Seele

Gesamtheit aller Gefühlsregungen und geistigen Vorgänge beim Menschen
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Etymologisches

Das Wort Seele (griech.: psychä, pneuma, lat.: anima, altnordisch: sál, litauisch:siela ) stammt vom althochdeutschen se(u)la ab, was "die zum See Gehörende" bedeutet. Nach germanischer Vorstellung waren die Seelen der Ungeborenen und der Verstorbenen Teil eines Mediums ähnlich dem Wasser (Duden-Universalwörterbuch, Mannheim, 2003).

Im übertragenen Sinne wird mit Seele auch ein wichtiges Element eines Gegenstands, eines ideellen Objektes oder mehrerer Menschen bezeichnet.

Der englische Begriff soul deckt sich nicht völlig mit dem deutschen Begriff Seele. Der Begriff soul versteht sich praktisch nur als religiöse Vorstellung einer von Gott geschenkten und nach dem Tod weiterlebenden Seele. Im Deutschen hat der Begriff Seele ebenfalls einen religiösen Hintergrund und wird häufig auch durch den Begriff Psyche (aus dem Griechischen) oder Geist ersetzt.

Begriff - Systematisches

Der Begriff wird in unterschiedlichen Zusammenhängen mit verschiedenen Bedeutungen benutzt. Diese Bedeutung wird vor allem in der Philosophie, in der Religion und in der Psychologie verwendet.

Seelen-Begriffe in der Philosophie

Die klassische Philosophie (insbesondere Platon, Descartes sowie Thomas von Aquin) lehren die Unsterblichkeit der Seele. Diese folgt aus der Tatsache, dass die Seele eine immaterielle, einfache, d. h. nicht zusammengesetze Substanz ist. Weil sie nicht aus Teilen besteht, kann sie auch nicht zerstört werden bzw. vergehen. Die Gegenthese besagt, dass das Wesen der Seele der eines Computerprogrammes gleicht. Schaltet man den Computer aus, "verschwindet" das Programm und bleibt nicht erhalten (ist also nicht "unsterblich").

Seele bei Platon

Seele bei Platon wird in drei Teile geteilt:

  • in die Vernunftseele (logistikon) [das Denken und das Teilhaben durch Erkenntnis an den "Ideen": modern gesprochen an den "Naturgesetzen": den Strukturen (Logos), die die kosmische Welt, die soziale Welt und die psychische Welt aufbauen;
  • in die Affektseele (thymoeides) [wie Vertrauen, Zuneigung, Liebe, Angst, Hass, Neid...]
  • und die Triebseele (epithymätikon) [wie Nahrungs-, Sex-, Schlaftrieb.]

Für Platon ist nur der Vernuftseelen-Anteil der Seele (Psyche) unsterblich.

Seele bei Aristoteles und der mit ihr verbundenen kirchlich-thomistischen Seelen-Lehre

Seele bei Descartes

Seele bei Kant

Kant unterscheidet drei Wirklichkeitsbereiche: empirische, transzendentallogische und postulatorische Wirklichkeitsbereiche. „Seele“ gehört nach Kant dem postulatorischen Wirklichkeitsbereich an. Das sei erläutert.

Nach Kant hat jedes Erkennen nur mit Erscheinungen zu tun, nie aber mit den Dingen an sich: so wie sie unabhängig vom begrifflich wahrnehmenden Bewusstsein (= unabhängig von den wahrnehmenden menschlichen Verstandes- und Vernunftstrukturen) sind. Dennoch gibt es nach Kant objektive Welterkenntnis, insofern die Erkenntnisorgane bei allen Menschen gleich sind und so ein gleiches zwischenmenschlich feststellbares Wissen (objektives Wissen) möglich ist.

