Franz Kafka

österreichisch-tschechischer Schriftsteller (1883-1924)
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Franz Kafka (* 3. Juli 1883 in Prag; † 3. Juni 1924 in Kierling bei Wien) war ein Schriftsteller aus Prag, welches damals in Böhmen und damit in der k. u. k. Monarchie Österreich-Ungarn gelegen war.

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Franz Kafka ungefähr 1917

Leben

Herkunft und Familie

Franz Kafka wurde geboren am 3. Juli 1883 in Prag, der böhmischen Hauptstadt. Böhmen war damals ein Kronland Österreichs und somit Teil der k. u. k. Monarchie Österreich-Ungarn. Seine Eltern Hermann Kafka (1852-1931) und Julie Kafka (1856-1934), geborene Löwy, waren Juden. Sein Vater kam aus der Provinz und arbeitete zunächst als reisender Vertreter, dann als selbständiger Galanteriewarenhändler. Das Geschäftsemblem des väterlichen Betriebs, in dem bis zu 15 Angestellte arbeiteten, war eine Dohle (tschechisch kavka). Julie Kafka gehörte einer wohlhabenden Familie aus Podiebrad an, war gebildeter als ihr Mann und hatte Mitspracherecht in dessen Geschäft, in dem sie täglich bis zu 12 Stunden arbeitete. Neben den Brüdern Georg und Heinrich, die bereits als Kleinkinder verstarben, hatte Kafka drei jüngere Schwestern, die später von den Nationalsozialisten ermordet wurden: Elli (1889-1941), Valli (1890-1942) sowie Ottla (1892-1943). Da die Eltern tagsüber abwesend waren, wurden alle Geschwister im wesentlichen von wechselndem Dienstpersonal aufgezogen. Kafka gehörte zu den zehn Prozent der Bevölkerung Prags, deren Muttersprache Deutsch war. Außerdem beherrschte er wie seine Eltern Tschechisch.

Kindheit und Jugend (1883–1901)

Von 1889 bis 1893 besuchte Kafka die „Deutsche Knabenschule“ am Fleischmarkt in Prag. Dann wechselte er an das humanistische Staatsgymnasium in der Prager Altstadt. An dieser Schule war die Unterrrichtssprache Deutsch.

Bereits in seiner Jugend beschäftigte sich Kafka mit Literatur und mit sozialistischen Ideen. Des Weiteren las er die Zeitschrift „Der Kunstwart“. Sein Frühwerk ist jedoch verschollen, vermutlich hat er es selbst vernichtet. Kafkas Freunde waren unter anderem Rudolf Illowy, Hugo Bergmann, Ewald Felix Pribram sowie Oskar Pollak. Die Ferien verbrachte Kafka gern bei seinem Onkel Siegfried, einem Landarzt aus Triesch. Als er die Matura im Jahre 1901 mit befriedigend bestand, reiste er zunächst nach Norderney und Helgoland.

Studium (1901–1906)

Im Herbst 1901 begann Kafka sein Studium an der „Deutschen Universität Prag“. Nach einem zweiwöchigen „Ausflug“ in die Chemie beschloss er, wie sein Vater es gewünscht hatte, Jura zu studieren. Doch besuchte er auch Vorlesungen in Kunstgeschichte und Germanistik. Zwischenzeitlich unternahm er mehrere Reisen, welche nie lange andauerten, da er keine Stadt so liebte wie Prag, und beschloss, sein Studium in München fortzusetzen. Jedoch brach Kafka sein dortiges Studium nach kurzer Zeit ab und setzte sein Jurastudium 1902 in Prag fort. In diesem Jahr lernte er den Dichter Max Brod kennen. Zu Brod entwickelte sich eine tiefe Freundschaft, die bis zu Kafkas Tod dauerte. 1906 promovierte Kafka und war danach als Praktikant am Prager Landes- und Strafgericht tätig.

