Rathaus (Kempten)

Rathaus in Kempten, Bayern, Deutschland
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Das Rathaus (früher auch Kornhaus) im Stadtkern von Kempten ist ein Baudenkmal mit der Funktion eines Rathauses. Der heutige Steinbau stammt aus dem Jahr 1474. An gleicher Stelle entstand 1368 ein Fachwerkbau, der als Kornspeicher diente. Seit 1382 diente das Bauwerk zumindest teilweise als Rathaus für den Stadtrat, das Gericht und Finanzhaus. Heute hat der Stadtrat, das Kulturamt sowie die Oberbürgermeister und die Bürgermeister Kemptens ihren Sitz im Rathaus.[1]

Das Rathaus von Kempten im Jahr 2007.

Lage

 
Der Plan aus dem Urkataster von 1823/26 zeigt die Position des Rathauses auf dem heutigen Rathausplatz.

Das frei stehende Rathaus steht auf dem Rathausplatz, der früher als Marktplatz diente. 1826 nannte sich die Fläche um das Gebäude noch Markt-Gasse. Heute führt die Rathausstraße zur Kempter Freitreppe über der sich das Dorn-Schlössle erhebt. Diese Straße nannte sich wegen des dortigen Holzhandels Holzmarkt. In die entgegengesetzte Richtung gelangt man zur ältesten Kirche der Stadt, der St.-Mang-Kirche, um der sich bis in das 16. Jahrhundert auch der Friedhof der Erasmuskapelle befand.[2][3]

Am Rathausplatz befinden das Ponikauhaus im Norden, der Fürstenhof und der Londoner Hof im Osten, das Neubronner Haus mit dem alten Zollamt im Süden. Des Weiteren findet man in der Nähe auch die Königschen Häuser, das Müßiggengelzunfthaus des Reichspatriziats sowie das Weberzunfthaus.

Baugeschichte

Die heutige Stadt Kempten war bis in das 19. Jahrhundert zweigeteilt. Die Stadtmauer stellte lange Zeit eine gewisse Selbstständigkeit der Reichsstadt Kempten dar. Auf der anderen Seite der Stadtmauer befand sich das Fürststift des Abtes mit weiten Grundstücken im Westen von Kempten, auf welche die Reichsstadt keinen Zugriff hatte. Viele Gründstücke und Gebäude des Fürstabtes lagen auch auf dem raren und dichtbebauten Boden der Reichsstadt.[RH 1] Darunter auch die Erasmuskapelle aber auch das Rathaus. Dieses verfeindete Szenario endete im Jahr 1802 mit der Säkularisierung durch bayerische Truppen.

14. Jahrhundert: Ursprünge und Vorentwicklungen

 
Urkunde über den Bau eines Kornhauses an der Stelle des Rathauses von 10. November 1368.

Das Rathaus hat seine Ursprünge im Jahr 1368.[4][1] Zu diesem Zeitpunkt befand sich an der heutigen Stelle des Rathauses ein Fachwerkbau, der als Kornspeicher gedient haben soll. Im November des gleichen Jahres entstand ein Lehensvertrag zwischen der Reichsstadt und dem Fürstabt Heinrich von Mittelberg.[RH 1]

Der erste Rat wurde nach der Anerkennung der Reichsstadt Kempten durch Karl IV. im Mai 1361 gebildet. Im Dezember wurden daraufhin 12 Räte ernannt. Hierbei wurden sechs vom Abt, aus zehn von der Bürgerschaft Vorgeschlagenen, gewählt. Das Gleiche geschah auch umgekehrt. Der erste Bürgermeister der Reichsstadt hieß Heinrich Schultheiß der auch Heinrich der Spickel genannt wurde.[RH 1]

Die Ratssitzungen fanden lange Zeit in Geschäften oder Lagerräumen statt. Erstmals erwähnt wird die Nutzung eines Kornspeichers als Rathaus im Jahr 1382.[1] Ab da werden die Begriffe Kornhaus (nicht zu verwechseln mit dem stiftsstädtischen Kornhaus) und Rathaus als Synonym in alten Dokumenten benutzt. Wann genau das Kornhaus in die Hände der Reichsstadt überging, ist unklar.[RH 2]

