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Eduard Gans

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Eduard Gans (* 22. März 1798 in Berlin; † 5. Mai 1839 in Berlin) war ein deutscher Jurist, Rechtsphilosoph und Historiker.

Leben und Wirken

Jugend und erste Studien

Gans wurde als Sohn eines wohlhabenden Geschäftsmannes in Berlin geboren. Sein Vater gehörte zum liberalen, assimilierten Judentum und war Finanzberater des Staatskanzlers Karl August Fürst von Hardenberg.

Nach dem Schulbesuch am Grauen Kloster studierte er ab 1816 Rechtswissenschaft, Philosophie und Geschichte in Berlin, Göttingen und Heidelberg. Schon als junger Student fiel er als reger, kritischer Kopf auf.

Erste Bekanntschaft mit Hegel und den "Hegelianern"

In Heidelberg schloss er sich eng an seinen Lehrer Anton Friedrich Justus Thibaut und Georg Friedrich Hegel an, dessen Gedankengebäude er in die Geschichts- und Rechtswissenschaft einarbeitete. Besonders interessierten ihn dabei Theorien von der Entstehung des Besitzes. Gemeinsam mit anderen orthodoxen Hegelianern gründete er die „Jahrbuecher fuer wissenschaftliche Kritik“. Mit einer Arbeit über römisches Obligationenrecht wurde er 1819 summa cum laude zum Dr. jur promoviert.

1820 wurde er Privatdozent an der Universität Berlin, wo Hegel schon seit zwei Jahren lehrte.

„Verein fuer Cultur und Wissenschaft der Juden“

Ein Jahr zuvor hatte Gans mit den gleichgesinnten jüdischen Freunden Leopold Zunz und Moses Moser den „Verein fuer Cultur und Wissenschaft der Juden“ gegründet, dem er von 1821-1824 als Präsident vorsaß. Den jungen Reformern ging es dabei in erster Linie darum, jüdische Jugendliche geistig aus der - modern ausgedrückt - „Parallelgesellschaft“ des Judentums herauszuholen und in die Gedankenwelt Europas einzubinden; 1824 löste sich der Verein allerdings auf.

„Lex Gans“ und Konversion zum Christentum

1825 ließ sich Gans taufen und konvertierte zum evangelischen Glauben. Zum Einen aus Verdruss über Entwicklungen im Berliner Judentum, zum Anderen aber wohl auch aus Karrieregründen: Trotz des preußischen Emanzipationsedikts von 1812 war Juden die Beamtenlaufbahn nach wie vor verwehrt: eine Ausnahmeregelung für besonders fähige Akademiker war 1822 durch eine königliche Kabinettsordre aus Anlass der Bewerbung Gans´ um eine ordentliche Hochschulprofessur wieder rückgängig gemacht worden und ging als sogenannte Lex Gans in die preußische Rechtsgeschichte ein. Auch die Vermittlung Hardenbergs richtete in diesem Fall nichts aus.

Hochschulkarriere in Berlin

Berufliche Profilierung

Um seine ehrgeizigen akademischen Ziele weiterverfolgen zu können und nicht länger auf Stipendiengelder angewiesen zu sein, vollzog Gans den Glaubenswechsel. 1826 wurde er zunächst außerordentlicher, kurz darauf ordentlicher Professor der Rechte an der Universität von Berlin, 1832 Dekan der juristischen Fakultät.

Gans und der „Vormärz“

Für Liberalismus und Konstitutionelle Monarchie und gegen die Republik

Es war die Zeit des Vormärz, in den Hörsälen gärte es - die „Studentenbewegung“ des 19. Jahrhunderts war im Gang: Gans empfing studentische Fackelzüge und organisierte eine Unterschriftenaktion für die Göttinger Sieben. Als Historiker sah er in der Französischen Revolution den entscheidenden Wendepunkt in der europäischen Geschichte und begrüßte 1830 die Julirevolution als notwendige Entwicklung im Sinne des liberalen Bürgertums. Ein Republikaner war er allerdings nicht, und die radikalen Ideen der linkshegelianischen Clubs lehnte er ebenso ab wie die Bestrebungen der Restauration.

Für ein aufgeklärtes Preußen in einem geeinten Europa

Als Staatsideal galt ihm der preußische Staat als eine konstitutionelle Monarchie unter Führung eines aufgeklärten, starken Souverän; der Demokratie misstraute er. Als einer der ersten hatte er die politische Vision eines vereinten Europa, in dem deutsches, französisches, lateinisches, griechisches und jüdisches Erbe zusammenfließen sollten; Nationalist war er nicht, und die romantische Mittelalter-Schwärmerei seiner Zeit blieb ihm fremd - sein politischer Blick ging in die Zukunft und nach Westen.