Kant nennt „Realität“ nicht nur die Wirklichkeiten der empirischen Welt, sondern auch die Wirklichkeiten der intelligiblen Welt. Zur intelligiblen Welt gehören nach Kant zunächst einmal die wahrnehmenden menschlichen Verstandes- und Vernunftstrukturen, deren Wirklichsein sich dem zeigten, der nach der Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis überhaupt fragte: „Ich nenne alle Erkenntnis transzendental, die sich nicht sowohl (nur) mit Gegenständen, sondern mit unserer Erkenntnisart von Gegenständen überhaupt beschäftigt, so fern diese vor aller Erfahrung möglich sein soll.“ (Kant, Reine Vernunft B, Seite 43 (=B 25) Diese Erkenntnisstrukturen werden von Kant beschrieben in der „Kritik der reinen Vernunft“, in der „Kritik der praktischen Vernunft“ und in der „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“. Kant nennt solche Verstandes- und Vernunftstrukturen-Wirklichkeiten (Realitäten) auch „Apriori-Wirklichkeiten“, weil sie nicht abstrahierend gewonnen würden nach irgendwelchen Erfahrungen (a posteriori), sondern weil diese unabhängig von irgendwelchen Erfahrungen vor aller Erfahrung (a priori) im Welt-Ganzen vorlägen: im Verstandes-Bereich von erkennenden Lebewesen als für sich existierende Bewusstseins-Erkenntnis-Strukturen, die man nicht auflösen könne als bzw. reduzieren könne auf „gewonnen aus der Erfahrung durch Abstraktion“, wie die Empiristen glauben.

Aber Kant kennt noch eine dritte Art von Realität: die Postulaten-Realitäten der moralischen (praktischen) Vernunft: „unsterbliche Seele“ und „Gott“. >Postulat< bezeichnet eine notwendige Annahme, um einen Sachverhalt sinnvoll bestehen lassen zu können. Wer den Vernunft-Begriff anwende auf Handlungen, wie sie moralisch sein sollen, müsse denkerisch zwingend die Existenz einer unsterbliche Seele und die Existenz Gottes annehmen, weil die moralische Vernunft Handlungen verlange, die zu einem Widerspruch führten zwischen dem Glückseligkeitsverlangen und dem Moralischsein. Kant selbst erläutert diesen Widerspruch nicht, er ist für ihn wohl zu offensichtlich und aufgrund seines individualistischen Personwürde-Begriffs nicht ausformuliert. Man kann diesen Widerspruch so erläutern: Menschen leben als einzelne nicht vereinzelt, sondern als Teil einer Gemeinschaft, eines Ganzen. Als Individuen hängen sie in ihrer Existenz immer von den Existenzbedingungen des Ganzen ab, von dem sie ein Teil sind. Wer die Existenzbedingungen eines Ganzen verbessern will, erleidet oft existenzielle Nachteile: man wird angefeindet, verfolgt, eingekerkert oder umgebracht. Was also rational für die Lebensentfaltung eines Ganzen ist, nämlich dass sich einzelne selbstlos für es einsetzen, bedeutet oft Irrationalität für die Lebensentfaltung von einzelnen, die sich für dieses Ganze einsetzen. Dieser Widerspruch lasse sich nur unter der Annahmen auflösen, dass es Gott und eine unsterbliche Seele gäbe. Selbstverständlich kann man sich moralisch für andere einsetzen und dabei erhebliche Selbstopfer in Kauf nehmen, wenn man rein emotional handelt oder aufgrund von metaphysischen Irrtümern (z. B. Belohnung im Jenseits aufgrund moralischen Gutseins). Nur wären das rein emotionale Handlungsmuster oder Irrtümer und keine vernunft-kritischen Gründe.