Wegen des Lehensvertrags gab es immer wieder Konflikte mit dem Abt. Nach dem Tod eines Lehensnehmers soll die Reichsstadt keinen Nachfolger ernannt haben. Der Fürstabt meinte, dass das Kornhaus dadurch an ihn zurück falle. Ein Schiedsgericht, bestehend aus Bürgern von Regensburg und Ulm sowie den Bürgermeister Hans Kup aus Memmingen, kam zum Entschluss, dass das Kornhaus durch die Reichsstadt weiterhin verwendet werden kann und es zu keinem Vertragsbruch kam.[RH 2]

15. Jahrhundert: Bau eines Steinhauses

 
Portraits von Gordian Seuter (Bürgermeister der Reichstadt) und der feindliche Fürstabt Sebastian von Breitenstein.

Der Rat, die Gerichtsbarkeit und der Kornhandel benötigte stets mehr Platz. Nach ältesten Dokumenten wurde der Holzbau im Jahr 1474 durch einen größeren, massiven, schlichten Steinbau ersetzt.[1][4] Dabei nahm die Reichsstadt einen Kredit von 3000 Pfd. Heller bei St. Mang auf. Dieser Steinbau entspricht dem heutigen Bauwerk in den Abmessungen. Auf eine besondere Ausschmückung hat man beim Neubau jedoch verzichtet, der Boden gehörte immer noch dem verfeindeten Stift. Historiker nehmen an, dass bereits vor 1525 der Grund der Reichstadt gehört. Bei dem Großen Kauf von 1525 zwischen der Reichsstadt und dem Stift, wird im Kaufregister kein Rathaus oder Kornhaus erwähnt.[RH 3]

Im zweiten Stock befanden sich zwei Säle mit einem Zwischenraum. Ein Saal war klein, der andere groß. Im ersten Stock befand sich ein durchgehender Raum. Im Erdgeschoss befanden sich zwei Räume mit einer Grundfläche von etwa 400 m².[RH 4]

16. Jahrhundert: Erste gestalterische Maßnahmen

 
Die erste gedruckte Abbildung des Rathauses stammt aus dem Jahr 1569.

Durch das 1488 durch Kaiser Friedrich III. verliehene Recht, sich durch Ämter selbst verwalten zu können und durch die Münzprägeerlaubnis aus dem Jahr 1510, sowie durch das Einführen eines eigenen Gerichtswappens und Gerichtssiegels, stieg das Selbstbewusstsein der Reichsstadt stark an. 1525 kaufte sich die Stadt mit dem Verhandlungsgeschick („Großer Kauf“) durch den Bürgermeister Gordian Seuter vom Fürstabt los.[RH 4]

Dies lässt sich an größeren Baumaßnahmen im 16. Jahrhundert erkennen. In den 1560er Jahren wurde viel auf das Verschönern und Verbessern des Rathauses gelegt. Nach einem Ratsprotokoll vom Juni 1564 setzte man das Trompetermännle (in alten Urkunden als Trompetenmännlein bezeichnet) mit einer Rüstung auf das Dach. In Dokumenten vom August 1567 wird beschrieben, dass man den kleinen Turm auf dem Westgiebel gebaut hat. In diesem Turm baute man die kleine Glocke der St.-Michaels-Kapelle, heute als Erasmuskapelle bekannt, ein. Diese Glocke stammt aus dem Jahr 1300.[1] Aus dem Jahr 1569 stammt die erste gedruckte Abbildung der Stadt, auf welcher auch das Rathaus in seiner heutigen Form zum ersten Mal dargestellt wird.[RH 5]

Die gestalterischen Maßnahmen endeten mit einer drastischen Teuerung von 1571 wo die Gelder anderweitig benötigt wurden. Um eine Hungersnot zu vermeiden, wurden die Kornkammern des Rathauses geöffnet und Korn zugekauft.[RH 5]

