Als Gewölbe bezeichnet man den im Querschnitt bogenförmigen, oberen Teil eines Raumes, der aus Steinen, Ziegeln oder in neuerer Zeit aus Beton gebildet wird. Das eigentliche Gewölbe ist dabei die aus keilförmigen Steinen zusammengesetzte Decke, die den teilweise oder ganz von Mauern umschlossenen Raum frei überspannt.
Grundkonstruktion
Lastverteilung
Im Gegensatz zur ungewölbten Balkendecke treten bei einem Gewölbe nur Druckspannungen auf und ermöglichen so, größere Räume ohne Unterstützung von Pfeilern oder anderen Hilfskonstruktionen zu überdachen.
Dabei wirkt das Gewicht des Gewölbes an seinen Auflageflächen nicht nur senkrecht nach unten wie bei einer Balkendecke, sondern auch nach außen. Bei einem Gewölbe, dass auf zwei parallelen Mauern aufsetzt, ergibt sich im Querschnitt ein parabelförmiger Kraftfluss, der am höchsten Punkt beginnt, die Mauerkronen schneidet und am Boden außerhalb der Mauern endet. Die tragenden Mauern des Raumes müssen also nicht nur dem Gewicht standhalten, sondern auch Kräften, die sie nach außen drücken.
Der Seitendruck wird von drei Faktoren beeinflusst: Er steigt mit der Höhe der Mauern, auf die das Gewölbe aufsetzt, mit der Höhe des Gesamtdrucks, den das Gewölbe ausübt (Gewicht) und schließlich steigt er umso mehr, je niedriger das Verhältnis von Höhe zu Breite des Gewölbequerschnitts liegt (je flacher das Gewölbe also ist).
Dem in dem Gewölbe entwickelten Seitendruck muss die Dicke in seinem höchsten Punkt entsprechen. Diese Dicke muss - dem vom Scheitel zum Auflagepunkt (der Mauerkrone) hin zunehmenden Gewölbedruck gemäß - bei weiter gespannten Gewölben ebenfalls zunehmen.
Die tragenden Mauern müssen so gebaut sein, dass sie dem jeweiligen Seitendruck, der aus den Proportionen des Raums, dem Gewicht und der Form des Gewölbes resultiert, standhalten können. Ein hoher Seitendruck kann durch Erhöhung der Mauerdicke oder durch Strebepfeiler in das Fundament abgeleitet werden. Eine weitere Möglichkeit bilden Zuganker, quer unter dem Gewölbe gespannte Metallstangen, die auf der Außenseite der Mauern verankert sind. Sie werden vorwiegend nachträglich zur Sicherung von Gebäuden verwendet, deren tragende Mauern dem Seitendruck nicht dauerhaft standhalten.
Gewölbeformen
Querschnitte
Der Bogen, der vom Innenraum des Gewölbequerschnitts (der Leibung) aus sichtbar ist, wird innere Wölblinie genannt.
Bei Halbkreisgewölben bildet die innere Wölblinie einen Halbkreis.
Bei den flacheren Segment- oder Stichbogengewölben bildet sie weniger als einen Halbkreis, also ein Kreissegment von weniger als 180 Grad.
Bei Korbbogengewölben besteht das Gewölbe aus mehreren zusammengesetzten Kreissegmenten mit kleinerem Radius als dem des Gewölbes als Ganzem (ähnlich dem Rand einer Blüte oder dem eines Fallschirms).
Bei Spitzbogengewölben stoßen Gewölbeschenkel mit größerem Radius als der Hälfte der Gewölbebreite so aufeinander, dass am Scheitel ein spitzer Winkel entsteht.
Bei elliptischen Gewölben bildet die Wölblinie eine Parabel oder eine halbe Ellipse.
Bei scheitrechten Gewölben sind die Schenkel gerade und stoßen im Scheitel in spitzem Winkel aufeinander.
Bei Klinoidengewölben, die im Brückenbau Verwendung finden, wird der Druck gerade, in der Regel horizontal verteilt.
Gewölbe mit ungleichen Gewölbeschenkeln nennt man unsymmetrisch, solche mit nur einem Schenkel einhüftig.
Tonnengewölbe
Hat ein Gewölbe zwei gleich hohe parallele Widerlager, so nennt man es Tonnengewölbe, unabhängig von der Wölblinie. Bei rundbogigem Querschnitt spricht man von Rundtonne, bei spitzbogigem Querschnitt von Spitztonne. Ein Tonnengewölbe ist gerade, wenn es einen rechteckigen Grundriss hat, schief, wenn er parallelogramm- oder paralleltrapezförmig ist.
Denkt man sich ein Tonnengewölbe von zwei sich kreuzenden Diagonalen (auf den Grundriss bezogen) unterteilt, heißen die dreieckigen Segmente von den Widerlagern zum Scheitel Wangen oder Walme, die beiden anderen von den Schilden zum Scheitelpunkt Kappen. Die auf die Leibung projizierten Diagonalen, die Wangen und Kappen trennen, werden Gratbogen genannt.
Diese Segmente sind die Bausteine für kompliziertere Gewölbeformen, bei denen sich zwei oder mehr "gedachte" Gewölbe durchdringen. Ein Tonnengewölbe, das ein Hauptgewölbe senkrecht schneidet, bildet im Schnittbereich eine Stichkappe.
Klostergewölbe
Beim Klostergewölbe werden die beiden Kappen eines Tonnengewölbes durch zwei Wangen mit gleichem Gratbogen ersetzt, es hat also einen Scheitelpunkt, vier Mauern als Widerlager und vier innen vertiefte Grate.