Dabei ist es für Kant wichtig festzustellen, dass dieser reine Vernunftbegriff von "unsterblicher Seele" kein Beweis für das Existieren einer unsterblichen Seele ist, sondern – so könnte man formulieren – die eine "unsterbliche Seele" wird transzendentallogisch als wahr erkannt, was etwas anderes ist als ontisch (realitätshaft an-sich) wahr. „Transzendentallogisch wahr“ bedeutet für Kant: wahr für das erkennende Bewusstsein in dem Sinne, dass dem Bewusstsein die "unsterbliche Seele" als wahr erscheint als eine unleugbare Bewusstseins-Wirklichkeit. Aber nach Kant wäre es „transzendentaler Schein“, wollte man transzendentallogische Realitäten (Bewusstseins-Wahrheiten, Bewusstseins-Realitäten) als reine Vernunftbegriffe schon für ontische Realitäten (ontische Wahrheiten) halten: der „reine Vernunftbegriff, d.i. eine bloße Idee, deren objektive Realität dadurch, dass die Vernunft ihrer bedarf, noch lange nicht bewiesen ist" (KANT, B 620). Kant will damit sagen, dass wir zu leichtfertig denken, wenn wir die Realität eines Dinges nur deshalb annehmen, weil sein Begriff uns etwas Erfahrbares erklärt. Notwendige Erklärungsbegriffe schon für Realitäten zu halten, ist für Kant transzendentaler Schein: Richtig zu denken sei aber, dass die Existenz von reinen Erklärungsannahmen rein von der Vernunft aus nicht zu beweisen sind – aber auch nicht zu widerlegen, vielmehr sei der ontologische Status (ob real oder nicht) von Erklärungsannahmen rein von der Vernunft her unentscheidbar! Dennoch seien reine Vernunftbegriffe Entitäten (Realitäten), auf die ein Lebewesen mit Verstand nicht verzichten könne: sie seien ihm als Lebewesen mit Verstand einfachhin gegeben, also eine Verstandesrealität, die man durch transzendentallogische Reflexion (durch die Weise von Kant reflexiv zu erkennen) entdecken können.

Seelen-Begriffe in den Religionen

Seelen-Begriff im Judentum

Laut der Bibel ist die Seele entstanden, nachdem Gott Lebensodem (Geist) in den Körper, der aus Erdreich geformt war, gehaucht hat (1. Mose 2,7). Daher ist die Seele nach dem Tod nicht mehr vorhanden, da der Geist zu Gott zurück (Pred. 12,7) und der Körper zurück ins Erdreich (1. Mose 3,19; Pred. 12,9) geht und keine Empfindung mehr möglich ist. Sie ist nicht mehr wahrnehmbar, im "Unwahrnehmbaren" (so die wörtliche Übertragung des griechischen "Hades" bzw. des hebräischen "Scheol", oft mit "Totenreich" übersetzt).

"Jehova tötet und macht lebendig; er führt in den Scheol hinab und führt herauf" (1. Samuel 2:6). In den Hades gehen die Seelen aller Menschen, ob gläubig oder nicht (Joh. 5:28-29; Hiob 3:11-19, 14:13; Hes. 32:18-32; Ps. 31:17; Dan. 12:2).

Als Redefigur (Synekdoche) beschreibt es ein Wesen vom Blickpunkt seiner Empfindungen aus. Sie bezeichnet die Genüsse, sowohl die geringeren, die der Mensch abgibt, als auch die besseren, die er dafür erhält (Seele verlieren und erhalten). Es gibt zahlreiche Schriftstellen, welche die Beziehung zwischen der Seele und den Sinnen erläutern (5. Mose 12,20; 23,25; Psalm 107,18; Jesaja 32,6 u. a.). Die Seele ist also auch die Empfindung, die erst durch die Verbindung eines organischen Körpers mit Odem oder Geist (Lebenskraft) entsteht.

Seelen-Begriff im Christentum

Die unsterbliche Seele ist keine Idee der Bibel sondern des Platonismus, die vom Christentum übernommen wurde. Bei der Auferstehung, wird die Seele wieder erweckt - eine unsterbliche Seele würde die Auferstehung obsolet machen.