Gans als Lehrer

Als Lehrender verstand es Gans im Gegensatz zu anderen Professoren, seine Theorien hörergerecht zu verpacken und Abstraktes am konkreten Tagesgeschehen lebendig werden zu lassen. Seine Vorlesungen waren äußerst beliebt - teilweise strömten bis zu eintausend Studenten in die Hörsäle, sodass die Behörden die Veranstaltungen abbrechen ließen; unter den Zuhörern saß ab 1836 auch der junge Karl Marx.

Autor und Journalist

Eduard Gans war auch als Autor populärwissenschaftlicher historischer Bücher und als Journalist tätig: als Berlin-Korrespondent der Cottaschen Allgemeinen Zeitung in Augsburg und als politischer Reisejournalist. Er pflegte einen regen gesellschaftlichen Umgang und war u. a. mit Heinrich Heine und Karl August Varnhagen von Ense befreundet.

Kampf mit Savigny und früher Tod

Sein größter akademischer Widersacher an der juristischen Fakultät in Berlin war der konservative Friedrich Carl von Savigny. Anders als dieser, der die Entstehung und Entwicklung der Gesetze als naturgegebene Phänomene nur beobachten und empirisch untersuchen wollte, da er sie gleichsam dem Menschen als „ewig“ gegeben und göttlich ansah, forderte der Hegelianer Gans eine Betrachtung rechtlicher Tatbestände, vor allem solcher des Besitzes, aus dem Geist philosophischer Spekulation und historischer Zuordnung. Den Rechtshistorikern um Savigny warf er mangelnde intellektuelle Schärfe und fehlende historische Kenntnisse vor. Der teilweise erbittert und mit harten verbalen Attacken geführte akademische Kleinkrieg zwischen dem mächtigen Savigny und dem populären Gans sollte bis zum frühen Tod des letzteren 1797 andauern: Noch auf dem Sterbebett soll er ein Pamphlet gegen seinen alten Feind verfasst haben.

Nachwirkung

Eduard Gans gilt heute als einer der Begründer der Vergleichenden Rechtswissenschaft in Deutschland. Sein unvollendet gebliebenes Hauptwerk Das Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung (vier Bände erschienen 1824-1835) wurde 1845 teilweise ins Französische übersetzt, wo sein Werk außer in Deutschland die größte Beachtung fand. Es liegen auch englische und italienische Übersetzungen in Auszügen vor.

Eduard Gans hat sich auch als Herausgeber der Werke Hegels einen Namen gemacht: 1833 erschien Band acht (Grundlinien der Philosophie des Rechts) und 1837 Band neun (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte) unter seiner Federführung.

Schriften (Auswahl)

Eduard Gans: Das Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung, Band 1 bis 2 (1824-1825), Band 3-4 (1829-1835)

ders.: System des römischen Civilrechts (1827), Nachdruck , Keip Verlag, Goldbach 1999 ISBN 3-8051-0699-8

ders.: Vorlesungen ueber die Geschichte der letzten fuenfzig Jahre (1833-1834)

ders.: Rückblicke auf Personen und Zustände (1836), Neudruck, hrsg., komm. und mit einer einleitung versehen von Norbert Waszek (Hegel-Archiv der Ruhruniversität Bochum), Frommann-Holzberg Verlag, Stuttgart, Bad Cannstatt, 1995 ISBN 3-7728-1481-6

ders.: Über die Grundlage des Besitzes (1839)

ders.: Naturrecht und Universalgeschichte , Neuausgabe, hrsg. von M. Riedel, Clett-Cotta, Stuttgart, 1981 ISBN 3-12-913520-0

ders.: Philosophische Schriften, hrsg. und eingeleitet von Horst Schröder, Anvermann Verlag, Glashütten (im Taunus), 1971 (vergriffen)

Literatur

Reinhard Blänkner: Eduard Gans (1797-1839). Politischer Professor zwischen Restauration und Vormärz, Leipziger Univ.-Verlag, Leipzig, 2002 ISBN 3-934565-33-6

Johann Braun: Judentum, Jurisprudenz und Philosophie: Bilder aus dem Leben des Juristen Eduard Gans (1797-1839), Nomos-Verl.-Ges., Baden-Baden, 1997 ISBN 3-7890-4818-6

Michael H. Hoffheimer: Eduard Gans and the Hegelian philosophy of law, Kluwer Acad. Publ., Dordrecht, Boston, London, 1995 ISBN 0-7923-3270-9

Norbert Waszek (Hrsg.): Eduard Gans (1797-1839). Hegelianer-Jude-Europäer. Texte und Dokumente, Lang Verlag, Frankfurt/Main, Bern, New York, Paris, 1991 ISBN 3-631-43883-4