1907–1922

Berufliche Tätigkeit

Kafka arbeitete von 1907 bis 1922 in der „Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen“. Die Tätigkeit als Beamter in der halbstaatlichen Institution verlangte von ihm genaue Kenntnisse der industriellen Produktion und der großbetrieblichen Technik. Er arbeitete anfangs in der Unfallabteilung, wurde dann in die versicherungstechnische Abteilung versetzt. Seit 1910 gehörte er zur Betriebsabteilung, nachdem er sich durch den Besuch von Vorlesungen über „Mechanische Technologie“ an der deutschen Technischen Hochschule in Prag darauf vorbereitet hatte.

Kafka arbeitete Bescheide aus und brachte sie auf den Weg, wenn es alle fünf Jahre galt, die Betriebe in Gefahrenklassen einzureihen. Auch die zahlreichen von den Unternehmern eingelegten Widersprüche („Rekurse“) bearbeitete er. Seit 1911 vertrat Kafka die Interessen der Anstalt vor Bezirksgerichten in Nordböhmen. Die ihm zur Beaufsichtigung zugewiesenen vier Bezirkshauptmannschaften Friedland, Gablonz, Reichenberg und Rumburg zählten zu den industriellen Kerngebieten Österreich-Ungarns. Von 1908 bis 1916 wurde er immer wieder zu kurzen Dienstreisen nach Nordböhmen geschickt, besonders häufig war er bei der Bezirkshauptmannschaft Reichenberg. Dort besichtigte Kafka Unternehmen, referierte vor Unternehmern und nahm Gerichtstermine wahr. Bevor er als Prosaautor in Erscheinung trat, hatte er schon als „Versicherungsschriftsteller“ Beiträge für die jährlich erscheinenden Rechenschaftsberichte der Anstalt verfasst.

Durch seinen Beruf wurde Kafka auch mit sozialer Not und offener Ausbeutung konfrontiert; er kannte daher die Lebensverhältnisse der Arbeiter (auch der tschechischen) sehr genau. Vom Militärdienst im Ersten Weltkrieg wurde Kafka freigestellt; er wurde zwar 1915 als „voll verwendungsfähig" eingestuft und einer Infanterieeinheit zugeteilt, von seinen Vorgesetzten jedoch sofort als unentbehrliche Fachkraft reklamiert. Dafür allerdings wurde er - zusätzlich zu seinen sonstigen Aufgaben - in der „Kriegerfürsorge“ eingesetzt, das heißt, er musste sich um die Rehabilitation und berufliche Umschulung von Schwerverwundeten kümmern (darunter zahlreiche Amputierte). Auf diese Weise lernte Kafka auch die grauenhaften Folgen des Krieges unmittelbar kennen.

Schreiben

Es ist kein Widerspruch, einerseits festzustellen, dass Kafka seine Arbeit nach bestem Gewissen versah, als zuverlässig und genau galt - und andererseits, dass die Bürostunden (36 pro Woche, während des Krieges bis zu 50) für ihn eine Qual waren. Sie raubten ihm Zeit und Kraft für das, was er als sein „einziges Verlangen", seinen „einzigen Beruf" empfand: das Schreiben, d.h. das Verfassen literarischer Texte. Konsequenterweise bezieht er den Begriff „Arbeit" in seinen Briefen und Tagebüchern immer nur auf das Schreiben, niemals auf das Büro. Diese Büro- und Brotarbeit aufzugeben zugunsten seiner Neigung war für ihn, so sehr er es sich wünschte, jedoch kaum realisierbar, denn erstens gab nur der bürgerliche Beruf ihm gegenüber der Familie die nötige Unabhängigkeit und Anerkennung, und zweitens war Kafka ein ganz und gar „unbürgerlicher" Schriftsteller, der über diese Tätigkeit sich niemals hätte absichern können (geschweige denn eine eigene Familie), weil er nur wenige seiner Texte gelten ließ (und gerade die längeren nicht - der wichtigste Grund, warum seine Romane Fragment blieben) und weil er immer wieder von Zweifeln geplagt wurde ob der Berechtigung seines Schriftstellerdaseins (ein Grund für längere unproduktive Phasen). In Zeiten literarischer Produktivität gestaltete Kafka dann seinen Tagesablauf als „Manöverleben" so: früh Büro, nachmittags Schlaf, nachts Schreiben. Wenn man noch dazu bedenkt, dass ihm nur 10 Schaffensjahre gegeben waren, ist sein Werk auch vom Umfang her beachtlich - in seiner Bedeutung sowieso.

