MV Agusta | |
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MV Agusta 500 Vierzylinder | |
Hersteller | MV Agusta |
Produktionszeitraum | 1973 bis 1976 |
Klasse | Rennmotorrad |
Motordaten | |
Viertaktmotor, luftgekühlter Vierzylindermotor, DOHC mit vier im Kopf hängenden Ventilen über Tassenstößel betätigt, Ölsumpfschmierung, vier Dell'Orto Vergaser mit 32 mm Durchmesser, Schwungradmagnetzündung | |
Leistung (kW/PS) | 98 (72) bei 14.000 min-1 (1973) |
Höchstgeschwindigkeit (km/h) | 285 (1973) >300 (1976) |
Getriebe | 6-Gang-Getriebe |
Antrieb | Kette |
Bremsen | vorne: Doppelscheibenbremse 250 mm / hinten: 230 mm Scheibenbremse |
Radstand (mm) | 1.360 |
Sitzhöhe (cm) | ? |
Leergewicht (kg) | 120–128 |
Vorgängermodell | MV Agusta 500 Dreizylinder |
Nachfolgemodell | keines |
Die MV Agusta 500 Vierzylinder (1973–1976) war ein Rennmotorrad der italienischen Firma MV Agusta, das in der höchsten Klasse der FIM zur Motorrad-Weltmeisterschaft eingesetzt wurde. Mit diesem Motorrad wurde MV Agusta 1973 Markenweltmeister und Phil Read 1973 und 1974 Fahrerweltmeister in der Klasse bis 500 ccm.[1]
Entwicklung und Technik
Die berühmteste Rennmaschine von MV Agusta, die Dreizylinder oder Tre, mit der Giacomo Agostini in der Klasse bis 500 ccm ununterbrochen von 1966 bis 1972 Weltmeister wurde, war in der Saison 1972 gerade noch leistungsfähig genug, um die neu entstandene Konkurrenz der Zweitaktmotorräder von Yamaha und Suzuki in Schach zu halten. Für die Saison 1973 wurde daher ein vorhandener Vierzylinder von 350 ccm Hubraum, der wesentlich überdrehfähiger war als der Dreizylinder, auf 433,5 ccm Hubraum aufgebohrt.[2] Die Leistungsdaten wurden mit 88 PS bei 14.000-1 Umdrehungen pro Minute angegeben. Dies entsprach fast den Leistungwerten der alten Tre', deren Entwicklung ausgereizt war.[3] Arturo Magni, Rennleiter und Chefentwickler bei MV, gelang es jedoch nicht, mit dem schmaler und leichter bauenden Motor, die nötige Standfestigkeit zu erreichen. Die Hubschrauberabteilung von Agusta unter Dr. Ing. Bocchi, der zuvor für Lamborghini und Ferrari Zwölfzylindermotoren entwickelte, wurde um Hilfe gebeten. Bocchi entwickelte den Motor weiter. Der Nockenwellenantrieb mittels Zahnräder, bisher an der Seite des Zylinderblocks, wurde nun zwischen Zylinder 2 und 3 angeordnet, so wie bei den Serientriebwerken. Der Reihenvierzylinder hatte eine Baubreite von 40 cm und ein Trockengewicht von 55 kg. Die Leichtmetallzylinder waren, im Gegensatz zu den Serientriebwerken, aus einem Block. Der aus einem Guß gefertigte Zylinderkopf beinhaltete dachförmige Brennräume. Die je zwei Einlaßventile mit 20,5 mm und Auslaßventile mit 16 mm Durchmesser wurden über Tassenstößel betätigt und mit zwei ineinander gesteckten Tonnenfedern in die Sitze gepresst, der Ventilwinkel betrug dabei 55 Grad.[4]
Renneinsätze
1973