17. Jahrhundert: Krisenjahre im Renaissance-Rathaus

Im 17. Jahrhundert erfolgte die bauliche Stiländerung des Rathauses. Die spitzen Türme und treppenähnlichen Giebel der Gotik wurden durch Renaissanceelemente abgelöst. 1628 brach in Kempten eine von vielen Pestseuchen aus. Die Reichsstadt Kempten verlor 2735 Einwohner. Kurz darauf wurde die Reichsstadt im Dreißigjährigen Krieg abwechselnd durch kaiserliche Truppen und durch schwedische Truppen besetzt. Im Januar 1633 stürmten kaiserliche Truppen die Reichsstadt und nahmen einem Drittel der Bevölkerung das Leben. Dieser Akt wird als Rachefeldzug des Kaisers gesehen. Die Schweden zerstörten vorher das Kloster des Fürstabts, unterstützt wurden die Schweden von Reichsstädtern. Als Folge versammelten sich die Überlebenden im Rathaus. Zwei Tage wurden die Männer eingesperrt, um sich zu beraten. Ofen und Fenster wurden durch die Angriffe beschädigt. Durch die Brände während der Eroberungen gingen auch ein Teil der im Rathaus gelagerten Archivalien verloren. 1642 wurde der durch den Angriff beschädigte Brunnen vor dem Rathaus wieder reparieren. Für den Geheimen Rat wurde 1664 ein Zimmer in der [[Erasmuskapelle] eingerichtet.[5][6]

18. Jahrhundert: Verzicht auf eine Barockisierung

In Folge des Spanischen Erbfolgekriegs wurde auf Befehl eines französischen Generals ein Wachhaus im Jahr 1703 auf der Ostseite angebaut. Dieser Anbau wurde 1823 durch ein Neues ersetzt.[RH 6] Man verzichtete im 18. Jahrhundert auf eine Barockisierung des Rathauses.[6]

19. Jahrhundert: Kempten wird bayerisch

 
Der ausgeführte Entwurf von Ludwig von Kramer.
 
Zwischen 1878 und 1897 erstellte Fotografie vom Rathaus mit der Umsetzung von Kramer.

In Folge des Spanischen Erbfolgekriegs versprach Napoleon Bonaparte dem bayerischen Kurfürsten die schwäbischen Reichsstädte. Um sich dies zu sichern, besetzten Max I. Josephs Truppen die Reichs- und Stiftsstadt Kempten am 27. August 1802. Durch ihn wurden die beiden Städte zwangsvereint. Als Folge der Vereinigung wurde der reichsstädtische Rat aufgelöst. Der Bürgermeister Jakob von Jenisch legte sein Amt freiwillig nieder. 1804 bekam die Stadt einen Verwaltungsrat, der das zwischenzeitliche Magistrat ersetzte. Der neue Rat bestand aus fünf Verwaltungsräten und einem Bürgermeister.[RH 7]

Die veränderten Verhältnisse in der Stadt benötigten mehr Platz im Rathaus. Das Stadtgericht besaß zu der Zeit nur einen kleinen Gerichtssaal, das Rechen- und Knechstüble. Wegen den verengten Platzverhältnissen beschloss man im Februar 1808 die notwendigen Baumaßnahmen zur Umstrukturierung. Die Stadt war so verschuldet, dass sie kein Geld für die benötigten Veränderungen aufbringen konnte. So nahm sie einen Kredit von 17.000 Gulden beim bayerischen Innenministerium auf. Bei dem Umbau wurden mehrere Wände abgebrochen. Die Steinböden wurden durch Dielen ersetzt. Sowie die Treppe zum Dachboden wurde erneuert. Neue Tür- und Fensterstöcke haben die Handwerker auch verbaut. Die neuen Öfen benötigten zusätzliche Kamine, die mit einem Zug über das Dach geführt wurden. Die ganzen Arbeiten wurden im Sommer 1810 vollendet.[RH 7]

Im Jahr 1818 konnten die Bürger wegen der ersten Bayerischen Verfassung wieder einen Magistrat wählen. Der Magistrat bestand aus einem Bürgermeister, Rechtsrat, Stadtschreiber, acht bürgerlichen Magistratsräten und 24 Gemeindebevollmächtigten. Das Magistrat hatte seinen Sitz im Rathaus. Ein Jahr zuvor wurde das Gericht aus dem Rathaus in die Residenz verlegt. Im Rathaus blieb somit nur noch die Stadtverwaltung.[RH 6]

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es zu erneuten Baumaßnahmen. Das stetige Wachstum der Stadt benötigte wieder mehr Platz. Neue Funktionen, die man wegen der Zugehörigkeit zu Bayern benötigte, brauchten auch mehr Raum.[RH 6]