Seine ersten Prosaskizzen 1908 veröffentlichte er in der Münchener Zeitschrift Hyperion. Sein erstes Buch „Betrachtung" erschien Ende 1912 in einer Auflage von 800 Exemplaren im Ernst Rowohlt Verlag in Leipzig (ab 1913: Kurt Wolff Verlag). Etwas mehr Beachtung bei der literarischen Kritik fanden jedoch erst „Der Heizer" (1913) und „Die Verwandlung" (1915).

Beziehungen

Sowenig man sich Kafka als bürgerlichen, arrivierten Schriftsteller à la Thomas Mann vorstellen kann, sowenig ist er als Ehemann und Familienvater denkbar. Ein Urteil wie dieses ist leicht gefällt, im Nachhinein - und sagt doch nichts darüber, wie schwer der Kampf, es für sich persönlich anzunehmen, Einem werden kann. Kafka war dieser Eine, obwohl er dieses „Urteil” jederzeit (zu fast jeder Zeit) unterzeichnet hätte; ja, er hat es selbst immer wieder wortreich, litaneiartig und nicht weniger deutlich beschworen - gerade auch gegenüber den Frauen, denen er sich doch versuchte zu nähern. Das war das Grundmuster seiner Beziehungen, und er war dazu „verurteilt”, es zu wiederholen, deutlich sichtbar in seinen drei Ver- und Entlobungen: zweimal sogar mit der gleichen Frau, Felice Bauer (1914 und 1917), dann mit Julie Wohryzek (1919). Etwas freier, souveräner war Kafka erst in den letzten zwei Beziehungen seines Lebens: zu Milena Jesenská (verheiratet mit Ernst Pollak), der vielleicht einzigen Frau, die Kafka ebenbürtig war (und der er 1921 seine Tagebücher übergab, ohne sie je zurückzufordern) sowie - nach seiner vorzeitigen Pensionierung 1922, bedingt durch seine langjährige Tuberkulose - schließlich zu Dora Diamant, mit deren Hilfe es ihm endlich gelang, sich durch den Umzug nach Berlin von Prag zu lösen - ein knappes Jahr nur vor seinem Tod am 3.6.1924.

 
Franz Kafkas Grab in Prag

Schaffen

Rezeption

 
Kafka-Denkmal in Prag

Zu Lebzeiten war Kafka der breiten Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannt. Ob das anders gewesen wäre, wenn er mehr als die wenigen kürzeren Texte freigegeben hätte, muss spekulativ bleiben. (Spekulieren wir doch ein wenig darüber in diesem Wikipedia-Artikel.) Kafkas Skepsis gegenüber seinem Werk und seiner Dichterexistenz überhaupt ging so weit, dass er seinem engsten Freund und Nachlassverwalter Max Brod testamentarisch auftrug, seine unveröffentlichten Texte (darunter alle seine Romane) zu vernichten. In der zweiten an Brod gerichteten Verfügung vom 29. November 1922 schreibt Kafka: „Von allem, was ich geschrieben habe, gelten nur die Bücher: Urteil, Heizer, Verwandlung, Strafkolonie, Landarzt und die Erzählung: Hungerkünstler. (Die paar Exemplare der 'Betrachtung' mögen bleiben, ich will niemanden die Mühe des Einstampfens machen, aber neu gedruckt darf nichts daraus werden.) Wenn ich sage, daß jene 5 Bücher und die Erzählung gelten, so meine ich damit nicht, daß ich den Wunsch habe, sie mögen neu gedruckt und künftigen Zeiten überliefert werden, im Gegenteil, sollten sie ganz verloren gehn [sic!], entspricht dieses meinem eigentlichen Wunsch. Nur hindere ich, da sie schon einmal da sind, niemanden daran, sie zu erhalten, wenn er dazu Lust hat.