Seelen-Begriff im Islam

(notwendige, noch auszufüllende Leerstelle)

Seelen-Begriff im Hinduismus

Alle mehr oder weniger bewusstseinsfähigen Lebewesen bestehen nach hinduistischer Auffassung aus drei unterschiedlichen Wirklichkeiten: aus einem sterblichen Körper, einem sterblichen Bewusstsein und einer unsterblichen, von Lebewesen zu Lebewesen wandernden Atman-Seele. Die Atman-Seele ist nichts rein Geistiges, Imaterielles wie das denkende und empfindende Bewusstsein, sondern sie ist eine sehr feinstoffliche Substanz, vergleichbar dem Licht, sie ist eine fein- und lichtstoffliche Wirklichkeit. Wenn der Mensch aus mehreren Wirklichkeiten besteht, dann ist die Atman-Seele die tiefste Wirklichkeit im Menschen, das tiefste Selbst. Aber diese tiefste Wirklichkeit ist nicht mit der menschlichen Person identisch, die wir mit „ich“ bezeichnen, sondern die Atman-Seele reicht über das Ich hinaus und wird in anderen Lebewesen wiedergeboren.

Die Reinkarnations-Lehre bedeutet deshalb nicht, dass jemand als Person wiedergeboren wird. Die Person des Menschen besteht nämlich aus einem individuellen Körper (z.B. männlich, schlank, klein, krankheitsanfällig) und einem individuellen Bewusstsein (z.B. Charakter, Zielvorstellungen). Beides aber vergeht im Tod. Nur der überpersonale Teile von einem bleibt erhalten, nämlich die Atman-Seele.

Dass nach hinduistischer Auffassung nicht ein personal-unsterbliches Selbst der tiefste Kern der Person, sondern die überpersonale Atman-Seele, ist nicht leicht vorstellbar, weil man sich durch das denkende Bewusstsein ständig als Ich-Persönlichkeit erfährt, die empfindet, nachdenkt, sich Ziele setzt... Ein Hindu könnte zum Verständnis darauf vergleichend hinweisen, dass man als 10-Jähriger eine andere Persönlichkeit hatte als mit 35 oder mit 60 Jahren. Und so wie man im Laufe des Lebens zu einer anderen Persönlichkeit werden kann, so kann auch die Atman-Seele im Laufe ihrer Wiedergeburten zu anderen Personen werden.

Die Hindus lehren, dass man erfahren könne, mit dem göttlichen Brahman eins zu sein. Diese Erfahrung ist in Worten kaum wiederzugeben, weil alle Begriffe ihr gegenüber viel mehr falsch als richtig sind. In dieser Wirklichkeitserfahrung weitet sich das Bewusstsein ins Unendliche, es ist ohne Grenzen, und man erfährt sich aufgehoben in einer Wirklichkeit unaussprechlichen Lichts und unaussprechlicher Einheit, die Brahman genannt wird. Aufgrund dieser Einheitserfahrung lehren die Hindus, dass die eigene tiefste Wirklichkeit, der Atman, eins ist mit dem göttlichen Brahman.

Wer erfahren hat und deshalb zutiefst weiß, dass alles Viele eigentlich mit Brahman eins ist, ist nicht mehr ängstlich an das Viele (weltliche Wirklichkeiten) gebunden, er sammelt dadurch kein neues Karma mehr an, er wird so nicht mehr wiedergeboren und geht damit im Tod ganz ins Brahman ein. Karma bezeichnet das Geprägtsein der Atman-Seele durch gutes und schlechtes Denken und Handeln, und das Karma bestimmt die Art der Wiedergeburt. Und zwar hinterlassen die Sinneswahrnehmungen, das Denken und Handeln in der Atman-Seele Eindrücke. Und diese Eindrücke verändern den Grad der Feinheit und Lichtheit des Atman-Seelenstoffes. Gutes Denken und Handeln machen die Atman-Seele feinstofflicher und lichter, schlechtes Denken und Handeln machen die Seele gröber und dunkler.

Manche Hindus verstehen das Einssein des Atman mit dem Brahman pantheistisch: So wie ein Salzklumpen sich im Wasser auflöst, so geht der Atman im göttlichen Brahman auf; so wie die Flüsse ins Meer eingehen, so gehen die Atmans ins das göttliche Eine ein. Das Atman ist identisch mit dem Brahman.