Auf einen Hubraum von 499 cm³ (Hub: 57 mm, Bohrung: 49 mm) gebracht, erreichte der standfeste Motor nun in der ersten 73er-Version 95–98 PS bei einer Drehzahl von 14.000-1. Damit konnte sich Read, dem seit dem dritten Rennen dieser Motor zur Verfügung stand, gegenüber der Zweitaktkonkurrenz durchsetzen und Weltmeister werden. Agostini wurde in der Motorrad-WM-Saison 1973, für ihn enttäuschend, nur Dritter der Weltmeisterschaft; er bestritt die ersten Rennen auf der alten Tre. Anfangs wurde die Vierzylinder mit nur einer Bremsscheibe vorne sowie Reifen der Größe 3.00-18 vorne und, je nach Rennkurs, 3.25–18/3.50–18/3.75–18 hinten auf Speichenräder an den Start gebracht.[5]
1974
Nach dem völlig überraschendem Weggang von Agostini zu Yamaha (er fühlte sich gegenüber seinem Teamkollegen Read zurückgesetzt) wurde die Vierzylinder einer weiteren Leistungssteigerung unterzogen. Die 74er Version der 500er Vierzylinder erreichte bei einer Drehzahl von 14.500-1 eine Leistung von 108–110 PS.[6] Die Fahrer Read und Gianfranco Bonera (nun der zweite Pilot bei MV Agusta) bemängelten stets Fahrwerksschwächen. So kam auch eine zentrale Hinterradfederung zum Einsatz (System Cantilever), daneben wurde eine andere Ceriani-Gabel verwendet und mit einem Hinterrad-Slick in der Größe 4.50–18 experimentiert. Wohl bei keinem anderen Rennmodell von MV Agusta wurden derart häufige Fahrwerksveränderungen vorgenommen.[7] Trotzdem gelang Read eine Wiederholung seines Vorjahreserfolges in der Motorrad-WM-Saison 1974 auch aufgrund von technischen Ausfälle der leistungsstarken Zweitaktmotoren. Eine Entscheidung der FIM, die Lautstärke der Rennmaschinen in Zukunft auf 116 Phon zu reduzieren, sollte insbesondere die Viertakter von MV Agusta treffen. Zweitakter waren ohne Leistungseinbußen leichter zu dämpfen, da eine Überarbeitung der Resonanzkammer genügte. Gemessen wurden an der MV Agusta Vierzylinder (74er und 75er Version) zwischen 125 und 130 Phon am ungedämpften Auspuffrohr. Read und Agostini fuhren mit Ohrenstöpsel um die Geräuschkulisse ertragen zu können.[8]
1975
Eine Leistungssteigerung gegenüber der Vorjahresmaschine wurde nicht vorgenommen. Ein Gitterrohrrahmen wurdes statt des alten demontierbaren Doppelschleifenrahmens verbaut, um eine höhere Fahrwerksstabilität zu erreichen. Ebenso wurde eine breitere Schwinge verwendet, um den erstmals gefahrenen Slick an der Hinterachse aufnehmen zu können. Die Motorrad-WM-Saison 1975 verlief bis zum letzten Rennen, dem Großen Preis der Tschechoslowakei, spannend. Der Zweikampf zwischen Agostini (Yamaha/Zweitakt) und Read (MV Agusta/Viertakt) um den Fahrertitel war so eng wie lange nicht mehr. Im vorletzten Rennen (Finnland) erlitt die Viertakter von Read einen Magnetschaden, der einzige noch dazu technische Ausfall der Saison. Durch die Steichresulate musste Agostini im letzten Rennen nur ins Ziel und in die Punkte kommen, bei einem Ausfall Agostinis wäre Read wieder Weltmeister geworden. Read gewann mit der Vierzylinder zwar das letzte Rennen, doch Agostini wurde Zweiter und damit zum ersten Mal auf einer Zweitaktmaschine Weltmeister der Klasse bis 500 ccm.[9]
1976