Inwieweit Brod wirklich gegen Kafkas „letzten“ Willen handelte, indem er dessen Werk dann doch publizierte, ist wiederum Spekulation. Einen nicht näher zu bestimmenden Teil seiner Texte hat Kafka noch zu Lebzeiten selbst vernichtet. Weltweit bekannt wurde Kafkas Werk erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Nationalsozialismus hat dessen Rezeption in seinem Machtbereich zunächst verhindert, nach seiner Zerschlagung sie aber letztendlich sogar befördert und vertieft.

Interpretation

 
Erinnerungsplakette an Kafka in Prag

Dass die Deutungslust der Interpreten dann nach 1945 ganze Bibliotheken füllte und alle Rekorde schlug, liegt vielleicht daran, dass seine Texte offen und hermetisch zugleich sind, d.h. dass sie einerseits leicht und andererseits schwer zugänglich sind: leicht durch Sprache, Handlung, Bildhaftigkeit und relativ geringen Umfang; schwer dadurch, dass man die Tiefe zwar fühlt, aber kaum auszuloten und einzelne Schichten nur bruchstückhaft zu beschreiben vermag. Albert Camus meinte: „Es ist das Schicksal und vielleicht auch die Größe dieses Werks, dass es alle Möglichkeiten darbietet und keine bestätigt.“

Kafka ließ sich viel Zeit für den inneren Reifeprozess seines Werks; auch dies ein Grund dafür, warum von Anfang an so viel in seine Texte eingeflossen ist. Dazu gehören auch bestimmte Aspekte, die ihn in die Nähe des Expressionismus rücken. Dies betrifft z.B. ein verbreitetes Lebensgefühl vieler Menschen des jungen 20. Jahrhunderts, deutlich erkennbar in Kafkas Roman(fragment)en. Wie in einem Alptraum bewegen sich seine Protagonisten anonymen Mächten ausgeliefert durch ein Labyrinth undurchsichtiger Verhältnisse. Dies gilt schon räumlich. Das Schloss wie auch die Gerichtsgebäude in Der Process bestehen aus einem weit verzweigten Gewirr unübersichtlicher Räume, und auch in „Der Verschollene“ (von Brod unter dem Titel Amerika veröffentlicht) sind die seltsam unverbundenen Schauplätze – ein Schiff, ein Hotel, ein Zirkus sowie die Wohnung des Onkels von Karl Roßmann, dem Helden – gigantisch und unüberschaubar.

Insbesondere bleiben aber auch die Beziehungen der handelnden Personen ungeklärt. Im Schloss erzeugt Kafka mit subtilen literarischen Mitteln Zweifel an der Stellung des Protagonisten K. als „Landvermesser“ und dem Inhalt dieses Begriffes selbst und schafft so Interpretationsspielraum. Nur bruchstückhaft erfährt K. und mit ihm der Leser im Laufe des Romans mehr über die Beamten des Schlosses und ihre Beziehung zu den Dorfbewohnern. Die dunkle, allgegenwärtige Macht des Schlosses über das Dorf und seine Menschen wird dabei immer deutlicher. Trotz seiner Bemühungen, diese Macht zu brechen, zu umgehen oder zumindest herauszufordern, erhält K. keinen Zugang zu den maßgeblichen Stellen in der Schlossverwaltung, wie auch der Angeklagte Josef K. im Process niemals auch nur die Anklageschrift zu Gesicht bekommt. Nur im Roman Amerika, der wie das Schloss als unvollendet gilt, bleibt die Hoffnung, dass Roßmann im größten Zirkus der Welt dauerhaft Geborgenheit finden kann.