Und manche Hindus verstehen das Einssein des Atman mit dem Brahman panentheistisch: beim Eingehen der Atman-Seelen in das Brahman lösen die Atmans sich nicht im göttlichen Brahman auf, sondern behalten einen Eigenstand. Das Atman ist mit dem Brahman unauflöslich verbunden.

Es ist nicht einfach, die Einheit des tiefsten Selbst (Atman) mit dem Brahman zu erfahren. So wie man normalerweise wahrnimmt, kann man zwar das Viele erkennen, aber nicht das göttliche Eine, das in allem bzw. bei allem Vielen gegenwärtig ist. Um das göttliche Eine erfahren zu können, muss man seine Wahrnehmungs-Art ändern. Die Konzentrationstechniken des Yoga und die Askese (Enthaltung, Verzicht) wollen helfen, die Wahrnehmungs-Art so zu ändern, dass man das göttliche Eine wahrnehmen kann.

Die Askese dient dazu, dass das Bewusstsein mehr Freiheit erlangt gegenüber den weltlichen Bedürfnissen. Die Askese kann sich auf das Essen und Trinken durch Maßhalten und Fasten beziehen, auf die Sexualität durch sexuelle Enthaltsamkeit (Keuschheit), auf Herrschaft und Macht durch Gehorsam gegenüber Vorgesetzten oder auf Besitz durch Armut. Das Yoga dient dazu, dass das Bewusstsein sich konzentrieren lernt und sich selbst in seinen vielen unbewussten Teilen kennenlernt. Nach jahrelanger Übung kann das Bewusstsein vielleicht dann auch die Erfahrung machen, dass seine tiefste Wirklichkeit, der Atman, eins ist mit dem göttlichen Brahman.

Seelen-Begriff im Buddhismus

Im Gegensatz zu hinduistischen Anschauungen kennt der Buddhismus, basierend auf den überlieferten Lehrreden des Siddhartha Gautama, des historischen Buddha, keinen unwandelbaren und unsterblichen überpersonalen Wesenskern. Ausdrücklich im Kontrast zum hinduistischen Atman, prägt er den Begriff des Anatman, des „Nicht-Selbst“.

Die Vorstellung es gäbe ein Ich, eine abgegrenzte Person oder ein Selbst ist demnach bereits eine grundlegende Täuschung über das Wesen der Wirklichkeit. Was Menschen als ihr „Selbst“ bezeichnen ist vielmehr ein ständig im Wandel begriffenes Zusammenspiel der fünf Daseins- oder Aneignungsgruppen (Sanskrit: Skandhas): des materiellen Körpers mit seinen Sinnesorganen, der Empfindungen, der Wahrnehmung der Welt, der Geistesformationen (Interessen, Willensregungen, Sehnsüchte und Tatabsichten) und letztlich des Bewußtseins. Wie ein Wagen eine zusammengesetzte Wirklichkeit, bestehend aus seinen Einzelteilen, ist, entsteht die Vorstellung eines Selbst aus dem Zusammenwirken dieser Daseins- oder Aneignungsgruppen.

Wie soll es aber eine Wiedergeburt geben können, ohne dass man an eine Atman-Seele glaubt? Nach Buddha wird der Kreislauf der Geburten dadurch aufrechterhalten, dass ein karmisch geprägtes Seelen-Bewusstsein im Augenblick der Zeugung eine neue Person mit verursache: Ein aus guten Tatabsichten erwachsenes Bewusstsein suche sich nach dem Tod seines bisherigen Besitzers einen ihm entsprechenden guten Mutterschoß mit günstigen Erbanlagen und veranlasse die Entwicklung eines neuen Wesens, ohne selbst in dieses überzugehen. Das neue Wesen entspreche in der Qualität seiner Existenzform genau der Qualität der Tatabsichten des ihr voraufgehenden Seelenbewusstseins. Das neu enstandene Wesen sei aber keine völlig andere Person als die ihr voraufgehende, weil jede Existenzform von ihrer voraufgehenden geprägt sei und aus ihr hervorgehe wie eine Flamme, die an einer anderen entzündet wird. Das Seelen-Bewusstsein ist also wie eine Billardkugel, die eine andere Billardkugel in der Bewegung verursacht, oder wie ein Katalysator, der einen chemischen Prozess auslöst und im Produkt dieses Prozesses nicht mehr enthalten ist. Trotz des Fehlens einer Substanz zwischen den Existenzformen einer Wiedergeburtenkette gilt es als möglich, sich der vielen Existenzen zu erinnern, die eine Kreislaufgeburtenkette ausmache.