Kuppeln lassen sich als Sonderform des Klostergewölbes mit vieleckigem, kreisförmigem oder ovalem Grundriss betrachten - sie haben ebenfalls nur einen Scheitelpunkt und den ganzen Umfang ihres Grundrisses als Widerlager.
Muldengewölbe
Schließt man die Enden eines Tonnengewölbes durch zwei halbe, ihm entsprechende Klostergewölbe ab, wird es zum Muldengewölbe.
Spiegelgewölbe
Ein Spiegelgewölbe ist ein Muldengewölbe, das unterhalb seiner Scheitellinie durch eine wagerechte Ebene beschnitten, dessen Scheitellinie also durch eine waagerechte Fläche ersetzt wurde - eine besonders für die Plafondmalerei geeignete Form.
Kreuzgewölbe
Werden genau umgekehrt zum Klostergewölbe die beiden Wangen eines Tonnengewölbes durch zwei Kappen mit gleichem Gratbogen ersetzt, entsteht ein Kreuzgewölbe mit vier Graten, vier Schilden und vier Widerlagerpunkten in den Ecken.
- Kreuzgratgewölbe nennt man einfache Kreuzgewölben ohne verstärkende Rippen.
- Ein Beispiel dafür sind die spätgotischen Zellengewölbe des Baumeisters der Albrechtsburg von Meißen, Arnold von Westfalen, (vgl. Abbildung).
- Kreuzrippengewölbe sind Kreuzgewölbe, deren Grate durch unterstützende Bögen verstärkt sind. Diese nennt man Kreuzrippen. Das Gewölbesystem wird durch Diagonalrippen gebildet, die entlang der Grate angeordnet sind. Ist dieses Gewölbe in der Querrichtung durch ein vom Kämpfer zur Außenwand gehendes Rippenpaar unterteilt, spricht man von einem sechsteiligen Gewölbe. Liegt auch in Längsrichtung eine Scheitelrippe, entsteht ein achtteiliges Gewölbe. Kreuzrippengewölbe können auch durch weitere Rippen unterstützt werden, sodass Rippenfächer, Rippensterne, Rippennetze oder andere Muster entstehen können. Dann werden die Gewölbe auch entsprechend bezeichnet (Fächergewölbe, Sterngewölbe, Netzgewölbe, Schlingrippengewölbe u.a.)
-
Kreuzgewölbe
-
Zellengewölbe
-
Schlingrippengewölbe
-
Netzgewölbe
siehe auch:
- Kreuzrippengewölbe: [1], [2] - sechsteiliges Gewölbe: [3] - achtteiliges Gewölbe: [4]
Sterngewölbe
Das Sterngewölbe ist ein Kreuzgewölbe, über dem die einzelnen im Grundriss dreieckigen Gewölbeflächen nach demselben Prinzip nochmals überwölbt werden. Wird über einem solchen dreieckigen Gewölbefeld ein Scheitelpunkt angenommen und werden aus den drei Eckpunkten Grate zweiter Ordnung nach dem Scheitelpunkt geführt, entsteht ein weiteres Kreuzgewölbe. So bildet sich die Sternform der Grate, die ihm den Namen gegeben hat. Durch reichere Kombinationen der Gewölberippen entstanden die Netzgewölbe.
Fächergewölbe
Denkt man sich die vier Grate eines Kreuzgewölbes um vier durch ihre Widerlagspunkte gefällte Lotrechte gedreht, entstehen vier kelchartige Gewölbeflächen, die einen in vier Spitzen auslaufenden Zwischenraum offen lassen. Werden nach diesen vier Flächen Gewölbe ausgeführt und der Zwischenraum durch ein scheitrechtes Gewölbe geschlossen, entsteht ein Fächer- oder Trichtergewölbe.
Gewölbebau
Da Gewölbe erst in sich stabil werden, wenn der Schlussstein bzw. die Schlusssteine gesetzt sind, müssen sie über Lehrgerüsten, die die innere Leibung von unten her festlegen, aufgemauert werden. Nach Setzen der Schlusssteine können sie entfernt werden.
Gewölbe wurden vorwiegend in Haustein, Backstein oder Bruchstein, seltener in Gussmörtel ausgeführt. Besonders leichte Gewölbe stellte man aus Tuffstein oder hohlem, gebranntem, Topfstein her (Tuffgewölbe, Topfgewölbe).
In neuerer Zeit, vor allem seit den 1920er Jahren, wird auch dünnschaliger Stahlbeton als stabiles Baumaterial für Gewölbe verwendet. Dieses Material ermöglicht es, weitgespannte Überdeckungen zu erreichen.
Geschichte
Kraggewölbe, auch falsche Gewölbe genannt, sind seit dem 14. Jahrhundert vor Chr. aus Mykene belegt. Die echte Gewölbekonstruktion mit radial gefügten Steinen war schon den Ägyptern und Assyrern bekannt und wurde von den Etruskern in die Baupraxis des Abendlandes eingeführt. Vor allem die Römer haben den Gewölbebau weiterentwickelt und Tonnen-, Kreuz- und Kuppelgewölbe gebaut. Die höchste Ausbildung erfuhren die Kreuzgewölbe in der gotischen Architektur und die Kuppelgewölbe in der altchristlichen Baukunst und wieder in der Renaissance.
Literatur
- J. Eich: Die Gewölbe, ihr Wesen, ihre Gestalt und ihr Bau, Teil 1: Gewölbeformen. Strelitz 1921.
- W. Suida: Statik der Bogen und Gewölbe. Karlsruhe 1954.