Nach dem die letzten großen Maßnahmen zum Erhalt des Rathauses gute 50 Jahre zurücklagen, entschloss sich der Stadtrat im Jahr 1870 für eine Restaurierung des Rathauses. Diese Restaurierung war notwendig geworden, da bereits 1867 ein Aufzuggiebel sicherheitshalber abgerissen wurde. Kurze Zeit nach dem Beschluss erklärte Frankreich den Krieg. Die größeren Baumaßnahmen wurden deswegen auf friedlichere Zeiten verlegt. Manche Arbeiten wurden aber dennoch ausgeführt. So wurde die Rathauskanzlei für 100 Gulden verlegt.[RH 8]

Die größte Baumaßnahme des 19. Jahrhunderts stammt vom Künstler namens Ludwig von Kramer (1840–1908)[7]. Das Rathaus wurde wegen des guten wirtschaftlichen Wohls und des Historismus in eine wuchtige Neurenaissancegestaltung umgebaut.[4] Man entschied sich für ein Fresko für die Ostfassade. Im Frühjahr 1874[8] haben die Abbrucharbeiten an der alten Fassade begonnen. Die Sitzungen des Rats fanden in dieser Zeit im Saal der Weberzunft statt. Wiederverwendbare Teile vom Abbruch wie Eisen, Ziegel, Holz und Fensterstöcke wurden versteigert. Um einen preiswerten Handwerker für die auszuführenden Arbeiten zu finden, wurden Wettbewerbe in Zeitungen ausgeschrieben. Noch im gleichen Jahr wurde das Fresko vollendet, der Turm restauriert. Die ersten Arbeiten im Inneren fanden auch statt. An den restlichen Fassaden arbeitete man bis 1878. Statt der genehmigten 65.386,86 Mark kosteten die gesamten Arbeiten etwa 165.000 Mark.[RH 9]

Bereits 1897 empfand man den Zustand des Rathauses als unhaltbar. Die Fresken fingen an abzublättern. Verschiedene Teile des Sandsteins splitterten ab. Im Mai 1898 unterbreitete man dem Magistrat einen Vorschlag eines Architekten vor. Geplant war keine völlige Neugestaltung, sondern ein Konzept um die Bauschäden auszubessern. Letztlich traf der Rat die Entscheidung, dass nur Teile des Konzepts durchgeführt werden sollen. Das gesamte Konzept wäre wegen der hohen Kosten nicht mehr tragbar. Den Giebel deckte man so mit Granitplatten ab. Die Büste eines Prinzregenten wurde durch eine größere Neue ersetzt.[RH 10]

Während der Arbeiten am Dach tauschte man das bereits einarmige, teilweise schon siebartige Trompetermännle aus. Ebenso tauschte man im Jahr 1899 die Figur der Gerechtigkeit aus. Die alte Figur wurde restauriert, grau gemalt und einem Kemptener Museum übergeben. Die neue Justitia wurde aus Kupfer hergestellt und in München ausgestellt. Im gleichen Zeitraum baute man eine Zentralheizung ein.[RH 11]

20. Jahrhundert

Einzug in das Erdgeschoss

Die ständig veränderten Strukturen der Stadt benötigten gleich zu Beginn des 20. Jahrhunderts erneut mehr Platz. Das bisher größtenteils vermietete Erdgeschoss wurde im Jahr 1902 für die Polizei, das Arbeitsamt und den Kassenraum umgebaut. Im großen Saal richtete man einen u-förmigen Tisch ein, der den zu klein gewordenen runden Tisch ersetzte. 1906 endete der Kornverkauf mit jahrhunderter langer Tradition im Erdgeschoss. Man richtete dort das Einwohnermeldeamt ein.[RH 12] In der Zeit des amtierenden Bürgermeisters Otto Merkt fanden weitere räumliche und organisatorische Aufteilung der Räume im Rathaus statt. Dabei entstand auch ein neuer Raum für das Bürgermeisteramt.[RH 13]