Seelen-Begriff der Psychoanalyse

Nach Ansicht der von Sigmund Freud geprägten Psychoanalyse liegen sämtlichen Handlungen des Menschen Motive aus unserer Seele (Psyche) zu Grunde. Als Motiv werden in diesem Zusammenhang Antriebsgründe und Beweggründe bezeichnet, die den Handlungen psychisch letztlich zugrunde liegen.

Als Psyche wird hier das System bezeichnet, welches Wahrnehmen und Denken begründet und die affektiven und rationalen Motive unserer Handlungen begründet. Das System des Organismus bezeichnet hierbei ein Gebilde, dessen wesentliche Elemente (Teile) so aufeinander bezogen sind, dass sie eine Einheit (ein Ganzes) bilden. Systeme organisieren und erhalten sich demnach durch Strukturen.

Als Struktur wird das Muster (die Form) der Systemelemente und ihrer Beziehungsgeflechte bezeichnet, durch die ein System funktioniert (entsteht und sich erhält). Die Motive unserer Handlungen werden nach Freud hierbei in drei prinzipiell unterscheidbaren Strukturen gegliedert: das Ich, das Es und das Über-Ich (siehe Sigmund Freud).

Zum frühen Ich zählte Freud auch den sozialisationsgebildeten Charakter eines Menschen: die bewusstseinsfähigen Emotionen und Bedürfnisse, die in Art und Intensität aus den Grundtrieben des Es durch den Sozialisationsprozess geformt worden sind. Dabei bezeichnete Freud die sozialisationsgeformten Emotionen und Bedürfnisse als >Triebabkömmlinge des Es im Ich<. Das Es mit seinen angeborenen Triebimpulsen wird hier mit einem Baumstamm verglichen, aus dem das frühe Ich als Krone herauswächst. Deswegen nennt Freud diesen Teil des Ichs ein Produkt des Es: er ist aus dem Material des Es (Grundtrieben) entwickelt worden. Man sollte die Emotionen und Bedürfnisse aber unter das Es subsumieren, weil dies begrifflich klarer und weniger verwirrend ist. Man ist vielleicht verführt, die Emotionen und Bedürfnisse zum Ich zu zählen, weil man alles Bewusste mit dem Ich gleichsetzen möchte und die Emotionen und Bedürfnisse ja bewusst werden können. Aber nicht alles Bewusste gehört zum Ich, denn Überichinhalte können bewusst werden. Und nicht alles Unbewusste gehört zum Es, wie die Überichinhalte zeigen. Bei allen drei psychischen Strukturen gibt es Bewusstes, Unbewusstes und Vorbewusstes ( = was bewusst gelernt wurde, aber zu einem unbewussten Habitus wurde wie Autofahren, Fremdsprache...). Zum Beispiel kann ein durch Ich-Einsatz bewusst eingeübtes Handeln automatisiert werden und damit vorbewusst sein. Und was man bewusst erlebt hat, kann im Gedächtnis versinken, es kann vergessen werden und damit unbewusst sein, aber auch wiedererinnert werden.