Verschiedene Interpretationen von Kafkas Werk (abgesehen natürlich von der textimmanenten) weisen u.a. in folgende Richtungen: psychologisch (so wie man dies z.B. mit Hamlet, Faust oder Stiller tun kann), philosophisch (vor allem zur Schule des Existenzialismus), biographisch (absolut erhellend z.B. durch Elias Canetti in „Der andere Prozess“), religiös (ein dominierender Aspekt der frühen Kafka-Rezeption, der heute eher als fragwürdig angesehen wird, u.a. von Milan Kundera) und soziologisch (d.h. den gesellschaftskritischen Gehalt untersuchend). Dieser soziologische Ansatz wiederum ist in zweierlei Hinsicht interessant: zum einen umfasst er alles das, was Kafka als Mensch seiner Zeit am eignen Leib erfahren hat oder erfahren haben könnte (Entfremdung, Anonymität, Bürokratismus u.v.m.) - und zum anderen den visionären Aspekt seines Werks. Kafka selbst hätte Letzteres wohl eher erschreckt; tatsächlich aber haben Spätergeborene einige der einschneidendsten Erfahrungen des 20. Jahrhunderts, die Kafka gar nicht erlebt hat, in dessen Werk präziser und schärfer beschrieben gefunden als bei Autoren, die Zeitzeugen waren. Wenn man z.B. liest, wie Josef K. im Process oder der namenlose Soldat In der Strafkolonie unvermittelt in ein Räderwerk anonymer Mächte gestoßen werden, wie sie in einen undurchdringlichen Dschungel aus Drohungen, Beschwichtigungen, Hinhaltetaktik usw. geraten, was das in ihnen auslöst (Kundera: „Die Strafe sucht die Schuld“) - dann spiegelt das exakt bestimmte „Mechanismen“, denen später ungezählte Opfer des Holocaust oder der Moskauer Schauprozesse ausgesetzt waren.

Die Ratlosigkeit, die bei einem Leser, der Deutungsvarianten wie diese kennt, trotzdem übrig bleiben mag, rührt vor allem daher, dass Kafka ihm das Gleiche zumutet wie seinen Protagonisten: man ist ihnen nie einen Schritt voraus. Als „allwissender Erzähler“ zieht sich Kafka rigoros zurück; im Process geschieht das innerhalb des allerersten Satzes. Kafka hat diese Erzählhaltung nicht „erfunden“, nur radikal realisiert - wie keiner vor ihm und wenige nach ihm. Wobei sie bei Kafka keine Attitüde, genaugenommen nicht einmal ein Kunstgriff ist. Sie ist kompromissloser Realismus. Denn er erlebt sich ja selbst als ratlos. Er lebt mit einem Blick auf sich selbst wie von außen, erlebt sich als „Er“ wie seine Figuren. Kafka und seine Protagonisten sind daher absolut eins, eins in dem Sinne von Rollenspielen mit einer unveränderlichen, immer wiederkehrenden Grundkonstanten: sie sind kafkaesk. Dieser Begriff (scheinbar banal, und doch in seiner Art exklusiv) erscheint, laut Kundera, „als der einzige gemeinsame Nenner von (sowohl literarischen als auch wirklichen) Situationen, die durch kein anderes Wort zu charakterisieren sind und für die weder Politologie noch Soziologie noch Psychologie einen Schlüssel liefern.“

Bedeutung

„Franz Kafka ist der Dichter, der unser Jahrhundert am reinsten ausgedrückt hat.“

