeichnet den (steigenden) Anteil der in Städten lebenden Bevölkerung eines Gebietes, Landes oder Staates. Die Verstädterung kann sowohl als demographischer Zustand (Verstädterungsgrad - s.u. - oder -quote= Anteil der Stadtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung eines Gebietes, Landes oder Staates), als auch als demographischer Prozess (Verstädterungsrate = Zuwachs der städtischen Bevölkerung bzw. des Verstädterungsgrades) verstanden werden. - Verdichtug des Städtesystems:
Die Zahl der Städte nimmt zu, dies kann durch Neugründungen oder Verleihung des Stadttitels geschehen. Typische Gründungsphasen sind Hochmittelalter, Barock (Residenz-/Festungsstädte) und das Industriezeitalter (z.B. Wolfsburg, Eisenhüttenstadt).
Messung von Urbanisierung
Verstädterungsgrad = Anteil der Stadtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung.
Sie gibt das Ausmaß der Verstädterung in einem Raum an. Der Verstädterungsgrad betrug im Jahr 2000 weltweit 45 %.
Verstädterungsrate = Zuwachs des Anteils der Stadtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung
Sie gibt die Zunahme der Verstädterung in einem Raum an. Die durchschnittliche Verstädterungsrate betrug im Jahr 1990 weltweit 4,2 %.
Wichtige Umstrukturierungsprozesse
Eng mit der Urbanisierung verbunden sind folgende Prozesse, die nacheinander oder auch gleichzeitig auftreten können:
- Umverteilung von Bevölkerung und Beschäftigung zwischen Kernstadt und Umland (Suburbanisierung)
- Entstädterung, also Bevölkerungs- und Beschäftigungsabnahme (Desurbanisierung oder Counterurbanisierung)
- erneute Urbanisierung nach erfolger Entstädterung (Reurbanisierung)
Unterschiede der Verstädterung in Industrie- und Entwicklungsländern
Mit dem Prozess der Verstädterung war in den Industrieländern die Umgestaltung von einer traditionellen ländlichen Gesellschaft in eine stark arbeitsteilig-urbane Gesellschaft verbunden. Hier ging der Industrialisierung und Verstädterung entweder eine tief greifende Agrarreform voraus, oder beide Prozesse erfolgten gleichzeitig.
Die Verstädterung in den heutigen Entwicklungsländern setzte in den 1920er-Jahren in Lateinamerika ein und hat seit dem Zweiten Weltkrieg auf alle Länder übergegriffen. Jedoch weist sie gegenüber dem Verstädterungsprozess der Industrieländer grundlegende Unterschiede auf:
- In den meisten Entwicklungsländern geht die Verstädterung in der Regel der Industrialisierung weit voraus und erfolgt meist unkontrolliert (siehe auch "Megastadt"). Die in den 1950er- und 1960er-Jahren in das Städtewachstum gesetzte Hoffnung, Motor der Modernisierung zu sein, hat sich kaum erfüllt.
- Die städtische Bevölkerung in den Entwicklungsländern wächst wesentlich stärker als in den meisten europäischen Industrieländern während ihres größten Wachstums in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ohne die kommunalpolitischen Traditionen der "okzidentalen Stadt" (nach Max Weber).
- In den Industrieländern wuchsen die Städte im 19. Jahrhundert hauptsächlich durch Zuwanderung, weniger durch natürliches Bevölkerungswachstum. Auf den Mega-Städten der Entwicklungsländer lastet dagegen ein doppelter Druck: Die starke Zuwanderung (40-50 % des jährlichen Wachstums) wird von einem noch höheren, wenn auch sich abschwächenden natürlichen Wachstum begleitet.
- Die Industrialisierung erfolgte in den Industrieländern durchweg durch nationale Eigenanstrengungen und unter enger Verknüpfung der verschiedenen industriellen Branchen miteinander und mit den übrigen Wirtschaftssektoren. Mit Ausnahme weniger Newly Industrializing Countries (NIC) und Schwellenländer fehlen in den Entwicklungsländern diese aufeinander abgestimmten, miteinander verknüpften Prozesse.
Siehe hierzu: Verstädterung in Entwicklungsländern
Motive der Land-Stadt-Migration
"Push-Faktoren" des ländlichen Raumes
- Demografische Faktoren
- Starkes Bevölkerungswachstum, Übervölkerung
- Überalterung
- Ökologische Faktoren:
- Ungünstige natürliche Standortbedingungen, hohe Abhängigkeit von Naturbedingungen
- Bodenzerstörung, Desertifikation
- Überschwemmungsgefährdung
- Naturkatastrophen
- Ungünstige natürliche Standortbedingungen, hohe Abhängigkeit von Naturbedingungen
- Wirtschaftliche Faktoren:
- Geringe Betriebsgrößen bzw. fehlender Landbesitz
- Niedrige Einkommen, Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung
- Niedrige Erträge, Subsistenzlandwirtschaft
- Mangelhafte Ausstattung mit Betriebsmitteln
- Marktferne oder fehlende Märkte von Zwischenhändlern
- Häufig Verschuldung bei Geldverleihern
- Mangelhafte Infrastruktur:
- Mängel in der Gesundheitsversorgung
- Unzureichende Bildungs- und Ausbildungsangebote
- Fehlende kulturelle und Freizeit-Angebote
- Schlechte Verkehrserschließung und -anbindung
- Gesellschaftliche Faktoren
- Soziale Kontrolle in der dörflichen Gemeinschaft
- Ethnische & soziale Konflikte, Kriege & Bürgerkriege
- Vernachlässigung durch die Politik
"Pull-Faktoren" der Städte
- Wirtschaftliche Erwartungen
- Arbeitsplätze
- Höhere Einkommen
- Berufliche Aufstiegschancen
- Verbesserte(r) Konsum/Versorgung
- Soziale Erwartungen
- Größere Unabhängigkeit durch Reduzierung der sozialen Kontrolle
- Bildungs-/Ausbildungschancen
- Bessere Gesundheitsversorgung
- Höhere Wohnqualität
- Altersversorgung
- Vielfältige kulturelle Freizeitangebote
- Höherer Lebensstandard
- Modernität der städtischen Lebensweise, vorgespielt durch Massenmedien
Literatur
- H. Heineberg(2000): Grundriss Allgemeine Geographie: Stadtgeographie Stuttgart:UTB ISBN 3825221660
- J. Bähr (2001): Urbanisierung - eine Einleitung Kiel (Elektronische Quelle: [1])
- W. Gaebe (2004): Urbane Räume UTB ISBN 3825225119
Siehe auch
Vorlage:Wiktionary1 Landflucht, Bergflucht, Verstädterung, Stadtsoziologie, Verstädterung in Entwicklungsländern