Zu den Elementen des Ichs zählt man zuallererst die Bewusstseinsleistungen des Wahrnehmens, des Denkens und des Gedächtnisses, weil sie dem Ich helfen, seiner spezifischen Aufgabe gerecht zu werden, nämlich realitätsgerecht (konfliktauflösend) zwischen den Ansprüchen aus dem Es, dem Überich und dem Sozial-Außen zu vermitteln – also um psychische und soziale Konflikte konstruktiv zu lösen. Ein Kriterium dafür, ob das Ich realitätsdicht oder realitätsfern an der Entfaltung des Lebens orientiert ist, ist das Freisein von destruktiven Sozial- und Individualkonflikten über längere Zeit und die Fähigkeit des Ich, Konflikte konstruktiv lösen zu können. Weil nur das Ich realitätsgerechtes Handeln zu sichern vermag, heißt das, dass nur das Ich ein wahrhaft menschliches Handeln zu sichern vermag. Diese Teile der Psyche sind keine Produkte des Es wie die Emotionen und Bedürfnisse, weil diese nicht aus dem Es hervorgehen durch den (An)Passungskonflikt zwischen Trieben und sozialisierender Umwelt, sondern weil sie ihre eigene, davon abgehobene spezifische Entwicklung durchlaufen.

Mensch - Tier

In vielen Kulturkreisen wie auch in der Antike wurden sowohl die physische Ähnlichkeit zwischen Menschen und Tieren, gleichzeitig aber auch die Unterschiede (Sprech- und Denkfähigkeit, Werkzeuggebrauch) erkannt. Schöpfungsmythen beantworten diesen Unterschied durch eine dem Menschen innewohnende Seele, die Tieren nicht gegeben ist. Der Ursprung dieser Seele liegt in dieser Sichtweise generell im Bereich des übernatürlichen (Religion).

  • Sie wird oft mit der Fähigkeit des Menschen, moralisch zu urteilen und zu handeln, verknüpft.
  • Tieren wird dagegen selten die Fähigkeit zugesprochen, zwischen "Gut" und "Böse" zu unterscheiden.

Die geistige Seele gibt dem Menschen die Fähigkeit, über seine Handlungen zu reflektieren, und damit auch die Verantwortung für sein Handeln. Insbesondere das Reflexionsvermögen und das Verantwortungsvermögen hängen eng mit der Einmaligkeit des Individuums und seiner Persönlichkeit zusammen (siehe Selbstbewusstsein).

Die genaue Beschaffenheit der Seele, ihre Funktion und Bedeutung sowie ihr Ursprung wird in den Religionen und in den Wissenschaften unterschiedlich verstanden.

Wissenschaftlicher Diskurs

Der Begriff Seele ist identisch mit dem aus dem Griechischen abgeleiteten Wort Psyche. Im Wissenschaftsbetrieb wird allerdings heute kaum je von Seele, sondern fast ausschließlich von Psyche gesprochen. Die Seele ist nach vorherrschender wissenschaftlicher Auffassung an ein funktionierendes Nervensystem gebunden. Sie sterbe zusammen mit dem Körper oder - beim Hirntod - auch schon vor dem Körper.

Mit der Seele befassen sich folgende Wissenschaften: Die Psychologie, die Psychoanalyse, die Verhaltensforschung, die Kognitionswissenschaft, die Neurowissenschaften, die Anthropologie und die Endokrinologie.

Die Forschungen zum Nahtodeserlebnis (engl. near-death experience, NDE) oder die Reinkarnationsforschung werden oft als Pseudowissenschaften abgelehnt.

Wissenschaftler bewerten Erkenntnisse zur Seele (wie alle Menschen) unter der Sichtweise ihrer Weltanschauung. - Rein materialistische oder reduktionalistische Wissenschaftler spekulieren, dass die psychologisch betrachteten Vorgänge sich letztendlich auf das komplexe Zusammenspiel biochemischer, elektrischer Prozesse und die Eigenschaften komplexer Systeme des Menschen zurückführen lassen könnten. - Die Seele ist demnach identisch mit elektrischen bzw. biochemischen Vorgängen im Gehirn, die zwar noch zu einem guten Teil unbekannt, aber grundsätzlich mit den Naturgesetzen vereinbar sind.