Nach der überraschenden Rückkehr von Agostini zu MV Agusta wurde die Maschine nochmals überarbeitet. „Ago“ hatte nur einen Zweijahresvertrag und Yamaha zog sich Ende 1975 offiziell von Rennsport zurück; Read, bisher Nr. 1 Pilot bei MV wechselte zu Suzuki. Mit den Sponsoren Marlboro und Api auf der Rennverkleidung startete Agostini in der Motorrad-WM-Saison 1976. Die letzte Version der 500er wurde mit den Leistungsdaten 115 PS bei einer Drehzahl von 14.500-1 angegeben.[10] Die neuen Grenzwerte hinsichtlich der Lautstärke wurden von dieser Maschine durch einen neugestalteten Zylinderkopf und erstmals verwendeten Endschalldämpfer mit 115 Phon erfüllt.[11] Die Saison verlief für MV und Agostini enttäuschend, kein einziges Mal gelang Agostini der Sprung aufs Podium. Die Zweitakter von Suzuki waren leistungsmäßig überlegen und mittlerweile so standfest, dass Barry Sheene unangefochten Weltmeister wurde. Am 29. August 1976, dem letzten Rennen der Saison, gelang es Agostini mit der MV Agusta auf der fahrerisch anspruchsvollen Nordschleife, den letzten Rennsieg eines Viertaktmotors im direkten Vergleich zu Zweitakt-Rennmaschinen zu erringen.
Epilog
Nach dem letzten Rennen am Nürburgring zog sich MV Agusta offiziell vom Motorsport zurück. Nach 30 Jahren Motorsport wollte der neue Mehrheitsgesellschafter nicht weiteres Geld in die Rennabteilung der finanziell angeschlagenen Firma investieren. Ein bereits fertig entwickelter 180°-V-Motor (als Nachfolger der Reihenvierzylinder) ähnlich der König-Boxer, längsliegend im Rahmen eingebaut, kam nie zum Einsatz.[12] Erst im Jahre 2002, nach dem Verbot von Zweitaktern in der Königsklasse, wurden in in der neu entstanden Rennklasse der MotoGP Viertakter wieder erfolgreich in der Weltmeisterschaft eingesetzt.
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MV Agusta 500 (1974–75)
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MV Agusta 350 (1976) identische Lackerung zur MV 500
Literatur
- Mario Colombo, Roberto Patrignani: MV Agusta. Motorbuch Verlag. Stuttgart 2000, ISBN 3-613-01416-5.
- Siegfried Rauch: Berühmte Rennmotorräder. 2. Auflage. Motorbuch Verlag, Stuttgart 1980, ISBN 3-87943-590-1
- Volker Rauch: Motorrad Weltmeisterschaft 1975. Motorbuch Verlag, ISBN 3-87943-389-5.
- Christian Spahn: MV Agusta. Technik und Geschichte der Rennmotorräder. 1. Auflage. Serag-Verlag, 1986, ISBN 3-908007-13-1.
Weblinks
- motorsportretro.com diverse Rennen sowie Helmkamera von Read auf MV 500 (abgerufen am 29. September 2011)
- youtube.com Nürburgring 1976 (abgerufen am 29. September 2011)
Einzelnachweise
- ↑ MV Agusta Club.de (abgerufen am 28. September 2011)
- ↑ Rauch, S. 164
- ↑ Spahn: MV Agusta. 1986, S. 207
- ↑ Spahn: MV Agusta. 1986, S. 232 ff.
- ↑ Colombo, Patrignani: MV Agusta. 2000, S. 112.
- ↑ Spahn: MV Agusta. 1986, S. 236.
- ↑ Colombo, Patrignani: MV Agusta. 2000, S. 112
- ↑ Spahn: MV Agusta. 1986, S. 236.
- ↑ V. Rauch: Motorrad Weltmeisterschaft 1975. S. 143.
- ↑ Spahn: MV Agusta. 1986, S. 250
- ↑ Spahn: MV Agusta. 1986, S. 255.
- ↑ Colombo, Patrignani: MV Agusta. 2000, S. 113.