Bagan

historische Königsstadt in Myanmar
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Bagan ist eine historische Königsstadt im heutigen Myanmar (Birma) mit über zweitausend erhaltenen Sakralgebäuden aus Ziegelstein, und eine der größten archäologischen Stätten Südostasiens.

Lage und Ausdehnung

 
250° Rundblick über Bagan

Bagan liegt in der heutigen Mandalay-Division, 193 km südlich von deren Hauptstadt Mandalay am Ostufer des Irrawaddy, auf halbem Weg zwischen dessen Quelle und der Mündung im indischen Ozean, unweit der Stadt Chauk in der Magwe-Division. Der von Tempeln bestandene Bereich erstreckt sich über ca. 36 km² in einer versteppten Landschaft.

Aufbau

Die Herrscher von Bagan knüpften ihre Macht eng an den buddhistischen Glauben. Dessen Symbolik für ihren Machterhalt nutzend, gestalteten sie den Grundriss des Stadtzentrums von Bagan zum Abbild des Zentrums des buddhistischen Kosmos um. Das heute durch das Mäandrieren des Irrawaddy zerstörte Quadrat stand für den Götterberg Meru. In neun Felder unterteilt, stellen die acht äußeren Teile die bis dahin bekannten acht Planeten des Sonnensystems dar. Das neunte, das zentrale Feld, ist in der buddhistischen Mythologie für Gautama Buddha selbst reserviert. Hier erbaute König Anawrahta seinen Palast und den Mahabodhi-Tempel.

Der Theravada-Buddhismus ist auch die treibende Kraft für die flächenhafte Entwicklung der Stadt. Wie im Wettlauf um die Gunst der Götter wurden, ohne die immensen Kosten in Betracht zu ziehen, Tempel, Pagoden und Klöster aus der anstehenden Tonerde erbaut und mit Sandstein, glasierten Tafeln und Stuck verziert. Nur so ist die große Anzahl sakraler Gebäude zu erklären, die in nur zweihundert Jahren entstanden. Dass das Ruinenfeld von Bagan heute so weitläufig wirkt (s. Rundblick), ist der Tatsache geschuldet, dass nur Sakralbauten aus Stein errichtet wurden. Der Bau von Wohnhäusern erfolgte hingegen aus weniger zeitbeständigen Materialien wie Holz und Bambus und hatte die Versteppung des Umlandes von Bagan zur Folge.

Geschichte

Das Königreich, dessen Herrschaftszentrum Bagan für ca. 430 Jahre war, bildete das erste vereinte Reich im heutigen Myanmar. Die frühe Geschichte Bagans ist in Einzelheiten umstritten. Trotz vieler Phasen der Instabilität vor dem 11. Jahrhundert durch Thronstreitigkeiten und Dynastiewechsel wurde Bagan durch seine ausgesprochene Lagegunst am Irrawaddy, an dem sich Handelswege aus China und Indien treffen, schon Mitte des 9. Jahrhunderts zum zentralen Ort Oberbirmas.

Aufstieg und Blütezeit

Zur Lokalisierung von großer Macht, die sich noch heute in den überkommenen Klöstern und Tempeln ausdrückt, kam es in Bagan jedoch erst mit der Thronbesteigung König Anawrathas im Jahre 1044. Unter ihm und seinem Sohn Kyanzittha (10841112) erreichte die Stadt ihre Blüte. Während der Herrschaft dieser beiden Könige wurde der Theravada-Buddhismus in Konkurrenz zu alten lokalen Glaubensgruppen zur hegemonialen Religion und zum Instrument des Machterhalts. Das Reich dehnte sich unter Anawrahta von der trockenen Zone im Norden bis hin zu den unterworfenen Mon-Zentren Pegu (Bago) und Thaton im Irrawaddy-Delta aus und erweiterte seine politischen und religiösen Beziehungen auf dem Seeweg bis nach Ceylon (heute Sri Lanka). Die Expansion des Herrschaftsgebiets von Bagan auf etwa die Größe des heutigen Territoriums von Myanmar erschloss den Herrschern aus Oberbirma materielle und kulturelle Ressourcen bis dahin nicht gekannten Ausmaßes. Durch die Verschleppung der gesamten Mon-Bildungselite nach Bagan kam es zur Übernahme der Mon-Schrift und ihrer literarischen Kultur. Mit einer Fläche von 40 km² wuchs Bagan zu einer der größten Städte des Mittelalters heran und war damit ca. 15-mal größer als die mittelalterliche City of London.

 
Bagan bei Sonnenuntergang

Der Staat war nach dem Vorbild hinduistischer Königreiche aufgebaut. Der in der Hauptstadt angesiedelte Königshof wurde durch die Besteuerung der einzelnen Haushalte oder durch Frondienste in den von Myothugis (Verwalter von Siedlungen mit vererbbaren Rechten) regierten Dörfern finanziert. Im Lauf der Zeit wurden zunehmend größere Landesteile den buddhistischen Klöstern in Form so genannter Sklavendörfer zur Aufrechterhaltung des Mönchtums (Sangha) zur Verfügung gestellt. Das Königtum war sowohl durch die Hindu-Ideologie als auch durch die Rolle des Königs als Verteidiger des Buddhismus legitimiert. In der rund 250 Jahre dauernden Friedenszeit ließen die frommen Herrscher knapp 6.000 Pagoden erbauen, von denen ca. 2.000 erhalten sind und für die Bagan heute berühmt ist.