Siehe auch: Materialität der Seele

Zitate

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  • Der Körper ist ein Mietwagen, den man irgendwann abgeben muss. Nichts spricht dagegen, dass der Fahrer bleibt. Aber es spricht auch nichts dafür. (Peter Ustinov)
  • Und im Wissen, dass die Seele den Körper überlebt, brennt er nicht ungeduldig darauf, den Sieg der Wahrheit im gegenwärtigen Körper zu erleben. (Mahatma Gandhi [sanskrit: Große Seele])
  • Seele lebt, weil Gott sie liebt (Harold Klemp, derzeitiger spiritueller Führer von Eckankar, einer kleinen religiösen Gemeinschaft, welche die Seelenreise als zentralen Glaubenssatz vermittelt)
  • Wisse wahrlich, daß die Seele ein Zeichen Gottes ist, ein himmlischer Edelstein, dessen Wirklichkeit die gelehrtesten Menschen nicht zu begreifen vermögen, und dessen Geheimnis kein noch so scharfer Verstand je zu enträtseln hoffen kann. Sie ist von allen erschaffenen Dingen das erste, das die Vollkommenheit des Schöpfers verkündet, Seine Herrlichkeit anerkennt, sich an Seine Wahrheit hält und sich in Anbetung vor Ihm niederbeugt. (Baha'u'llah)
  • Das Denken ist das Selbstgespräch der Seele. (Plato, griechischer Philosoph, Begründer der abendländischen Philosophie)
  • Verzichten wir auf die Illusion, in der Seele eine immaterielle 'Substanz' zu sehen, dann leugnen wir nicht deren Existenz, sondern wir beginnen im Gegenteil, die Komplexität (...) zu erkennen, die zusammen das Wesen ausmachen, das sich in uns einmalig und unwiderleglich selber bezeugt. (Jacques Monod, Zufall und Notwendigkeit, Philosophische Fragen der modernen Biologie)
  • Die große Frage, die ich trotz meines dreißigjährigen Studiums der weiblichen Seele nicht zu beantworten vermag, lautet: Was will eine Frau? (Sigmund Freud, Begründer der Psychoanalyse)
  • "Der Begriff "Seele", "Geist", zuletzt gar noch "unsterbliche Seele", erfunden, um den Leib zu verachten ..." (Friedrich Nietzsche)

Literatur

  • Appiah, Kwame Anthony: Thinking it Through - An Introduction to Contemporary Philosophy. 2003, ISBN 0195134583
  • Bischof, Norbert; Das Kraftfeld der Mythen. 1998, ISBN 3492226558
  • Breuer, Reinhard; Das Rätsel von Leib und Seele; über das Verhältnis von Geist u. Körper. Aus der Reihe »Bild der Wissenschaft«.
  • Geyer, Christian (Hrsg.): Hirnforschung und Willensfreiheit. 2004, ISBN 3518123874
  • Hasselmann/Schmolke: Welten der Seele, Archetypen der Seele, Weisheit der Seele, Wege der Seele, Goldmann Verlag
  • Jüttemann, Gerd; Die Seele - Ihre Geschichte im Abendland.
  • Ronsdorf, Hans-Jörg Ronsdorf: Und die Toten leben doch - Die Unsterblichkeit der Seele, 1992, ISBN 3-89397-227-7 PDF Online
  • Russel, Bertrand: The Analysis of Mind. 1921, ISBN 1588277097
  • Schwartz, Steven; Wie Pawlow auf den Hund kam.
  • Seifert, Josef: Das Leib-Seele-Problem und die gegenwärtige philosophische Diskussion, eine systematisch-kritische Analyse. Zweite, korrigierte und erweiterte Auflage, Darmstadt, 1989, ISBN 3534-07713-X
  • Terrill Willson; Wie ich Seelenreisen lernte.
  • Zimbardo, P.G.; Psychologie, Springer Verlag, Ein Lehrbuch der Psychologie.
  • Zimmer, Dieter E.; Die Vernunft der Gefühle.

Film

  • Ghost - Nachricht von Sam ("Ghost") (USA, 1990) mit Whoopi Goldberg, Patrick Swayze, Demi Moore


Siehe auch

Seelsorge, Internetseelsorge, Telefonseelsorge, Seelenwanderung, Außerkörperliche Erfahrung, Leib-Seele Problem, Anam Cara

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