Kernreaktor

Anlage, in der eine Kernspaltungsreaktion kontinuierlich als Kettenreaktion im makroskopischen, technischen Maßstab abläuft
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Ein Atomreaktor oder Kernreaktor ist eine Maschine, in der eine Kernreaktion kontinuierlich abläuft. Weltweit verbreitet sind Atomreaktoren, die durch die Spaltung von Uran oder Plutonium zunächst Wärme und daraus elektrische Energie gewinnen. Eine weitere Art von Atomreaktor ist der im Experimentierstadium befindliche Kernfusionsreaktor, der wie die Sonne aus der Verschmelzung (Fusion) von Wasserstoffkernen Energie gewinnt.

Kernspaltungsreaktor

Funktionsprinzip

Fängt ein Atomkern des Uranisotops U235 oder ein Plutoniumkern des Isotops Pu239 ein Neutron ein, das eine gewisse Mindestenergie liefert, zerfällt dieser Kern in zwei meist ungleiche Bruchstücke. Darüberhinaus werden bei jeder einzelnen Spaltung zwei bis drei weitere Neutronen frei. Die Geschwindigkeit der Zerfallsprodukte liefert die genutzte Wärmeenergie.

Der Einfangquerschnitt z.B. des U235-Isotops für ein Neutron nimmt mit der Energie oder Geschwindigkeit des Neutrons ab, d.h. je schneller das Neutron ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass es von einem U235-Kern eingefangen wird. Daher bremst man in einem Atomreaktor die Neutronen durch Einsatz eines Moderators ab. Ein Moderator ist ein Material wie Graphit, schweres oder normales Wasser, das viele Atomkerne enthält, die nicht sehr viel schwerer als ein Neutron sind, und das einen sehr niedrigen Einfangquerschnitt für Neutronen hat. Die erste Eigenschaft führt dazu, dass die Neutronen durch Stöße mit diesen Atomkernen abgebremst werden. Die zweite Eigenschaft hat zur Folge, dass die Neutronen der Kettenreaktion weiter zur Verfügung stehen.

Materialien mit einem hohen Einfangquerschnitt für Neutronen werden eingesetzt, um die Kettenreaktion zu regeln. Beispiele für solche Materialien sind Cadmium und Bor, aus diesen werden die Regelstäbe gefertigt. Durch das Herausziehen und Hineinfahren der Regelstäbe wird der Reaktor so geregelt, dass im Durchschitt genau eines der freiwerdenden Neutronen einer Kernspaltung eine weitere Kernspaltung auslöst. Einen Reaktor in diesem Zustand bezeichnet man als kritisch. Ein kritischer Reaktor gibt eine konstante Leistung ab, in einem unterkritischen Reaktor kommt die Kettenreaktion zum Erliegen.

In einem überkritischen Reaktor nimmt die Leistung und die Neutronenstrahlung ständig zu, bis entweder die Bedingungen keine weitere Kernspaltung mehr erlauben oder der ganze Kernbrennstoff verbraucht ist. Gerät ein Reaktor in den überkritischen Zustand, ist immer höchste Gefahr gegeben. Im glücklichsten Fall steigt der Neutronenfluss und die Temperatur abrupt an, der Moderator verliert zum Teil seine moderierenden Eigenschaften und der Reaktor wird unterkritisch. Insbesondere Graphit verliert aber bei Hitze seine moderierenden Eigenschaften nicht.

Kommt die Kettenreaktion in einem überkritischen Reaktor nicht zum Erliegen, kommt es durch die große Hitze zu einer Kernschmelze, bei der die Strukturen des Reaktorkerns schmelzen. In der Schmelze läuft die Kettenreaktion weiter ab und erzeugt dadurch weiter Hitze. Dieser Fall wird als größter anzunehmender Unfall, kurz als GAU bezeichnet. Bei einem GAU ist davon auszugehen, dass über Überdruckventile oder andere Leitungen radioaktive Stoffe in die Umwelt entweichen. Hält wie beim Reaktorunfall von Tschernobyl das Reaktorgebäude nicht stand, tritt eine sehr große Menge radioaktiver Stoffe aus.

Reaktortypen

Reaktoren werden nach der Art der Moderation und der Bauweise unterteilt.

Mit normalem Wasser moderierte Reaktionen finden im Leichtwasserreaktor statt, der als Siedewasserreaktor oder Druckwasserreaktor ausgelegt sein kann. Leichtwasserreaktoren benötigen angereichtertes Uran als Brennstoff.

Mit schwerem Wasser moderierte Schwerwasserreaktoren erfordern eine große Menge des teuren schweren Wassers, können aber mit natürlichem, d.h. nicht angereichertem Uran, betrieben werden.

Ein Hochtemperaturreaktor (auch Kugelhaufenreaktor) nutzt Kohlenstoff (in Form von Graphit) als Moderator.

Daneben gibt es Brutreaktoren (Schnelle Brüter), in denen U238 in Pu239 umgewandelt wird. Brutreaktoren arbeiten mit schnellen Neutronen, und verwenden Natrium als Kühlmittel.

Derzeit wird weltweit aktiv an neuen Reaktorkonzepten gearbeitet, insbesondere mit Blick auf den erwarteten wachsenden Energiebedarf.

Sicherheit und Politik

Das von Kernreaktoren ausgehende Gefahrenpotential sowie die bislang ungelöste Frage der Lagerung der anfallenden radioaktiven Abfälle haben nach Jahren der Euphorie seit den 70 Jahren des 20. Jahrhunderts in vielen Ländern zu einer Neubewertung der Kernkraft geführt.