Canetti, der (im Gegensatz zu Kafka) das 20. Jahrhundert fast in voller Länge erlebt hat, traf dieses Urteil zu einem Zeitpunkt, als dessen Ende noch nicht in Sicht war - geschweige denn das Ende totalitärer Systeme, die Kafka in seinen Werken zu prophezeien scheint. Dabei darf bezweifelt werden, dass Kafka das gewollt, und bestritten, dass er es tatsächlich getan hat. Unzweifelhaft ist jedoch seine Meisterschaft in der Beschreibung aller Facetten von Macht. Prägend erworben hat er sein Wissen in erster Instanz in der Familie, dem kleinsten und veränderungsresistentesten Herrschaftssystem - einem System übrigens, das die gleiche paradoxe Grundeigenschaft aufweist, die auch an Kafkas Texten (ganz gleich, wovon sie handeln) auffällt: die gleichzeitige Offen- und Geschlossenheit.

Das sonderbare Adjektiv, das Canetti verwendet, um Kafkas Bedeutung festzumachen, schließt absichtsvoll noch etwas anderes mit ein; von „Reinheit“ ist sowohl in einem Kafka-Porträt von Jesenská als auch bei Kafka selbst die Rede, und es bedeutet soviel wie: in der Wahrheit leben. Erfahren im Umgang mit Macht und Ohnmacht, war Kafka gewiss selbstkritisch genug, zu wissen, dass dieser Anspruch nicht nach allen Seiten hin zu realisieren war. Umso mehr kämpfte er darum, sich einen Bereich frei zu halten, in den er nichts Unreines, Unwahres eindringen lassen wollte - die Literatur. Das ist ihm ohne jeden Zweifel gelungen. Und das ist auch der Grund, weshalb es so schwer ist, seine Texte zu „kritisieren“. Kafka hat, wenn man so will, das „Reinheitsgebot“ in die Literatur eingeführt.


Werke

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Die Verwandlung
Erstausgabe 1915, Titelillustration Ottomar Starke.

Die Jahreszahl in runden Klammern bezieht sich auf den Erstdruck und Jahreszahlen in eckigen Klammern geben das Entstehungsdatum an.

Bei kursiv gedruckten Titeln handelt es sich um Bücher, die gesammelte Prosatexte enthalten. Die in einer Sammlung enthaltenen Werke sind im Artikel zum Sammelband aufgeführt.

Zu Lebzeiten veröffentlicht

Posthum veröffentlicht (Auswahl)

Werkausgaben

  • Kritische Ausgabe. Schriften, Tagebücher, Briefe. Herausgegeben von Jürgen Born [und anderen]. Frankfurt am Main: Verlag S. Fischer, 1982 ff. (auch bezeichnet als: „Kritische Kafka-Ausgabe (KKA)“)
  • Historisch-kritische Ausgabe sämtlicher Handschriften, Drucke und Typoskripte. Herausgegeben von Roland Reuß und Peter Staengle. Basel (und andere): Stroemfeld, 1995ff. (auch bezeichnet als: „Franz Kafka-Ausgabe (FKA)“)
  • Gesammelte Werke in Einzelbänden in der Fassung der Handschrift. Herausgegeben von Jost Schillemeit und anderen. Frankfurt am Main: Verlag S. Fischer, 1983ff. (Textidentisch mit den Textbänden der Kritischen Ausgabe)
  • Gesammelte Werke. Herausgegeben von Max Brod. Frankfurt am Main: 1950 ff. (auch bekannt als: „Brod-Ausgabe“).

Briefe

Hintergrund

Kafka schrieb intensiv und lange Zeit seines Lebens Briefe. Diese Briefe ermöglichen es der Forschung Einblicke in das Leben und Wesen des Schriftstellers zu erhalten. Kafkas Briefe belegen einen sehr sensiblen Menschen und vermitteln seine Angst vor dem eigenen Wesen, der ihn umgebenden Großstadt und der gesamten Welt. Manche sind der Ansicht, Kafkas Briefe ergänzen das literarische Werk nicht nur, sondern seien ein Teil von ihm.