Durch den Kemptener Architekten Sepp Zwerch fand eine Gotisierung im Inneren des Rathauses in den Jahren 1934 bis 1937 statt.[1] Als Erstes griff man in den Ratssaal ein. Man verwendete die seit 1912 zwischengelagerte Ausstattung der alten Weberzunft. Die Zeit des Nationalsozialismus hinterließ auch im Rathaus ein Nationaldenken. Es wurde versucht, einen historischen Kontext zwischen dem Rathaus und dem alemannischen oder pfälzischen Königshof zu erstellen.[RH 13]

In den Jahren 1937 und 1938 stand die äußere Gestaltung im Vordergrund der Arbeiten. Der erste Vorschlag, die Fassaden wieder gotisch zu gestalten, kam vom Landesamt für Denkmalpflege. Dieses wies auf die problematische gründerzeitliche Gestaltung von Kramer hin. Ebenso benötigte die Motorisierung mehr Räume für die Ordnunspolizei, Kfz-Abteilung und Registratur. 1938 malte Franz Weiß ein Fresko des Heinrichs von Kempten auf die Südfassade.[1] Der Balkon im Süden wurde vereinfacht. Auf der Westfassade mauerte man die Nische der Königsbüste zu und entfernte sämtlichen Zierrat. Am Giebel baute man wieder einen kleinen Turm. Die Nordfassade erhielt einen neuen Aufzuggiebel. Das Dach erhielt Schleppgauben.[RH 14]

Nachkriegszeit und großer Umbau

Als 1972 die Ortschaften Sankt Mang und Sankt Lorenz zu Kempten eingemeindet wurden, benötigte der Stadtrat mehr Platz für die 44 Personen, denn vorher waren es 32. Um Platz zu schaffen, brach man unwichtige Holzsäulen aus. Man erweiterte die Tische und bestellte zehn neue Stühle.[RH 15]

Bis 1985 wurden am Rathaus keine größeren Baumaßnahmen unternommen. Das Rathaus blieb bis auf wenige Veränderung den Plänen von Sepp Zwerch gleich. Die Stadt erkannte in den 1980ern aber, dass das Rathaus der modernen Stadtverwaltung nicht mehr gerecht wurde. So zog auch die Polizei aus dem Erdgeschoss in ein eigenes, neues Gebäude ein. In den Jahren 1984 und 1985 erstellte man gemeinsam mit dem noch lebenden Sepp Zwerch (gestorben im Jahr 1985) komplett neue Pläne die eine neue Raumaufteilung inne hatten. Im Erdgeschoss richtete man eine großzügige Empfangshalle ein. Dabei grub man etwa drei Treppenstufen tief in den Boden, um an Raumhöhe zu gewinnen. Die alten Holzpfeiler wurden mit Beton unterfangen. In einem Flur und zwei Räumen legte man Fundamente und Säulenreste aus dem 15. Jahrhundert frei. Diese wurden mit einer begehbaren Sichtscheibe aus Glas verdeckt. Bei den Baumaßnahmen kam auch das Trauzimmer in das Rathaus zurück.[RH 16]

Im Außenbereich wurde das Dach neu gedeckt und der Westturm wurde stabilisiert. Der Reichsadler und Patrizierwappen auf den Fassaden wurden generalüberholt und die Uhr an der Westseite erneuert. Die Darstellung „Heinrich der Kempter“ wurde völlig neu erstellt.[RH 16]

Die ganzen Arbeiten wurden 1987 vollendet. Unter dem Oberbürgermeister Josef Höß wurde das modernisierte Rathaus am 18. Oktober 1987 mit einem Tag der offenen Tür feierlich eröffnet.[RH 16]

Geplante, aber nicht durchgeführte Baumaßnahmen

 
Nicht durchgeführter Plan für die Südfassade von Rudolf Knapp (1873)
 
Wettbewerbsentwurf zur Erweiterung des Rathauses aus dem Jahr 1939 von Sepp Zwerch. Die rote Kolorierung markiert den Altbau, die blaue Farbe den entworfenen Anbau.

