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Anti-Sprichwort

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Ein Antisprichwort ist die Transformation einer stereotypen Wortsequenz wie etwa eines Sprichworts, eines "geflügelten Wortes" oder einer Redewendung mit dem Zweck einer humoristischen Wirkung.

Stereotype Wortsequenzen sind dabei im wesentlichen festgelegte Wortfolgen, die einer großen Gruppe von Menschen bekannt sind, beispielsweise das Sprichwort Viele Köche verderben den Brei. Wird diese Sequenz mitsamt ihrer Bedeutung verändert (beispielsweise zu Viele Köche verderben die Köchin), so liegt eine solche Transformation vor.

Die Einteilung der Transformationen nach formalen Kriterien

  • Assoziation: Die Ähnlichkeit mit der ursprünglichen Sequenz reicht für die Identifizierung aus. Darüber hinaus besteht kein formaler Zusammenhang. Beispiel: Das höchste Glück der Pferde ist der Reiter auf der Erde.
  • Homonym-Wechsel: Ein Wort mit mehreren Bedeutungen erfährt eine Neu-Interpretation. Beispiel: Alle Menschen sind gleich – mir jedenfalls. Hier wechselt das Wort "gleich" die Bedeutung von gleichwertig zu gleichgültig.
  • okkasionelle Anspielung: Der Zusammenhang ist nicht sprachlich, sondern durch die Situation gegeben. Beispiel: Das hilft auch nichts, Pilatus! (auf einem Händetrockner).
  • Permutation: Der Sinn von Wörtern wird durch Umstellung geändert, die syntaktische Struktur bleibt aber gleich. Beispiel: Besser reich und gesund als arm und krank.
  • Reduktion: Die Sequenz wird in einer den Sinn ändernden Weise verkürzt. Beispiel: All's well that ends. Das letzte Wort ("well") ist weggelassen.
  • Substitution: Teile der Sequenz werden durch etwas anderes ersetzt. Beispiel: Ein Tritt sagt mehr als tausend Worte (statt "Ein Blick ...").
  • Supplementierung: Ein inhaltlich kontrastierende Zusatz wird angefügt. Beispiel: A man's home is his castle - let him clean it.
  • syntaktischer Wechsel: Die semantische Struktur des Satzes wechselt bei gleichbleibender Wortfolge. Beispiel: Der Mensch denkt: Gott lenkt.

Die Einteilung der Transformationen nach inhaltlichen Kriterien

  • Abschwächung:. Die Aussage wird zwar zuerst beibehalten, dann aber durch einen Zusatz relativiert. Beispiel: Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.
  • Apologie: Die ursprüngliche Sequenz wird gegen Angriffe verteidigt. Beispiel: Kunst kommt von können, nicht von wollen, sonst würde es Wulst heißen.
  • Athese: Die Aussage der ursprünglichen Sequenz wird zerstört, ohne daß eine sinnvolle neue entsteht. Beispiel: Ein Kamel geht leichter durch ein Nadelöhr, wenn man es vorher einfettet.
  • Konservation: Der Sinn bleibt ähnlich. Beispiel: Durch Fehler wird man klug - darum ist einer nicht genug.
  • Kontrast: Die ursprüngliche Aussage wird zu einem anderen Lebensbereich in Beziehung gesetzt. Beispiel: Nach Adam Riese und Eva Zwerg.
  • Metaphernbruch: Wörtliche Interpretation von Metaphern ändert den Sinn. Beispiel: Männer aus Stahl gehören eines Tages zum alten Eisen.
  • Neogenese: Die Aussage des transformierten Satzes ist von der des urspünglichen unabhängig: Beispiel: Ein Tritt sagt mehr als tausend Worte.
  • Rejektion: Die ursprüngliche Aussage wird abgewehrt. Beispiel: Wir ziehen alle am selben Strang. Nur: an verschiedenen Enden.
  • Synthese: Nur die transformierte Sequenz enthält eine Aussage, die ursprünglichen Sequenzen sind bloß Redewendungen. Beispiel: Alle wollen zurück zur Natur, aber keiner zu Fuß.

Einige dieser formalen und inhaltlichen Einteilungs-Klassen werden noch weiter untergliedert.

Typen der humoristischen Effekte

  • Bisoziation: Diesen Begriff hat Arthur Koestler geprägt. Ein witziger Text gehört gleichzeitig zwei semantischen Ebenen an, wovon dem Hörer oder Leser zu Beginn nur einer bewusst wird. In der Pointe wird dann schlagartig auf die andere Ebene umgeschaltet, was das Lachen auslöst. Gut erkennt man diesen Mechanismus an folgendem Beispiel: "Ich will ja nur dein Bestes" – "aber das bekommst du nicht".
  • Destruktion: Das Herabziehen des Erhabenen ins Banale hat etwas Befreiendes und wird generell witziger empfunden als das Gegenteil. So sind auch viele der humoristischen Transformationen von dieser Art. Beispiel: Jesus may love you – but will he respect you in the morning?
  • Kontrast von Form und Inhalt. Ein Beispiel ist der oben erwähnte Reiter auf der Erde – eine banale Ungeschicklichkeit in hehrer literarischer Form. So ein Satz ist auch dann witzig, wenn man die ursprüngliche Sequenz nicht kennt.
  • Katastrophen-Fiktion: Im Gegensatz zu realen Katastrophen können bloß vorgestellte durchaus humoristisch wirken. So in der transformierten Sequenz: Das Licht am Ende des Tunnels ist wahrscheinlich Mündungsfeuer.

Literatur

Erika Gossler: Besser arm dran als Bein ab. Anti-Sprichwörter und ihresgleichen (2005).

siehe auch