Ausgaben der Briefe

  • Bestandteil von: Kritische Ausgabe. Schriften, Tagebücher, Briefe. Verlag S. Fischer, 1982 ff.
    • Briefe, Band 1 (1900 - 1912). Herausgegeben von Hans-Gerd Koch. Text, Kommentar und Apparat in einem Band. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 1999. ISBN 3-10-038157-2.
    • Briefe, Band 2 (1913 - März 1914). Herausgegeben von Hans-Gerd Koch. Text, Kommentar und Apparat in einem Band. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 2001.
    • Briefe, Band 3 (1914 - 1917). Herausgegeben von Hans-Gerd Koch. Text, Kommentar und Apparat in einem Band. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 2005.
  • Andere Ausgaben:
    • Franz Kafka, Max Brod - Eine Freundschaft. Briefwechsel. Herausgegeben von Malcolm Pasley. S. Fischer Verlag, 1989. ISBN 3-10-008306-7.
    • Franz Kafka - Briefe an die Eltern aus den Jahren 1922-1924. Herausgegeben von Martin und Cermak. Fischer Taschenbuchverlag, 1993. ISBN 3-596-11323-7.
    • Franz Kafka - Briefe an Felice und andere Korrespondenz aus der Verlobungszeit. Herausgegeben von Born und Heller. Fischer Taschenbuchverlag. ISBN 3-596-21697-4.
    • Franz Kafka - Briefe an Milena. Herausgegeben von Born und Müller. Fischer Taschenbuchverlag, 1991. ISBN 3-596-25307-1.
    • Franz Kafka - Briefe an Ottla und die Familie. Herausgegeben von Binder und Wagenbach. S. Fischer Verlag. ISBN 3-10-038115-7.

„Tagebücher“

Kafka schrieb von 1909 bis 1923 Tagebuch.

Hintergrund

Die als „Tagebücher“ bezeichneten Hefte Kafkas enthalten nur zum Teil tagebuchartige Notizen. Sie beinhalten auch literarische Skizzen und Texte, daher ist die Bezeichnung „Tagebücher“ einseitig.

Ausgaben der „Tagebücher“

  • Bestandteil von: Gesammelte Werke in Einzelbänden in der Fassung der Handschrift. Verlag S. Fischer, 1983ff.
    • Tagebücher Band 1: 1909-1912 in der Fassung der Handschrift. Herausgegeben von Hans-Gerd Koch. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 1994.
    • Tagebücher Band 2: 1912-1914 in der Fassung der Handschrift. Herausgegeben von Hans-Gerd Koch. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 1994.
    • Tagebücher Band 3: 1914-1923 in der Fassung der Handschrift. Herausgegeben von Hans-Gerd Koch. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 1994.
    • Reisetagebücher in der Fassung der Handschrift. Herausgegeben von Hans-Gerd Koch. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 1994.
  • Bestandteil von: Historisch-kritische Ausgabe. Stroemfeld Verlag, 1995ff.
    • Oxforder Oktavhefte 1 & 2. Hrsg. v. Roland Reuß und Peter Staengle. Basel (und andere): Stroemfeld, 2004. (Entstehungszeitraum der Oktavhefte: Ende 1916 bis Anfang 1917)
    • Oxforder Ouarthefte 1 & 2. Hrsg. v. Roland Reuß und Peter Staengle. Basel (und andere): Stroemfeld, 2001. (Zeitraum der Ouarthefte: 1910-1912)

Amtliche Schriften

Hintergrund

Franz Kafka war in der Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen tätig und verfasste dort Aufsätze, Gutachten, Rundschreiben und anderes. Siehe oben den Abschnitt „Berufliche Tätigkeit“.