Zwischen 1823 und 1857 entstanden Pläne für eine Regotisierung. Man wollte die Fassade einheitlich gestalten. So sieht man auf den Plänen der Regotisierung Spitztürme anstatt der Zwiebeltürme. Auch zinnenbewahrte Ausgucke auf den seitlichen Türmchen waren geplant. Viele Fenster wurden zusammengefasst.[RH 17]

Ein weiterer Plan stammt von einem Rudolf Knapp aus 1873 und stellt lediglich die Südfassade dar. Die Fassade ist symmetrisch gegliedert und hat einen Mittelrisalit über drei Fensterachsen sowie einen Balkon im zweiten Stockwerk und einen barocken Giebel. Türen und Fenster sind gleichmäßig aufgeteilt.[RH 18]

1936 kam der Vorschlag auf, ein neues Rathaus gegenüber der Residenz zu erbauen. Im alten Rathaus sollte ein Heimatmuseum untergebracht werden. Otto Merkt lehnte diesen Vorschlag jedoch mit der Begründung ab, dass man an sich historischen Entwicklungen festhalten soll. Das Rathaus gehöre nach seinen Angaben an den alten Markt, dort sei der Mittelpunkt der Stadt. Obwohl für das Rathaus immer mehr Gebäude am Rathausplatz angemietet, zwangsenteignet oder gekauft wurden, hatte die Stadtverwaltung weiterhin wenig Platz. So entstanden drei Entwürfe, darunter auch wieder einer von Sepp Zwerch, die einen deutlichen Ausbau des Rathauses erkennbar machten. Die Pläne wurden jedoch nicht ausgeführt. Das Landesamt für Denkmalpflege und die Stadt empfanden den vorgestellten Anbau als zu groß, welcher das alte Rathaus daneben als klein wirken lassen würde.[RH 19]

Beschreibung

 
Wappen der Patrizierfamilien. Von links: König, Seuter, Dorn, Stadtmül[l]er, (Doppeladler), Kesel, Schmelzer, Jenisch und Neubronner

Das Gebäude ist drei Geschosse hoch und hat Treppengiebel an der Ost- und Westseite, die einen Eintritt in das Gebäudeinnere ermöglichen.[4]

Außenbereich

Auf dem östlichen Treppengiebel befindet sich mittig ein recheckiger Turm mit einer Zwiebelhaube und dem Trompetermännle drauf. Unter dem Turm befindet sich die Figur der Justitia, die auf das im Rathaus ehemals befindliche Gericht hinweist. Weiter darunter befindet sich ein auf der Fassade aufgemalter Doppeladler, auf deren Seiten links und rechts insgesamt acht Patrizierwappen dargestellt sind. An den Seiten des Treppengiebels befinden sich kleinere Türmchen, auf denen sich ein zwiebelhaubiges Dach mit Doppeladler befindet. Im Westen befindet sich in der Mitte des Treppengiebel ein deutlich kleinerer Glockenturm mit zwiebelförmigem Dach. Auf der Südfassade befindet sich ein Balkon und daneben ein Fresko des Heinrich von Kempten.[4][9]

Innenbereich

Im großen Sitzungssaal befindet sich eine spätgotische Holzdecke die etwa 1460 entstanden ist und ehemals einen Raum im Weberzunfthaus ausstattete.[4][9]

Funde

Während der Baumaßnahmen in den 1980ern wurden zahlreiche archäologische Untersuchungen gemacht. Dabei wurden ornamentale Malereien und figürliche Darstellungen im großen Sitzungssaal entdeckt.[RH 20]

Beim Ausheben wurden ebenso Untersuchungen gemacht. So fand man Spuren, die auf eine römische Siedlung im 1. und 2. Jahrhundert hinweisen. Es wird angenommen, dass sich auf der Fläche der einstigen Reichsstadt eine Vorstadt von Cambodunum, die Vorgängersiedlung von Kempten, befand. Man fand auch zahlreiche Keramikscherben, Tierknochen und Metallteile wie zum Beispiel ein Türschloss. Diese konnten in das Mittelalter datiert werden.[RH 21]

Rathausbrunnen

Vor dem Rathaus wurde 1576 ein Marktplatzbrunnen mit einer Brunnensäule aufgestellt. Der achteckige Brunnenkasten war aus Eichenholz, das gleiche gilt für die Säule, die noch zusätzlich mit Schnitzereien versehen, bemalt und vergoldet wurde. 1601 waren die Ansprüche größer geworden. Man wechselte die Holzkonstruktion durch ein Steinbecken aus. In der Mitte wurde eine 20 Zentner schwere, in Weilheim[10] gegossene Bronzesäule installiert. Am oberen Teil der Säule ist eine Figur. Diese hält in den Händen die Wappen der beiden patrizianischen Bürgermeister Raimund Dorn und Josef König. Dieser Brunnen besteht in seiner Form bis heute.[RH 22] Das schmiedeeiserne Gitter wurde am Brunnenbecken im Jahr 1886 angebracht.[1]

