
Chemtrails sind gemäß einer Verschwörungstheorie Kondensstreifen, die neben kondensierten Flugzeugabgasen weitere, absichtlich zugesetzte Chemikalien enthalten sollen. Sie sollen sich von normalen Kondensstreifen vor allem durch ihre Langlebigkeit und flächige Ausbreitung unterscheiden.[1][2][3]
Die Existenz von Chemtrails wurde spätestens ab 1996 diskutiert.[4] Die erste Veröffentlichung zu Chemtrails im deutschsprachigen Raum erschien mit dem Artikel „Die Zerstörung des Himmels“ in der Zeitschrift Raum & Zeit vom Januar 2004. Informationen zu Chemtrails kursierten aber bereits einige Jahre vorher auf einigen esoterischen Webseiten und in Internet-Foren.[5][6]
Verschwörungstheorien
Inhalt
Der Begriff Chemtrail ist ein Kofferwort, zusammengesetzt aus der englischen Abkürzung Contrails für Kondensstreifen und Chemikalien.[7] Mit ihm werden in einer Verschwörungstheorie bestimmte, langlebige und teils in Gittern auftretende Kondensstreifen bezeichnet.[8] Es soll sich bei Chemtrails nicht um normale Kondensstreifen handeln, die aus Eiskristallen bestehen, sondern um Sprühspuren aus diversen chemischen Substanzen. Über die genaue Zusammensetzung dieser Stoffe besteht keine Einigkeit, oft nennen die Anhänger jedoch Barium und Aluminium. [1]
Kondensstreifen
Die Ausbreitungsform und -geschwindigkeit sowie die Beständigkeit der Kondensstreifen hängen von Faktoren wie Temperatur, lokaler Windgeschwindigkeit und Luftfeuchtigkeit ab. Bei geringer Luftfeuchtigkeit lösen sich Kondensstreifen rasch auf, bei hoher Luftfeuchtigkeit hingegen können Abgaspartikel als Kristallisationskeime wirken, weiteren Wasserdampf binden und sich bei entsprechenden Strömungen weit ausbreiten. In der Wetterkunde sind Kondensstreifen als eine Art künstliche Cirruswolken schon viel länger bekannt, als die angebliche organisierte Klimaänderung stattfindet. Kondensstreifen, die am Himmel stehen bleiben, sind der Wetterkunde zufolge Anzeichen für Wetteränderungen.[6][9] Beobachtbare Zunahmen in Häufigkeit und Ausbreitung von Kondensstreifen am Himmel hängen vor allem mit dem starken Wachstum des Flugverkehrs zusammen: Allein in Deutschland hat sich die Zahl der Beförderungsleistung durch Flüge seit den 1980er Jahren verfünffacht; bei über 2 Millionen Starts und Landungen pro Jahr[10] kommt es dementsprechend auch zur Entwicklung einer deutlich größeren Zahl an Kondensstreifen als früher. Diese künstliche Bildung von Wolken und deren Effekte werden wissenschaftlich untersucht; sie verändern die Sichtverhältnisse in der Atmosphäre und stellen auch eine ästhetische Veränderung des sichtbaren Himmels dar.[11]
Wissenschaftler halten das Ausbringen von Chemikalien in großer Höhe für unvorhersehbar und wenig sinnvoll. Weder ist die Wirksamkeit genau einzuschätzen noch ist abzusehen, wo die Chemikalien niederkommen, da sie durch Höhenwinde mehrere hundert Kilometer weit getragen werden können. Zudem sprechen die für globale Wirkung notwendigen Kosten gegen die Ausbringung chemischer Verbindungen.[6][12]
Theorien zur technischen Umsetzung
Zur technischen Umsetzung gibt es verschiedene, zum Teil widersprüchliche und technisch nicht schlüssige Erklärungen. Gemäß einer Variante werden die Chemikalien den Flugzeugtreibstoffen zugesetzt. Das würde eine Verbreitung von Polymeren, Mikroben oder pharmazeutisch wirksamen Substanzen, wie sie von einigen Verschwörungstheoretikern angenommen wird, ausschließen, da diese in den Brennkammern der Triebwerke zerstört werden würden.[2] Die Verbreitung reiner metallischer oder mineralischer Substanzen über diesen Weg würde hingegen zu hohem Verschleiß an den Turbinenschaufeln der Triebwerke führen.[2] Andere Vermutungen gehen von einer Verbreitung der Substanzen mittels in die Flugzeuge eingebauter Sprühvorrichtungen aus, die etwa am Boden hinter verschlossenen Klappen verborgen sein könnten.[2] Es könnten spezielle Sprühmaschinen mit eingewiesenem Personal sein oder die Substanzen würden automatisch, unbemerkt von den Piloten während des Fluges von normalen Linienmaschinen durch hohle Drähte an den Tragflächenkanten versprüht. Diese Drähte dienen eigentlich der Ableitung statischer Ladungen und besitzen einen Mittelleiter, der aber entfernt worden sein soll. Modifizierte Spannungsableiter und ebenso zusätzliche Klappen oder Sprühsysteme würden aber spätestens bei der Vorflugkontrolle durch uneingeweihtes Personal entdeckt und reklamiert werden.[2]
Klimamanipulation
Es wurde spekuliert, dass Substanzen versprüht würden um Geo-Engineering zu betreiben, d. h. eine Beeinflussung des Klimas zu erreichen.[3] Hierbei wird oft das so genannte Welsbach-Patent angeführt,[3][13] das die Möglichkeit der Verminderung des Treibhauseffekts mittels großflächiger Verteilung von Partikeln in der Atmosphäre beschreibt.