Niedergang

Wie der Aufstieg so steht auch der Niedergang des Reiches von Bagan im Zusammenhang mit der Verknüpfung von weltlicher und geistlicher Macht. Die Kosten für Tempelbau und Unterhalt des Personals waren ein Grund für die Schwächung des Staates. Neben der Steuerfreiheit von Tempeln und Klöstern behielten ab Mitte des zwölften Jahrhunderts auch immer mehr Gouverneure in den eroberten Provinzen zu leistende Abgaben ein und entzogen dem Staat damit sein finanzielles Fundament.

So geschwächt hatten die Birmanen den aus Norden auf ihr Gebiet drängenden Thai und Mongolen kaum etwas entgegenzusetzen. König Narathihapate (reg. 1254-1286) geriet in Konflikt mit dem von den Mongolen beherrschten Yüan-China. Bevor Mongolenfürst Kublai Khan 1287 die Stadt einnahm, ließ der Herrscher von Bagan viele Tempel für die Errichtung einer Stadtmauer niederreißen. Mit der Flucht des Königs vor den Mongolen wurde der Mythos von Bagan als Brücke zwischen Himmel und Erde endgültig zerstört.

Das zuvor von Bagan aus regierte Reich zwischen den südlichen Ausläufern des Himalaya und dem indischen Ozean zerfiel für mehr als zwei Jahrhunderte in zahlreiche Kleinstaaten, die sich ständig gegenseitig bekämpften. Bagan konnte in den folgenden Jahrhunderten nicht an seine frühere Bedeutung als Hauptstadt anknüpfen. Oberbirma führte eine unsichere Existenz zwischen der Vorherrschaft der Shan, die z.B. 1299 einen König Bagans töteten, und tributpflichtigen Beziehungen mit China, während Unterbirma wieder unter die Herrschaft der Mon (mit der Hauptstadt Pegu (jetzt: Bago)) geriet.

Heutige Entwicklung

Heute zählt Bagan zu den größten archäologischen Stätten Südostasiens. Neben den vor allem architektonisch interessanten Denkmälern, finden sich hier mit Wandgemälden aus der Zeit vom 11. bis zum 13. Jahrhundert die ältesten erhaltenen Malereien Südostasiens, die durch das außerordentlich trockene Klima in Bagan zum Teil hervorragend erhalten sind.

Restaurierungsmaßnahmen

Die Maßnahmen zur Registrierung und Restaurierung des historischen Baubestandes begannen viele Jahre vor der Machtübernahme der Militärs in Myanmar im Jahr 1988. Bereits 1958 fertigte das birmanische Institut für Archäologie eine Kopie der Inschriften auf den Wänden des Ananda-Tempels an. Die birmanische historische Kommission folgte 1962 mit dem Ziel, die Malereien fotografisch festzuhalten. Durch das Aufbringen eines Glycerin-Belags zur Verbesserung der Farben und dessen nachfolgende Abtragung durch Ameisen wurden die Inschriften erstmals schwer beschädigt. Eine erneute Rekonstruktion mit modernsten Restaurationstechniken wurde nach dem schweren Erdbeben im Jahr 1975 unmöglich. Das Epizentrum des Bebens mit einer Stärke von 6,5 auf der Richterskala lag in Bagan. Es zerstörte oder beschädigte auch viele andere noch erhaltene Tempel und Statuen.

Die Rekonstruktionsmaßnahmen in Bagan beschränken sich nicht nur auf kleinteilige Arbeiten. Mittlerweile werden ganze Tempel, die beim Beben von 1975 einstürzten und teilweise abgetragen wurden, aus neuen Ziegeln und Beton wiederaufgebaut, andere vollständig neu errichtet. Historische Baupläne und Stilrichtungen werden dabei kaum beachtet. Die Baumaßnahmen der herrschenden Generäle haben vor allem Symbolcharakter. Sie sollen der Bevölkerung ihre Frömmigkeit demonstrieren und ihre Regierungsgewalt in eine Linie mit den großen Herrschern der Bagan-Zeit stellen.

Nominierung als Weltkulturerbestätte

Das Agieren der Generäle hat jedoch nicht allein nationale Dimension. Es muss, nach der Nominierung Bagans im Juni 2002 als mögliche erste Weltkulturerbestätte in Myanmar durch die UNESCO, auch in internationalem Kontext gesehen werden.

Wenn auch international geächtet und wirtschaftlich am Boden, so kann das Militärregime in Myanmar doch mit dem Pfund seiner kulturhistorisch bedeutenden Stätten wuchern. Die UNESCO betrachtet die begonnenen und bereits fertig gestellten Arbeiten aus denkmalpflegerischen Gesichtspunkten sehr kritisch. Sie übt deshalb starken Druck auf die Verantwortlichen in Myanmar aus. Eine offizielle Reaktion der Regierung auf die kritischen Stimmen aus den Vereinten Nationen gab es bislang nicht. Für die Regierenden in Rangun liegt in den Verhandlungen mit der UN-Behörde schon ein Wert an sich – ganz unabhängig von deren Inhalt. Nach Jahren der Abschottung kann sie die Gespräche im Inland als gelungene Diplomatie verkaufen. In Anbetracht der eher vordergründigen Kooperationsbereitschaft von Myanmars Regierenden scheint das Ziel der Vereinten Nationen, in Myanmar einen Denkmalschutz nach UN-Richtlinien zu verwirklichen, kurzfristig nicht durchsetzbar. Mit den begonnenen Verhandlungen ist jedoch die Hoffnung verbunden, langfristig einer Umsetzung des Weltkulturerbe-Abkommens in Bagan näher zu kommen

Literatur

  • Blume, B. (2003): Myanmar. Bielefeld
  • Petrich, M. H. (2003): Birma, (Myanmar). München
  • Winter, M. (2004): Die Himmelsstadt. In: Bissinger, M. (Hrsg.) Burma, Myanmar. Merian, Hamburg S. 84 – 91