In den Jahren 1991 bis 1993 wurde der Brunnen komplett restauriert. Dabei hat man ihn auf ein Betonfundament etwas näher vor dem Rathaus aufgestellt. Die Säule wurde durch eine Neue ersetzt. Der alte „Römische Feldherr“ wurde in das Allgäu-Museum gebracht.[11]

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h Wolfgang Haberl: Kempten – Führer durch unsere Stadt – Bewahrtes und Verborgenes. 1. Auflage. Allgäuer Zeitungsverlag, Kempten 1980, ISBN 3-88006-057-6, S. 44–47.
  2. Urkataster der Stadt Kempten 1826 (vermessen 1823)
  3. Bernd-Peter Schaul (Hrsg.): Denkmäler in Bayern. Schwaben. Band VII. München 1986, ISBN 3-486-52398-8.(?!), S. 77.
  4. a b c d e f Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler - Bayern III - Schwaben. 2. Auflage. Deutscher Kunstverlag, München-Berlin 2008, ISBN 978-3-422-03116-6, S. 573.
  5. Birgit Kata: Der Schauraum Erasmuskapelle in Kempten (Allgäu). 1. Auflage. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg im Allgäu 2011, ISBN 879-3-89870-706-0(?!), S. 17.
  6. a b S. 74–78.
  7. Erwähnung des Lebenszeitraums von Ludwig von Kramer (abgerufen am 1. November 2011
  8. Max Förderreuther, Martin Kellenberger: Kemptener Heimatbuch. Josef Kösel & Friedrich Pustet KG, Kempten 1932, S. 81.
  9. a b Michael Petztet: Stadt und Landkreis Kempten. Deutscher Kunstverlag, München 1959, S. 36 f.
  10. Max Förderreuther, Martin Kellenberger: Kemptener Heimatbuch. Josef Kösel & Friedrich Pustet KG, Kempten 1932, S. 91.
  11. {Thomas Weiß (Hrsg.): In Bronze gegossen. Zur Geschichte des Kemptener Rathausbrunnens. 1. Auflage. Agrar-Verlag, Kempten 1993, ISBN 3-924809-15-1, S. 68.
  • Josef Höß [OB] (Hrsg.): Das Rathaus zu Kempten im Wandel der Geschichte. Eine Dokumentation. 1. Auflage. Allgäuer Zeitungsverlag GmbH, Kempten 1987, ISBN 3-88006-128-9.
  1. a b c S. 37–39.
  2. a b S. 40.
  3. S. 46.
  4. a b S. 61–66.
  5. a b S. 68–71.
  6. a b c S. 83–90.
  7. a b S. 81 f.
  8. S. 99.
  9. S. 99–109.
  10. S. 114 f.
  11. S. 118 ff.
  12. S. 121.
  13. a b S. 125 f.
  14. S. 129–133.
  15. S. 138 f.
  16. a b c S. 18–30.
  17. S. 94–98.
  18. S. 103.
  19. S. 135 f.
  20. S. 29 f.
  21. S. 148 ff.
  22. S. 72.

Literatur

Rathaus

  • Josef Höß [OB] (Hrsg.): Das Rathaus zu Kempten im Wandel der Geschichte. Eine Dokumentation. 1. Auflage. Allgäuer Zeitungsverlag GmbH, Kempten 1987, ISBN 3-88006-128-9.
  • Martin Kellenberger: Die Rathaussäle in Kempten. Kempten, 1934.

Rathausbrunnen

  • Thomas Weiß (Hrsg.): In Bronze gegossen. Zur Geschichte des Kemptener Rathausbrunnens. 1. Auflage. Agrar-Verlag, Kempten 1993, ISBN 3-924809-15-1.

Allgemeine Literatur

  • Allgäuer Zeitungsverlag (Hrsg.): Allgäuer Geschichtsfreund. Jahrgang 2, Kempten, 1889
Commons: Das Rathaus in Kempten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 47° 43′ 35,1″ N, 10° 19′ 0,8″ O

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