Einen gewissen Auftrieb erhalten derartige Verschwörungstheorien auch durch wissenschaftliche Vorschläge zum Stopp der Erderwärmung:[14] Der Chemienobelpreisträger Paul Crutzen möchte dies durch künstliche Verfrachtung von Schwefel in die Stratosphäre erreichen. 2010 wurde vom kanadischen Forscher David W. Keith (Universität Calgary) vorgeschlagen, anstatt der Schwefelverbindungen, aus Aluminium und Bariumtitanat bestehende Nanopartikel[15] zu verwenden.
Stellungnahmen von Politik und Nichtregierungsorganisationen
- Nach Aussagen des Deutschen Wetterdienstes weisen Beobachtungsdaten auf keinerlei Veränderungen von Kondensstreifen hin.[6]
- Das Umweltbundesamt merkt an, dass für ein Einbringen von Aluminiumverbindungen in die Atmosphäre keinerlei wissenschaftliche Belege vorliegen, räumt aber ein, dass im wissenschaftlichen Bereich verschiedene theoretische Vorstellungen existieren, zum Schutz des Klimas Stoffe in die Atmosphäre einzubringen.[6]
- Dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sind diese beschriebenen Phänomene nicht bekannt. Jahrelange Untersuchungen des Instituts für Physik der Atmosphäre ergaben keine Hinweise darauf.[6]
- Das Greenpeace Magazin bewertet die Spekulationen über Chemtrails in einem eigenen Artikel als Verschwörungstheorie.[16]
- Die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen weist darauf hin, dass die Behauptung im Artikel Die Zerstörung des Himmels der Zeitschrift Raum & Zeit,[5] nach der sie eine Risikoanalyse über sogenannte Chemtrails unternommen habe, falsch ist. Zudem liegen ihr über die Existenz von Chemtrails keinerlei Kenntnisse vor.[6]
- Die Chemtrails fanden 2001 in den Vereinigten Staaten auch in einer Gesetzesvorlage, dem Space Preservation Act, Erwähnung, die dem Kongress durch den Politiker Dennis Kucinich erstmals vorgelegt wurde.[17] Die Vorlage wurde abgelehnt, und Kucinich, der an der Ausarbeitung der Vorlage nicht direkt beteiligt war, äußerte später, dass er sich über die Erwähnung der Chemtrails nicht im Klaren war und er an diesem Thema nicht interessiert sei.[18]
- Im März 2007 wurde in Österreich von Nationalratsabgeordneten der FPÖ eine parlamentarische Anfrage an den damaligen Landwirtschaftsminister Josef Pröll (ÖVP) gestellt.[19] In der Beantwortung dieser Anfrage stellt das österreichische Landwirtschaftsministerium fest, dass die Thematik betreffend Chemtrails seit längerem bekannt sei und es derartige Vorgänge als überaus problematisch sehen würde. Im Jahr 2004 getätigte Untersuchungen hätten aber keinerlei Hinweise auf die Ausbringung derartiger Stoffe über Österreich ergeben.[20]
Cloudbuster
Es befinden sich verschiedene Vorrichtungen auf dem Markt wie so genannte Towerbuster (abgekürzt TB), Cloudbuster, Chembuster und Orgonit-Platten, die angeblich in der Lage sein sollen, Chemtrails aufzulösen. Die Wirksamkeit dieser Vorrichtungen ist nicht belegt und nicht wissenschaftlich nachvollziehbar.
Den Cloudbuster gibt es schon viel länger als die Chemtrail-Verschwörungstheorie. Er wurde in den Fünfziger Jahren von Wilhelm Reich erfunden, um angeblich das so genannte „tödliche Orgon“ (DOR, Deadly Orgone Radiation) aus der Atmosphäre zu entfernen und dadurch Dürren zu beenden sowie gegen die Desertifikation vorzugehen. Die bedeutendsten Cloudbuster-Operateure nach Wilhelm Reich sind James DeMeo sowie der inzwischen verstorbene Jerome Eden.