Ausgaben der amtlichen Schriften

  • Hermsdorf, Klaus. Hochlöblicher Verwaltungsausschuß. Amtliche Schriften. Luchterhand, 1991. ISBN 3-6306-1971-1.
  • Klaus Hermsdorf/Benno Wagner (Hrsg.). Franz Kafka. Amtliche Schriften. Frankfurt a.M.: S. Fischer, 2004. ISBN 3-10-038183-1. (Bestandteil der Kritischen Kafka-Ausgabe)

Literatur

Biographien

(Anm. zur Verbesserung: Außer Reiner Stach sowie dem noch erscheinenden Werk Peter Alts existiert keine wirkliche Biographie Kafkas!)

  • Wagenbach, Klaus. Franz Kafka. rororo Monographie. 1964. (Eine Neuauflage erschien 2002.)
  • Stach, Reiner. Kafka. Die Jahre der Entscheidungen. Frankfurt am Main: Fischer, 2002. ISBN 3596161878.
  • Alt, Peter A. Franz Kafka: Der ewige Sohn. München: C. H. Beck, 2005. ISBN 3-406-53441-4. (erscheint: 22. August 2005)
  • Hermes, R.; John, W.; Koch, H.-G.; Widera, A. Franz Kafka. Eine Chronik. Berlin: Klaus Wagenbach,1999. ISBN 3-8031-2338-0.
  • Anz, Thomas. Franz Kafka. München: Beck, 1989. (2. Auflage erschien 1992). ISBN 3-406-33162-9
  • Wagenbach, Klaus. Franz Kafka. Ein Leben in Bildern. 1989.
  • Binder, Hartmut. Kafka in Paris. Historische Spaziergänge mit alten Photographien. München: F.A. Herbig, 1999.

Interpretationen

  • Binder, Hartmut (Hg.). Kafka-Handbuch. 1979. (Das Handbuch umfasst einen Biographie-Band und einen Band mit Interpretationen.)
  • David, Claude (Hg.). Franz Kafka. Themen und Probleme. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1980.
  • Schmidt-Dengler, W. (Hg.). Was bleibt von Franz Kafka? Positionsbestimmung. 1985.

Anderes

  • Adorno, Theodor W.: Aufzeichnungen zu Kafka; in: GS Bd. 10.1, S. 254ff.
  • Benjamin, Walter: Franz Kafka. Zur zehnten Wiederkehr seines Todestages; in: GS Bd. 2.2., S. 209ff.
  • Camus, Albert: "Die Hoffnung und das Absurde im Werk von Franz Kafka" Düsseldorf: Rauch Verlag, 1956.
  • Canetti, Elias: "Der andere Prozess. Kafkas Briefe an Felice." München: Hanser, 1968.
  • Gilles Deleuze/Felix Guattari: Kafka, Für eine kleine Literatur. Suhrkamp, 1976.
  • Gruber, Marianne: Ins Schloss. Haymon Verlag, 2004. ISBN 3-85218-447-9. (Kafkas Romanfragment Das Schloss wird weitererzählt).
  • Dietz, Ludwig: Franz Kafka; Die Veröffentlichungen zu seinen Lebzeiten [1908-1924]; Eine textkritische und kommentierte Bibliographie. Heidelberg: Lothar Stiehm Verlag, 1982.
  • Jacob, Heinrich Eduard: Kafka oder die Wahrhaftigkeit; in: "Der Feuerreiter. Zeitschrift für Dichtung, Kritik und Graphik", II. Jg. Heft 2, August/September 1924, hrsg. von Heinrich Eduard Jacob; S. 61-66.
  • Jacob, Heinrich Eduard: Truth for Truth's Sake; in: "The Kafka Problem", Hg. Angel Flores. New York 1956.
  • Kundera, Milan: Irgendwo, dahinter; in: "Die Kunst des Romans" München: Hanser, 1987.
  • Wagner, Benno: Die Majuskel-Schrift unseres Erden-Daseins. Kafkas Kulturversicherung; in: "Hofmannsthal-Jahrbuch", Nr. 12, 2004, S. 327-363.

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