Rademacherfunktionen

mathematische Funktion
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Die Rademacherfunktionen, benannt nach Hans Rademacher, sind für jede natürliche Zahl auf dem (halboffenen) Einheitsintervall [0,1) definierte Funktionen, die nur die Werte -1 und 1 annehmen.

Die ersten drei Rademacherfunktionen

Definition

Die  -te Rademacherfunktion ist so definiert:

 , falls   gilt (mit einem k mit  ).

Alternativ kann man die  -te Rademacherfunktion durch

 

definieren. Diese Definition ist äquivalent zur ersten Definition für alle Zahlen  , die nicht von der Form   sind. Wenn   diese Form hat, so ist   und daher verschwindet auch das Vorzeichen (sgn). Der Unterschied betrifft jedoch für jedes   nur endlich viele   und spielt daher z.B. in Funktionenräumen wie   keine Rolle (da hier die Funktionen auf Nullmengen beliebig verändert werden können).

Beispiele

Für die Funktion   gilt also:

 

und für die Funktion  :

 

Allgemein ordnet die  -te Rademacher-Funktion einer Zahl   im Einheitsintervall eine –1 zu, wenn die  -te Ziffer in der Binärdarstellung von   eine 1 ist, und eine 1, falls diese Ziffer 0 ist.[1] Zum Beispiel gilt

r1(0,375) = r1(0,0112) = 1

und

r2(0,375) = r2(0,0112) = –1.

Rademachersystem

Die Rademacherfunktionen bilden ein Orthonormalsystem des Raum der quadratintegrierbaren Funktionen  . Das heißt es gilt

 ,

wobei   das Kronecker-Delta ist. Dieses Orthonormalsystem trägt den Namen Rademachersystem, es ist jedoch keine Orthonormalbasis von  .

Normale Zahlen

Die Zahl   heißt einfach normal zur Basis 2 (siehe auch normale Zahl), wenn die beiden Ziffern 0 und 1 in ihrer Binärdarstellung gleich häufig vorkommen. Die Tatsache, dass fast alle Zahlen einfach normal sind, kann man mit Hilfe der Rademacherfunktionen so beschreiben:

Es gilt für fast alle t in [0,1)

 

Interpretiert man die Binärdarstellung jeder der Zahlen im Einheitsintervall als unendliche Folge von Münzwürfen (Bernoulli-Prozess mit  ), so ist das gerade die Aussage des starken Gesetzes der großen Zahlen.

Chintschin-Ungleichung

Eine einfache Version dieser Ungleichung, die nach Alexander Jakowlewitsch Chintschin benannt ist und in der die Rademacherfunktionen   vorkommen, lautet wie folgt.[2]

Ist   eine Folge reeller Zahlen, so gilt für jede natürliche Zahl  

 

Siehe auch

Anmerkungen

  1. Diese Beschreibung ist allerdings mehrdeutig für Zahlen der Form   (die auch dyadische Rationalzahlen genannt werden). Diese Zahlen haben zwei Binärdarstellungen (Bsp.: 1/2 = 0,12 = 0,0111…2).
  2. Siehe die Diplomarbeit von Peter Karlhuber-Vöckl, S. 9.

Literatur

  • Hans Rademacher: Einige Sätze über Reihen von allgemeinen Orthogonalfunktionen, Mathematische Annalen 87, 112–138, 1922, Online
  • Mark Kac: Statistical independence in probability, analysis and number theory (Carus Mathematical Monographs 12), Mathematical Association of America, 1959 (Kapitel 1 und 2: Anwendung auf Münzwurf)
  • Donald Knuth: The Art of Computer Programming, Volume 4A: Combinatorial Algorithms, Addison Wesley, Reading (MA), 2011 (insb. S. 287/288)