Die früheste Beschreibung des Cloudbusters stammt von Wilhelm Reich selbst.[21]
Andere Phänomene
Nicht mit den angeblichen Chemtrails verwechselt werden darf das so genannte Hagelfliegen zur Wetterbeeinflussung. Dabei wird von Kleinflugzeugen mit Spezialgeneratoren ein Gemisch aus Silberjodid und Aceton im Aufwindbereich von Gewitterwolken ausgebracht. Das führt zur Bildung winziger Eiskeime, es bilden sich keine großen Hagelschloße mehr, sondern kleine Eiskugeln, die oftmals sogar wieder schmelzen, bevor sie am Boden ankommen. Das ausgebrachte Silberjodid ist in der Umwelt nicht mehr nachweisbar.[22]
Literatur
Befürworter der Theorie
- Leonard G. Horowitz: Death in the Air: Globalism, Terrorism & Toxic Warfare (Sprache: englisch) Healthy World Dist, 2001, ISBN 0-923550-30-5
- William Thomas: Chemtrails Confirmed (Sprache: englisch) Bridger House Publishers, 2004, ISBN 1-893157-10-5,.
- Gerd Hohberger: Gefahr? Reichardt, Augsburg 2004, ISBN 3-939359-21-1.
- Christian Haderer: Chemtrails. Verschwörung am Himmel? Sammler, Graz 2005, ISBN 3-85365-213-1.
- Frank Hills: Chemische Kondensstreifen („Chemtrails“) über Deutschland. Schmid, Durach 2005, ISBN 3-938235-17-9.
- Jerry E. Smith: Weather Warfare: The Military's Plan to Draft Mother Nature (Sprache: englisch) Adventure Unlimited, 2006, ISBN 1-931882-60-6
Ablehner der Theorie
- Holm Hümmler: 'Chemtrails – Zwischen Meteorologie und Verschwörungstheorie.' In: Skeptiker Nr. 2, 2006, S. 48–55.
- Nigel James: 'Contrails'. In: Peter Knight: Conspiracy Theories in American History, Santa Barbara/Denver/Oxford 2003, 197-199.
Weblinks
- Jörg Kachelmann: 'Chemtrails gibt es nicht'
- Bruce A. Wielicki und andere: Changes in Earth’s Albedo Measured by Satellite. In: Science Ausgabe 308, 2005, S. 825
- Fotografische Widerlegung sogenannter Chemtrails
- Gefälschtes Bildmaterial
- Hintergrundwissen: Esoterik, Meteorologie, Historie, Chemie
Einzelnachweise
- ↑ a b Odenwald, Michael:"Wetterkapriolen: Manipulation „under cover“", Focus 17.06.2011
- ↑ a b c d e Kristina Peter: Chemtrails oder Kondensstreifen? In: Magazin 2000 Plus. 6, 2007, S. 24 ff
- ↑ a b c Christian Diebel: Chemtrails. In: Magazin 2000 Plus. 8, 2005, S. 18 ff
- ↑ 'Contrails Facts'. AFD-051013-001. Air Force. 13.10.2005. (PDF)
- ↑ a b Gabriel Stetter: Die Zerstörung des Himmels. In: Raum & Zeit. 127, 2004 (PDF)
- ↑ a b c d e f g Chemtrails – Gefährliche Experimente mit der Atmosphäre oder bloße Fiktion? Informationsschrift des Umweltbundesamtes über Chemtrails (PDF)
- ↑ Nigel James: 'Contrails'. In: Peter Knight: Conspiracy Theories in American History, Santa Barbara/Denver/Oxford 2003, 197-199.
- ↑ Schlatter, Thomas. "Weather Queries: Chemtrail Controversy", weatherwise.org 9.3.2001, [1]
- ↑ Aircraft Contrail Factsheet United States Environmental Protection Agency. September 2000
- ↑ Verkehrszahlen für das Jahr 2009 von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (PDF)
- ↑ Zunehmender Flugverkehr beeinträchtigt klare und kontrastreiche Sicht in der Atmosphäre, Umwelt- und Prognose-Institut e.V.
- ↑ Christopher Hodapp, Alice Von Kannon: Conspiracy Theories & Secret Societies For Dummies. Hoboken 2008. S. 50
- ↑ http://www.freepatentsonline.com/5003186.html
- ↑ patft.uspto.gov – Stratospheric Welsbach seeding for reduction of global warming Welsbach-Patent
- ↑ Keith, David W.: Photophoretic levitation of engineered aerosols for geoengineering, PNAS, veröffentlicht am 7. September 2010, abgerufen am 15. April 2011
- ↑ Marcel Keiffenheim: Ein Himmel voller Verschwörer. In: Greenpeace Magazin 5, 2004
- ↑ Space Preservation Act
- ↑ [2] Wörtlich „When I found out that was in there, I said, ‘Look, I’m not interested in going there.‘“
- ↑ FPÖ: Parlamentarische Anfrage Nr. 551/J betreffend Freisetzung von Chemikalien in der Atmosphäre zur Beeinflussung des Klimas
- ↑ Landwirtschaftsministerium Österreich: Beantwortung der parlament. Anfrage Nr. 551/J
- ↑ Wilhelm Reich: Der Krebs. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1997, ISBN 3-462-02378-0
- ↑ Bayerische Hagelflieger impfen Gewitterwolken. vero-online.de
Secret Societies For Dummies. Hoboken 2008. S. 50</ref>